BT-Drucksache 17/3989

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht

Vom 30. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3989
17. Wahlperiode 30. 11. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tabea Rößner, Kai Gehring,
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit
im Straf- und Strafprozessrecht

A. Problem

Medienangehörige* waren in jüngster Vergangenheit immer wieder einer Er-
mittlungspraxis von Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt, die über Einzelfälle
hinausgehend geeignet ist, die Pressefreiheit und die für eine lebendige Demo-
kratie unverzichtbare Arbeit von Journalisten zu gefährden. Allein auf Grund
der für sich gesehen straflosen Veröffentlichung geheimer Unterlagen werden
Ermittlungsverfahren eingeleitet, Durchsuchungen und Beschlagnahmen mit
dem Vorwurf angeblicher Beihilfe oder Anstiftung zur Verletzung des Dienst-
geheimnisses nach den §§ 353b, 26, 27 des Strafgesetzbuchs (StGB) begründet
und durchgeführt. Auf diesem Wege einer Konstruktion eines Beihilfe- oder
Anstiftungsvorwurfs versuchen die Ermittlungsbehörden, Verantwortliche für
die Verletzung von Dienstgeheimnissen zu überführen und mögliche Informan-
ten der Presse zu finden. Das den Medienangehörigen zustehende Zeugnisver-
weigerungsrecht nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung
(StPO), das um der Pressefreiheit willen Medienangehörige vor der Preisgabe
von Quellen und Informanten schützen soll, wird damit umgangen. Das verfas-
sungsrechtlich geschützte Redaktionsgeheimnis und das Vertrauensverhältnis
zu Informanten werden ausgehebelt.

Bei der Anordnung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen ge-
gen Medienangehörige fehlt in einer auffälligen Häufung die notwendige Prü-
fung der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Arti-
kel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG). Systematisch werden bei sol-
chen Gelegenheiten „Zufallsfunde“ in erheblichem Ausmaß beschlagnahmt mit
der Folge, dass die Medienangehörigen in ihrer Arbeit nachhaltig beeinträchtigt
werden und die Pressefreiheit Schaden erleidet.

Eine weitere Beeinträchtigung u. a. für Journalisten und die Medien ergibt sich
aus der Vorschrift des § 353d Nummer 3 StGB. Strafbar ist danach das öffent-
liche Mitteilen von amtlichen Schriftstücken eines Straf-, Bußgeld- oder Diszi-

* Das Gesetz soll diejenigen Personen – und damit die Pressefreiheit – schützen, die bei der Vorberei-
tung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der
Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufs-
mäßig mitwirken. Sie sind mit den zeugnisverweigerungsberechtigten Personen nach § 53 Absatz 1
Nummer 5 StPO, die zusammenfassend als Medienangehörige bezeichnet werden, identisch.

Drucksache 17/3989 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

plinarverfahrens im Wortlaut, nicht jedoch in umschreibender oder indirekter
Wiedergabe.

Bei der Anordnung von heimlichen und offenen Ermittlungsmaßnahmen wer-
den Journalisten und andere Medienangehörige, soweit nicht die speziellen
Regelungen der Beschlagnahme oder der akustischen Wohnraumüberwachung
greifen, nicht in gleichem Maße vom Beweiserhebungs- und Beweisverwer-
tungsverbot erfasst wie Abgeordnete, Seelsorger und Strafverteidiger bzw.
künftig alle Rechtsanwälte. Dies betrifft insbesondere den sensiblen Bereich
der Auskunft über Telekommunikationsverbindungen und die inhaltliche Über-
wachung des Telefon- und E-Mail-Verkehrs. Statt der abwägungsfesten Rege-
lung des § 160a Absatz 1 StPO gilt für Journalisten nur § 160a Absatz 2 StPO.
Danach ist zwar die besondere, durch das Zeugnisverweigerungsrecht ge-
schützte Stellung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, es
bleibt jedoch die Abwägung bei der Anordnung sehr weitgehend möglich, den
Strafverfolgungsinteressen den Vorrang einzuräumen. Wie das Ergebnis der
Abwägung im Einzelfell sein wird, ist für Journalisten und insbesondere auch
für ihre Informanten regelmäßig nicht absehbar. Damit bleibt eine Verunsiche-
rung über den Schutz der vertraulichen Kommunikation, die den Informations-
fluss hemmt, der gerade für den investigativen Journalismus wichtig ist. Unbe-
schadet der erforderlichen Gleichstellung weiterer zeugnisverweigerungsbe-
rechtigter Berufsgeheimnisträger im Sinne des § 53 StPO ist hier eine Verbes-
serung des Schutzes wegen der für die Demokratie konstituierenden Bedeutung
der Presse erforderlich.

B. Lösung

Beihilfe und Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353b
StGB bleiben für Medienangehörige straffrei. Auf diese Weise wird der durch
das Zeugnisverweigerungsrecht bezweckte Schutz der Pressefreiheit und damit
der Quellen- und Informantenschutz gewährleistet. Die bestehende Beeinträch-
tigung von Veröffentlichungen über laufende Gerichtsverfahren wird mit der
Streichung von § 353d Nummer 3 StGB beseitigt.

Der Gefahr einer Überbetonung des Strafverfolgungsinteresses gegenüber der
Pressefreiheit wird schon auf der Ebene des einfachen Verfahrensrechts wirk-
sam begegnet:

Die Beschlagnahme nach § 97 Absatz 5 Satz 2 StPO darf auch in der Wohnung
oder anderen Räumen von Medienangehörigen sowie außerhalb von Räumen
des Medienangehörigen nur durch den Richter angeordnet werden.

