BT-Drucksache 17/4092

Einsatz ausländischer Polizeikräfte in Deutschland sowie deutscher Polizeikräfte im Ausland

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4092
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Karin Binder, Annette Groth, Andrej Hunko,
Kornelia Möller, Niema Movassat, Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Kirsten
Tackmann, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz ausländischer Polizeikräfte in Deutschland sowie deutscher Polizeikräfte
im Ausland

Der Einsatz eines französischen Polizisten der Compagnies Républicaines de
Sécurité (CRS) gegen Anti-Atomkraft-Demonstranten anlässlich des Castor-
transportes wirft grundsätzliche Fragen zu Umfang und Praxis solcher inter-
nationalen Einsätze auf. Auf die Schriftliche Frage 10 der Abgeordneten Ulla
Jelpke auf Bundestagsdrucksache 17/3807 nannte die Bundesregierung Einsätze
wie den des CRS-Beamten „gelebte und ständige Übung auf europäischer
Ebene“. Ausländische Polizeikräfte seien in Deutschland „regelmäßig auch mit
exekutiven Befugnissen ausgestattet“, führte sie in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/4013
aus.

Eine solche Form der europäischen Kooperation, bei der Polizeieinsatzkräfte ge-
gen Demonstranten vorgehen (wie etwa Wasserwerfereinsätze unter Beimi-
schung von Reizgasen durch Bundespolizisten anlässlich der Proteste gegen den
NATO-Gipfel 2009 in Straßburg), stellt nach Auffassung der Fraktion DIE
LINKE. eine Art Waffenbrüderschaft der Regierungen gegen die Bevölkerung
dar.

Als Rechtsgrundlage für Einsätze ausländischer Polizeikräfte in Deutschland
kommen derzeit Maßnahmen der sogenannten Nacheile auf der Grundlage des
Schengener Vertrages in Betracht, per definitionem nur im grenznahen Bereich,
sowie Kooperationen gemäß des Prümer Vertrages und § 64 Absatz 4 des Bun-
despolizeigesetzes.

Der Deutsche Bundestag wird bislang über Einsätze deutscher Polizeikräfte im
Ausland nur rudimentär unterrichtet. Die Fraktion DIE LINKE. erkundigt sich
regelmäßig in Kleinen Anfragen nach deutschen Beteiligungen an internatio-
nalen Polizeimissionen, der Entsendung von Dokumentenberatern, Verbin-
dungsbeamten, der Teilnahme an bzw. Angeboten von Ausbildungskursen für
ausländische Polizeien. Nicht von diesen Antworten erfasst werden allerdings
grenzüberschreitende Einsätze von Polizeikräften. Die Gewerkschaft der Poli-
zei (GdP) spricht davon, der Einsatz im europäischen Ausland nehme zu

(DEUTSCHE POLIZEI, Heft 11/2010). Als Anlässe werden Großereignisse
wie Fußballspiele, Demonstrationen, Naziaufmärsche, Punkerfestivals usw.
genannt. Die GdP weist zudem auf eine Reihe rechtlicher Probleme hin und
bezeichnet „grundsätzliche und existenzielle Fragen (insbesondere bei den
Rechtsgrundlagen für die Unterstützungen, dem Einschreitverhalten und der
Einsatzphilosophie, einschließlich der Anwendung von Zwangsmitteln, der Be-
weissicherung sowie Dokumentation)“ als „ungeklärt“.

Drucksache 17/4092 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welchen rechtlichen Grundlagen sind Einsätze ausländischer Polizei-
beamte auf deutschem Hoheitsgebiet möglich (bitte sowohl Regelungen auf
EU-Ebene als auch zwischenstaatliche Verträge sowie nationale Rechts-
grundlagen nennen)?

a) Welche Rechtsgrundlagen regeln speziell Einsätze ausländischer Polizei-
kräfte unter Einschluss der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse (über
die sogenannte Nacheile hinaus)?

b) Inwieweit gibt es unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die bloße Ein-
satzbegleitung (Beobachtung) und die Wahrnehmung exekutiver Befug-
nisse (bitte angeben)?

c) Welche Regelungen gibt es bei bloßer Einsatzbegleitung (Beobachtung)
hinsichtlich der Berechtigung zum Mitführen und Benutzen von Waffen
(bitte ggf. nach Waffenarten unterscheiden)?

