BT-Drucksache 17/4608

Planungsbeschleunigung und Bürgerbeteiligung

Vom 28. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4608
17. Wahlperiode 28. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Ingrid Hönlinger, Bettina Herlitzius,
Winfried Hermann, Stephan Kühn, Jerzy Montag, Ingrid Nestle, Dr. Konstantin
von Notz, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms, Josef Philip Winkler und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Planungsbeschleunigung und Bürgerbeteiligung

Aktuelle Diskussionen um die Planung von Großprojekten wie Stuttgart 21, je-
doch auch von kleineren Vorhaben mit lokaler oder regionaler Relevanz zeigen,
dass die Bürgerbeteiligung an Planungsverfahren als unzureichend wahrgenom-
men wird. Bürgerinnen und Bürger wollen vor allem bei Planungsvorhaben, die
sie konkret betreffen, früher und besser einbezogen werden. Sie sind engagiert
und verfügen über eigene Expertisen, die die Planungen voranbringen können.

Das Argument, Beteiligung und Klagen von Bürgerinnen und Bürgern sowie
Umweltverbänden führten zu Verzögerungen, ist nicht überzeugend. Denn
Klagemöglichkeiten sind derzeit ohnehin nur gegeben, wenn gravierende Ver-
fahrensfehler vorliegen. Ohnehin werden sie relativ selten genutzt. Abgesehen
davon, resultieren Bürgerproteste und gerichtliche Klagen in aller Regel aus der
Tatsache, dass Bedarfsentscheidungen nicht demokratisch getroffen wurden und
Probleme und Konflikte in der Planung nicht adäquat berücksichtigt wurden.
Stärkere, bessere und frühere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und Ver-
bände ist daher ein Instrument zur Beschleunigung und Sicherung der Planungs-
qualität, kein destruktiver Bremsklotz.

Das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz beinhaltet eine Reihe von
Regelungen, die den Ablauf von Planfeststellungsverfahren verkürzen sollen.
Demgegenüber jedoch werden die Beteiligungsmöglichkeiten sowohl von Bür-
gerinnen und Bürgern als auch von Umweltverbänden eingeschränkt, beispiels-
weise dadurch, dass Erörterungstermine im Ermessen der Planfeststellungs-
behörde liegen.

Mit einem Gesetz zur Vereinheitlichung und Beschleunigung von Planfeststel-
lungsverfahren sollen nun die wesentlichen Regelungen des Infrastrukturpla-
nungsbeschleunigungsgesetzes im Verwaltungsverfahrensgesetz anstelle der
Fachgesetze verankert werden. Dazu gehören insbesondere die Beschränkung
des Beteiligungszeitraums für Umweltverbände, die Möglichkeit für Behörden,
auf Erörterungstermine zu verzichten und die Verbesserung der „Heilungsmög-

lichkeiten“ im Klageverfahren, so dass Verfahrensfehler eine geringere Rolle
spielen.

Drucksache 17/4608 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Bei wie vielen Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen-, Wasser-
straßen und Eisenbahnprojekte wurde mittlerweile jeweils die Möglichkeit
genutzt, keinen Erörterungstermin durchzuführen (Angaben bitte sowohl
in absoluten Zahlen als auch in Prozent, der für den Verkehrsträger nach
Inkrafttreten des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes insgesamt
durchgeführten Verfahren)?

2. Wie verteilt sich der Wegfall der Erörterungstermine in Planfeststellungs-
verfahren für Bundesstraßenvorhaben auf die einzelnen Bundesländer?

3. Wie verteilt sich der Wegfall der Erörterungstermine in Planfeststellungs-
verfahren für Wasserstraßenvorhaben auf die einzelnen Wasser- und
Schifffahrtsdirektionen?

4. Welche konkreten Einspar- und Beschleunigungseffekte sieht die Bundes-
regierung bei den Verfahren, in denen auf einen Erörterungstermin verzich-
tet wurde?

5. In welchen Verfahren hat die Anhörungsbehörde den Wegfall des Erörte-
rungstermins damit begründet, dass keine „Befriedungsfunktion“ gesehen
werde, und welche Konflikte wurden jeweils gesehen?

6. Wird die Öffentlichkeit über die Gründe eines Wegfalls des Erörterungs-
termins informiert?

Falls ja, in welcher Form?

Falls nein, mit welcher Begründung?

7. Welche Beschleunigungseffekte konnten durch die zeitliche Befristung der
Beteiligungsverfahren für Naturschutz- und Umweltvereinigungen seit
Inkrafttreten des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes erzielt
werden?

8. Inwiefern sieht die Bundesregierung seit Inkrafttreten des Infrastruktur-
planungsbeschleunigungsgesetzes die Naturschutz- und Umweltvereinigun-
gen in der Lage innerhalb der eng begrenzten Beteiligungsfrist ausreichend
kompetent Stellung zu nehmen?

9. Wie häufig traten Plangenehmigungen an die Stelle von Planfeststellungs-
verfahren (bitte aufgeschlüsselt nach Fachgesetzen)?

10. Mit welchen zeitlichen Einsparungen rechnet die Bundesregierung durch
die Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens anstelle eines Plan-
feststellungsverfahrens?

11. Welchen Einsparungseffekt hatte die Ausdehnung der Heilungsmöglich-
keiten für Verfahrensmängel auf der Grundlage des Infrastrukturplanungs-
beschleunigungsgesetzes?

12. Für welche Projekte wurde bereits die Gültigkeit eines Planfeststellungs-
beschlusses auf über zehn Jahre verlängert?

13. Wie häufig wurden nach Kenntnis der Bundesregierung keine Rechtsbe-
helfsbelehrungen in Planfeststellungsbeschlüssen für Fernstraßen-, Wasser-
straßen und Eisenbahnprojekte des Bundes vorgenommen (aufgeschlüsselt
nach Verkehrsträger)?

14. Wie viele Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Fernstraßen-, Was-
serstraßen und Eisenbahnprojekte des Bundes seit Inkrafttreten des Infra-
strukturplanungsbeschleunigungsgesetzes sind der Bundesregierung be-
kannt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4608

15. Hält die Bundesregierung die Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen
und Bürger sowie Umwelt-und Naturschutzverbände an Genehmigungs-
verfahren nach

a) Bergrecht,

b) Immissionsschutzrecht und

c) Baugesetzbuch

für ausreichend?

16. Inwiefern vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass mit der Neu-
regelung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Beschleunigung von
Planfeststellungsverfahren die Rechte der Betroffenen nicht eingeschränkt
werden?

17. Für welche Vorhaben – neben Infrastrukturprojekten – sieht die Bundes-
regierung Bedarf für Vereinfachungen von Planfeststellungsverfahren?

18. Welche Fachgesetze des Bundes und der Länder sind davon betroffen?

19. Welche konkreten Schritte beabsichtigt die Bundesregierung zu unterneh-
men, um die Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger an
Planfeststellungsverfahren künftig zu stärken?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, direktdemokratische
Instrumente zu Bürgerbeteiligung an den Anfang von Planungsverfahren zu
stellen?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, Mediationsverfahren
oder sonstige Moderationsverfahren in Planungsverfahren einzusetzen?

Berlin, den 28. Januar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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