Die Anordnung erfolgt schriftlich und ist qualifiziert zu begründen. Das Ge-
richt muss dabei einzelfallbezogen die Straftaten, auf Grund derer die Maßnah-
men angeordnet werden, die konkreten Anhaltspunkte für den Tatverdacht und
die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit un-
ter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG dar-
legen. Die gleichen Anforderungen – Richterprivileg, schriftliche und qualifi-
zierte Begründung – gelten für die Durchsuchungsanordnung.

„Zufallsfunde“ – also die einstweilige Beschlagnahme von nicht verfahrensge-
genständlichen Gegenständen bei Gelegenheit einer Durchsuchung – werden
zum Schutz der Pressefreiheit insoweit ausgeschlossen, dass eine Beschlag-
nahme bei Medienangehörigen nach § 97 Absatz 5 StPO unzulässig wäre.
Damit wird, soweit das Zeugnisverweigerungsrecht von Medienangehörigen
reicht, die einstweilige Beschlagnahme von Schriftstücken, Ton-, Bild- und
Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen, die sich im Gewahrsam
dieser Personen oder der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der
Rundfunkanstalt befinden, ausdrücklich unzulässig.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3989

Bei der Anordnung von heimlichen und offenen Ermittlungsmaßnahmen, ins-
besondere für die Auskunft über Telekommunikationsverbindungen und die in-
haltliche Überwachung des Telefon- und E-Mail-Verkehrs, werden Journalisten
und andere Medienangehörige, soweit nicht schon die speziellen Regelungen
der Beschlagnahme oder der akustischen Wohnraumüberwachung greifen, in
gleichem Maße vom Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot erfasst
wie Abgeordnete, Seelsorger und Strafverteidiger bzw. künftig alle Rechts-
anwälte. Der Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts wird damit gestärkt und
abwägungsfest gemacht.

C. Alternativen

Die Bundesregierung hat hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt (Bundestags-
drucksache 17/3355). Dieser ist jedoch nicht so umfassend und daher weniger
geeignet, den Schutz der Pressefreiheit sicherzustellen.

D. Kosten

Keine.

Drucksache 17/3989 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im
Straf- und Strafprozessrecht

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuchs

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geän-
dert durch …, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 353b Absatz 3 wird der folgende Absatz 3a ein-
gefügt:

„(3a) Wer bei der Vorbereitung, Herstellung oder Ver-
breitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Film-
berichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung
dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten
berufsmäßig mitwirkt oder mitgewirkt hat und dabei zu
der Tat angestiftet (§ 26) oder Hilfe geleistet hat (§ 27),
bleibt straffrei.“

2. § 353d Nummer 3 wird gestrichen.

Artikel 2

Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. § 98 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird Satz 2 gestrichen.

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Die Beschlagnahme nach § 97 Absatz 5 Satz 2
darf nur durch den Richter angeordnet werden. In der
schriftlichen Begründung des Gerichts sind einzel-
fallbezogen darzulegen:

1. die Straftaten, auf Grund derer die Maßnahme an-
geordnet wird,

2. die konkreten Anhaltspunkte für den Tatverdacht
und

3. die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlich-
keit und Verhältnismäßigkeit unter Berücksichti-
gung der Grundrechte aus Artikel 5 Absatz 1
Satz 2 des Grundgesetzes.“

c) Die bisherigen Absätze 2 bis 4 werden die Absätze 3
bis 5.

2. In § 105 Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz 2 einge-
fügt:

„§ 98 Absatz 2 gilt entsprechend.“

3. § 108 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1 Satz 3 wird folgender Satz 4 angefügt:

„§ 97 Absatz 5 gilt entsprechend.“

b) Absatz 3 wird aufgehoben.

4. § 160a wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 und 5 wird jeweils die Angabe
„oder Nr.“ durch ein Komma ersetzt und nach der
Angabe „4“ werden die Wörter „oder Nummer 5“
eingefügt.

b) In Absatz 2 Satz 1 wird die Angabe „oder Nr. 5“ ge-
strichen.

Artikel 3
Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes

§ 20u des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die
Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminal-
polizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz –
BKAG) vom 7. Juli 1997 (BGBl. I S. 1650), das zuletzt
durch Artikel … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geän-
dert worden ist, wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 und 6 wird jeweils die Angabe „oder
Nr.“ durch ein Komma ersetzt und nach der Angabe „4“
werden die Wörter „oder Nummer 5“ eingefügt.

b) In Absatz 2 wird die Angabe „oder Nr. 5“ gestrichen.

Artikel 4
Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes

§ 23a Absatz 5 des Gesetzes über das Zollkriminalamt
und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz –
ZfDG) vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3202), das zuletzt
durch Artikel … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geän-
dert worden ist, wird wie folgt geändert:

a) In den Sätzen 1 und 5 wird jeweils die Angabe „oder
Nr.“ durch ein Komma ersetzt und nach der Angabe „4“
werden die Wörter „oder Nummer 5“ eingefügt.

b) In Satz 6 wird die Angabe „oder Nr. 5“ gestrichen.

Artikel 5
Änderung des Artikel 10-Gesetzes

§ 3b des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post-
und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) vom
26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), das zuletzt durch
Artikel … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:

a) In den Sätzen 1 und 5 wird jeweils die Angabe „oder
Nr.“ durch ein Komma ersetzt und nach der Angabe „4“
werden die Wörter „oder Nummer 5“ eingefügt.

b) In Satz 6 wird die Angabe „oder Nr. 5“ gestrichen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3989

Artikel 6

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 30. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin Fraktion

Drucksache 17/3989 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

I.

