BT-Drucksache 17/7252

Hilfe für Opfer von Minen, Streumunition und anderen explosiven Kriegshinterlassenschaften

Vom 30. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7252
17. Wahlperiode 30. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Malczak, Tom Koenigs, Thilo Hoppe,
Marieluise Beck (Bremen), Omid Nouripour, Katja Keul, Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln),
Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hilfe für Opfer von Minen, Streumunition und anderen explosiven
Kriegshinterlassenschaften

Nach dem Verbot von Antipersonenminen durch das Ottawa-Übereinkommen
von 1997 und das Übereinkommen zum Verbot von Streumunition von 2008
gelten diese Waffengattungen als international geächtet. Die Vertragsstaaten
haben sich darauf geeinigt, den Einsatz, die Herstellung, Lagerung, Entwicklung
und Weitergabe sowohl von Antipersonenminen als auch von Streumunition zu
unterlassen sowie ihre Bestände zu vernichten.

Doch noch immer fordern diese Waffen neue, überwiegend zivile Opfer, da sie
als explosive Kriegshinterlassenschaften im Boden verbleiben und somit eine
unsichtbare Gefahr für die Bewohnerinnen und Bewohner ganzer Landstriche
darstellen.

Die Räumung dieser Kriegshinterlassenschaften ist dringend notwendig, damit
weniger Menschen durch einen Kontakt mit einer Mine oder Streumunition ge-
tötet oder verstümmelt werden. Denjenigen Menschen jedoch, denen ein solches
Schicksal widerfahren ist oder die zu den Angehörigen eines von Minen oder
Streumunition betroffenen Menschen gehören, muss eine ganzheitliche Opfer-
fürsorge zuteil werden, die neben physischer auch psychische Rehabilitation
und gesellschaftliche Inklusion beinhalten muss.

Auf der zweiten Überprüfungskonferenz des Ottawa-Abkommens in Cartagena
2009 hat die Bundesregierung deutlich gemacht, ihr Engagement in der Opfer-
hilfe erhöhen zu wollen. Da eine sinnvolle Unterscheidung zwischen Opfern von
Antipersonenminen, Streumunition oder anderen explosiven Hinterlassenschaf-
ten gewaltsamer Konflikte sowie Menschen mit anders verursachten Behin-
derungen nicht möglich ist, müssen Opferhilfsprogramme sowohl im Rahmen
des Ottawa-Übereinkommens als auch des Übereinkommens zum Verbot von
Streumunition und des Geänderten Protokolls II des Waffenübereinkommens
der Vereinten Nationen gleichermaßen wirken und in übergeordnete Programme

für Menschen mit Behinderung integriert sein. Zudem muss Aufklärungs- und
Dokumentationsarbeit darüber geleistet werden, wo wie viele explosive Kriegs-
hinterlassenschaften bislang noch unentdeckt lagern und geräumt werden müs-
sen, um zukünftige Opfer zu vermeiden.

Drucksache 17/7252 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie gestaltet sich die deutsche Strategie zur Finanzierung von Opferhilfe in
Bezug auf das Übereinkommen zum Verbot von Antipersonenminen und
auf das Übereinkommen zum Verbot von Streumunition?

2. Welche finanziellen Mittel in welcher Höhe werden im Rahmen welcher
Programme für welche Art von Hilfsleistungen für Opfer von explosiven
Kriegshinterlassenschaften aufgewendet?

3. In welcher Höhe werden finanzielle Mittel für die Räumung und Vernich-
tung von Beständen von Antipersonenminen und Streumunition, die Risi-
koaufklärung, Opferhilfe und Universalisierung des Übereinkommens zum
Verbot von Antipersonenminen und des Übereinkommens zum Verbot von
Streumunition aufgewendet (bitte einzeln aufschlüsseln)?

4. Werden die in Frage 3 benannten fünf Säulen der Minenaktionsprogramme,
denen nach Aussage eines Sprechers des Auswärtigen Amts auf der Berli-
ner Konferenz zu Opferhilfe im Jahr 2009 zufolge gleicher Rang zukommt,
gleichermaßen finanziert?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung eine unterschiedliche Ge-
wichtung in der Finanzierung der Säulen?

5. Welche finanziellen und sonstigen Leistungen für Opfer erbringen das Aus-
wärtige Amt, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung und das Bundesministerium der Verteidigung (bitte nach
Bundesministerien aufschlüsseln)?

6. In welche übergreifenden Projekte im Rahmen der Entwicklungszusam-
menarbeit ist Opferhilfe mit welchem finanziellen Anteil integriert (bitte
prozentual aufschlüsseln)?

7. Werden darüber hinaus weitere Mittel aufgewendet?
Wenn ja, aus welchem Haushaltseinzelplan in welcher Höhe und zu wel-
chem Zweck?

8. Welche Länder erhalten mit Priorität Unterstützung von Deutschland in
Bezug auf Opferhilfe, und wie begründet die Bundesregierung eine solche
Priorisierung?

9. Welche spezifischen Maßnahmen sind ergriffen worden, um die Umsetzung
der Aktionspläne von Vientiane und Cartagena zu unterstützen?

10. In welchen Bereichen der Opferhilfe hat Deutschland spezifische Expertise
bereitgestellt (z. B. im Bereich der Herstellung von Prothesen)?

11. Leistet die Bundesregierung auch Unterstützung speziell für Angehörige
und Gemeinschaften von Opfern von Landminen, Streumunition und explo-
siven Kriegshinterlassenschaften?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

12. Welche Auswirkungen hatte die Zusammenlegung der Durchführungs-
organisationen der deutschen technischen Entwicklungszusammenarbeit
Internationale Weiterbildung und Entwicklung (Inwent), Deutscher Ent-
wicklungsdienst (DED) und Deutsche Gesellschaft für Technische Zusam-
menarbeit (GTZ) zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
auf Projekte und Umfang der Hilfe für Opfer von Antipersonenminen,
Streumunition und explosiven Kriegshinterlassenschaften?

