BT-Drucksache 17/6958

Regulierung Privater Militär- und Sicherheitsfirmen (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/6780)

Vom 8. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6958
17. Wahlperiode 08. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tom Koenigs,
Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Regulierung Privater Militär- und Sicherheitsfirmen
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/6780)

In den vergangenen Jahren haben immer wieder Meldungen über die Tätigkeit
deutscher Sicherheitsunternehmen im Ausland Diskussionen über die Privati-
sierung von Sicherheit ausgelöst. Dabei ging es um ein breites Spektrum von
polizeilicher und militärischer Ausbildungshilfe über den Schutz von Handels-
schiffen bis hin zu Kampfhandlungen. Auch wenn viele dieser Aktivitäten nicht
ausgeführt bzw. „nur“ geplant waren, wurde immer wieder deutlich, dass dieses
unternehmerische Feld kaum Regelungen unterliegt. In den letzten Wochen und
Monaten hat die Diskussion um den Einsatz privater Sicherheitsfirmen erneut
zugenommen, da angesichts der begrenzten staatlichen Kapazitäten, Möglich-
keiten und Grenzen eines verstärkten Einsatzes solcher Sicherheitsfirmen zum
Schutz von Handelsschiffen vor Piraten diskutiert wurden. Am 20. Juli 2011
fand zum wiederholten Male ein Gespräch zwischen Vertretern der Bundes-
regierung, der Wirtschaft und Gewerkschaften über den Schutz der maritimen
Wirtschaft statt. Bei diesem Gespräch gab der Parlamentarische Staatssekretär
beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Koordinator der
Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto, bekannt,
dass die Bundesregierung prüfen werde, wie der Einsatz privater Sicherheits-
firmen an Bord von Schiffen in Zukunft geregelt werden könne.

Wie in ihren Antworten auf die Große Anfrage „Regulierung privater Militär-
und Sicherheitsfirmen“ (Bundestagsdrucksache 17/6780) und auf die Kleine
Anfrage „Pirateriebekämpfung vor Somalia“ (Bundestagsdrucksache 17/6789)
dargelegt, sieht die Bundesregierung für dieses spezielle Tätigkeitsfeld privater
Sicherheitsfirmen Regulierungsbedarf. Für den Gesamtbereich der privaten
Sicherheitsfirmen lehnt die Bundesregierung jedoch weiterhin jede über das be-
stehende Maß hinaus gehende Regulierung ab. Über Gründe und Folgen dieser

Haltung geben die Antworten der Bundesregierung nur unzureichend Auskunft.

Zudem finden sich in der Antwort der Bundesregierung viele Widersprüche. So
erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort zu den Fragen 2 und 9 der Großen
Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/6780, sie begrüße den Verhaltenskodex
für private Sicherheitsfirmen und wünsche sich die Einhaltung desselben. In
ihrer Antwort zu den Fragen 2c und 2d betont sie dann aber, sie habe nicht die
Absicht, die Berücksichtigung des Verhaltenskodex zur Voraussetzung von Ver-

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gaben zu machen. Auch wird nicht klar, warum sie keine Notwendigkeit für eine
gesetzliche Verpflichtung zur Unterzeichnung dieses Verhaltenskodex sieht,
wenn laut Antwort zu Frage 2b noch kein Unternehmen mit Sitz in Deutschland
diesen Kodex unterzeichnet hat. Unklar bleibt auch die Haltung der Bundes-
regierung zur Auslandstätigkeit deutscher Sicherheitsfirmen. Zwar teilt sie in
ihrer Antwort zu Frage 17 mit, dass die gewerberechtlichen Regelungen nicht
auf die Tätigkeit von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen im Ausland zuge-
schnitten sind. Dennoch kommt sie zu dem Schluss, dass eine nationale Regu-
lierung nicht erfolgen muss. Auch die Haltung zur Tätigkeit privater Sicherheits-
firmen auf Handelsschiffen bleibt unklar. Eine Beleihung von Privaten mit
hoheitlichen Aufgaben im Ausland ist laut Bundesregierung nicht explizit be-
absichtigt. Dennoch prüft sie den Einsatz privater Sicherheitskräfte zur Bekämp-
fung der Piraterie.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Internationale Bemühungen zur Regulierung von privaten Militär- und
Sicherheitsfirmen

1. Inwieweit wird aus Sicht der Bundesregierung das Phänomen der privaten
Militär- und Sicherheitsfirmen durch das Montreux-Dokument besser er-
fasst?

2. Aus welchen Gründen sind aus Sicht der Bundesregierung weder der UN-
Menschenrechtsrat noch der UN-Sicherheitsrat geeignete Foren, um ein inter-
nationales Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeit privater Militär- und
Sicherheitsfirmen (bitte einzeln erläutern) auszuarbeiten?

3. Welches internationale Forum wäre aus Sicht der Bundesregierung geeignet,
um ein internationales Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeit privater
Militär- und Sicherheitsfirmen zu erarbeiten?

4. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher keine Initiative ergrif-
fen, um in diesem Forum ein internationales Übereinkommen zur Regelung
der Tätigkeit privater Militär- und Sicherheitsfirmen anzustoßen?

5. Was hat die Bundesregierung konkret unternommen, um die Registrierung
von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen und die Gründung einer inter-
nationalen Kontrolleinrichtung für solche Unternehmen durchzusetzen, und
woran sind diese Bemühungen bislang gescheitert?

6. Welche Länder stehen aus Sicht der Bundesregierung einer internationalen
Regelung zum Einsatz privater Militär- und Sicherheitsfirmen kritisch ge-
genüber, und welche Hauptargumente sind der Bundesregierung hinsichtlich
ihrer kritischen Haltung bekannt?

II. Vergabepraxis der Bundesregierung

7. Warum beauftragt die Bundesregierung nur ausländische Firmen mit dem
Objektschutz der Auslandsvertretungen und keine deutschen Firmen?

8. Inwiefern achten Bundesstellen bei der Vergabe von Aufträgen an auslän-
dische Sicherheitsfirmen darauf, dass diese solchen Anforderungen entspre-
chen, wie sie in der deutschen Gewerbeordnung an deutsche Firmen gestellt
werden?

9. Inwiefern wird bei der Vergabe von Aufträgen an ausländische Sicherheits-
firmen durch Bundesstellen die Unterzeichnung des internationalen Verhal-
tenskodex für private Sicherheitsfirmen zur Voraussetzung für eine Teil-
nahme am Vergabeverfahren gemacht?
Wenn nicht, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6958

Wie erklärt die Bundesregierung, dass sie auf der einen Seite den Verhal-
tenskodex für private Sicherheitsfirmen begrüßt und sich von diesen Unter-
nehmen dessen Einhaltung wünscht, aber auf der anderen Seite nicht die
Absicht hat, die Unterzeichnung dieses Verhaltenskodex zur Voraussetzung
von Vergaben zu machen?

10. Aus welchen Gründen macht die Deutsche Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) GmbH die Unterzeichnung des internationalen Ver-
haltenskodex für private Sicherheitsfirmen zur Voraussetzung für eine Auf-
tragsvergabe an solche Unternehmen, und aus welchen Gründen sieht die
Bundesregierung eine solche Voraussetzung für die Auftragsvergabe als
unnötig an?

III. Regulierung und Lizensierung deutscher privater Sicherheitsfirmen

11. Wie erklärt die Bundesregierung, dass nach ihrer Kenntnis noch keine pri-
vate Sicherheitsfirma aus Deutschland den Verhaltenskodex unterzeichnet
hat, sie aber dennoch keine Notwendigkeit sieht, eine gesetzliche oder ord-
nungsrechtliche Verpflichtung zur Unterzeichnung desselben zu schaffen?

12. Welche konkreten Unterschiede sieht die Bundesregierung zwischen dem
Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen auf See und an Land?

13. Warum erachtet die Bundesregierung eine Lizensierung für solche Sicher-
heitsfirmen, die auf See operieren, als notwendig an, weigert sich jedoch,
ähnliche Schritte für Firmen, die an Land tätig sind, zu ergreifen?

14. Welche Änderungen des Waffengesetzes erwägt die Bundesregierung im
Hinblick auf die Bewaffnung von privaten Sicherheitsfirmen vorzuneh-
men?

15. Inwiefern wird sich die Bundesregierung von dem Grundsatz lösen, dass
Kriegswaffen nicht durch Privatpersonen geführt werden dürfen?

16. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dagegen, den Tä-
tigkeitsbereich privater Sicherheitsfirmen explizit auf das Bewachungs-
gewerbe zu beschränken und militärische Tätigkeiten sowie entsprechende
technische Hilfsleistungen auszuschließen und diese Firmen einem einheit-
lichen Lizensierungsverfahren zu unterwerfen?

17. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung nach dem Bekanntwerden
der Somalia-Pläne der Firma ASGAARD – GERMAN SECURITY
GROUP i. G. im Juni 2010 unternommen, um zu verhindern, dass in
Deutschland Firmen mit militärischen Unternehmenszielen gegründet bzw.
tätig werden können?

Wenn bisher keine Maßnahmen dergestalt ergriffen wurden, warum nicht?

18. Aus welchen Gründen lehnt es die Bundesregierung ab, in Deutschland an-
sässigen Sicherheitsunternehmen militärisches Tätigwerden im Ausland zu
verbieten, wenn es doch ihr ausdrücklich geäußertes Ziel ist, „solche Tätig-
keiten möglichst zu verhindern“?

19. Welche Aktivitäten meint die Bundesregierung konkret, wenn sie in ihrer
Antwort zu Frage 9 der Großen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/6780
von „ungewollten Aktivitäten privater Sicherheitsfirmen im Ausland“
spricht?