Für den Bestand und die Weiterentwicklung der Demokratie
ist die ungehinderte Tätigkeit der Presse eine wesentliche
Voraussetzung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts ist die gemäß Artikel 5 Absatz 1
Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit konstituierend für die
freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 7,
198, <208>). Der verfassungsrechtlich eingeräumte Schutz
der Informationsbeschaffung findet seinen Grund in dem
alle Lebensbereiche betreffenden Beitrag der Medien für die
Information der Bürgerinnen und Bürger und für die darauf
aufbauende individuelle und öffentliche Meinungsbildung
(vgl. BVerfGE 35, 202 <221ff.>). In dem gesellschaftlichen
Prozess der Kommunikation bilden die von der Presse ver-
mittelten Informationen einen wichtigen Bestandteil. Sie
sind das Fundament für die wirkungsvolle Teilhabe der
mündigen Bürgerinnen und Bürger an öffentlichen Angele-
genheiten. Zu diesem Zweck ist der Schutz der Pressefrei-
heit ein elementares Anliegen.

Das Grundgesetz gewährt in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG
den im Medienbereich tätigen Personen und Unternehmen
Freiheit von staatlichem Zwang. Den Schutz vor staatlichen
Eingriffen in die freie Pressearbeit versucht einfachgesetz-
lich u. a. das in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StPO nor-
mierte Zeugnisverweigerungsrecht zu gewährleisten. Dieses
umfasst die Geheimhaltung von Informationsquellen und
das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informanten.
Weitere Normen in der Strafprozessordnung knüpfen zum
Schutz der Pressefreiheit an das Zeugnisverweigerungsrecht
an. Im materiellen Strafrecht fehlen bisher ausdrückliche
Schutznormen der Pressearbeit, jedoch können sich Me-
dienangehörige bei Äußerungen oder öffentlichen Mittei-
lungen bestimmter Sachverhalte u. U. auf die Wahrneh-
mung berechtigter Interessen, § 193 StGB, oder überragen-
der öffentlicher Interessen, § 201 Absatz 1 StGB, berufen.
Auch die Begrenzung der Strafbarkeit einer Verletzung
eines Dienstgeheimnisses auf Amtsträger und ihnen gleich-
gestellte Personen wirkt indirekt als eine Straffreistellung
für Medienangehörige, was mit der Neufassung von § 353b
StGB zwar angestrebt, jedoch nicht vollständig erreicht
wurde.

II.

Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung sind allgemeine
Gesetze im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 GG, durch die das
Recht der Pressefreiheit seine Schranken findet. Die in die-
sen Gesetzen bestimmten Grundrechtsschranken müssen je-
doch ihrerseits wieder im Lichte der mit Artikel 5 Absatz 1
Satz 2 GG verbundenen Grundrechtsverbürgungen gesehen
werden. Es bedarf einer intensiven grundrechtsorientierten
Abwägung, ob und inwieweit die Erfüllung der publi-
zistischen Aufgaben einen Vorrang der Pressefreiheit erfor-
dert und ob und ab wann sie an den Interessen einer wirk-
samen Strafrechtspflege ihre Grenze findet.

Da es Aufgabe des Gesetzgebers ist, über Anlässe und
Reichweite einer Freistellung von Journalisten oder Medien-
unternehmen sowohl von Bestrafung als auch von strafpro-
zessualen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 77, 65 <77>) zu ent-
scheiden, schlägt der Gesetzentwurf vor, die Reichweite der
Freistellung von Medienangehörigen sowohl von strafrecht-
lichen als auch von strafprozessualen Maßnahmen neu zu
justieren.

III.

Wie die Erfahrung zeigt, können Medienangehörige für
Strafverfolgungsbehörden von besonderem Interesse sein,
weil sie häufig über brisante und strafrechtlich relevante
Unterlagen verfügen. Der Deutsche Journalisten-Verband
(DJV) hat bereits 2001 164 Fälle aus den Jahren 1987 bis
2000 aufgelistet und analysiert, in denen Medienangehörige
Betroffene von strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen
und Strafverfahren waren. In den Fällen, in denen gegen
Medienangehörige wegen des Verdachts der Beihilfe oder
der Anstiftung zum Geheimnisverrat ermittelt, durchsucht
und beschlagnahmt wurde, kam es nach den Recherchen des
DJV in keinem einzigen Fall zu einer Verurteilung. Seit dem
Jahre 2001 wiederholen sich bis in die jüngste Vergangen-
heit hinein immer wieder Fälle, in denen die Pressefreiheit
durch Ermittlungsmaßnahmen schwer beeinträchtigt wurde.

IV.

Anlass der aktuellsten Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts zur Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Satz 2 GG
(BVerfG, 1 BvR 538/06 vom 27. Februar 2007) war die sog.
Cicero-Affäre, die seit 2005 auch den Deutschen Bundestag
beschäftigte (Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Bundestagsdrucksache 16/18; Gesetzent-
wurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Schutz
von Journalisten und der Pressefreiheit in Straf- und Straf-
prozessrecht – Bundestagsdrucksache 16/576; Gesetzent-
wurf der Fraktion der FDP zur Sicherung der Pressefreiheit –
Bundestagsdrucksache 16/956; Gesetzentwurf der Fraktion
DIE LINKE. zum Schutz der Pressefreiheit – Bundestags-
drucksache 16/4539).