13. Inwiefern bezieht die Bundesregierung bei humanitären Räumungsaktivi-

täten und Entwicklungsvorhaben die Interessen der betroffenen Opfer von
explosiven Kriegshinterlassenschaften mit ein?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7252

14. In welchen Projekten folgt die Bundesregierung dem sogenannten zweiglei-
sigen Ansatz zur Inklusion von Menschen mit Behinderung, und wie sind
die zusammenhängenden Maßnahmen von spezifischer Befähigung einer-
seits und allgemeiner Unterstützungsleistungen andererseits im Einzelnen
ausgestaltet?
Wie bewertet die Bundesregierung diesen Ansatz?

15. Welche Synergieeffekte werden aus der Umsetzung der Konvention zum
Verbot von Antipersonenminen, der Konvention zum Verbot von Streumu-
nition, des Geänderten Protokolls II des Waffenübereinkommens der Ver-
einten Nationen sowie der Umsetzung der Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderung gezogen, und wie stellen sie sich dar?

16. Stellt die Bundesregierung sicher, dass in Projekten zur Opferhilfe nicht
zwischen verschiedenen Verletzungs- und Behinderungsursachen unter-
schieden wird?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, mit welcher Begründung verzichtet sie darauf?

17. Nutzt die Bundesregierung die Bestimmungen über Opferhilfe der Konven-
tion zum Verbot von Streumunition dazu, Aufmerksamkeit auf den Bereich
Behinderung insgesamt zu lenken?
Wenn ja, wie, in welchem Umfang und gegenüber welchen Adressaten?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Position diesbezüg-
lich?

18. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um das Problem der de-
fizitären Datenlage zur Menge an explosiven Kriegshinterlassenschaften
sowie darauf zurückzuführende Unfälle zu beheben?

19. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um bislang nicht doku-
mentierte Gebiete, in denen explosive Kriegshinterlassenschaften lagern,
aufzufinden und zu dokumentieren?

a) Findet diesbezüglich ein Austausch mit und zwischen den Organisatio-
nen North Atlantic Treaty Organization (NATO), Europäische Union
(EU), Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) und den Vereinten Nationen (VN) statt?
Wenn ja, welche Informationen sind bisher mit welchen Organisationen
ausgetauscht und zu welchen Zwecken verwendet worden?
Wenn nein, weshalb nicht?

b) Findet diesbezüglich ein Austausch auf bi- oder multilateraler Ebene
zwischen der Bundesregierung und anderen Regierungen statt?
Wenn ja, welche Informationen sind bisher mit welchen Regierungen
ausgetauscht und zu welchen Zwecken verwendet worden?
Wenn nein, weshalb nicht?

20. Welche Herausforderungen stellten sich der Bundesrepublik Deutschland in
den vergangenen Jahren bei der internationalen Zusammenarbeit und Hilfe-
stellung bezüglich der Umsetzungen der Bestimmungen zu Opferhilfe nach
dem Übereinkommen zum Verbot von Streumunition?
Welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um diese Herausforderungen zu
begegnen?

21. Welchen Effekt hat die in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 9 der
Kleinen Anfrage „Umsetzung der Konvention gegen Streumunition“ (Bun-
destagsdrucksache 17/3185) genannte Demarchenaktion seitens der Bun-

desregierung auf die Universalisierung des Übereinkommens zum Verbot
von Streumunition gehabt?

Drucksache 17/7252 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Welche Länder waren von der Demarchenaktion betroffen?

b) Wie haben die jeweiligen Länder hierauf reagiert?

c) Welche Bemühungen ergreift die Bundesregierung darüber hinaus, um
Staaten, die nicht Vertragsstaaten sind, davon zu überzeugen, das Über-
einkommen zu unterzeichnen?

22. Welche weiteren Schritte unternimmt die Bundesregierung, um zukünftige
Opfer von explosiven Kriegshinterlassenschaften, Streumunition und Mi-
nen zu verhindern?

23. Auf welcher Grundlage überprüft die Bundesregierung Munitionstypen und
Waffensysteme auf die Möglichkeit, zivile Opfer möglichst zu vermeiden
(hier bitte insbesondere auf die Prüfung der sogenannten Punktzielmunition
eingehen)?

a) Welche Stelle ist für die Munitionsüberwachung zuständig?

b) Führt die Bundeswehr selbst die Überprüfung der Komponente einer
Munition oder eines Waffensystems sowie Schießübungen durch?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, woher werden die zur Überprüfung notwendigen Daten be-
zogen?

c) Welche Kriterien liegen der in der Antwort der Bundesregierung zu den
Fragen 14 bis 20 der Kleinen Anfrage „Umsetzung der Konvention gegen
Streumunition“ (Bundestagsdrucksache 17/3185) genannten Zertifizie-
rung der Objektivität der Methoden der Munitionsüberwachung im Rah-
men einer europäischen Norm zur Sicherung des Qualitätsmanagements
zugrunde?

d) Welche Bedeutung wird in diesem Zusammenhang den Angaben der
jeweiligen Hersteller beigemessen?

e) Wie prüft die Bundesregierung im Beschaffungsgang die Einhaltung der
vorgegebenen Spezifikationen von Punktzielmunition?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen von Investitionen in
Unternehmen, die Streumunition produzieren, auf die Durchsetzung des
Verbotes von Streumunition?

25. Wie begründet sie in diesem Zusammenhang den Verzicht auf eine gesetz-
liche Regelung zum Verbot von Investitionen in diese Waffen?

Berlin, den 30. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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