d) Inwiefern ist es den Ländern möglich, ausländische Polizeikräfte mit der
Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse im jeweiligen Bundesland bzw.
auch außerhalb dieses zu beauftragen, und inwieweit gibt es hierbei eine
Verpflichtung zur Information von Bundesbehörden?

e) Inwiefern ist die Bundespolizei, wenn sie unterstützend zugunsten von
Landespolizeien tätig wird, verpflichtet, diese darüber zu informieren,
wenn sie in ihren Reihen ausländische Polizeikräfte mitführt (sei es nur
zur Beobachtung oder inklusive der Übertragung exekutiver Befugnisse
an diese), und auf welche Rechtsgrundlagen gründet sich eine etwaige
Verpflichtung?

2. Welche Voraussetzungen müssen für die Übertragung hoheitlicher Befug-
nisse an ausländische Polizeikräfte gegeben sein?

a) Inwiefern setzen sie ein Ersuchen der einladenden Polizei an die Polizei
des Gastlandes voraus, und welche Anforderungen gibt es an ein solches
Ersuchen?

b) Inwiefern muss ein solches Ersuchen mit Hinweisen auf die polizeiliche
Lage oder andere Umstände begründet werden?

c) Welche (deutschen) Stellen sind zur Aussprache eines solchen Ersuchens
befugt?

d) An welche (ausländische) Stelle ist ein solches Ersuchen zu richten?

e) Wie ist die Weitergabe von Informationen über ausgesprochene Ersuchen
und deren Umsetzung an die Führung der Bundespolizei, die Polizei des
betroffenen Bundeslandes sowie die Bundesregierung geregelt?

f) Gibt es Regelungen, die ausschließen, Angehörige ausländischer Gendar-
merien, zumindest sofern sie dem jeweiligen Verteidigungsministerium
unterstellt oder Teil der Streitkräfte sind, mit der Wahrnehmung hoheit-
licher Befugnisse in Deutschland zu beauftragen (bitte ggf. benennen)?

g) Welche Regelungen gibt es hinsichtlich der Berechtigung zum Führen
und Benutzen von Waffen (bitte ggf. nach Typus der Waffen detailliert
schildern)?

3. Wie häufig waren ausländische Polizeikräfte seit dem 1. Januar 2005 im Ein-
satz (inklusive Einsatzbegleitung als Beobachter) in Deutschland (falls mög-
lich, bitte zu sämtlichen Einsätzen Ausführungen machen, mindestens aber
zu denjenigen, die auf einer Einladung/einem Ersuchen der Bundespolizei
basieren)?
a) Wann und wo fanden diese Einsätze jeweils statt (bitte auch jeweilige
Einheit bzw. Organisation/Dienststelle angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4092

b) Was waren Anlass und Zweck der Einsätze?

c) Auf welchen Rechtsgrundlagen basierten die Einsätze (bitte jeweils so-
wohl die europarechtliche als auch die deutsche Rechtsgrundlage nen-
nen)?

d) Von wem ging die Initiative für die Anwesenheit der ausländischen Poli-
zeikräfte aus, und welche Stellen waren auf beiden Seiten daran beteiligt
(bitte jeweils Dienststellen/Abteilungen/Referate nennen)?

e) Bei welchen dieser Anlässe waren die ausländischen Polizeikräfte befugt,
Schusswaffen mitzuführen?

f) Bei welchen dieser Anlässe haben die ausländischen Polizeien Fahrzeuge
und Geräte mitgeführt (bitte hierzu detaillierte Angaben machen)?

g) Bei welchen dieser Anlässe waren sie zur Anwendung unmittelbaren
Zwangs befugt?

h) Inwiefern haben sie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, und welche
Mittel/Waffen (wie Reizstoffe, Schusswaffe, Schlagstock, Wasserwerfer
usw.) wurden dabei eingesetzt?

i) Inwiefern haben sie von der Anwendung unmittelbaren Zwangs im Rah-
men der Nothilfe oder Notwehr nach Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 des Prü-
mer Vertrages Gebrauch gemacht?

j) Bei welchen dieser Anlässe waren sie als Hilfspolizisten gemäß § 63
Absatz 2 i. V. m. § 64 Absatz 4 Satz 3 des Bundespolizeigesetzes einge-
setzt?

