BT-Drucksache 17/4775

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 17/254 - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1) b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/472 - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1) c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/88 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1)

Vom 14. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4775
17. Wahlperiode 14. 02. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/254 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 3 Absatz 3 Satz 1)

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Cornelia Möhring,
Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/472 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 3 Absatz 3 Satz 1)

c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy Montag,
Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/88 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 3 Absatz 3 Satz 1)

A. Problem

Die Gesetzentwürfe sehen vor, in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes
(GG) das Merkmal der sexuellen Identität einzufügen. Vor dem Hintergrund,
dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle
Menschen in der Gesellschaft auch heute noch Anfeindungen, gewaltsamen

Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt seien, biete das allgemeine
Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Absatz 1 GG keinen ausreichenden
Schutz gegenüber abweichenden, in der Gesellschaft vorherrschenden Sexual-
vorstellungen.

Drucksache 17/4775 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/254 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen SPD und DIE LINKE. bei Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/472 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen SPD und DIE LINKE. bei Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/88 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen SPD und DIE LINKE. bei Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Gesetzentwürfe.

D. Kosten

Kosten wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4775

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/254 abzulehnen,

b) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/472 abzulehnen,

c) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/88 abzulehnen.

Berlin, den 9. Februar 2011

Der Rechtsausschuss

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender

Dr. Stephan Harbarth
Berichterstatter

Dr. Jan-Marco Luczak
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Marco Buschmann
Berichterstatter

Halina Wawzyniak
Berichterstatterin

GRÜNEN deren Ablehnung. Prof. Dr. Bernd Grzeszick, LL.M.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Vorlage auf Drucksache 17/472 in seiner 31. Sitzung
am 9. Februar 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Institut für Staats-
recht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie

Prof. Dr. Winfried Kluth
Drucksache 17/4775 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Stephan Harbarth, Dr. Jan-Marco Luczak,
Christine Lambrecht, Marco Buschmann und Halina Wawzyniak

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlagen auf Drucksachen
17/254, 17/472 und 17/88 in seiner 20. Sitzung am 29. Ja-
nuar 2010 beraten und an den Rechtsausschuss zur feder-
führenden Beratung und an den Innenausschuss, den Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur
Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Innenausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 17/254
in seiner 32. Sitzung am 9. Februar 2011 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deren Ablehnung.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage auf Drucksache 17/254 in seiner 31. Sitzung
am 9. Februar 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN deren Ablehnung.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Vorlage auf Drucksache 17/254 in seiner 31. Sitzung
am 9. Februar 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN deren Ablehnung.

Zu Buchstabe b

Der Innenausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 17/472
in seiner 32. Sitzung am 9. Februar 2011 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD deren Ablehnung.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage auf Drucksache 17/472 in seiner 31. Sitzung
am 9. Februar 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE

Zu Buchstabe c

Der Innenausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 17/88
in seiner 32. Sitzung am 9. Februar 2011 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD deren Ablehnung.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage auf Drucksache 17/88 in seiner 31. Sitzung
am 9. Februar 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN deren Ablehnung.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Vorlage auf Drucksache 17/88 in seiner 31. Sitzung
am 9. Februar 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN deren Ablehnung.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlagen auf Drucksachen
17/254, 17/88 und 17/472 in seiner 6. Sitzung am 9. Februar
2010 anberaten und beschlossen, dazu eine öffentliche
Anhörung durchzuführen, die er in seiner 11. Sitzung am
21. April 2010 durchgeführt hat. An dieser Anhörung haben
folgende Sachverständige teilgenommen:

Prof. Dr. Susanne Baer, LL.M.

Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Öffentliches
Recht und Geschlechterstudien

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M.

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut
für Deutsches, Europäisches und Internationales Familien-
recht

Prof. Dr. Klaus F. Gärditz

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Lehrstuhl
für Öffentliches Recht

Dr. Helmut Graupner

Rechtsanwalt, Wien
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN deren Ablehnung.

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für
Öffentliches Recht, Richter am Landesverfassungsgericht

Rechtsanwalt, Berlin.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das
Protokoll der 11. Sitzung vom 21. April 2010 mit den an-
liegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Zu den Gesetzentwürfen lagen dem Rechtsausschuss meh-
rere Petitionen vor.

Der Rechtsausschuss hat die drei Vorlagen in seiner 36. Sit-
zung am 9. Februar 2011 abschließend beraten. Vor Eintritt
in die Tagesordnung erklärte die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, wegen einer zeitgleich zur Ausschusssit-
zung stattfindenden Fraktionssitzung könne kein Mitglied
der Fraktion an den Ausschussberatungen teilnehmen. Ihr
Antrag, die Sitzung bis zum Ende der Fraktionssitzung zu
unterbrechen, wurde mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab-
gelehnt.

