BT-Drucksache 17/725

Wiederaufbau und Entwicklung im deutschen Afghanistan-Konzept der Bundesregierung nach der Londoner Konferenz

Vom 15. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/725
17. Wahlperiode 15. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Omid Nouripour, Agnes Malczak, Hans-Christian
Ströbele, Katja Keul, Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Jerzy
Montag, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wiederaufbau und Entwicklung im deutschen Afghanistan-Konzept
der Bundesregierung nach der Londoner Konferenz

Die Bundesregierung hat im Vorfeld der Londoner Afghanistan-Konferenz
Ende Januar 2010 ihr Konzept „Auf dem Weg zur Übergabe in Verantwortung:
Das deutsche Afghanistan-Engagement nach der Londoner Konferenz“ vorge-
legt. Auf der Londoner Konferenz selber wurde das Communiqué „Afghan
Leadership, Regional Cooperation, International Partnership“ beschlossen, dem
auch Deutschland zugestimmt hat.

Eine Erhöhung der finanziellen Mittel für den zivilen Aufbau in Afghanistan
wird in beiden Dokumenten angekündigt. Im Afghanistan-Konzept der Bun-
desregierung wird angestrebt, die jährlichen Mittel für den zivilen Aufbau zu
erhöhen und bis 2013 zu verstetigen. Damit reagiert die Bundesregierung auf
die seit langem hierzu im Bundestag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN erhobenen Forderungen.

Die Bundesregierung stellt eine „Entwicklungsoffensive“ für Nord-Afghanis-
tan in den fünf Provinzen Kunduz, Takhar, Badakshan, Baghlan und Balkh in
Aussicht. Ziel ist, eine höhere „Wirksamkeit in der Fläche zu erzielen“.

Jenseits dieser Ankündigungen bleiben viele Fragen offen, die die konkrete
Umsetzung, die daraus folgenden Wegmarken sowie die zu erwartende Wirk-
samkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen betreffen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie plant die Bundesregierung, die angekündigten zusätzlichen Mittel in
2009 und 2010 zu verausgaben (bitte nach Haushaltstiteln und Projekten
aufschlüsseln)?

2. Wie hoch ist der Anteil der zusätzlichen Mittel für die bilaterale staatliche

Entwicklungszusammenarbeit (bitte nach Organisationen aufschlüsseln)?

3. Wie hoch ist der Anteil der zusätzlichen Mittel für multilaterale Organisatio-
nen und/oder Fonds (bitte nach Organisationen bzw. Fonds aufschlüsseln)?

4. Wie hoch ist der Anteil der zusätzlichen Mittel für Nichtregierungsorganisa-
tionen (bitte nach Organisationen aufschlüsseln)?

Drucksache 17/725 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Inwiefern fand eine Evaluierung der bisherigen Projekte, ihrer Ausgaben
und ihres Nutzens für den zivilen Wiederaufbau durch die Bundesregie-
rung statt, mit welchem Ergebnis, und worin sieht die Bundesregierung
noch Verbesserungsbedarf?

Welche Faktoren werden dabei zur Messung methodisch verwendet?

6. Über welchen Zeitraum fördert und unterstützt die Bundesregierung durch-
schnittlich die entwicklungspolitischen Projekte (bitte nach Projekten/
Organisationen aufschlüsseln)?

7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Erhöhung der Mittel
„schneller und direkter bei den Menschen vor Ort ankommt“?

8. Wie hoch ist die finanzielle Erhöhung der militärischen Mittel im Vergleich
zu den Mitteln für den zivilen Aufbau angesetzt?

Wie ist diese mit dem angekündigten Strategiewechsel hin zu mehr zivilem
Aufbau vereinbar, und wie bewertet dies die Bundesregierung?

9. Mit welchen „traditionellen Repräsentanten“ möchte die Bundesregierung
zusammenarbeiten, um die Hilfe gezielter wirken zu lassen?

10. Welche Programme zur ländlichen Entwicklung sollen in welchem Um-
fang gestärkt werden?

Wie gedenkt die Bundesregierung angesichts der Trockenheit bzw. des zu
milden Winters und der daraus resultierenden drohenden Ernteausfälle in
diesem Jahr die Bevölkerung im ländlichen Raum zu unterstützen?

11. Welche zusätzlichen Straßen und Brücken sollen mit den Mitteln gebaut
werden?

Wird daraus die seit acht Jahren geforderte und von der Bundesregierung
schon lange zugesagte Brücke nahe Kunduz gebaut werden?

Welche Projekte im Energie- und Wassersektor sollen umgesetzt werden?

12. Ist der Bau der dringend benötigten Abwasserkanalisation in Kabul ge-
plant?

Wenn ja, mit welchem Finanzeinsatz und mit welcher Terminierung für den
Baubeginn und die Fertigstellung?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wie viele Schulen wurden im Auftrag der Bundesregierung bzw. der staat-
lichen Entwicklungsorganisationen seit 2001 gebaut?

Wie viele werden heute noch als solche genutzt?

Wie viele wurden von den Taliban bzw. Aufständischen bisher zerstört?