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Er-
mittler der Staatsanwaltschaft Potsdam durchsuchten auf
Grundlage eines richterlichen Beschlusses des Amtsgerichts
Potsdam am 12. September 2005 die Redaktionsräume des
Monatsmagazins „Cicero“ sowie das Wohnhaus des
„Cicero“-Mitarbeiters und Autors B. S. Dabei beschlag-
nahmten die Ermittler 15 Kisten Recherchematerial, aus-
schließlich so genannte Zufallsfunde, und damit weite Teile
des Archivs des Journalisten. Bei der Durchsuchung der
Potsdamer „Cicero“-Redaktion kopierten die Ermittler zu-
dem die komplette Festplatte eines Redakteurs. Auslöser
der Durchsuchung war ein Artikel des B. S. in der Ausgabe
vom April 2005 über den islamistischen Terroristen Abu
Mussab al-Sarkawi. B. S. zitierte darin aus einem als Ver-
schlusssache eingestuften internen Papier des Bundeskrimi-
nalamtes (BKA). Nachdem das Bundesministerium des

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/3989

Innern im August 2005 deshalb eine entsprechende Ermäch-
tigung zur Strafverfolgung gegeben hatte, ermittelte die
Staatsanwaltschaft Potsdam nicht nur wegen Verletzung von
Dienstgeheimnissen (§ 353b StGB) gegen unbekannt, son-
dern erstreckte ihre Ermittlungen wegen Teilnahme an der
Verletzung von Dienstgeheimnissen auch auf den Verfasser
des Artikels und den Chefredakteur des „Cicero“, Dr. W.
Die Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Der Chef-
redakteur des „Cicero“, Dr. W., rief das Bundesverfassungs-
gericht an und rügte u. a. die Verletzung seines Grundrechts
aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG.

Das Bundesverfassungsgericht betonte erneut in der sog.
Cicero-Entscheidung vom 27. Februar 2007 die herausra-
gende Bedeutung der Pressefreiheit und gab dem Beschwer-
deführer Dr. W. Recht. Es stellte insbesondere klar, dass
Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermitt-
lungsverfahren gegen Presseangehörige verfassungsrecht-
lich unzulässig sind, wenn sie ausschließlich oder vorwie-
gend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu er-
mitteln (BVerfG 1 BvR 538/06 Absatz 61, Bestätigung von
BVerfGE 20, 162 <191 f., 217>). Weiterhin führte es aus:
„Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im
Sinne des § 353b StGB durch einen Journalisten reicht im
Hinblick auf Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG nicht aus, um
einen den strafprozessualen Ermächtigungen zur Durch-
suchung und Beschlagnahme genügenden Verdacht der Bei-
hilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen.“
(BVerfG a. a. O.).

V.

Die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung ist zu begrü-
ßen, da sie die Pressefreiheit stärkt. Sie stellt klar, dass es
missbräuchlich ist, Ermittlungsmaßnahmen gegen Journa-
listen zu ergreifen, wenn mit ihrer Hilfe tatsächlich nur In-
formanten aufgedeckt werden sollen. Die Entscheidung hat
jedoch nicht zu einer Erweiterung des Schutzes von Me-
dienangehörigen vor strafrechtlicher Verfolgung geführt.
Dies ist allerdings auch nicht die Aufgabe des Bundesver-
fassungsgerichts, sondern die des Gesetzgebers.

Wie notwendig es ist, Medienangehörige besser vor straf-
rechtlicher Verfolgung zu schützen, haben auch Ermitt-
lungsverfahren gegen 17 Journalisten renommierter Zei-
tungen und Magazine gezeigt (darunter Redakteure von
DER SPIEGEL, stern, DIE ZEIT, Süddeutsche Zeitung,
DER TAGESSPIEGEL, Frankfurter Rundschau, Berliner
Zeitung, die tageszeitung und DIE WELT), die direkt nach
der sog. Cicero-Entscheidung eingeleitet worden sind. Den
Betroffenen wurde vorgeworfen, sie hätten aus Geheim-
dienstunterlagen zitiert, die im Zusammenhang mit dem
BND-Untersuchungsausschuss standen. Die Staatsanwalt-
schaften ermittelten auch hier wegen Beihilfe zum Geheim-
nisdienstverrat gemäß den §§ 353b, 27 StGB, nachdem der
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert am
18. April 2007 seine Ermächtigung zur Strafverfolgung er-
teilt hatte.

Wie im Fall „Cicero“ war jedoch klar, dass diese Ermitt-
lungsverfahren lediglich eingeleitet wurden, um Informan-
ten – vermeintlich Mitglieder des BND-Untersuchungsaus-
schusses oder deren Mitarbeiter – ausfindig zu machen. Ge-
nau dieses Vorgehen hatte das Bundesverfassungsgericht

aber gerügt: „Das Risiko einer Verletzung des verfassungs-
rechtlich gebotenen Informantenschutzes ist besonders
groß, wenn der Verdacht einer Beihilfe allein darauf gestützt
wird, dass das Dienstgeheimnis in der Presse veröffentlicht
worden ist und das maßgebende Schriftstück allem An-
schein nach unbefugt in die Hände des Journalisten gelangt
war.“ (BVerfG, 1 BvR 538/06 Absatz 62). Deshalb stellt be-
reits die Einleitung der Ermittlungsverfahren einen Eingriff
in die in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG geschützte Presse-
freiheit dar. Selbst wenn es in den genannten Verfahren
weder zu polizeilichen Befragungen, Durchsuchungen oder
Beschlagnahmen gekommen ist, so ist das Wissen der
Medienangehörigen um die gegen sie gerichtete laufende
strafrechtliche Ermittlung geeignet, einen erheblichen Ein-
fluss auf die Berichterstattung zu dem gegenständlichen
Thema (hier: BND-Untersuchungsausschuss) zu haben.

