BT-Drucksache 17/5831

Koordinierung der Rahmenbedingungen für den internationalen Schüler- und Jugendaustausch

Vom 13. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5831
17. Wahlperiode 13. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Kai Gehring, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Priska Hinz (Herborn), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Katja Keul, Memet Kilic, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak,
Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel
Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Koordinierung der Rahmenbedingungen für den internationalen Schüler- und
Jugendaustausch

Direkte Begegnungen zwischen jungen Menschen bilden ein wichtiges Funda-
ment für interkulturelles Verständnis und für ein friedliches Zusammenleben.
Dem internationalen Schüler- und Jugendaustausch kommt somit eine wichtige
Bedeutung für die Völkerverständigung, aber auch als bildungs-, jugend- sowie
außenpolitisches Instrument zu. Schüler- und Jugendaustausch kann einen Bei-
trag zur zivilgesellschaftlichen Entwicklung und Vertiefung bilateraler Bezie-
hungen und internationaler Einbindungen in beide Richtungen leisten. Gerade
im Austausch mit bisher weniger frequentierten Zielen wie Mittel- und Ost-
europa oder China liegen große Potenziale.

Es ist somit im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, neben der Förderung
einzelner Programme, auch Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen, die
die Ausreise deutscher Jugendlicher sowie die Einreise ausländischer Jugend-
licher zum zeitlich begrenzten Schüler-, Auszubildenden- und Jugendaustausch
erleichtern. In diesem Bereich überschneiden sich Bundes- und Länderzustän-
digkeiten sowie Ressortzuständigkeiten. Im Rahmen der auswärtigen Kultur-
und Bildungspolitik ist die Bundesregierung für die Darstellung und Förderung
auf internationaler Ebene verantwortlich. In den Allgemeinen Verwaltungsvor-
schriften zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 schafft sie Rahmenbe-
dingungen, die ein Aufenthaltsrecht in Deutschland für Austauschschülerinnen
und -schüler ausdrücklich vorsehen (16.5.2.2.2). Die Bundesländer wiederum
sind für die Rahmenbedingungen des Schulbesuchs in Deutschland verantwort-
lich. Weiterhin sind sie für die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes zuständig.
Die Kultusministerkonferenz sowie die Jugendministerkonferenz übernehmen
Aufgaben der Koordinierung zwischen den Bundesländern auch im Schüler-
und Jugendaustausch wahr.

In der Praxis des Schüler- und Jugendaustauschs kam es jedoch in jüngster Zeit

zu steigenden Anforderungen der Ausländerbehörden, die zudem örtlich variie-
ren sowie zu Komplikationen bei der Erlangung des Schülerstatus in Deutsch-
land.

Um die Potenziale des Schüler- und Jugendaustauschs auszuschöpfen, ist insbe-
sondere die Außendarstellung Deutschlands als attraktives, weltoffenes und un-
bürokratisches Partnerland von Bedeutung. Daher trägt die Bundesregierung

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eine Verantwortung, sich koordinierend einzuschalten, eine Gesamtstrategie in
diesem Bereich zu entwickeln und zu verfolgen sowie werbend auch auf andere
politische Ebenen einzuwirken.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung dem internationalen Schü-
ler- und Jugendaustausch als Instrument für Völkerverständigung, Bil-
dungs-, Jugend- und Außenpolitik bei?

2. Was unternimmt die Bundesregierung, um sich koordinierend und werbend
auch auf Ebenen mit Kompetenzüberschneidungen für die Verbesserung der
Bedingungen des Schüler- und Jugendaustausches einzusetzen?

3. Inwiefern und mit welchen Zielen plant die Bundesregierung Änderungen
bei der Förderung des Jugendaustausches im Rahmen des Kinder- und Ju-
gendplans des Bundes und im Prozess zur Neukonzeption der internationa-
len Jugendarbeit?

4. Gibt es ein Gesamtkonzept bezüglich der Intensivierung des Jugendaustau-
sches, wie sie u. a. regelmäßig bei Staatsbesuchen angekündigt wird, und
falls ja, inwiefern wird dieses Gesamtkonzept bzw. Teile davon evaluiert?

5. Inwiefern werden Jugendliche und Jugendverbände sowie andere Interes-
senvertretungen aus der Zivilgesellschaft in die Weiterentwicklung des
Jugend- und Schüleraustausches einbezogen?

6. Inwiefern plant die Bundesregierung, die bisherige überwiegend länder-
orientierte Zusammenarbeit in eine stärker themenorientierte Zusammenar-
beit zu überführen, die auch durch multilaterale, thematisch ausgerichtete
Netzwerkprojekte umgesetzt wird?

7. Welche Konzepte verfolgt die Bundesregierung beim Schüler- und Jugend-
austausch mit Ländern der EU (insbesondere mit mittel- und osteuropäi-
schen Mitgliedstaaten), wie entwickelte sich der Austausch in den vergan-
genen Jahren, und inwiefern bemüht sich die Bundesregierung aktiv darum,
den Austausch zu intensivieren?

