BT-Drucksache 17/593

Situation des Öffentlichen Dienstes und seiner Beschäftigten im Kontext der Tarifrunde 2010

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/593
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Klaus Ernst,
Matthias W. Birkwald, Werner Dreibus, Diana Golze, Katja Kipping,
Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Wolfgang Neskovic, Ingrid Remmers,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Situation des öffentlichen Dienstes und seiner Beschäftigten im Kontext
der Tarifrunde 2010

Der öffentliche Dienst ist unverzichtbar für eine soziale und solidarische Gesell-
schaft. Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen öffent-
lichen Dienstleistungen ist jedoch nur bei einer ausreichenden Personalausstat-
tung gewährleistet. Darüber hinaus ist eine angemessene Bezahlung und die
fachliche Kompetenz der Beschäftigten im öffentlichen Dienst für die Qualität
der öffentlichen Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung.

Allein zwischen 1991 und 2006 ist die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen
Dienst aber um über 2 Millionen Beschäftigte von 6,7 auf 4,6 Millionen abgebaut
worden (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Auch in Bezug auf die Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
verschärft sich die Situation, wie die jüngste Äußerung des Staatssekretärs im
Bundesministerium der Finanzen Werner Gatzer zu Sparvorhaben im öffent-
lichen Dienst deutlich macht (FAZ vom 15. Januar 2010: „Finanzstaatssekretär
Werner Gatzer sagte am Donnerstag, der Bund wolle mit gutem Beispiel voran-
gehen und seine Verwaltungskosten bis 2014 auf den Stand von 2009 ,einfrie-
ren‘. Zusätzliche Personalkosten nach Lohnrunden müssten die Ressorts selbst
erwirtschaften.“).

Das Auslaufen der Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für
Arbeit und die immer wieder umkämpfte Übernahme der Auszubildenden im öf-
fentlichen Dienst lassen zudem eine Überalterung in vielen Bereichen des öffent-
lichen Dienstes befürchten.

Zu fragen ist, warum die Bundesregierung die Tarifrunde im öffentlichen Dienst
nicht nutzt, um mit einem hohen Tarifabschluss die Binnenkonjunktur zu
stärken. Im Gegensatz zum vielfach bezweifelten Effekt von Steuererleichterun-
gen für das Hotel- und Gaststättengewerbe, wie im Wachstumsbeschleunigungs-
gesetz verabschiedet, ist der positive Effekt von Tariferhöhungen auf die Binnen-

konjunktur erwiesen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist der binnenkonjunkturelle Effekt der Tarifforderungen der Tarif-
gemeinschaft der Gewerkschaften (ver.di, GEW, GdP und dbb tarifunion) im
Falle der Durchsetzung?

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2. a) Wie hoch ist der finanzielle Anteil, der im Falle der Durchsetzung der
Tarifforderungen der Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften (ver.di,
GEW, GdP und dbb tarifunion) wieder über Steuern und Sozialversiche-
rungsbeiträge zurück in die öffentlichen Kassen des Bundes fließt (bitte
aufgeschlüsselt nach Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern und in
absoluten Zahlen und Prozent angeben)?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über den finanziel-
len Anteil, der im Falle der Durchsetzung der Tarifforderungen der Tarif-
gemeinschaft der Gewerkschaften (ver.di, GEW, GdP und dbb tarifunion)
wieder über Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zurück in die öf-
fentlichen Kassen der Länder und Kommunen fließt (bitte auf-
geschlüsselt nach Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern und in ab-
soluten Zahlen und Prozent angeben)?

3. Wie hoch ist der binnenkonjunkturelle Effekt der im Wachstumsbeschleuni-
gungsgesetz beschlossenen Steuererleichterungen für das Hotel- und Gast-
stättengewerbe, und wie hoch ist der jährliche Steuerausfall für den Bund?

4. Entspricht es dem Verständnis der Bundesregierung von sozialer Gerechtig-
keit, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst die von den Gewerkschaften
geforderten Einkommenserhöhungen vorzuenthalten, aber zugleich an den
Steuererleichterungen für das Hotel- und Gaststättengewerbe festzuhalten?