VI.

Laufende Ermittlungsverfahren, Durchsuchungen und Be-
schlagnahmen in Wohnungen von Medienangehörigen wie
in Redaktions- und Produktionsräumen beeinträchtigen die
Pressefreiheit wegen ihrer einschüchternden Wirkung auf
Journalisten. Das Zeugnisverweigerungsrecht wird unter-
laufen, wenn sich Strafverfolgungsbehörden Einblick in
Wissen und Unterlagen der Medienangehörigen verschaf-
fen. Bevölkerung und potentielle Informanten können nicht
mehr sicher sein, dass die – unter Umständen auch strafbare –
Weitergabe von Informationen vertraulich bleibt.

Die Konstruktion der Beihilfe oder Anstiftung zum Ge-
heimnisverrat ist ein Einfallstor, um aus Anlass der Veröf-
fentlichung geheimer Informationen gegen Medienangehö-
rige zu ermitteln. Tatsächlich dient diese Konstruktion vor
allem dazu, auf der Suche nach dem „Leck“ in der Behörde
den Informanten durch die Durchsuchung beim Journalisten
ausfindig zu machen. Zu einer Verurteilung des Medienan-
gehörigen kommt es hingegen fast nie. Journalisten sind
jedoch gerade keine Amtsträger, die zur Verschwiegenheit
verpflichtet sind. Ihre Aufgabe dient vielmehr gegensätz-
lichen Interessen, d. h. der Unterrichtung der Öffentlichkeit
und der Kontrolle des Staates.

Die Teilnahme an der Verletzung des Dienstgeheimnisses
muss für Medienangehörige deshalb straffrei sein.

VII.

Eine weitere Beeinträchtigung insbesondere für Medienan-
gehörige ergibt sich aus der Strafbarkeit verbotener Mit-
teilungen über Gerichtsverhandlungen gemäß § 353d Num-
mer 3 StGB. Danach ist die öffentliche Mitteilung amtlicher
Schriftstücke eines Strafverfahrens oder ähnlicher Verfah-
ren, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden
sind oder das Verfahren abgeschlossen ist, strafbar, wenn sie
im Wortlaut erfolgt. Schon an den ähnlich lautenden Vor-
schriften der früheren Pressegesetze wurde berechtigter-
weise kritisiert, dass sie ihren Zweck nur unvollkommen er-
füllen (vgl. Schönke/Schröder StGB, 26. Auflage 2001,
§ 353d Nummer 3 StGB, Rn. 41). Diese Kritik ist auch
gegenüber der Neufassung in § 353d Nummer 3 StGB an-
gebracht. Durch die Begrenzung des Tatbestandes auf die
öffentliche Mitteilung „im Wortlaut“ ist der Anwendungs-

Drucksache 17/3989 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bereich derart reduziert, dass die Bestimmung keine sinn-
volle Funktion erfüllt.

Ganz abgesehen davon, dass die Publikation amtlicher
Schriftstücke ohnehin nicht die typische Methode darstellt,
das Verhalten an einem Verfahren Beteiligter über die
öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, bringt die
sinngemäße Veröffentlichung solcher Unterlagen wohl
kaum geringere Gefahren mit sich als gerade die wortge-
treue.

§ 353d Nummer 3 StGB erfüllt aber schon deshalb seinen
Zweck nicht, weil bereits eine in eigene Worte gefasste,
sonst aber völlig sinngetreue Wiedergabe des Schriftstücks
nicht mehr tatbestandsmäßig ist, was zu mühelosen Umge-
hungen geradezu einlädt. Die Vorschrift ist missglückt, weil
der mit ihr bezweckte Schutz „wenig wirksam“ ist (vgl.
BVerfG, 71, 206 <221>). Eine Strafrechtsvorschrift, deren
Anwendungsbereich gegen „Null“ tendiert, liefert keinen
erhaltenswerten Beitrag zum staatlichen Rechtsgüterschutz.

Der Entwurf schlägt vor, § 353d Nummer 3 StGB ersatzlos
zu streichen.

VIII.

Im Zusammenhang mit strafprozessualen Ermittlungsver-
fahren, die sich direkt oder indirekt gegen Medienangehö-
rige richten, wird der verfassungsrechtlich garantierte
Schutz der Pressefreiheit nicht angemessen berücksichtigt.
Die Privaträume von Medienangehörigen können bei Ge-
fahr im Verzug sogar ohne richterliche Anordnung durch-
sucht werden. Der Richtervorbehalt muss im Hinblick auf
die Wohnung, aber auch andere Räume wie Archivräume
darüber hinaus gestärkt werden, um den gewandelten
Arbeitsbedingungen von Journalisten Rechnung zu tragen,
die heute – ob als freie oder als festangestellte Mitarbeiter –
häufig von zu Hause aus arbeiten. Nicht selten findet diese
Arbeit aber auch an anderen Orten statt, etwa auf Arbeits-
reisen. Mit den modernen Arbeitsmitteln wie Laptops und
Smartphones wird die Arbeit von überall aus möglich. So
entspricht die Beschränkung der Ausnahmen von der Eil-
kompetenz von Polizei und Staatsanwaltschaft auf be-
stimmte Räume, in denen früher typischerweise Medienan-
gehörige arbeiteten, nicht mehr ausreichend den realen Ge-
gebenheiten und sollte durch eine umfassende Regelung er-
setzt werden, die nur noch an die Beschlagnahme bei als
Medienangehörige zeugnisverweigerungsberechtigten Per-
sonen anknüpft. Damit wird zugleich der Anachronismus
aufgelöst, dass bei Räumen privater Rundfunkunternehmen
nicht der gleiche Schutz besteht wie für Rundfunkanstalten.

