BT-Drucksache 17/5697

Entwicklung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen

Vom 2. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5697
17. Wahlperiode 02. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die sogenannten Minijobs, stehen
immer wieder in der Kritik. So hat zuletzt u. a. die Bertelsmann Stiftung in ihrem
„Benchmarking Deutschland“ 2010 festgestellt, dass Personen, die in diesem
Segment arbeiten, Gefahr laufen in eine „Geringfügigkeitsfalle“ zu tappen. Zu-
dem seien sie im Gegensatz zu anderen Beschäftigungsverhältnissen in beson-
derem Maße von geringen Löhnen, häufigen Arbeitsplatzwechseln und Jobver-
lusten sowie geringer Teilhabe an Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten
betroffen. Überdies halten die Autoren fest, dass es keinen sachlichen Grund für
die abgabenrechtliche Privilegierung von Minijobs gebe.

Auch das im Januar 2011 vorgelegte Gutachten „Neue Wege – Gleiche Chancen.
Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“ der Sachverständi-
genkommission an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung
kritisiert die Minijobs als erwerbsbiografische „Falle“ insbesondere für Frauen.
Sie plädiert für die Abschaffung der Sonderstellung von geringfügigen Beschäf-
tigungsverhältnissen, u. a. auch weil damit Fehlanreize gesetzt würden, sozial-
versicherungspflichtige Beschäftigung in wenig zukunftsträchtige Minijobs auf-
zuteilen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse seit
2003 entwickelt (bitte differenziert nach Frauen, Männern, Alter, verheiratet
und unverheiratet darstellen),

a) in absoluten Zahlen und im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Beschäfti-
gungsverhältnisse sowie die Anzahl ausschließlich geringfügig Beschäf-
tigter im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Beschäftigten,

b) differenziert nach ausschließlich geringfügigen Beschäftigungsverhält-

nissen sowie nach Beschäftigungsverhältnissen in Nebentätigkeit,

c) differenziert nach Privathaushalten sowie nach der Entwicklung in Bran-
chen?

2. Womit begründet die Bundesregierung die seit einigen Jahren steigende Zahl
von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen?

Drucksache 17/5697 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. a) Wie viele geringfügig Beschäftigte und wie viele ausschließlich gering-
fügig Beschäftigte verdienen weniger als 5 Euro, 6 Euro und 7,50 Euro
pro Stunde, und wie hoch ist die Zahl aller geringfügig Beschäftigten
bzw. von ausschließlich geringfügig Beschäftigten, die im Niedriglohn-
sektor arbeiten (bitte differenziert nach Frauen und Männern und nach al-
ten und neuen Bundesländern darstellen)?

b) Wie hat sich seit 2003 der durchschnittliche Stundenlohn sowie der Me-
dianlohn von allen geringfügig Beschäftigten bzw. von ausschließlich ge-
ringfügig Beschäftigten entwickelt?

c) Wie hat sich die durchschnittliche Arbeitszeit (in Stunden pro Woche)
von allen bzw. ausschließlich geringfügig Beschäftigten seit 2003 ent-
wickelt?

d) Wie hoch ist der Anteil derjenigen ausschließlich geringfügig Beschäftig-
ten, die mehr als 15 Stunden, mehr als 20 Stunden bzw. mehr als 25 Stun-
den pro Woche arbeiten (bitte differenziert nach ausschließlich und zusätz-
lich geringfügig Beschäftigten sowie nach Frauen und Männern und nach
alten und neuen Bundesländern darstellen)?

4. a) Welche Dauer haben geringfügige Beschäftigungsverhältnisse durch-
schnittlich, und wie groß ist der Anteil von geringfügigen Beschäftigungs-
verhältnissen mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten an allen ge-
ringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (bitte differenziert nach Frauen
und Männern darstellen)?

b) Wie viel Prozent der geringfügig Beschäftigten wechseln im Anschluss
an die geringfügige Beschäftigung in ein sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis (bitte differenziert nach Frauen und Männern
und nach ausschließlich geringfügig Beschäftigten darstellen)?

c) Wie viel Prozent der Minijobberinnen und -jobber wechseln nach Ende
der geringfügigen Beschäftigung in einen weiteren Minijob (bitte diffe-
renziert nach Frauen und Männern darstellen)?

d) Wie viel Prozent der geringfügig Beschäftigten sind nach Ende des gering-
fügigen Beschäftigungsverhältnisses arbeitslos (bitte differenziert nach
Frauen und Männern und nach ausschließlich geringfügig Beschäftigten
darstellen)?

5. Wie viele geringfügig Beschäftigte arbeiten parallel in mehr als einem gering-
fügigen Beschäftigungsverhältnis (bitte absolut und relativ zu allen gering-
fügig Beschäftigten sowie differenziert nach Frauen und Männern darstellen)?

6. Wie viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wurden
seit 2003 in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt (bitte
nach Anzahl und Branche darstellen), wie beurteilt die Bundesregierung dies,
und welche Maßnahmen plant sie gegebenenfalls gegen diese Entwicklung
zu ergreifen?

7. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die der öffentlichen Hand und den
Sozialkassen entgangenen Einnahmen durch geringfügige Beschäftigungs-
verhältnisse seit 2003 unter der Maßgabe, dass die in geringfügiger Beschäf-
tigung geleisteten Stunden im Rahmen von zusätzlichen sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erbracht worden wären (bitte
jährliche Angaben auf der Basis der Umrechnung der durchschnittlich ge-
leisteten Stunden in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in Vollzeit-
äquivalente machen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5697

8. Wie hoch ist der Anteil der ausschließlich geringfügig Beschäftigten, der
freiwillig Rentenbeiträge leistet, wie bewertet die Bundesregierung diese
Quote hinsichtlich des individuellen Risikos von Altersarmut, und welche
Maßnahmen plant die Bundesregierung gegebenenfalls dagegen zu ergrei-
fen?

9. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung bezüglich der Nichteinhaltung
gesetzlicher Standards durch Arbeitgeber gegenüber geringfügig Beschäf-
tigten (z. B. Verweigerung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Ur-
laubsanspruch etc.), wie beurteilt sie dies, und welche Maßnahmen plant
sie gegebenenfalls gegen diese Entwicklung zu ergreifen?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des
Gutachtens „Neue Weg – Gleiche Chancen“, wonach geringfügige Beschäf-
tigungsverhältnisse für Frauen eine erwerbsbiografische Falle mit lang-
fristigen biografischen Nachteilen darstellen und für Unternehmen und
Beschäftigte Fehlanreize setzen, sozialversicherungspflichtige Beschäfti-
gung in wenig zukunftsträchtige Minijobs aufzuteilen und der Empfehlung
der Sachverständigenkommission, die Sonderstellung der geringfügigen
Beschäftigung abzuschaffen?

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Aussagen
der Bertelsmann Stiftung, dass geringfügig Beschäftigte im Gegensatz zu
anderen Beschäftigten in besonderem Maße von geringen Löhnen, häufigen
Arbeitsplatzwechseln und Jobverlusten sowie geringer Teilhabe an Weiter-
bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten betroffen sind und dass es keinen
sachlichen Grund für die abgabenrechtliche Privilegierung von Minijobs
gebe?

12. Welchen konkreten Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung im Be-
reich der geringfügigen Beschäftigung, welche Probleme will sie mit
welchen Maßnahmen angehen, und wann ist damit zu rechnen?

Berlin, den 15. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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