Inwieweit kann die Bundesregierung die afghanische Regierung darin un-
terstützen, dass in Zukunft nicht mehr 60 Prozent der Schülerinnen und
Schüler ohne einen (berufsqualifizierenden) Abschluss die Schule verlas-
sen?

14. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung, um eine bessere Ausbil-
dung von Lehrerinnen und Lehrern in Afghanistan zu gewährleisten und
sicherzustellen?

Wie viele Lehrerinnen und Lehrer dieser Schulen haben 2009 wie lange
kein Gehalt bekommen, so dass sie ihren Lebensunterhalt durch andere
Tätigkeiten bestreiten mussten, und welcher Unterrichtsausfall war deshalb
die Folge?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/725

15. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung, um weiteren 500 000 Schüle-
rinnen und Schülern Zugang zum Lehrunterricht zu ermöglichen?

16. Stellt die Bundesregierung die Ausstattung der Schulen dabei mit Unter-
richts- und Lehrmaterialien sicher?

Wenn ja, in welchem Umfang?

Wenn nicht, aus welchen Gründen?

17. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die zusätzlichen Mittel des zivi-
len Aufbaus nicht zweckentfremdend verwendet werden?

18. Welche sogenannten Quick Impact-Projekte sollen im Jahr 2010 realisiert
werden?

19. Hat die Bundesregierung ihre neuen Planungen für ihre „Entwicklungs-
offensive“ im „Joint Coordination and Monitoring Board“ (JCMB) mit an-
deren Gebern abgestimmt?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

20. Hat die Bundesregierung ihre neuen Planungen für eine „Entwicklungs-
offensive“ innerhalb der Europäischen Union abgestimmt?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

21. Hat die Bundesregierung ihre neuen Planungen für ihre „Entwicklungs-
offensive“ mit der Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan
(UNAMA) abgestimmt?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

22. Hat die Bundesregierung ihre neuen Planungen für ihre „Entwicklungs-
offensive“ mit anderen multilateralen Organisationen, wie zum Beispiel
der Weltbank, abgestimmt?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

23. Hat die Bundesregierung ihre neuen Planungen für ihre „Entwicklungs-
offensive“ mit der ISAF-Abteilung „Stability Division“ abgestimmt?

Wenn ja, warum?

Wie bewertet die Bundesregierung die Existenz dieser Abteilung?

24. Welche Projekte zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit in Afghanis-
tan plant die Bundesregierung in welchem Umfang mit den in Aussicht ge-
stellten zusätzlichen Mitteln?

25. Inwiefern werden Fragen der Geschlechtergerechtigkeit als Querschnitts-
aufgabe in die Strategie des zivilen Aufbaus eingearbeitet?

26. Werden Projekte zum Aufbau und zur Unterstützung der afghanischen
Zivilgesellschaft und auch in den ländlichen Gebieten zur Förderung von
„Good Governance“ finanziert?

Wenn ja, welche, und wie viel Geld bekommen diese?

Für welchen Zeitraum werden die Projekte ggf. gefördert bzw. durchge-
führt?

27. Wie stellt die Bundesregierung eine Einbeziehung bzw. Nähe zu der loka-
len Bevölkerung bei der Projektplanung sicher?

28. Wie ermittelt die Bundesregierung bei der Mittelvergabe die Absorptions-
fähigkeit der afghanischen Partner?

Drucksache 17/725 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Wie plant die Bundesregierung die in London beschlossene Zielvorgabe zu
erfüllen, dass 50 Prozent ihrer Gelder über die afghanische Regierung ver-
ausgabt werden sollen?

30. Wird die Bundesregierung der afghanischen Regierung die zusätzlichen
Mittel für den zivilen Aufbau auch über das Instrument der Budgethilfe zur
Verfügung stellen?

31. Wie bewertet die Bundesregierung Forderungen des Bundesministers für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, künftig
finanzielle Zusagen an Hilfsorganisationen in Afghanistan an die Bereit-
schaft zur Kooperation mit der Bundeswehr zu knüpfen?

32. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um eine Ver-
knüpfung finanzieller Zusagen für in Afghanistan tätige Hilfsorganisatio-
nen an die Bereitschaft der Kooperation mit der Bundeswehr herzustellen?

33. Welche konkreten Erwartungen hat die Bundesregierung an in Afghanistan
tätige Hilfsorganisationen, um deren Zusammenarbeit mit der Bundeswehr
in Afghanistan zu intensivieren?

34. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um eine ver-
stärkte Kooperation von in Afghanistan tätigen deutschen Hilfsorganisatio-
nen mit der Bundeswehr zu fördern?

35. Von welchen konkreten Beiträgen zur Kooperation mit der Bundeswehr
will die Bundesregierung künftig finanzielle Zusagen für Hilfsorganisatio-
nen in Afghanistan abhängig machen, und wie reagiert die Bundesregie-
rung auf die Sorge von Nichtregierungsorganisationen, dass eine verstärkt
wahrgenommene Verbindung zum Militär die Helfer in Lebensgefahr
bringt?

Berlin, den 15. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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