BT-Drucksache 17/722

Trinkwasser- und Umweltverschmutzung in den bewohnten Gegenden der Ölfelder von Thar Jath im Südsudan

Vom 15. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/722
17. Wahlperiode 15. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Ute Koczy, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Katja Keul, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Jerzy Montag,
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Trinkwasser- und Umweltverschmutzung in den bewohnten Gegenden
der Ölfelder von Thar Jath im Südsudan

Mit der Unterzeichnung des Umfassenden Friedensabkommens (CPA) 2005
endete im Sudan einer der langjährigsten und blutigsten Kriege in Afrika.
Deutschland hat beim Abschluss des CPA als eine der Garantiemächte Verant-
wortung für die Umsetzung des CPA übernommen. Das CPA soll dauerhaften
Frieden bringen durch die Verwirklichung von Demokratie, die Achtung der
Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts sowie durch eine gerechte
Aufteilung der Erdöleinnahmen. Hierzu sollen im April 2010 die ersten plura-
listischen Wahlen seit 22 Jahren und im Januar 2011 ein Referendum über die
Unabhängigkeit des Südsudan abgehalten werden. Aktuelle Umweltverschmut-
zungen im Südsudan durch internationale Ölkonsortien bedrohen Menschen
und Umwelt. Experten halten hierdurch das Ziel, dauerhaften Frieden und Sta-
bilität im Sudan zu erreichen, für gefährdet.

In den bewohnten Gegenden der südsudanesischen Ölfelder von Thar Jath
(Unity State, Bentiu) klagt die Bevölkerung nach Berichten (u. a. Berliner Zei-
tung vom 7. Januar 2010) seit längerer Zeit über ungenießbares Trinkwasser,
das krank machen würde. Die Menschenrechts- und Hilfsorganisation Hoff-
nungszeichen e. V. hat deshalb zwischen Februar und November 2008 und im
April 2009 die Trinkwasserqualität in dem betroffenen Gebiet in mehreren
Dörfern untersucht. Mitarbeiter der Organisation haben vor Ort Proben ent-
nommen und durch unabhängige zertifizierte Labors analysieren lassen. Aus
den Labor-Ergebnissen geht hervor, dass zahlreiche Trinkwasserwerte weder
den Sudanese Drinking Water Standard der Sudanese Standards and Metrology
Organization von 2002 noch die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation er-
füllen. Das Grundwasser ist durch stark salzhaltiges Wasser und Chemikalien,
die Schwermetalle wie Chrom, Blei, Nickel oder Arsen enthalten, verunreinigt.
Die analysierten Stoffe entsprechen denen, die Ölfirmen bei der Ölförderung
und Bohrprozessen verwenden. Nach Angaben von Hoffnungszeichen e. V.

entsorgt das verantwortliche Ölkonsortium White Nile Petroleum Operating
Company (WNPOC) das salzhaltige Prozesswasser und die Chemikalien un-
sachgemäß. Die Stoffe werden in ungeschützte, teils offen zugängliche Bohrbe-
cken geleitet, versickern im Erdreich und kontaminieren das Grundwasser. Die
Praxis der WNPOC widerspricht internationalen Standards der Ölförderung
bezüglich des Gesundheits- und Umweltschutzes. Mensch und Umwelt sind

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betroffen. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser von 300 000 Menschen ist
gefährdet. Das Wasser vieler Brunnen ist nicht mehr trinkbar. Gemeindevertre-
ter geben an, dass bereits 27 Erwachsene und drei Kinder durch Trinken des
kontaminierten Wassers gestorben sind und an die 1 000 krank wurden. Viele
Menschen trinken aus Angst Regenwasser aus den Sümpfen und bekommen
Durchfall oder sogar Cholera. Nutztiere sind ebenfalls aufgrund des vergifteten
Wassers verendet. Die Kontaminierung gefährdet auch die angrenzenden Nil-
Sümpfe, den Sudd, ein Schutzgebiet, das der sogenannten Ramsar-Convention
zum ökologischen Schutz von Feuchtbiotopen von 1971 untersteht.

Die ortsansässige Bevölkerung ist wehr- und arglos. Der apostolische Adminis-
trator der Diözese Malakal, Roko Taban Mousa beklagt: „Statt dass wir von den
Bodenschätzen profitieren, wird jetzt auch noch unser Wasser verschmutzt“.
Der Direktor der Gesundheitsbehörde der Unity Provinz Peter Majuoy Guf
klagt, dass seine Behörde nicht die technologischen Mittel habe, um der Ver-
seuchung nachzugehen und dass das verantwortliche Ölkonsortium WNPOC
keine Informationen herausgeben würde. WNPOC weist alle Vorwürfe zurück,
verweist auf ein erstes neues Klärbecken, dessen Funktionsfähigkeit allerdings
von Hoffnungszeichen e. V. wegen offensichtlicher Baumängel in Frage ge-
stellt wird.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat sich bereits mit einer
entsprechenden Erklärung von Hoffnungszeichen e. V. befasst (A/HRC/12/
NGO/1 4 September 2009, Twelfth Session Agenda item 4). Beobachter fürch-
ten, dass bei einer fortschreitenden Umweltzerstörung wie in Thar Jath eine
weitere Destabilisierung des Südsudan drohe, weil gewalttätige Konflikte sich
immer wieder auch an Fragen um den Zugang zu sauberem Wasser und guten
Weideplätzen entzündet hätten. Aufstände, ein „Umweltkrieg“ und Menschen-
rechtsverbrechen wie im Niger-Delta könnten drohen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der Trinkwas-
serverunreinigungen und Umweltschäden in den bewohnten Gegenden der
Ölfelder von Thar Jath im Südsudan vor?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine gesicherte Basisversor-
gung wie die Trinkwasserversorgung und ein nachhaltiger Umweltschutz für
ein menschenwürdiges Leben und für Frieden und Stabilität im Südsudan
und in der Region von zentraler Bedeutung sind, nicht zuletzt mit Blick auf
eine mögliche Unabhängigkeit des Südsudan nach dem Referendum im
Januar 2011?