5. a) Wie hoch ist die Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst des Bundes
insgesamt und getrennt nach Alter und Geschlecht jeweils in den Jahren
2000 bis 2010?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Beschäftigten-
zahl im öffentlichen Dienst der Bundesländer und der Kommunen in den
Jahren 2000 bis 2010 auf der Basis der jeweiligen mittelfristigen Finanz-
planungen der Länder vor (bitte jeweils nach Alter und Geschlecht ange-
ben)?

6. Wie hat sich die Altersstruktur der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
im Zeitraum 2000 bis 2010 verändert?

7. a) Wie hoch ist der Anteil der Personalkosten im öffentlichen Dienst am
Bundeshaushalt jeweils in den Jahren 2000 bis 2010 (jeweils in absoluten
Zahlen und in Prozent angeben)?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über den Anteil der
Personalkosten im öffentlichen Dienst am Haushalt der Bundesländer
und der Kommunen in den Jahren 2000 bis 2010 (jeweils in absoluten
Zahlen und in Prozent und aufgeschlüsselt nach Ländern und Kommunen
angeben)?

8. Wie hoch ist dieser Personalkostenanteil im europäischen Vergleich mit
Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Frankreich und der Schweiz?

9. Wie viele Aufstockerinnen und Aufstocker, also Erwerbstätige mit und ohne
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die zugleich Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, gibt es im Bereich
des öffentlichen Dienstes bzw. in den entsprechenden Wirtschaftsabteilun-
gen (Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 – WZ 2003)
„75 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ und „80 Er-
ziehung und Unterricht“ sowie „85 Gesundheits-, Veterinär- und Sozial-
wesen“ und „90 Abwasser- und Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung“
(bitte jeweils für 2005 bis 2010 angeben)?

10. Wie viele in Vollzeit Beschäftigte im öffentlichen Dienst bzw. den entspre-

chenden Wirtschaftsabteilungen (WZ 2003) „75 Öffentliche Verwaltung,
Verteidigung, Sozialversicherung“ und „80 Erziehung und Unterricht“ so-
wie „85 Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“ und „90 Abwasser- und

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Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung“ beziehen neben ihrem Ver-
dienst aufstockende ALG-II-Leistungen (bitte jeweils für 2005 bis 2010 an-
geben)?

11. a) Wie viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes sind insgesamt
und getrennt nach Alter und Geschlecht befristet beschäftigt (bitte jeweils
für 2000 bis 2010 angeben)?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über den Anteil der
befristet Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Bundesländer und der
Kommunen in den Jahren 2000 bis 2010 (bitte jeweils aufgeschlüsselt
nach Ländern und Kommunen angeben)?

12. a) Wie viele befristet Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes sind
bereits zum wiederholten Male im öffentlichen Dienst befristet beschäf-
tigt, und wie oft wurden mehrmals befristet Beschäftigte im Durchschnitt
beschäftigt (jeweils insgesamt und getrennt nach Alter und Geschlecht)?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Anzahl der
wiederholt befristet Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder
sowie der Kommunen und über die durchschnittliche Anzahl ihrer Wie-
derbeschäftigung (jeweils insgesamt und aufgeschlüsselt nach Alter und
Geschlecht)?

13. a) Wie viele Beschäftigte sind im öffentlichen Dienst des Bundes insgesamt
und getrennt nach Alter und Geschlecht in Teilzeit beschäftigt (bitte je-
weils für 2000 bis 2010 angeben)?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Anzahl der
Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder und Kommunen
insgesamt und getrennt nach Alter und Geschlecht (bitte jeweils für 2000
bis 2010 angeben)?

14. a) Wie viele Auszubildende sind im öffentlichen Dienst des Bundes be-
schäftigt (bitte jeweils für 2000 bis 2010 angeben)?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Anzahl der
Auszubildenden im öffentlichen Dienst der Länder und Kommunen (bitte
jeweils für 2000 bis 2010 angeben)?