Die Begründungen von Beschlagnahme- oder Durchsu-
chungsanordnungen sind in der Regel floskelhaft und ent-
halten nur dürftige Angaben zur Verhältnismäßigkeitsprü-
fung. Häufig fehlt selbst in richterlich angeordneten Durch-
suchungsbeschlüssen die Abwägung darüber, ob der die
Medienangehörigen treffende Tatvorwurf von einem sol-
chen Gewicht ist, dass er die Durchsuchung auch der Re-
daktionsräume rechtfertigt. Nur eine solche Abwägung ent-
spricht aber den verfassungsrechtlichen Anforderungen
(vgl. BVerfG 1 BvR 2019/03).

Aus Anlass der Durchsuchung werden systematisch und in
erheblichem Umfang „Zufallsfunde“ einstweilen beschlag-

nahmt. Dies beschädigt in nicht hinzunehmender Weise die
Pressefreiheit, weil die Beschlagnahme von Schriftstücken,
Ton-, Bild- und Datenträgern, Abbildungen und anderen
Darstellungen für die Tätigkeit von Medienangehörigen ein
großes Hindernis für die Fortführung ihrer Arbeit ist.

Der Gesetzentwurf schlägt deshalb presseschützende Rege-
lungen für den Erlass von Ermittlungsmaßnahmen gegen
Medienangehörige und die ausdrückliche Einschränkung
der Beschlagnahmemöglichkeit von „Zufallsfunden“ vor.
Der Schutz vor Beschlagnahme gemäß § 97 Absatz 5 StPO
soll auf „Zufallsfunde“ ausgedehnt werden.

IX.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Pressefreiheit erscheint es
erforderlich, die Berufsgeheimnisträger aus dem Medienbe-
reich auch im Bereich der Erhebung von Telekommunika-
tionsverbindungsdaten, Telekommunikationsüberwachungen
und anderer nicht schon speziell bezüglich dieses Personen-
kreises geregelter Ermittlungsmaßnahmen stärker als bisher
zu schützen, soweit ihr Zeugnisverweigerungsrecht reicht.
Der Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts wird gestärkt,
indem Medienangehörige dem abwägungsfesten Beweis-
erhebungs- und Beweisverwertungsverbot des § 160a Ab-
satz 1 StPO unterstellt werden, das für einige andere beson-
ders geschützte Berufsgeheimnisträger gilt.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

§ 353b StGB wird um einen neuen Absatz 3a ergänzt. Da-
nach handeln Berufsgeheimnisträger nach § 53 Absatz 1
Satz 1 Nummer 5 StPO nicht rechtswidrig, wenn sie bei
Ausübung ihres Berufes zur Verletzung des Dienstgeheim-
nisses Hilfe leisten oder hierzu anstiften. Die Straffreiheit
nur auf die Teilnahmeform der Beihilfe zu beschränken,
wäre angesichts der in der Praxis teils schwierigen Abgren-
zung zwischen Beihilfe und Anstiftung zum Geheimnisver-
rat nach § 353b StGB nicht zielführend gewesen. Es wäre
zu befürchten gewesen, dass die Ermittlungsbehörden von
einem Verdacht der Beihilfe auf einen Verdacht der Anstif-
tung ausweichen. Das Zeugnisverweigerungsrecht, das dem
Quellen- und Informantenschutz dient, wird mit der vorge-
schlagenen Regelung umfassend geschützt. Durch die Neu-
regelung werden Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei
Journalisten effektiv eingedämmt.

Im Hinblick auf die konstitutive Bedeutung von Presse- und
Rundfunkfreiheit für die Demokratie ist die Neuregelung in
Absatz 3a erforderlich. Das strafwürdige Verhalten liegt nur
bei dem Amtsträger, der der Geheimhaltungspflicht unter-
liegt und dennoch geheime Informationen preisgibt, nicht
aber bei dem Medienangehörigen, der diese Informationen
erlangen und veröffentlichen will.

Zu Nummer 2

§ 353d Nummer 3 StGB wird ersatzlos gestrichen. Diese
Streichung erfolgt, weil die Vorschrift ihr Ziel nicht er-
reichen will und kann. Eine Strafnorm ohne überzeugende

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/3989

Legitimation kann sich ein Rechtsstaat nicht leisten. Erklär-
ter Zweck der Norm ist der Schutz der Unbefangenheit von
Verfahrensbeteiligten (Laienrichtern, Zeugen und von
Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren Betroffenen), die
angeblich durch Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke
im Wortlaut gefährdet ist. § 353d Nummer 3 StGB ist je-
doch hierzu ungeeignet, weil er die öffentliche Voraberörte-
rung des Prozessgegenstandes nicht verhindern kann. Eine
gezielte Beeinflussung von Prozessbeteiligten wird durch
die Vorschrift nicht verhindert.