20. Wie begründet die Bundesregierung ihre in der Vorbemerkung ihrer Ant-
wort auf die Große Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/6780) geäußerten
Meinung, dass sie allgemein eine Regulierung privater Militär- und Sicher-

heitsfirmen ablehnt, diese Möglichkeit aber hinsichtlich des Einsatzes sol-
cher Unternehmen auf Schiffen zur Piratenabwehr prüfen lässt?

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21. Hält es die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass zwar die gewerbe-
rechtlichen Regelungen für private Sicherheitsfirmen nicht auf die Tätig-
keit im Ausland zugeschnitten sind, sie aber dennoch eine nationale Regu-
lierung nicht anstrebt, für sachgerecht, dass so deutsche Sicherheitsunter-
nehmen im Ausland unbegrenzt militärische Dienstleitungen erbringen
könnten, die im Inland untersagt sind?

Wenn nein, wie erklärt sie diesen Widerspruch?

22. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, deutschen Sicherheits-
firmen den Gebrauch von Kriegswaffen im Ausland zu untersagen?

IV. Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen zum Schutz der Handelsschifffahrt

23. Welche konkreten Punkte umfasst der Prüfauftrag der Bundesregierung,
mit dem sie umfassend klären will, wie ein geeigneter und sicherer rechtli-
cher Rahmen für den Einsatz privater bewaffneter Sicherheitsdienste an
Bord von Handelsschiffen ausgestaltet werden müsste?

24. Welche gesetzliche Grundlage müsste nach Ansicht der Bundesregierung
geschaffen werden, um eine Refinanzierung der Kosten für den Einsatz
von Einheiten der Bundespolizei oder der Marine zum Schutz von Han-
delsschiffen unter deutscher Flagge zu gewährleisten?

Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Vor-
schlag des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard
Witthaut, eine Seesicherheitsgebühr zur Finanzierung des Schutzes von
Handelsschiffen unter deutscher Flagge durch die Bundespolizei einzufüh-
ren?

25. Wie soll aus Sicht der Bundesregierung die Festsetzung und Überstellung
zur Strafverfolgung von Piraten bei Piratenangriffen auf von privaten
Sicherheitsdiensten geschützten Handelsschiffen vollzogen werden, da
doch die Bundesregierung eine Beleihung von Privaten mit hoheitlichen
Aufgaben nicht beabsichtigt?

V. Einzelfälle

26. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass Einsätze der Bundeswehr durch
militärische Dienstleistungen Dritter, also privater Unternehmen oder
nichtstaatlicher Militäreinheiten, die von Verbündeten für diese gemeinsa-
men Einsätze eingekauft wurden, unterstützt werden?

Wie beurteilt sie in diesem Zusammenhang den Einsatz von Tuareg im
Auftrag der Firma Wintershall Holding GmbH beim Evakuierungseinsatz
Pegasus der Bundeswehr und den Einsatz von durch Luxemburg bezahlten
Seefernaufklärern, die von einem privaten Unternehmen gestellt werden?

27. Welche konkreten Ergebnisse liefern die durch Luxemburg gestellten See-
fernaufklärer im Rahmen der Operation Atalanta, und inwiefern tragen
diese Informationen zur direkten Durchführung militärischer Operationen
unter Einsatz von Waffengewalt bei?

28. Wo sieht die Bundesregierung die Grenzen der Privatisierung von Auf-
klärungsleistungen – wie beispielsweise bei den luxemburgischen Seefern-
aufklärern im Rahmen von Atalanta –, und ab welchem Punkt ist die opera-
tive Nähe so groß, dass die Aufklärungstätigkeit durch militärische bzw.
staatliche Einheiten durchgeführt werden muss?

29. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Tätigkeit der in
München ansässigen Firma „RESULT GROUP GmbH“, die auf ihrer Inter-

netseite „Begleitung von Schiffen in High-Risk-Areas“ anbietet?

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30. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Tätigkeit der in
Rheinmünster ansässigen Firma „ISN International Security Network
GmbH“, auf deren Internetseite behauptet wird, „innerhalb von 48 Stunden
operative Einsatzkräfte inkl. Equipment in die jeweilige Einsatzregion“ be-
fördern zu können?

31. Inwiefern besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse, dass Angestellte der
in den Fragen 30 und 31 genannten Firmen im In- oder Ausland zur Durch-
führung von Aufträgen auch mit Kriegswaffen nach Kriegswaffenliste aus-
gestattet wurden?

32. Welches Gemeinschaftsgut sieht die Bundesregierung gefährdet, wenn ehe-
malige Bundeswehrsoldaten im Auftrag der Sicherheitsfirma Xe Services
LLC den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem autokratischen Regime,
dessen Streitkräfte keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegen, als Elite-
kämpfer dienen und dabei rechtsextremistisches Gedankengut verbreiten?

Berlin, den 8. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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