BT-Drucksache 17/5851

Die Europäisch-Iranische Handelsbank und die deutsche Handelspolitik gegenüber dem Iran

Vom 16. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5851
17. Wahlperiode 16. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Agnes Malczak, Omid Nouripour,
Kerstin Müller (Köln), Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Ute Koczy, Claudia Roth (Augsburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Europäisch-Iranische Handelsbank und die deutsche Handelspolitik
gegenüber dem Iran

Iranische Banken werden mit den UN-Sicherheitsratsresolutionen 1737 (2006),
1803 (2008) und 1929 (2010) immer stärker in das Sanktionsregime wegen der
iranischen Verstöße gegen den Nichtverbreitungsvertrag aufgenommen. Die
Europäisch-Iranische Handelsbank AG (EIHB) ist, spätestens seit den Sanktio-
nen gegen die Bank Melli Iran aus dem Juni 2008, einer der wenigen verbliebe-
nen finanziellen Verbindungswege für die iranische Wirtschaft nach Deutsch-
land und Europa. Ihre Bedeutung für den europäisch-iranischen Handel, und
damit auch für die Finanzierung des iranischen Regimes ist in den letzten Jah-
ren beständig gestiegen, da fast alle anderen Finanzinstitutionen ihr Irange-
schäft entweder aufgegeben haben oder mit Sanktionen belegt wurden. Die
Bundesregierung hat jedoch Maßnahmen gegen die Bank stets abgelehnt,

– auch nachdem sie im Jahr 2008, unmittelbar nach der Sanktionierung der
Bank Melli Iran, eine zweite Filiale im Iran eröffnete (vgl. Pressemitteilung
von Germany Trade & Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Stand-
ortmarketing mbH vom 27. Juni 2008),

– auch nachdem im Rat der EU im Sommer 2010 der Antrag auf Sanktionen
gegen die EIHB gestellt wurde und damit mindestens ein EU-Ratsmitglied
evtl. Sanktionen gegen die Bank für rechtssicher hielt (vgl. Süddeutsche Zei-
tung vom 9. September 2010, S. 17: „USA gehen gegen Hamburger Bank
vor“),

– auch nachdem das amerikanische Finanzministerium Sanktionen gegen die
Hamburger Bank beschlossen hatte, und damit klar wurde, dass der wich-
tigste Verbündete der Bundesrepublik Deutschland anscheinend über Be-
weise gegen die Bank verfügte (vgl. Pressemitteilung TG-847 vom 7. Sep-
tember 2010).

Dies wurde stets damit begründet, dass man die Bank genau überwache und

keine entsprechenden Hinweise auf eine Verwicklung der EIHB mit dem irani-
schen Atomprogramm habe. Die gleichen Argumente wurden auch im Falle der
indisch-iranischen Öltransaktionen vorgebracht. Die Abwicklung dieser Trans-
aktion durch die EIHB wurde von der Bundesregierung in Abstimmung mit der
Deutschen Bundesbank Anfang dieses Jahres gebilligt, obwohl in der Sicher-
heitsratsresolution 1929 auf eine mögliche Verwendung der iranischen Ölein-
nahmen für das Nuklearprogramm hingewiesen wird.

Drucksache 17/5851 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im April 2011 revidierte die Bundesregierung ihre Position plötzlich. Diesem
abrupten Wandel war eine breite öffentliche Berichterstattung über die Geneh-
migung des Iran-Indien-Geschäfts vorausgegangen. Zudem wurde über eine
mögliche Verknüpfung der Genehmigung der Transaktionen mit der Freilas-
sung der deutschen Journalisten der „Bild am Sonntag“ berichtet.

Der Umgang mit der EIHB steht darüber hinaus im weiteren Kontext der deut-
schen Handelspolitik mit Iran, denn er hat Implikationen für die Zukunft der
europäisch-iranischen Geschäftsbeziehungen. Wenn weiterhin der Handel mit
Iran stattfinden soll, dann müssen dessen Strukturen nun justiert werden, eine
klare politische Haltung bezogen und wirksame Kontrollmechanismen mit Hin-
blick auf die Einhaltung des Nichtverbreitungsvertrags und der Wahrung der
Menschenrechte eingesetzt werden. Dazu gehört auch eine Evaluation der bis-
herigen Sanktionspolitik.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die Rolle der EIHB im europäisch-irani-
schen Handel ein?