Die Strafnorm des § 353d Nummer 3 StGB verleitet viel-
mehr lediglich dazu, das Prozessgeschehen mit eigenen
Worten, angereichert durch Zitate und im Übrigen sinnge-
mäß wiederzugeben, um den „Wortlaut“ zu vermeiden. Dies
kann schädlicher für die Verfahrensbeteiligten sein als die
Wiedergabe im Wortlaut. Es ist kein rechtfertigender Diffe-
renzierungsgrund ersichtlich, warum derjenige, der ge-
schickt den Inhalt amtlicher Schriftstücke beschreibt, straf-
frei sein und sich derjenige, der wortgetreu veröffentlicht,
strafbar machen soll. Dass die wahrheitsgemäße Publikation
von amtlichen Schriftstücken aus Strafverfahren den sozia-
len Frieden derart stört, dass sie durch § 353d Nummer 3
StGB als allgemeines Gesetz im Sinne von Artikel 5
Absatz 2 GG die Pressefreiheit einschränken darf, über-
zeugt nicht. Die Presse erfüllt – gerade auch im Interesse
der Betroffenen – mit ihrer Justizkontrolle eine wesentliche
Funktion.

Zu Artikel 2

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. § 98 Ab-
satz 1 Satz 1 StPO wird ein eigenständiger Absatz 1, in dem
die Anordnung der Beschlagnahme allgemein geregelt ist.

Zu Buchstabe b

Mit dem neugefassten § 98 Absatz 2 Satz 1 StPO wird das
Richterprivileg bei der Beschlagnahme von Gegenständen
in Redaktionsräumen auf die Beschlagnahme von Druck-
werken und Schriften in der Wohnung eines Zeugnisverwei-
gerungsberechtigten nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5
StPO ausgedehnt. Die richterliche Anordnung der Be-
schlagnahme auf Gegenstände in den Privaträumen eines
Journalisten zu erstrecken, ist sachgerecht. Recherchemate-
rial und Arbeitsplatz von Medienangehörigen befinden sich
in zunehmendem Maß auch in deren Privaträumen. Diese
Entwicklung wird durch moderne Arbeitsorganisation und
Kommunikationsmittel der Datenübertragung verstärkt. Ein
Eingriff in die Pressefreiheit, der in der Beschlagnahmean-
ordnung für Gegenstände aus Wohnungen von Zeugnisver-
weigerungsberechtigten nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Num-
mer 5 zu sehen ist, erfordert die Prüfung durch den Richter.
Das Gleiche gilt für die Räume von privaten Rundfunkun-
ternehmen. Die Änderung der Arbeitsweise durch moderne
Arbeits- und Kommunikationsmittel geht jedoch so weit,
dass eine Beschränkung der Ausnahmen von der Eilkompe-
tenz von Polizei und Staatsanwaltschaft auf bestimmte
Räume nicht mehr angemessen erscheint. Sie wird durch
eine umfassende Regelung ersetzt, die nur noch an die Be-
schlagnahme bei als Medienangehörige zeugnisverweige-

rungsberechtigten Personen anknüpft. Über die allgemeine
Bezugnahme auf § 97 Absatz 5 Satz 2 wird dies gewährleis-
tet. Dabei war es nicht erforderlich, auf den gesamten Ab-
satz 5 des § 97 zu verweisen, da dessen Satz 1 das grund-
sätzliche Beschlagnahmeverbot bei Medienangehörigen
enthält. Nur in den Fällen des Satzes 2, der wiederum auf
§ 97 Absatz 2 Satz 3 verweist und dadurch die Fälle der so-
genannten Verstrickungsausnahme regelt, kommt überhaupt
eine Beschlagnahme von Schriftstücken, Ton-, Bild- und
Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen, die
sich im Gewahrsam von Medienangehörigen befinden, trotz
bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts in Betracht.

Mit dem neugefassten § 98 Absatz 2 Satz 2 werden die Be-
gründungsanforderungen explizit geregelt. Gerade in Fällen
von Beschlagnahmen in Redaktionsräumen oder Wohnun-
gen von Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Absatz 1 Satz 1
Nummer 5 StPO und auch in den anderen Fällen des neuen
Absatzes 2 Satz 1 muss das Gericht seine Anordnung schrift-
lich, einzelfallbezogen und qualifiziert begründen. Dadurch
soll bei der Strafverfolgung ein verstärktes Bewusstsein für
die Bedeutung der Pressefreiheit geschaffen werden. Das
Gericht muss – immer bezogen auf den Einzelfall – die
Straftaten, auf Grund derer es die Maßnahme angeordnet
hat, die konkreten Anhaltspunkte für den Tatverdacht und
die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlichkeit und Ver-
hältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Grundrechte
aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG benennen. Diese Hürde
für die Beschlagnahme von Gegenständen in Redaktions-
räumen und bei Medienangehörigen ist notwendig, damit
die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall und im
Lichte der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit
durchgeführt wird.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um redaktionelle Änderungen, die sich dar-
aus ergeben, dass § 98 Absatz 2 StPO neu gefasst wurde.
Die bisherigen Absätze 2, 3 und 4 der Vorschrift verschie-
ben sich um jeweils einen Absatz und werden zu § 98 Ab-
satz 3, 4 und 5 StPO.

