BT-Drucksache 17/6895

Umsetzung und Verbreitung der Leistungsform Persönliches Budget

Vom 1. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6895
17. Wahlperiode 01. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, Heidrun
Dittrich, Inge Höger, Jutta Krellmann, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Kathrin
Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung und Verbreitung der Leistungsform Persönliches Budget

Auf die Leistungsform Persönliches Budget besteht seit dem 1. Januar 2008 ein
verbindlicher Rechtsanspruch. Mit dieser Leistungsform können Menschen mit
Behinderung auf Antrag anstelle von Dienst- und Sachleistungen eine Geldleis-
tung oder Gutscheine erhalten, um sich die für die selbstbestimmte Teilhabe er-
forderlichen Assistenzleistungen selbst zu organisieren. Über dreieinhalb Jahre
nach Einführung dieses Rechtsanspruchs gibt es noch immer erhebliche Umset-
zungsdefizite in der Praxis.

Zwar stieg die Nachfrage von Menschen mit Behinderung an, trotzdem wird das
Persönliche Budget nur äußerst zögernd in Anspruch genommen. Gründe dafür
sind unter anderem die zu komplex und zu kompliziert ausgestalteten Regelun-
gen, die weder transparent noch nachvollziehbar sind. Dies führt dazu, dass sich
Betroffene oft nur mit der Unterstützung juristischer Expertinnen und Experten
gegenüber den Leistungsträgern behaupten können. Was wiederum dazu führt,
dass die Antrags- und Bewilligungsverfahren häufig nur schleppend vorange-
hen.

Von Betroffenen wird auch über Informationsdefizite bei den zuständigen Sach-
bearbeiterinnen und Sachbearbeitern berichtet.

Gesetzliche Regelungen zum Persönlichen Budget finden sich im Neunten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB IX) und in vielen weiteren Sozialgesetzbüchern (SGB III,
SGB V, SGB VI, SGB VII, SGB VIII, SGB XI und SGB XII) sowie im Gesetz
über die Alterssicherung der Landwirte (§ 7) und in der Budgetverordnung. Zu-
sätzlich kompliziert wird die Angelegenheit durch rund 60 sehr unterschiedliche
Verfahren der Hilfebedarfsermittlung (Bedarfsfeststellungsverfahren) in den
Ländern und Kommunen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Inanspruchnahme der Leistungsform Persönliches Budget
seit dem 1. Januar 2008 entwickelt?
Wie viele Anträge wurden bewilligt, und wie viele wurden abgelehnt (bitte

nach den Bundesländern und Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie viele Anträge wurden seit dem 1. Januar 2008 für trägerübergreifende
Persönliche Budgets gestellt, und wie viele wurden davon gebilligt bezie-
hungsweise abgelehnt (bitte getrennt nach Bundesländern angeben)?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus der Auswertung des För-
derprogramms zur Strukturverstärkung und Verbreitung Persönlicher Bud-

und Sachbearbeitern der entsprechenden Leistungsträger begegnen, und
welche Maßnahmen wird sie zur Verbesserung der Beratungsqualität ergrei-
fen?
Drucksache 17/6895 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gets, hierbei auch hinsichtlich der Gründe für Ablehnung von Anträgen ge-
wonnen?
Wenn noch keine Auswertung vorliegt, wann und durch wen soll diese dann
vorgenommen werden?

4. Wie erklärt sich die Bundesregierung die von vielen Antragstellerinnen und
Antragstellern immer noch geäußerten Kritikpunkte, wie zum Beispiel die
viel zu langen Bearbeitungszeiten, das äußerst komplizierte und für viele
Betroffene unverständliche Verfahren (u. a. die Budgetkonferenzen) oder
die oft fehlende Bedarfsdeckung (z. B. keine zusätzlichen Mittel für Budget-
assistenz)?

5. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung oder wird sie zukünftig
ergreifen, um Menschen mit Behinderung ihre Vorbehalte gegenüber der
Leistungsform Persönliches Budget zu nehmen, und die in der Frage 4 auf-
geführten Probleme im Sinne der Betroffenen zu lösen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung das Urteil des Bundessozialgerichts
(BSG) in Kassel vom 11. Mai 2011 zum Persönlichen Budget sowie die
Feststellung des Richters, es gebe zwischen den Trägern „Krieg einer gegen
den anderen, innerhalb des Staatswesens“?
Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?
Wenn ja, was wird sie unternehmen?
In welchem Zeitraum?
Wenn nein, warum nicht?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Regelungen zum Persönlichen Bud-
get angesichts der rechtskräftigen UN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen?
Sieht sie diesbezüglich Handlungsbedarf?
Wenn ja, welchen?
Wenn nein, warum nicht?

8. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die bundes-
weit sehr unterschiedlichen Verfahren der Bedarfsfeststellung zu verein-
heitlichen?

9. Inwieweit wurden die gemeinsamen Servicestellen zur Beantragung eines
Persönlichen Budgets bemüht, und inwieweit erfüllen die gemeinsamen
Servicestellen ihre gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben/Pflichten?
Gibt es Schulungen für das Personal in diesen Servicestellen speziell für das
Persönliche Budget?
Wenn ja, durch wen, und wie viele Stunden?
Wenn nein, warum nicht?

10. Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung im Abschlussbericht des
Projekts „ProBudget“, dass für die Verbreitung Persönlicher Budgets zu-
nächst ein erhöhter Beratungsaufwand erforderlich ist (vgl. S. 143 f.)?
Wenn ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung diesbezüglich er-
greifen?

11. Wie wird die Bundesregierung dem von vielen Betroffenen immer noch oft
beklagten fehlenden Fachwissen bei den zuständigen Sachbearbeiterinnen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6895

Sieht sie im Aufbau trägerunabhängiger Beratungsstrukturen ein geeignetes
Mittel, um die Qualität zu verbessern?
Wenn nein, warum nicht?

12. Welches sind die Hauptinhalte der in den Budgetverhandlungen fest-
geschriebenen Ziele?
Wie wird deren Einhaltung überprüft?
Was geschieht, wenn sie nicht (vollständig) erreicht oder wenn andere Ziele
erreicht wurden?

13. Für wie sinnvoll hält die Bundesregierung nach dreieinhalbjähriger Praxis
die Pflicht zum Abschluss solcher Zielvereinbarungen, wenn es doch den
meisten Antragstellerinnen und Antragstellern vorrangig um die Ermög-
lichung selbstbestimmter Teilhabe geht?

Berlin, den 1. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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