2. Mit welchen Mitteln ist die Bundesregierung der Aufforderung aus Ab-
satz 10 der UN-Sicherheitsratsresolution 1803 (2008) gefolgt, erhöhte
Wachsamkeit gegenüber iranischen Banken in Europa walten zu lassen?

3. a) Wie überwacht die deutsche Finanzaufsicht BaFin (Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht) die Transaktionen der Niederlassungen
der EIHB in Teheran und Kish?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerungen von Beamten der
deutschen Finanzaufsicht, wonach eine Kontrolle der Teheraner Aktivitä-
ten der EIHB nicht ausreichend möglich sind (vgl. Wall Street Journal
vom 12. April 2011: „Germany Rebuffs U.S. Calls to Shut Iran Bank“)?

4. Welche Gründe haben die Bundesregierung im EU-Ministerrat im vergange-
nen Juni dazu bewogen, die Aufnahme der EIHB auf die Schwarze Liste der
EU zu verhindern (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 9. September 2010, S. 17:
„USA gehen gegen Hamburger Bank vor“)?

5. a) Welche zusätzlichen Kontrollmaßnahmen hat die Bundesregierung nach
der Listung der EIHB durch das amerikanische Finanzministerium im
September 2010 ergriffen?

b) Welcher Art waren die in der Antwort auf die Schriftliche Frage 20 auf
Bundestagsdrucksache 17/5422 des Abgeordneten Rolf Mützenich „zu-
sätzliche Kontrollmaßnahmen“ gegen die EIHB angegebenen Maßnah-
men?

Was hat die Bundesregierung dazu veranlasst, sie zu treffen?

Wann sind sie in Kraft getreten und welche Konsequenzen haben sich
daraus ergeben?

6. a) Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus der Feststellung
einer „potential connection between Iran’s revenues derived from its
energy sector and the funding of Iran’s proliferation-sensitive nuclear ac-
tivities“ in der Sicherheitsratsresolution 1929 (2010) getroffen?

b) Wieso hat die Bundesregierung trotz dieser möglichen Verbindung der
Abwicklung indischer Zahlungen an den Iran über die Deutsche Bundes-
bank und die EIHB zugestimmt?

7. a) Welche Gründe haben die Bundesregierung dazu bewogen, sich kurzfris-
tig und erst nachdem sowohl die Deutsche Bundesbank als auch andere
EU-Partner dies erneut einforderten (vgl. Handelsblatt vom 6. April

2011: „Iran-Bank soll auf die Schwarze Liste“), nun doch für eine Lis-
tung der EIHB einzusetzen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5851

b) Welche neuen Fakten und Erkenntnisse waren ausschlaggebend für eine
neue Einschätzung der EIHB durch die Bundesregierung, und wann wa-
ren diese Tatsachen der Bundesregierung bekannt?

8. a) Wie schätzt die Bundesregierung die Befürchtung deutscher Unterneh-
men ein, dass bei einer Listung der EIHB deutsche Firmen Forderungen
gegenüber iranischen Handelspartnern nicht mehr geltend machen
könnten (vgl. FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom 6. April
2011: „Regierung legt Iran-Geschäft trocken“)?

b) Erwartet die Bundesregierung Regressforderungen deutscher Unterneh-
men angesichts der bevorstehenden Listungen, und wenn ja, in welcher
Höhe?

9. Welche Informationen besitzt die Bundesregierung über die Geschäftsver-
hältnisse weiterer deutscher Banken mit durch UN-Sanktionen belegten
iranische Banken, wie sie vom ehemaligen Analysten des US-Finanzminis-
teriums, Avi Jorisch, angedeutet wurden (vgl. Wall Street Journal vom
19. Juli 2010: „Small Bank in Germany Tied to Iran Nuclear Effort“)?

10. Welche weiteren Banken in Deutschland und Europa, neben der nun bald
sanktionierten EIHB, lösen noch sogenannte Akkreditive aus dem Iran ein,
also Zahlungsverpflichtungen iranischer Kunden gegenüber deutschen Lie-
feranten?

11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, allein oder im Rahmen der
EU, um der Verlagerung der Finanzströme zugunsten des iranischen Atom-
programms, die bisher über die EIHB geleitet wurden, auf andere deutsche
oder europäische Finanzinstitutionen vorzubeugen?