Wenn nein, warum nicht?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass jetzt mit allen Mitteln ver-
hindert werden muss, dass im Südsudan die Fehler wiederholt werden, die
bei der Ölförderung im Niger-Delta gemacht wurden, wo nicht genügend
Rücksicht auf die Belange der Umwelt und der in der Region lebenden Men-
schen genommen wurde?

Wenn nein, warum nicht?

4. Fördert die Bundesregierung Umweltschutz-Projekte und Projekte im Be-
reich Wasser und sanitäre Grundversorgung im Südsudan und speziell in den
kontaminierten Gebieten um Thar Jath?

Wenn ja, welche, und in welchem Umfang?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/722

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch bei der Ölförderung
im Südsudan gültige Umweltschutzbestimmungen und internationale Stan-
dards in der Ölproduktion und Ölförderung gelten müssen, wonach öl-
fördernde Unternehmen vor Ort die Umwelt und das Trinkwasser nicht
verschmutzen, sie die Gesundheit der Menschen nicht gefährden und ihnen
ihre Lebensgrundlage nicht entziehen dürfen?

6. Gedenkt die Bundesregierung, der Regierung des Sudan und der Regierung
des Südsudan das Problem der Trinkwasser- und Umweltverschmutzung in
Thar Jath vorzutragen, damit die Trinkwasserversorgung gesichert wird,
das verseuchte Prozesswasser schnellst möglich fachgerecht entsorgt wird,
die Ölbohrgruben fachgerecht saniert werden, die Bohrstellen für Mensch
und Tier abgesichert werden und die geschädigten Menschen eine Entschä-
digung erhalten?

Wenn ja, wann, und in welchem Rahmen?

Wenn nein, warum nicht?

7. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu der Idee, einen Runden
Tisch mit Politikern des Südsudan, der Umweltbehörde des Unity State und
internationalen Umwelt-Experten in Juba einzurichten, der Problemlösun-
gen für die Sicherung der Trinkwasserversorgung und den Schutz der Um-
welt erarbeitet, bei der Umsetzung von Maßnahmen unterstützt und die
Umsetzung überwacht?

8. Ist die Bundesregierung bereit, einen solchen Runden Tisch zu fördern?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Chancen, ein unabhängiges Um-
weltüberwachungsregime für den Südsudan einzurichten, das das südsuda-
nesische Umweltministerium und die regionalen Umweltbehörden unter-
stützt?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine weitere unabhängige
Untersuchung geboten erscheint, um das tatsächliche Ausmaß der Konta-
minierung zu erfassen und dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen,
damit die Trinkwasserversorgung gesichert wird, das verseuchte Prozess-
wasser fachgerecht entsorgt wird, die Ölbohrgruben fachgerecht saniert
werden und die Absicherung der Bohrstellen für Mensch und Tier erfolgt?

Wenn ja, welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für zielführend?

Wenn nein, warum nicht?

11. Ist die Bundesregierung bereit, die Umweltbehörde des Unity State mit
Know-how und Material bei den in Frage 10 aufgezählten Herausforderun-
gen zu unterstützen?

Wenn ja, wann, wie und in welchem Umfang?

Wenn nein, warum nicht?

12. Gedenkt die Bundesregierung auf hochrangiger Ebene der EU und der Ver-
einten Nationen eine Diskussion zu dem Problem der Trinkwasser- und
Umweltverschmutzung in Thar Jath im Speziellen und im Südsudan im
Allgemeinen anzustoßen?

Wenn ja, wann, und in welchem Rahmen?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/722 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Korruption, die auch
die Exekutive des Südsudan betrifft, die wirksame Durchsetzung bestehen-
der Trinkwasser- und Umweltschutzbestimmungen verhindert?

Wenn nein, woran scheitert nach Auffassung der Bundesregierung die
mangelhafte Rechtsdurchsetzung des Staates gegenüber Ölkonsortien wie
dem WNPOC?

14. Was hat die Bundesregierung gegenüber der Regierung des Südsudan un-
ternommen, damit diese gezielt gegen Korruption vorgeht?

15. Versucht die Bundesregierung, die Regierung des Sudan und die Regierung
des Südsudan dazu zu gewinnen, der Extractive Industries Transparency
Initiative (EITI) beizutreten?

Und wenn ja, wie, und mit welchem Erfolg?

Wenn nein, worin bestehen die Hindernisse?

Berlin, den 15. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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