4. Auf welchen rechtlichen Grundlagen sind Einsätze deutscher Polizeibeamte
auf ausländischem Hoheitsgebiet möglich?

a) Welche Rechtsgrundlagen regeln speziell die Einsätze deutscher Polizei-
kräfte unter Einschluss der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse über
die sogenannte Nacheile hinaus?

b) Inwiefern ist ein spezielles Ersuchen der einladenden Polizei Grundlage,
und welche Voraussetzungen muss dieses erfüllen?

c) Welche Dienststellen/Abteilungen/Referate sind auf deutscher Seite be-
fugt, über entsprechende Ersuchen ausländischer Stellen zu entscheiden?

d) Wie ist bei der Entsendung von Bundespolizeikräften zu ausländischen
Polizeien die Informationsübermittlung an die Führung der Bundespoli-
zei sowie an die Bundesregierung geregelt?

e) Gibt es Regelungen, die ausschließen, dass deutsche Polizeikräfte zur
Verstärkung ausländischer Gendarmerieeinheiten, zumindest soweit diese
Teil der Streitkräfte sind, entsandt werden (bitte ggf. nennen)?

5. Wie häufig waren deutsche Polizeikräfte seit dem 1. Januar 2005 im Einsatz
im Ausland (inklusive der Einsatzbegleitung als Beobachter) (Falls möglich,
bitte zu sämtlichen Einsätzen Ausführungen machen, mindestens aber zu
denjenigen, die unter der Beteiligung der Bundespolizei durchgeführt worden
sind. Internationale Polizeimissionen sowie Einsätze von Verbindungsbeam-
ten oder Dokumentenberatern sowie Entsendungen zwecks Teilnahme oder
Durchführung von Ausbildungskursen, die in den regelmäßigen Kleinen An-
fragen der Fraktion DIE LINKE. „Polizei- und Zolleinsätze im Ausland“ ab-
gefragt werden, brauchen hier nicht erneut aufgeführt zu werden.)?

a) Wann und wo fanden diese Einsätze jeweils statt (bitte angeben, in wel-
chen Einheiten bzw. in welchen Stäben/Dienststellen usw. die deutschen

Polizeikräfte eingesetzt waren)?

Drucksache 17/4092 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Was waren Anlass und Zweck der Einsätze?

c) Auf welchen Rechtsgrundlagen basierten die Einsätze?

d) Von wem ging die Initiative für die Anwesenheit der deutschen Polizei-
kräfte aus, welche Stellen waren auf beiden Seiten daran beteiligt (bitte
jeweils Dienststellen/Abteilungen/Referate nennen)?

e) Bei welchen dieser Anlässe waren die deutschen Polizeikräfte befugt,
Schusswaffen mitzuführen?

f) Bei welchen dieser Anlässe waren sie zur Anwendung unmittelbaren
Zwangs befugt?

g) Inwiefern haben sie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, und welche
Mittel/Waffen (wie Reizstoffe, Schusswaffe, Schlagstock, Wasserwerfer
usw.) wurden dabei eingesetzt?

h) Bei welchen dieser Anlässe haben die deutschen Polizeikräfte Fahrzeuge
und Geräte mitgeführt (bitte hierzu detaillierte Angaben machen)?

6. Wie wird bei Einsätzen ausländischer Polizeikräfte in Deutschland und deut-
scher Polizeikräfte im Ausland sichergestellt, dass

a) Einsatzphilosophie und Einschreitverhalten,

b) die Anwendung von Zwangsmitteln,

c) die Beweissicherung,

d) die Dokumentation

nach den im jeweiligen Gastland üblichen Vorgehensweisen bzw. Vorgaben
erfolgen, und insbesondere das gleiche Verständnis des Verhältnismäßig-
keitsgrundsatzes vorherrscht?

7. Welche Probleme sind der Bundesregierung diesbezüglich bekannt?

8. Wie werden deutsche Polizeikräfte im Ausland auf den Einsatz vorbereitet
(bitte sowohl das grundsätzliche Verfahren nennen als auch detaillierte Aus-
führungen am Beispiel der letzten drei Auslandseinsätze machen)?

9. Welche Erwartungen stellt die Bundesregierung an die Einsatzvorbereitung
ausländischer Polizeikräfte vor einem Einsatz in Deutschland, und inwiefern
erklärt sie die Erfüllung dieser Erwartungen als unverzichtbare Bedingung?

Berlin, den 1. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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