BT-Drucksache 17/6912

Universaldienste für Breitband-Internetanschlüsse jetzt

Vom 5. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6912
17. Wahlperiode 05. 09. 2011

Antrag
der Abgeordneten Johanna Voß, Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar
Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Dr. Dagmar Enkelmann, Caren Lay,
Michael Schlecht, Kathrin Senger-Schäfer, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke,
Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Universaldienst für Breitband-Internetanschlüsse jetzt

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Schnelle Internetverbindungen sind Voraussetzung für gesellschaftliche Teil-
habe – soziale Netzwerke und Onlineshopping boomen, notwendige Formulare
lassen sich unkompliziert aus dem Netz herunterladen und die Jobsuche findet
zunehmend online statt. Außerdem stellen Breitbandanschlüsse einen wesent-
lichen Standortfaktor für den ländlichen Raum dar und sind damit unverzicht-
bar für den Erhalt und Aufbau von Arbeitsplätzen. Nichtsdestotrotz ist eine be-
trächtliche Zahl vor allem ländlicher Gemeinden seit Jahren unversorgt oder
unterversorgt – entgegen anderslautender Versprechungen von Seiten der Tele-
kommunikationsunternehmen und der Bundesregierung.

Daher müssen die Telekommunikationsunternehmen endlich von der Politik
per Gesetz in die Pflicht genommen werden, indem die Universaldienstver-
pflichtungen aus der EU-Universaldienstrichtlinie (UDL; Richtlinie 2002/22/
EG) auf nationaler Ebene auf Breitband-Internetanschlüsse gemäß der EU-Vor-
gaben ausgedehnt werden. Das heißt unter anderem, dass entsprechend Artikel 4
Absatz 2 UDL „die von der Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwende-
ten Technologien und die technische Durchführbarkeit“ berücksichtigt werden
müssen. Dies sorgt zum einen dafür, dass eine Anpassung an Fortschritte bei
der Technik und der Marktentwicklung sowie geänderte Nutzerbedürfnisse
stattfindet, zum anderen wird der Universaldienst auf ein Mindestangebot be-
grenzt.

Die Neufassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bietet jetzt die
Chance zur Einführung eines Universaldienstes für Breitband-Internetan-
schlüsse auf nationaler Ebene. Die Ausgestaltung im TKG drängt, denn in ab-
sehbarer Zeit ist nicht zu erwarten, dass auf EU-Ebene die Universaldienstver-
pflichtungen den aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Darüber hinaus
droht, dass die bisherige Möglichkeit, konkrete Maßgaben für einen staatlich
garantierten „funktionalen Internetzugang“ (siehe EU-Universaldienstkatalog

Artikel 4 Absatz 2 UDL) auf Ebene der Mitgliedstaaten festzulegen, durch
engere Vorgaben entscheidend geschmälert wird, um angeblich Marktverzer-
rungen zu vermeiden (siehe DG INFSO/B2. COCOM10-31 FINAL).

Drucksache 17/6912 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die vorhandenen gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume dahingehend zu
nutzen, dass das Recht auf Breitbandanschlüsse auf nationaler Ebene wirk-
sam garantiert wird, indem

a) in dem Universaldienstkatalog des § 78 Absatz 2 TKG als unverzüglich
zu garantierende Mindestbandbreite für Breitbandanschlüsse 6 Mbit/s
vorgegeben wird,

b) der in § 78 Absatz 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung telekom-
munikationsrechtlicher Regelungen aus Artikel 4 Absatz 2 UDL über-
nommene Rechtsbegriff des „funktionalen Internetzugangs“ (TKG) im
Übrigen in § 78 Absatz 2 TKG dynamisch konkretisiert wird, so dass das
Mindestangebot in regelmäßigen Abständen überprüft und den aktuellen
Entwicklungen angepasst werden muss. Bei den Anforderungen an ein
Mindestangebot müssen neben der Bandbreite (Download und Upload)
auch qualitative Merkmale wie Latenz und Verfügbarkeit berücksichtigt
werden. Für die Konkretisierung, welches die von der „Mehrzahl der
Teilnehmer vorherrschend verwendeten Technologien“ nach der UDL
sind, soll jeweils auf den Zentralwert (Median) abgestellt werden,

2. sich auf der Ebene der EU für die unverzügliche Einbeziehung von Breit-
band-Internet in den EU-Universaldienstkatalog einzusetzen.

Berlin, den 5. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Um eine Mindestversorgung sicherzustellen und zu verhindern, dass wirt-
schaftlich unattraktive Gebiete unter- bzw. unversorgt bleiben, wurde im Zuge
der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte durch Artikel 87f Absatz 1
des Grundgesetzes die Pflicht des Bundes, nach Maßgabe eines Bundesgesetzes
im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend ange-
messene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten, eingeführt. Der
Bundesgesetzgeber ist diesem Auftrag durch die Regelung zu den Universal-
diensten indes in § 78 Absatz 2 TKG bisher nur unzureichend nachgekommen.
Selbst der eher konservative Deutsche LandFrauenverband e. V. startete Anfang
2010 eine Unterschriftenaktion für die Festschreibung einer Breitband-Grund-
versorgungspflicht. Mit dem vorliegenden Antrag soll die Bundesregierung
dazu verpflichtet werden, durch Aufnahme von Breitband-Internetanschlüssen
in den Universaldienstkatalog des § 78 Absatz 2 TKG dem Versorgungsauftrag
des Bundes nunmehr vollständig nachzukommen. Nach Artikel 78 Absatz 4
TKG ist die Bundesnetzagentur befugt, „zur Sicherstellung des Dienstes sowie
der Dienstemerkmale […], den Unternehmen Verpflichtungen aufzuerlegen“.

Der Begriff „funktionaler Internetzugang“ ist bereits unter den Universaldienst-
verpflichtungen der Universaldienstrichtlinie aufgelistet. Bisher handelt es sich
jedoch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nicht näher definiert ist. Da-
mit soll den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, bei Umsetzung in die nationale
Gesetzgebung die länderspezifischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In der
UDL wird vorgegeben, dass „dabei die von der Mehrzahl der Teilnehmer vor-
herrschend verwendeten Technologien“ Berücksichtigung finden müssen. Dies

spielt für die Finanzierung eine Rolle, da bei zusätzlichen Pflichtdiensten eine
Kostenbeteiligung der Unternehmen nach § 32 UDL untersagt ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6912

Im aktuellen Gesetzentwurf zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Re-
gelungen wird die Bezeichnung „funktionaler Internetzugang“ jedoch nicht
näher erläutert und ist deshalb für eine rechtssichere Anwendung ungeeignet.

Die Mindestbandbreite von 6 Mbit/s entspricht den Daten der Bundesnetzagen-
tur zur Verteilung der vermarkteten Bandbreiten bei Breitbandanschlüssen
2010 (Jahresbericht, S. 78). Um zu verhindern, dass statistische Ausreißer ins
Gewicht fallen, ist im Hinblick auf die Vorgaben der UDL für die „von der
Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwendeten Technologien“ vom
Median auszugehen.

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