Der Rechtsausschuss empfiehlt jeweils mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD und DIE LINKE. bei Abwesenheit der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung der
drei Vorlagen.

Die Fraktion der SPD unterstrich, die sexuelle Identität sei
in gleicher Weise wie die bereits im Katalog des Artikels 3
Absatz 3 GG enthaltenen Kriterien während der national-
sozialistischen Diktatur ein Verfolgungsmerkmal gewesen.
Mit den Gesetzentwürfen solle daher die Entwicklung zu
einem guten Ende geführt werden, in deren Verlauf alle
Merkmale, die in jener Zeit ausdrücklich als Anknüpfungs-
punkte für Ungleichbehandlungen herangezogen worden
seien, in den Katalog des Artikels 3 Absatz 3 GG aufge-
nommen worden seien.

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, es mache einen
Unterschied, ob der angestrebte Diskriminierungsschutz nur
einfachgesetzlich geregelt oder im Grundgesetz verankert

ten, seien teilweise haarsträubend gewesen.

Die Fraktion der CDU/CSU wies ausdrücklich darauf hin,
dass das Ziel, Menschen vor Diskriminierungen aufgrund
ihrer sexuellen Identität zu schützen, geteilt und unterstützt
werde. Der angestrebte Diskriminierungsschutz der sexu-
ellen Identität sei aber rechtlich bereits verwirklicht. Das
Grundgesetz und das einfache Recht wie auch die Europäi-
sche Menschenrechtskonvention und die Charta der Grund-
rechte der Europäischen Union verböten Diskriminierungen
aufgrund der sexuellen Identität bereits. Das Bundesverfas-
sungsgericht habe diesen Schutz in den letzten Jahren auch
konsequent ausgebaut. In seiner verfassungsgerichtlichen
Ausgestaltung decke sich der Schutzbereich des Artikels 3
Absatz 1 GG mittlerweile mit dem des Absatzes 3. Die an-
gestrebte Verfassungsänderung sei daher nur Symbolpolitik.
Dass eine solche in der Sache nichts helfe, zeigten die-
jenigen Landesverfassungen, die ein solches ausdrückliches
Verbot kennten. Dies habe nicht zu tatsächlichen Verbesse-
rungen geführt. Umso wichtiger sei, auf praktische Ver-
besserungen etwa in der Bildungspolitik hinzuwirken. Im
Übrigen leite sich die Identität stets vom Geschlecht eines
Menschen ab. Richtigerweise könne man daher in der Ge-
setzesformulierung nicht von sexueller Identität sprechen,
sondern lediglich von sexueller Orientierung. Bloße Orien-
tierungen hätten aber keinen Verfassungsrang.

Die Fraktion der FDP stellte fest, das Ziel der einbringen-
den Fraktionen zu teilen. Sie werde daher gemeinsam mit
der Fraktion der CDU/CSU bestehende Diskriminierungen
weiterhin im Wege des einfachen Rechts beseitigen. Für
Verfassungsänderungen lege sie aber ein strenges Prüfraster
zugrunde, nach dem zu fragen sei, ob ausreichende Gründe
bestünden, den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes als
„Herzkammer“ der Verfassung anzutasten. Die öffentliche
Anhörung habe gezeigt, dass solche Gründe nicht bestün-
den, weil der angestrebte Schutz in Artikel 3 Absatz 1 GG
bereits gewährleistet sei.

Berlin, den 9. Februar 2011

Dr. Stephan Harbarth
Berichterstatter

Dr. Jan-Marco Luczak
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Marco Buschmann
Berichterstatter

Halina Wawzyniak
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4775

Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Öffent-
liches Recht und Steuerrecht

Prof. Dr. Ute Sacksofsky, M.P.A. (Harvard)

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main,
Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung

Dr. Marc Schüffner

sei. Dass einfachgesetzliche Regelungen in bestimmten
Fällen nicht ausreichend sein könnten, erkenne offenkundig
auch die Fraktion der CDU/CSU mit ihrer Forderung an, die
deutsche Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen. Die ver-
fassungsrechtliche Absicherung des Schutzes vor Diskrimi-
nierungen aufgrund der sexuellen Identität habe auch wich-
tige Symbolkraft. Die in der öffentlichen Anhörung vor-
gebrachten Argumente gegen die vorliegenden Gesetzent-
würfe, wie beispielsweise der, wonach die angestrebten
Verfassungsänderungen sich zu Integrationshindernissen für
Einwanderer aus bestimmten Kulturkreisen erweisen könn-

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