12. a) Wie wirkt sich die deutsche und internationale Sanktionspolitik gegen-
über dem Iran in Hinblick auf die beabsichtigte Verhaltensänderung des
Regimes in der Atompolitik aus?

b) Inwiefern hat die Sanktionspolitik bislang zur Lösung des Atomkon-
flikts beigetragen?

c) Welche Kausalzusammenhänge legt die Bundesregierung dieser Ein-
schätzung zugrunde?

13. a) Was wurde unternommen, um möglichen kontraproduktiven Auswir-
kungen der Sanktionen vorzubeugen?

b) Gibt es Beispiele für kontraproduktive Auswirkungen der deutschen
und internationalen Sanktionspolitik?

14. a) Führt die Bundesregierung eine Evaluation der Wirkung und Folgen der
durchgeführten Sanktionen durch?

b) Wenn nein, warum nicht?

c) Wenn ja, mit welchen Methoden und unter Verwendung welcher Krite-
rien?

d) Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

15. Inwiefern plant die Bundesregierung die aus ihren eigenen Reihen als
„halbherzig“ bezeichneten Iran-Sanktionen zu erweitern (vgl. die Aussage
des CDU-Außenpolitikers Philipp Mißfelder, Handelsblatt vom 28. März
2011: „Sanktionspolitik: Der Westen und sein angespanntes Verhältnis zu
dem Regime in Teheran“)?

16. Inwiefern werden bei der Umsetzung der Sanktionen mögliche negative
Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung geprüft, und welche Maßnahmen

werden ergriffen, um solche zu vermeiden?

Drucksache 17/5851 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Welche Auswirkungen hatten die Sanktionen bisher auf die Lebensbedin-
gungen der Zivilbevölkerung im Iran, und auf welche Grundlage stützt sich
die Bundesregierung bei ihrer Einschätzung?

18. Welche Reaktionen hat die bisherige Sanktionspolitik im Iran hervorge-
rufen (bitte insbesondere auf Reaktion der Bevölkerung, Zivilgesellschaft,
der Oppositionsbewegung und von Menschenrechtsgruppen eingehen)?

19. a) Wie hat sich die deutsche und internationale Sanktionspolitik bislang
auf die Menschenrechtslage im Iran ausgewirkt?

b) Welche Rolle spielen die massiven Menschenrechtsverstöße im Iran und
die Verwicklungen der auch wirtschaftlich bedeutsamen Revolutions-
garden in diese Vorgänge für die Entwicklung der deutschen Sanktions-
politik gegenüber dem Iran?

20. a) Welche Perspektiven sieht die Bundesregierung für den deutsch-irani-
schen Handel, der durch die bevorstehende Listung der EIHB deutlich
erschwert wird?

b) Hält die Bundesregierung die umfangreichen deutschen Handelsbezie-
hungen mit dem Iran angesichts der iranischen Menschenrechtsverlet-
zungen, der Drohungen gegen Israel und der Verstöße gegen die Regeln
des Nichtverbreitungsvertrags weiterhin für wünschenswert?

21. Wie lässt sich das Zögern der Bundesregierung bei der Sanktionierung der
EIHB mit dem feierlichen Bekenntnis der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel vor der Knesset am 18. März 2008 verbinden, die Sicherheit Israels
sei für sie niemals verhandelbar, wenn nach den Hinweisen aus dem US-Fi-
nanzministerium (siehe oben zitierte Pressemitteilung) gleichzeitig zu be-
fürchten stand, dass die Gelder, die über die EIHB in den Iran flossen, auch
der Entwicklung von Waffen dienten, mit denen der Iran Israel bedroht?

22. a) Welche Schritte wurden seit der am 15. April 2011 bekannt gewordenen
Entscheidung zur Listung der EIHB (vgl. Süddeutsche Zeitung vom
15. April 2011, „Iranische Bank kommt auf schwarze Liste“) von der
Bundesregierung national und im europäischen Rahmen unternommen?

b) Wann steht eine Entscheidung im EU-Rat zur Listung der Bank an?

c) Welche konkreten Wirkungen hat diese Listung zur Folge, und zu wel-
chem Zeitpunkt werden diese eintreten?

d) Welche Folgen hat die Listung für deutsche Anleger (ggf. differenziert
nach verschiedenen Anlegergruppen)?

Berlin, den 13. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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