Zu Nummer 2

Die Änderung dient der Klarstellung. Zwar ist anerkannt,
dass sich die Anordnung der Durchsuchung grundsätzlich
nach dem Umfang der Beschlagnahme richtet, weil die
Durchsuchung der Beschlagnahme dient. Durch die Auf-
nahme des Verweises auf § 98 Absatz 2 in § 105 StPO soll
jedoch sichergestellt werden, dass dieselben hohen Anfor-
derungen an die Anordnung der Beschlagnahme in Redak-
tionsräumen und in Wohnungen von Medienangehörigen,
soweit ihr Zeugnisverweigerungsrecht reicht, auch bei der
Erteilung der Durchsuchungsanordnung gelten sollen.

Zu Nummer 3

Zu Buchstabe a

Die Änderung in § 108 Absatz 1 Satz 4 soll „Zufallsfunde“
bei Medienangehörigen weitestgehend ausschließen. Wegen
der herausragenden Bedeutung der Pressefreiheit, aber auch
wegen der Bedeutung, die die einstweilige Beschlagnahme
von Arbeitsmaterial auf die Arbeitsmöglichkeiten des Jour-
nalisten hat, ist diese Regelung erforderlich. Durch den Ver-

Drucksache 17/3989 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

weis auf § 97 Absatz 5 wird geregelt, dass die einstweilige
Beschlagnahme von Schriftstücken, Ton-, Bild-, und Daten-
trägern, Abbildungen und anderen Darstellungen, die sich
im Gewahrsam der Person oder der Redaktion, des Verla-
ges, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden, nur
in demselben Maße zulässig ist wie die angeordnete Be-
schlagnahme bei Medienangehörigen. Diese richtet sich
nach dem Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts nach
§ 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5.

Konkret bedeutet das, dass „Zufallsfunde“ bei Berufsge-
heimnisträgern nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 grund-
sätzlich ausgeschlossen sind, es sei denn, das Zeugnisver-
weigerungsrecht entfällt nach § 53 Absatz 2 Satz 2. Erfolgt
die einstweilige Beschlagnahme zur Aufklärung eines Ver-
brechens oder einer in § 53 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3
aufgeführten Straftat (Landesverrat, Kinderpornographie
und Geldwäsche), bleiben „Zufallsfunde“ auch bei Medien-
angehörigen oder in Redaktionsräumen möglich. Diese Ein-
schränkung folgt der Interessenabwägung zwischen Presse-
freiheit und Strafverfolgung im Rahmen des Zeugnisver-
weigerungsrechts.

Zu Buchstabe b

Da der durch Buchstabe a in Absatz 1 des § 108 eingefügte
Verweis auf das Beschlagnahmeverbot des § 97 Absatz 5
weiter geht als das Verwertungsverbot des Absatzes 3, ist
Absatz 3 zu streichen. Es handelt sich somit um eine Folge-
änderung.

Zu Nummer 4

Zu Buchstabe a

Die Pressefreiheit gebietet es zwar nicht, Medienangehörige
generell von strafprozessualen Maßnahmen freizustellen
(vgl. BVerfG 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99). Das Bundes-
verfassungsgericht hat allerdings deutlich gemacht, dass der
grundgesetzliche Schutz von Journalisten bei der Strafver-
folgung durch besondere, nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2
GG erforderliche Verhältnismäßigkeitserwägungen zu ga-
rantieren sei, in die namentlich sowohl die Schwere der
Straftat als auch der elementare Schutz der Presse und der
Informantenschutz einzubeziehen ist. Darüber hinaus ist es
Sache des Gesetzgebers, über die Anlässe und Reichweite
einer Freistellung von Medienangehörigen von strafprozes-
sualen Maßnahmen zu entscheiden. Diesem Ziel und dieser

Aufgabe folgt die hier vorgeschlagene Änderung. Die Auf-
nahme des § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in § 160a Ab-
satz 1 StPO ist erforderlich, weil Medienangehörige als Be-
rufsgeheimnisträger den gleichen Schutz wie die anderen
dort aufgezählten Zeugnisverweigerungsberechtigten ver-
dienen.

Durch die Neuregelung gelten bei Ermittlungsmaßnahmen
nun auch unabhängig vom Abwägungsvorbehalt des Absat-
zes 2 Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote für
Medienangehörige; allerdings wiederum nur soweit, wie de-
ren Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Absatz 1 Satz 1
Nummer 5 StPO reicht.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Buchstabe a. Me-
dienangehörige werden aus der Regelung des Absatzes 2
gestrichen, weil sie der weitergehenden Regelung des Absat-
zes 1 unterstellt wurden.

Zu Artikel 3

Die Regelung zum Schutz zeugnisverweigerungsberechtig-
ter Personen im BKAG wird – einschließlich Folgeänderun-
gen – entsprechend zur Änderung des § 160a StPO in Arti-
kel 2 Nummer 4 angepasst. § 20u BKAG ist eine dem
§ 160a StPO vergleichbare Regelung, die den abwägungs-
festen Schutz vor polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnah-
men regelt. Der Schutz des Vertrauensverhältnisses von In-
formanten zu Medienangehörigen, soweit deren Zeugnis-
verweigerungsrecht reicht, erfordert im präventiven Bereich
die gleichen Regelungen wie beim Schutz vor Ermittlungs-
maßnahmen zur Strafverfolgung.

Zu Artikel 4

Für die Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes gilt das
zu Artikel 3 Ausgeführte entsprechend.

Zu Artikel 5

Für die Änderung des Artikel 10-Gesetzes gilt das zu Arti-
kel 3 Ausgeführte entsprechend.

Zu Artikel 6

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.