BT-Drucksache 17/5856

Anwendung der Menschenrechtskriterien bei Rüstungsexporten

Vom 16. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5856
17. Wahlperiode 16. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tom Koenigs, Katja Keul, Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Katrin Göring-Eckardt,
Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Markus Kurth,
Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Anwendung der Menschenrechtskriterien bei Rüstungsexporten

Die Kontrolle von Rüstungsexporten in Deutschland und Europa ist im Ver-
gleich zu anderen Regionen gut ausgebaut. § 7 des Außenwirtschaftsgesetzes
(AWG) erlaubt, die grundsätzliche unbeschränkte Außenwirtschaft zu regulie-
ren. Das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG) kon-
kretisiert die Regulierung des Exports von Waffen, während der Export von
Rüstungsgütern im AWG selbst geregelt wird. Die Bundesregierung hat 1982
und 2000 „Politische Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonsti-
gen Rüstungsgütern“ beschlossen, die Entscheidungskriterien für die Anwen-
dung der gesetzlichen Vorgaben formulieren. Die Regulierung der Rüstungsex-
porte richtet sich zudem nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP
des Europäischen Rates vom 8. Dezember 2008 und den darin formulierten
Kriterien. Auf Grundlage dieser Vorgaben könnten Rüstungsexporte effektiv
reguliert werden, um Menschenrechtsverletzungen und interne Repressionen
mit Hilfe der Exportgüter zu vermeiden. Jedoch zeigt unter anderem der aktu-
elle Rüstungsbericht der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/4200
vom 16. Dezember 2010), dass deutsche Unternehmen Waffen und Rüstungs-
güter in Länder exportieren, deren Menschenrechtslage besorgniserregend ist.
Es existiert eine Lücke zwischen der Genehmigungspraxis und den Ansprüchen
des Gemeinsamen Standpunktes und den Politischen Grundsätzen, wonach ein
Export nicht genehmigt werden darf, wenn die Exportgüter zur internen
Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschen-
rechtsverletzungen im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren
missbraucht werden könnten. So erhielt beispielsweise das ägyptische Innen-
ministerium regelmäßige Lieferungen – mitunter in Millionenhöhe – von
Handfeuerwaffen deutscher Hersteller, obwohl in Ägypten Folter und Miss-
handlungen in Haftanstalten des Innenministeriums weit verbreitet sind und,
wie ein von der ägyptischen Regierung eingesetztes Komitee 2005 feststellte,

routinemäßig angewandt werden. Auch wurden Granatwerfer im Wert von
9 Mio. Euro an Jordanien geliefert, obwohl auch dieser Staat sich nach Auf-
fassung des Komitees gegen Folter der Vereinten Nationen systematisch und
routinemäßig foltern lässt und somit augenscheinlich nicht den Kriterien des
Rüstungsexportregimes Deutschlands entspricht.

Drucksache 17/5856 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit existieren Dienstanweisungen oder andere Handreichungen, die
regeln, mit welchen Instrumenten und auf welcher Informationsgrundlage
im Rahmen der Einzelfallprüfungen von Rüstungsexporten überprüft wird,
ob eines der Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP des
Rates oder der Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern erfüllt ist, nach denen eine Exportgenehmigung
untersagt werden muss?

2. Wie wird von welchen Stellen dokumentiert, welche Dokumente und Infor-
mationen für Einzelfallprüfungen herangezogen und bewertet wurden, um
zu ermessen, ob ein beantragter Rüstungsexport Güter betrifft, die vom an-
gegebenen Endverwender in dieser oder einer ähnlichen Form nachweislich
zu interner Repression benutzt worden sind oder bei denen Grund zu der
Annahme besteht, dass sie an der angegebenen Endverwendung bzw. am an-
gegebenen Endverwender vorbeigeleitet werden und zu interner Repression
genutzt werden, und kann diese Dokumentation der informationellen Grund-
lage von Einzelfallgenehmigungen nachgefragt und den Abgeordneten des
Deutschen Bundestages zugänglich gemacht werden?

