BT-Drucksache 17/3967

Bericht der Bundesregierung gemäß § 154 Absatz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre

Vom 26. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3967
17. Wahlperiode 26. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn, Birgitt Bender,
Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Sven-Christian Kindler, Maria
Klein-Schmeink, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer,
Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bericht der Bundesregierung gemäß § 154 Absatz 4 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre

Im Jahr 2007 hat die Bundesregierung die stufenweise Anhebung der Regelal-
tersgrenze auf 67 Jahre beschlossen. Die Altersgrenzen sollen ab 2012 schritt-
weise von derzeit 65 Jahren auf 67 Jahre im Jahr 2031 steigen. Der Geburts-
jahrgang 1964 wäre diesen Plänen zufolge der erste Jahrgang, für den das voll-
endete 67. Lebensjahr als Regelaltersgrenze zum Tragen kommt.

In § 154 Absatz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch wird die Bundes-
regierung verpflichtet, den gesetzgebenden Körperschaften vom Jahr 2010 an
alle vier Jahre über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer zu berichten und eine Einschätzung darüber abzugeben,
ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwick-
lung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation
älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und
die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können. Den ersten
dieser Berichte hat die Bundesregierung am 17. November 2010 verabschiedet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch waren im Jahr 2009 im Vergleich zu 2008 die Anteile der Perso-
nen mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

a) an allen Personen im Alter von 64 Jahren und

b) an den erwerbstätigen Personen im Alter von 64 Jahren?

Wie hoch war der Anteil der Vollzeiterwerbstätigen an den sozialversiche-
rungspflichtigen 64-Jährigen, und wie hat sich dieser Anteil entwickelt?

2. Wie bewertet die Bundesregierung, dass sowohl bei den 63- als auch bei den
64-Jährigen zwischen 2008 und 2009 die Zahl der sozialversicherungs-

pflichtig Beschäftigten gesunken ist?

3. Wie bewertet die Bundesregierung, dass sich in der Altersgruppe 60 bis un-
ter 65

a) von 2008 auf 2009 die Zahl der Arbeitslosen nahezu und die Zahl der
Langzeitarbeitslosen mehr als verdoppelt hat,

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b) die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsbezieher der Grundsicherung für
Arbeitsuchende seit 2007 sowie der atypisch Beschäftigten kontinuier-
lich gestiegen ist?

4. Wie wird sich nach Meinung der Bundesregierung die Erwerbsbeteiligung,
die Art der Erwerbsbeteiligung und insbesondere der Anteil der sozialver-
sicherungspflichtigen Beschäftigung von Personen im Alter von 60 bis un-
ter 65 Jahren in den nächsten Jahren bis 2030 entwickeln?

Welche Studien liegen der Bundesregierung dazu vor, und zu welchen Er-
gebnissen kommen diese unter welchen Annahmen?

5. Weshalb ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Häufigkeit des
Besuchskontakts mit Bekannten oder Verwandten, der Umfang sportlicher
Betätigung oder Bürgerschaftlichen Engagements entscheidende Indikato-
ren der sozialen Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
sind, um zu beurteilen, ob die Rente mit 67 weiterhin vertretbar erscheint?

6. Wie hat sich in den letzten 10 Jahren die Zahl und der Anteil der 60- bis un-
ter 65-Jährigen entwickelt, die Grundsicherung beziehen, aufgeteilt nach
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Grundsicherung
für Arbeitsuchende sowie insgesamt (beide Arten von Grundsicherung)?

7. Wie hat sich in den letzen 10 Jahren die Zahl und der Anteil in der Alters-
gruppe der 60- bis unter 65-Jährigen entwickelt, die eine Erwerbsminde-
rungsrente beziehen?

8. Wie hat sich der Anteil der Personen in der Altersgruppe der 60- bis unter
65-Jährigen in den letzten 10 Jahren entwickelt, die ein Einkommen unter
der Armutsrisikogrenze haben?

9. Wie sind die hochgerechneten Jahresentgelte der 60- bis unter 65-Jährigen
geschichtet, und wie haben sich diese von 2005 auf 2008 verändert?

10. Wie hoch ist das Nettovermögen der 60- bis unter 65-Jährigen gewesen?

Wie groß ist der Anteil der Menschen in dieser Altersgruppe ohne Netto-
vermögen und mit einem Nettovermögen unter 10 000 Euro, jeweils bezo-
gen auf das gesamte Nettovermögen sowie alternativ auf das Nettovermö-
gen ohne Immobilien?

Wie haben sich diese Zahlen im Zeitverlauf entwickelt?