8. Welche Konzepte verfolgt die Bundesregierung beim Schüler- und Jugend-
austausch mit den Nachbarregionen der EU (insbesondere mit der Ukraine,
der Türkei, Tunesien und Ägypten), wie entwickelte sich der Austausch in
den vergangenen Jahren, und inwiefern bemüht sich die Bundesregierung
aktiv darum, den Austausch zu intensivieren?

9. Welche Konzepte verfolgt die Bundesregierung beim Schüler- und Jugend-
austausch mit den strategischen Partnern der EU (insbesondere mit der
Volksrepublik China und der Russischen Föderation), wie entwickelte sich
der Austausch in den vergangenen Jahren, und inwiefern bemüht sich die
Bundesregierung aktiv darum, den Austausch zu intensivieren?

10. Will die Bundesregierung mehr Anreize im Schüleraustausch mit China
schaffen, da aufgrund des Schwierigkeitsgrads der Fremdsprache chine-
sisch hierbei ein früher Einstieg besonders wichtig ist, und wenn ja, welche?

11. Wie bewertet die Bundesregierung den Sachverhalt, dass Jugendliche, die
im Heimatland bereits einen Schulabschluss erworben haben, und im An-
schluss in Deutschland als Austauschschülerinnen oder Austauschschüler
unter Gleichaltrigen ein Auslandsjahr verbringen möchten, häufig keinen
Schülerstatus erhalten?

12. Inwiefern sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, für Haupt- und

Realschüler/-innen mehr Anreize und bessere Rahmenbedingungen zu
schaffen, da Angebote des Schüler- und Jugendaustauschs größtenteils von

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Gymnasiastinnen und Gymnasiasten und Jugendlichen mit Abitur in An-
spruch genommen werden, und was unternimmt sie in diesem Zusammen-
hang?

13. Mit welchen Instrumenten und Maßnahmen plant die Bundesregierung die
soziale Selektivität beim Schüler- und Jugendaustausch zu minimieren, wo-
nach die Frage des Ausbildungsgrades der Eltern sowie die Finanzkraft bzw.
Einkommensstärke der Eltern maßgeblich über die Teilnahme eines Jugend-
lichen an Austauschprogrammen entscheidet?

14. Welche Förderungsmöglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts und
zur Unterstützung des Austausches für die Jugendlichen bestehen, und wel-
che Unterschiede der Förderungsmöglichkeiten bestehen für Schülerinnen
und Schüler bzw. Absolventinnen und Absolventen verschiedener Schulfor-
men?

15. Sieht die Bundesregierung die Regelung des § 5 Absatz 4 des Bundesaus-
bildungsförderungsgesetzes (BaföG) für ausreichend an, um Schülerinnen
und Schülern, die nach dem Abschluss einer Haupt- oder Realschule eine
weiterführende Schule besuchen wollen und diesen Ausbildungsabschnitt
im Ausland beginnen wollen, den Lebensunterhalt während dieser Zeit zu
sichern?

16. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Hindernisse im Visa-
verfahren in der internationalen Jugendarbeit vor, und inwiefern versucht
sie diesen Hindernissen – über das geltende sogenannte beschleunigte Ver-
fahren hinaus – entgegenzuwirken?

17. Wie bewertet die Bundesregierung den Sachverhalt, dass Ausländerbehör-
den (z. B. in Montabaur, Rheinland-Pfalz im Jahr 2009) und Auslandsver-
tretungen (z. B. Botschaft Bangkok im Jahr 2010) zunehmend Deutsch-
kenntnisse von Austauschschülern/-schülerinnen fordern, obwohl der
Aufenthalt unter anderem genau dem Spracherwerb dienen soll und diese in
der Vergangenheit nicht erforderlich waren?

18. Wie bewertet die Bundesregierung, dass trotz des zunehmenden Stellenwer-
tes des internationalen Austauschs, beteiligte Behörden die für den Schüler-
und Jugendaustausch relevanten Vorschriften nicht einheitlich auslegen und
zum Teil Anforderungen verschärfen (siehe Frage 17, zudem forderten be-
stimmte Ausländerbehörden den Abschluss einer Versicherung, z. B. in
Köln, Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010)?

19. Inwiefern sieht die Bundesregierung Handlungsspielraum und -bedarf,
durch die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (oder auf anderen Wegen),
auf eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen des
Schüler- und Jugendaustausches hinzuwirken?

20. Welche Finanzmittel stellte die Bundesregierung in den vergangenen zehn
Jahren zur Förderung des Schüler- und Jugendaustauschs bereit, und welche
Finanzmittel plant sie zukünftig für diesen Zweck einzusetzen?

Berlin, den 13. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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