BT-Drucksache 17/5859

Finanzieller Verbraucherschutz durch verdeckte Testkäufe

Vom 16. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5859
17. Wahlperiode 16. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Nicole Maisch, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Lisa Paus, Birgitt Bender, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Beate Müller-Gemmeke, Elisabeth Scharfenberg
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Finanzieller Verbraucherschutz durch verdeckte Testkäufe

Ende 2010 kündigte die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz Ilse Aigner an, die Qualität von Anlageberatungen in Kredit-
instituten künftig durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) mittels verdeckter Testkäufer kontrollieren zu lassen (vgl. Handelsblatt
vom 27. Dezember 2010).

Bislang wurden Stichproben von Anlageberatungen in Banken und Sparkassen
lediglich durch die Stiftung Warentest erhoben. Dabei wurden vielen Geldinsti-
tuten in der Vergangenheit seitens der Testkäufer schlechte Zeugnisse aus-
gestellt. Noch im Juli letzten Jahres konnte keines der in einer Studie untersuch-
ten Institute die Note „gut“ oder „sehr gut“ für die Anlageberatung erreichen.
Sechs der von insgesamt 21 überprüften Banken fielen bei der Kontrolle als
„mangelhaft“ durch (vgl. Pressemitteilung Stiftung Warentest „Die Blamage
geht weiter – Gesetzesverstöße sorgen für schlechte Noten“ vom 20. Juli 2010).
Dass die meisten Kreditinstitute sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben des
Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) halten, belegt, dass Gesetze nur dann einen
verbraucherschützenden Wert haben, wenn deren Einhaltung staatlich überprüft
werden. Aus diesem Grund ist das Anliegen zu begrüßen, die Qualität von An-
lageberatungen mittels verdeckter Testkäufer zu kontrollieren. Seit der Ankün-
digung dieser Pläne vor mittlerweile vier Monaten durch die Bundesministerin
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner ist seitens der
Bundesregierung hinsichtlich der konkreten Umsetzung der verdeckten Test-
käufe allerdings wenig zu vernehmen. Auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wie viele verdeckte Ermittler, mit welcher Qua-
lifikation und welchem Mandat künftig im staatlichen Auftrag die Finanzbera-
tungen in Banken überprüfen werden, blieb die Bundesregierung eine konkrete
Antwort schuldig (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Sachstand verbrauchpolitscher Ankün-
digungen“ auf Bundestagsdrucksache 17/5103).
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die BaFin bei jenen Instituten, bei denen die Markterhebung zu den
Beratungsprotokollen Anfang 2010 Mängel in der Protokollierung der An-
lageberatung offenbarten (vgl. Pressemitteilung BaFin vom 4. Mai 2010),
im Rahmen der jährlichen Prüfung nach § 36 WpHG oder anderen aufsicht-
lichen Prüfungen untersucht oder untersuchen lassen, ob die Mängel be-
seitigt wurden?

Drucksache 17/5859 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Inwieweit haben die Institute, deren Protokollvordrucke nicht den gesetz-
lichen Anforderungen genügten, mittlerweile geeignete Maßnahmen zur
Verbesserung der Dokumentation der Anlageberatung ergriffen?

3. Wurden gegenüber jenen Instituten, deren Protokollvordrucke nicht den
gesetzlichen Anforderungen genügten, Sanktionen verhängt?

4. Wurden die Ergebnisse der Markterhebung zu den Beratungsprotokollen
mit den Verbänden der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, dem
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. und dem Institut der Wirtschafts-
prüfer in Deutschland e. V. erörtert?

Was waren die Ergebnisse?

5. Wann und mit welchen Ergebnissen fanden auf Fachebene sowie auf Ebene
der politischen Leitungen Gespräche zu dem Vorhaben, die Qualität von
Anlageberatungen in Banken und Sparkassen mittels verdeckter Testkäufer
kontrollieren zu lassen, zwischen dem Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium der
Finanzen statt?

6. Auf wessen Initiative geht die Entscheidung zurück, die BaFin mit Test-
käufen im Rahmen der Anlageberatung zu beauftragen; auf die der BaFin,
die der Bundesregierung oder auf die der Stiftung Warentest?

7. Auf welche Rechtsgrundlage wird sich der Einsatz von verdeckten Test-
käufern stützen?

8. Ist für den Einsatz von verdeckten Testkäufern durch die BaFin eine Ände-
rung einer bestehenden oder die Schaffung einer neuen Rechtsnorm not-
wendig?

9. Falls keine gesetzliche Änderung notwendig ist, warum hat die BaFin nicht
schon bisher die Anlageberatung der Kreditinstitute mittels verdeckten
Testläufer überprüft vor dem Hintergrund, dass sich verdeckte Testkäufe
(Mystery-Shopping-Tests) neben der Auswertung von Verbraucherbe-
schwerden in anderen europäischen Ländern, etwa Großbritannien, längst
als sinnvolle Instrumente für die Marktanalyse erwiesen haben?

10. Was meinte die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz Ilse Aigner mit der Aussage, „auch der BaFin waren bisher
die Hände gebunden“ (vgl. Handelsblatt vom 27. Dezember 2010)?