3. Wie definiert die Bundesregierung im Rahmen der Einzelfallprüfung von
Rüstungsexporten, was gemäß Kriterium 2 des Gemeinsamen Standpunktes
2008/944/GASP des Rates „interne Repression“ darstellt, und ist die Bun-
desregierung der Auffassung, dass weitverbereitete, routinemäßig an-
gewandte und kaum juristisch verfolgte Folter und Misshandlungen durch
staatliche Sicherheitskräfte als interne Repression im Sinne des Gemein-
samen Standpunktes 2008/944/GASP und der Politischen Grundsätze für
den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern gelten?

4. Inwieweit sind die Mitarbeiter des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhr-
kontrolle (BAFA) angewiesen, bei der Prüfung einer beantragten Exportge-
nehmigung von Rüstungsgütern im Auswärtigen Amt einen Sachstand zur
Menschenrechtslage im Endverwenderstaat einzuholen, und wenn nein, in
welcher Form werden welche Stellen des Auswärtigen Amts an den Einzel-
fallprüfungen von Rüstungsexporten in Länder mit problematischer Men-
schenrechtslage beteiligt?

5. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Kriterium 2 des
Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP des Rates und die Kriterien 3
und 4 der Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern restriktiv ausgelegt werden sollten und entspre-
chend – auch im Geiste des hohen Wertes von Menschenrechten für die Au-
ßenpolitik Deutschlands gemäß dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP – Rüstungsexporte in Länder mit zweifelhafter Menschenrechts-
lage auch dann nicht genehmigt werden sollten, selbst wenn unklar ist, ob
das betreffend Gut direkt für Menschenrechtsverletzungen benutzt werden
wird, aber der Endverwender grundsätzlich systematisch Menschenrechte
seiner Bürgerinnen und Bürger verletzt?

6. Erwägt die Bundesregierung, einen Demokratievorbehalt in die Politischen
Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
aufzunehmen, der Rüstungsexporte in nichtdemokratische Staaten generell
untersagt, und wenn nein, warum nicht?

7. Erwägt die Bundesregierung, die Politischen Grundsätze für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern so zu ergänzen, dass Rüstungs-
exporte in Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen von internationa-
len Organisationen wie den Vereinten Nationen oder anderen regionalen

Staatenbündnissen festgestellt wurden, generell untersagt werden, und wenn
nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5856

8. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in § 7 AWG das
Kriterium der Menschenrechtslage im Empfängerland als Grund für eine
Beschränkung des Außenhandels aufgenommen werden sollte?

9. Inwieweit erwägt die Bundesregierung, § 6 KrWaffKontrG dergestalt zu
ergänzen, dass Genehmigungen aufgrund der Menschenrechtslage im
Empfängerland versagt werden können, selbst wenn zu erwarten ist, dass
das Exportgut nicht unmittelbar für Menschenrechtsverletzungen einge-
setzt werden wird?

10. Wie und in welcher Form (Dienstvorschrift o. Ä.) definiert die Bundes-
regierung oder das BAFA, ab wann ein entscheidungserhebliches Risiko
besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr
bestimmt sind, zur internen Repression benutzt werden könnten, und folg-
lich gemäß Kriterium 2 des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP
des Rates und der Kriterien 3 und 4 der Politischen Grundsätze für den
Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern eine Ausfuhr-
genehmigung versagt werden muss?

11. In welcher Form ist der Ermessensspielraum der Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter des BAFA bezüglich der Auslegung der bekannten gesetzlichen
und sonstigen Vorschriften, die auf der Internetseite des BAFA genannt
werden, in einer anderen Art und Weise beschränkt, und welchen Inhalt hat
diese Beschränkung?

12. Wo existieren nach Auffassung der Bundesregierung Schwächen in der Re-
gelung und Überprüfung des Exportes von Waffen- und Rüstungsexporten,
und inwiefern plant die Bundesregierung diese Schwächen zu beheben?

13. Inwieweit werden Erkenntnisse aus bereits bearbeiteten Genehmigungsver-
fahren in den Einzelfallprüfungen neu eröffneter Genehmigungsverfahren
herangezogen?

Berlin, den 16. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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