15. a) Wie viel Prozent der Auszubildenden wurden jeweils in den Jahren 2000
bis 2010 in den öffentlichen Dienst des Bundes übernommen?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Prozent-
zahl der Auszubildenden, die jeweils in Ländern und Kommunen und
jeweils in den Jahren 2000 bis 2010 übernommen wurden?

16. a) Wie viel Prozent der übernommenen Auszubildenden wurden jeweils in
den Jahren 2000 bis 2010 befristet in den öffentlichen Dienst des Bundes
übernommen?

Wie viele unbefristet?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Prozent-
zahl der Auszubildenden, die jeweils in den Jahren 2000 bis 2010 in den
öffentlichen Dienst der Länder sowie der Kommunen befristet sowie un-
befristet übernommen wurden?

17. a) Wie hoch wären, angesichts des Wegfalls der gesetzlichen Förderung der
Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit, die Kosten für den
Bund, wenn die mit dem Jahr 2010 ausgelaufenen Regelungen zur Alters-
teilzeit nach dem bisherigen Tarifvertrag weiterlaufen würden?
b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Kosten, die
in diesem Falle jeweils für Länder und Kommunen entstehen?

Drucksache 17/593 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
18. Wie hoch war die Förderquote in den Jahren 2000 bis 2010 durch die Bun-
desagentur für Arbeit nach dem bisher gültigen Tarifvertrag, und welche
Kosten entfielen auf die Bundesagentur für Arbeit?

19. a) Wie viele Beschäftigte wurden durch die Altersteilzeitregelung im öffent-
lichen Dienst des Bundes seit ihrem Bestehen und aufgesplittet nach Jah-
ren neu eingestellt?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Anzahl der
Beschäftigten, die durch die Altersteilzeitregelung seit ihrem Bestehen
und aufgesplittet nach Jahren jeweils im öffentlichen Dienst von Ländern
und Kommunen neu eingestellt worden sind?

20. a) Wie viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes haben jeweils
von 2000 bis 2010 die Altersteilzeitregelung in Anspruch genommen?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Anzahl der
Beschäftigten, die jeweils von 2000 bis 2010 und jeweils im öffentlichen
Dienst der Länder und der Kommunen die Altersteilzeitregelung in An-
spruch genommen haben?

21. Wie wird sich der Bund als Arbeitgeber in dieser Tarifrunde in der Frage der
Altersteilzeit verhalten?

22. Wie stellt sich die Bundesregierung den Generationenwandel im öffentli-
chen Dienst vor, in dem sichergestellt ist, dass die Beschäftigtenstruktur vor
einer Überalterung geschützt ist?

23. Welche Modelle des frühzeitigen Ausstiegs aus dem Arbeitsleben in
physisch und/oder psychisch besonders belasteten Bereichen des öffentli-
chen Dienstes stellt sich die Bundesregierung vor?

24. Wie verhält sich die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst im Vergleich
zur Privatwirtschaft jeweils in den Jahren 2000 bis 2010?

25. Wie will die Bundesregierung die Einstellung von qualifiziertem Personal
sicherstellen angesichts der deutlich schlechteren Lohnentwicklung im öf-
fentlichen Dienst in den letzten 10 Jahren im Verhältnis zur Gesamtwirt-
schaft?

26. Welche Lohnentwicklung und welche Personalentwicklung strebt die Bun-
desregierung im öffentlichen Dienst des Bundes bis zum Jahr 2014 an, und
wie will die Bundesregierung die Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung
garantieren angesichts der Aussage des Staatssekretärs im Bundesministe-
rium der Finanzen Werner Gatzer (FAZ vom 15. Januar 2010: „Finanzstaats-
sekretär Werner Gatzer sagte am Donnerstag, der Bund wolle mit gutem Bei-
spiel vorangehen und seine Verwaltungskosten bis 2014 auf den Stand von
2009 ,einfrieren‘. Zusätzliche Personalkosten nach Lohnrunden müssten die
Ressorts selbst erwirtschaften.“)?

Berlin, den 27. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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