11. Wer ist derzeit mit der Vorbereitung des Einsatzes von verdeckten Test-
käufern zur Überprüfung der Qualität von Anlageberatungen betraut?

12. In welchem Stadium befinden sich die Vorbereitungen?

13. In welchem Monat in 2011 werden verdeckte Testkäufer erstmals zum Ein-
satz kommen?

14. Ist es richtig, dass die BaFin die verdeckten Kontrollen nicht selbst durch-
führen, sondern hierfür auf externe Dienstleister zurückgreifen wird (vgl.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. Dezember 2010)?

Wenn ja, warum?

15. Falls auf externe Dienstleister zurückgegriffen werden sollte, an welche
Branche wird sich die Ausschreibung richten bzw. hat sich gerichtet, und
welchen Inhalt hat/hatte sie?

16. Wie wird das Auswahlverfahren für die Unternehmen bzw. Personen, die
die verdeckten Testkäufe durchführen werden, ausgestaltet sein?

17. Welche Anforderungen bzw. Qualifikation müssen Personen erfüllen, die

die verdeckten Testkäufe durchführen werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5859

18. Wurden Mitarbeiter der BaFin für verdeckte Testkäufe geschult, und wenn
ja, seit wann?

19. Wie viele Personen werden künftig mit der Durchführung verdeckter Test-
käufe betraut sein?

20. Bezüglich welcher rechtlichen Vorgaben soll künftig verdeckt überprüft
werden, ob sie konkret in einer Anlageberatungssituation eingehalten wer-
den?

21. Wie oft und in welchen zeitlichen Abständen werden verdeckte Testkäufe
künftig durchgeführt werden?

22. Bei wie vielen Kreditinstituten muss nach Auffassung der Bundesregierung
eine konkrete Anlageberatungssituation überprüft werden, um insgesamt
eine aussagefähige Stichprobe zu erhalten?

23. Teilt die Bundesregierung die Bedenken des Verbraucherzentrale Bundes-
verband e. V., dass die Qualität der Anlageberatung gegenüber Bestands-
kunden weiterhin unbeleuchtet bleibt, da verdeckte Testkäufer im Regelfall
als Neukunden in der Bank erscheinen (vgl. Neue Osnabrücker Zeitung
vom 28. Dezember 2010)?

24. Werden die Ergebnisse der Testkäufe unter Nennung der betroffenen
Finanzinstitute künftig veröffentlicht, und wenn ja, auf welcher Rechts-
grundlage geschieht das?

25. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten für den Einsatz verdeck-
ter Testkäufer?

26. In welcher Höhe wurde der Etat für die zusätzlichen Ausgaben im Haushalt
der BaFin vorgesehen und eingestellt?

27. Erachtet es die Bundesregierung für notwendig, dass verdeckte Testkäufe
auch bei bankenunabhängigen freien Finanzvertrieben durchgeführt wer-
den?

28. Ist der Einsatz von verdeckten Testkäufern zur Überprüfung, ob gesetzliche
Normen im Beratungsgespräch eingehalten werden, auch im Bereich der
Versicherungsvermittlung vorgesehen?

Wenn nein, warum nicht?

29. Besteht derzeit eine Rechtsgrundlage und eine faktische Möglichkeit, bei
gewerblichen Finanzanlagenvermittlern und -beratern ebenfalls verdeckte
Beratungsgespräche durchzuführen?

Wenn nein, wird diese Rechtsgrundlage durch das geplante Gesetz zur No-
vellierung des Finanzanlagen- und vermittlerrechts geschaffen?

30. Wie und wo wird die Bundesregierung den Bereich des finanziellen Ver-
braucherschutzes weiter ausbauen (Ankündigung von Bundesministerin
Ilse Aigner, vgl. Handelsblatt vom 27. Dezember 2010)?

Welche konkreten Maßnahmen sind geplant?

31. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Mitglieds der Haupt-
geschäftsführung des Bundesverbands deutscher Banken e. V., Dr. Hans-
Joachim Massenberg, dass es für eine hochqualifizierte und effiziente Fi-
nanzaufsicht Mitarbeiter braucht, die auch entsprechend bezahlt werden
(vgl. Handelsblatt vom 29. November 2010)?

32. Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der Reform der nationalen
Finanzaufsicht, auch die Vergütung der Aufseher zu reformieren?

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33. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, den „Schutz der Kun-
den“ ausdrücklich in § 4 Absatz 1 Satz 2 WpHG als Schutzgut aufzuneh-
men vor dem Hintergrund, dass die Finanzmarktrichtlinie als Zielsetzung
ausdrücklich verfolgt, „[…] die Anleger zu schützen und gleichzeitig ein
reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte zu gewährleisten“ (vgl.
Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstru-
mente, ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1) und § 4 Absatz 1 Satz 2 WpHG
bisher lediglich den ordnungsgemäßen Handel und den Finanzmarkt, nicht
aber die Interessen der Kunden, als Schutzgüter nennt?

34. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung eines Beschwerderechts
von Verbraucherschutzverbänden bei der BaFin im Bereich des Vertriebs
von Finanzinstrumenten?

Berlin, den 13. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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