BT-Drucksache 17/721

Bedarf, Finanzierung und Qualität der Kindertagesbetreuung

Vom 15. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/721
17. Wahlperiode 15. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Britta Haßelmann, Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Priska Hinz (Herborn), Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Krista Sager,
Tabea Rößner, Sven Kindler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bedarf, Finanzierung und Qualität der Kindertagesbetreuung

Der Ausbau der Kindertagesbetreuung ist eine wichtige und nachhaltige Inves-
tition in die Zukunft. Frühkindliche Förderung ist ein wichtiger Schlüssel zur
Chancengerechtigkeit, und auch der Wunsch von zwei Dritteln der Familien
nach einer Betreuung von Kindern unter drei Jahren zeigt, wie wichtig und not-
wendig der Ausbau gerade im Hinblick auf die frühe Förderung der Kinder und
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer ist. Für Städte
und Gemeinden stellt die Bereitstellung einer ausreichenden, flächendecken-
den, modernen und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung einen wichtigen
Baustein für die Bewältigung der Herausforderungen des wirtschaftlichen und
demografischen Wandels dar. Gegenwärtig gibt es ein Ost-West-Gefälle in der
Kinderbetreuung. Zum Stichtag 1. März 2009 lag die Betreuungsquote in über
50 Prozent der kreisfreien Städte und fast jedem dritten Landkreis in den ost-
deutschen Ländern bei mindestens 50 Prozent. Hingegen lag die Betreuungs-
quote in knapp zwei Dritteln der westdeutschen Kreise lediglich zwischen 5 und
15 Prozent der unter Dreijährigen.

Nach dem Kinderförderungsgesetz (KiföG) haben Eltern vom 1. August 2013
an einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für Kinder ab dem vollendeten
ersten Lebensjahr. Gleichsam wurde vereinbart, dass sich Bund, Länder und
Kommunen zu je einem Drittel an den Kosten der Finanzierung der Ausbau-
phase beteiligen.

Allerdings ist für viele Kommunen angesichts ihrer finanziellen Situation der
Ausbau der Kindertagesbetreuung kaum möglich. Die kommunalen Spitzen-
verbände beklagen eine finanzielle Unterdeckung. Die Wirtschaftskrise verbun-
den mit den einbrechenden Gewerbesteuern und weiteren Einnahmeausfälle
aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes und steigender sozialer Aus-
gaben haben für viele Kommunen die Haushaltslage noch einmal verschärft mit
dem Resultat, dass eine steigende Anzahl von Kommunen die Gelder für die
Kofinanzierung schon heute nicht aufbringen können. Durch die breite gesell-
schaftliche Akzeptanz öffentlicher Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jah-
ren ist damit zu rechnen, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen über 35 Prozent

liegen wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Geschäftsführers des Deut-
schen Städtetages, Dr. Stephan Articus, dass die Kommunen ohne weitere

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Finanzhilfen es nicht bewältigen können, den Rechtsanspruch auf Kinder-
betreuung ab 2013 auch umzusetzen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Finanzhilfen wird die Bundesregierung den Kommunen für
die Umsetzung des Rechtsanspruchs zur Verfügung stellen?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Kenntnis über die tat-
sächlichen Belastungen der Kommunen durch den im KiföG beschlossenen
Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige, für eine Abschätzung
des konkreten Mittelbedarfs und die Einschätzung der Umsetzbarkeit not-
wendig sind?

Wenn nein, warum nicht?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass gegenwärtig den finanz-
schwächeren Kommunen von den Ländern nicht die gleichen Chancen auf
den Zugang zu den Finanzhilfen gewährleistet werden wie finanzstärkeren
Kommunen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um gleiche Zu-
gangschancen herzustellen?

4. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des
von Expertinnen und Experten prognostizierten Bedarfs an Kinderbetreu-
ungsplätzen für 2013, der über dem von der Bundesregierung kalkulierten
Betreuungsbedarf von 35 Prozent liegt?

Wird die Bundesregierung ihre eigene Bedarfskalkulation einer Überprü-
fung unterziehen?

5. Plant die Bundesregierung angesichts des von ihr selbst konstatierten nicht
hinreichenden Mittelabrufs der Kommunen Maßnahmen, um diese Engstelle
zu beheben?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund der mangelnden Finanzie-
rung des Kindertagesstättenausbaus den Finanzierungsanteil des Bundes
aufstocken?

Wenn nein, warum nicht?

7. Im Zusammenhang mit dem Kindertagesstättenausbau wird immer wieder
davon gesprochen, dass der Bund, die Länder und die Kommunen jeweils
ein Drittel der veranschlagten Kosten von 11,9 Mrd. Euro übernehmen.

Gibt es über diese Regelung schriftliche Vereinbarungen?

Wenn ja, wo?

Wenn nein, warum nicht?

8. Wird die Bundesregierung mit Blick auf die finanzielle Notlage vieler Kom-
munen die Bundesmittel über den Drittelanteil hinaus aufstocken?

Wenn nein, warum nicht?

9. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob die Länder dafür Sorge
tragen, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für die Betriebs-
kosten tatsächlich und zusätzlich den Kommunen und Trägern zur Verfü-
gung gestellt werden?

Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Aussage
der stellvertretenden Geschäftsführerin des Städte- und Gemeindebundes,
Monika Gordes, in der „Märkischen Oderzeitung“ vom 20. Januar 2010,

dass das Land (Brandenburg) die Zuschüsse für die Betriebskosten einfach
einbehalten habe?

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10. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass sie durch eine veränderte Ver-
teilung der Umsatzsteueranteile den Ländern Geld als Zuschuss für die
steigenden Betriebskosten zur Verfügung stellt, ohne nachzuvollziehen und
nachzuhalten, wofür diese Gelder von den Landesregierungen eingesetzt
wurden?

11. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die genaue Anzahl der Kinder-
betreuungsplätze, die seit Einführung des KiFöG geschaffen wurden – mit
und ohne Bundesförderung?

Wenn ja, bitte nach Ländern aufschlüsseln.

Wenn nein, warum nicht, zumal die Länder laut Verwaltungsvereinbarung
Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2008 – 2013“ dem
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Übersichten
über die zweckentsprechende Inanspruchnahme und Verwendung der Bun-
desmittel, sowie über Anzahl und Art der geförderten Maßnahmen zu über-
senden haben?

12. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dem drohenden Man-
gel an qualifiziertem Personal für die Kindertagesbetreuung entgegenzu-
wirken?

13. Welche Berechnungen liegen der Bundesregierung hinsichtlich des Bedarfs
an Erzieherinnen und Erziehern sowie des Bedarfs an Tagespflegepersonen
vor, um das Ausbauziel von 750 000 geplanten Betreuungsplätzen für unter
Dreijährige zu erreichen, und welcher Betreuungsschlüssel liegt diesen Be-
rechnungen zugrunde?

14. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Kommunen für
die Qualifizierung der Tagespflegepersonen?

Berlin, den 15. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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