11. Wie hat sich der Gini-Koeffizient des realen Nettoäquivalenzeinkommens
der abhängig Beschäftigten sowohl bei den unter 55-Jährigen als auch bei
den älteren Beschäftigten (die 55- bis unter 65-Jährigen und die 60- bis un-
ter 65-Jährigen) in den letzten 10 Jahren entwickelt?

Und wie erklärt und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die bei den 60- bis 64-jährigen Männern
stagnierende und die bei den 50- bis 59-jährigen Männern abnehmende
subjektive Gesundheitseinschätzung als „gut“ oder „sehr gut“?

Wie ist diese Entwicklung zu erklären, und welche Gegenmaßnahmen will
die Bundesregierung ggf. ergreifen?

13. Weshalb werden in dem Bericht bei der „subjektiven Gesundheitseinschät-
zung“, die nach Meinung der Bundesregierung „als wichtige Größe auf die
Arbeitsfähigkeit bzw. das Risiko, vorzeitig das Erwerbsleben beenden zu
müssen“, gilt, nur die guten und nicht die schlechten Bewertungen darge-
stellt?

Wie hat sich der Anteil der 60- bis unter 65-Jährigen mit einer schlechten

oder sehr schlechten Gesundheitseinschätzung entwickelt (insgesamt sowie
nach Geschlecht)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3967

14. Weshalb konzentriert sich die Bundesregierung in ihrem Bericht bei der
Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Lage auf die 55- bis 65-
Jährigen und nicht auf die 60- bis 65-Jährigen?

15. Wie kommt die Bundesregierung zu dem Schluss, dass „die positive Ent-
wicklung sich fortsetzen wird“ (S. 5), wenn im Bericht keine Prognosen
über die Entwicklung der Beschäftigungssituation Älterer enthalten sind?

16. Wie kommt die Bundesregierung zu der Einschätzung, dass sich das Ein-
kommensniveau für die künftigen Rentnerinnen und Rentner erhöhen wird
(S. 6)?

17. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung insbesondere der Anteil
der Frauen an den sozialversicherungspflichtig beschäftigten älteren Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhöht werden?

18. Wie viele Betriebe haben nach Kenntnis der Bundesregierung bisher Maß-
nahmen ergriffen, um den Anteil älterer Beschäftigter zu erhöhen, und wie
hoch ist der Anteil an allen Betrieben?

Wenn der Bundesregierung dazu keine Zahlen vorliegen, wie hoch schätzt
sie den Anteil der Unternehmen ein, die bereits Maßnahmen ergriffen haben?

Sieht die Bundesregierung dies als Einzelfälle, ist dies verbreitet oder flä-
chendeckend?

Und wie bewertet die Bundesregierung dies?

19. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, ihrerseits Rahmenbedingun-
gen und/oder Anreize zu schaffen, damit mehr Unternehmen als bisher
Maßnahmen ergreifen, um den Anteil älterer Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer zu erhöhen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

20. Wie viele 55- bis 64-jährige Teilnehmer von Arbeitsgelegenheiten mit
Mehraufwandsentschädigung (Ein-Euro-Jobber) haben zwischen 2005 und
2009 den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt geschafft?

21. Welche Beschäftigung schaffenden Instrumente speziell für 55- bis 64-jäh-
rige und für 60- bis 64-jährige Arbeitsuchende existieren neben den Ar-
beitsgelegenheiten?

22. Wie hoch ist der Anteil 55- bis 64-jähriger und 60- bis 64-jähriger Arbeit-
suchender an den Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose nach dem
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (bitte differenziert nach Maßnahme)?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass spezielle Weiterbil-
dungen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur selten und
wenn, dann eher in großen Betrieben und dort wiederum vorrangig in der
öffentlichen Verwaltung angeboten wurden?

24. Durch welche Maßnahmen plant die Bundesregierung auch kleinere Be-
triebe für betriebliche Weiterbildung zu gewinnen, die dem Bericht zufolge
bisher schwer dafür zu erreichen sind?

25. Aus welchem Grund bleibt der Bericht der Bundesregierung jegliche Zah-
len und Prognosen zur wirtschaftlichen und sozialen Situation erwerbs-
geminderter und schwerbehinderter älterer Menschen, die ebenfalls von
der Erhöhung der Regelaltersgrenze betroffen sind, schuldig?

26. Liegen der Bundesregierung Zahlen über die wirtschaftliche und soziale
Situation Erwerbsgeminderter und schwerbehinderter älterer Menschen
vor?
Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/3967 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit als flankierende Maßnahmen
zur Anhebung der Regelaltersgrenze mehr Möglichkeiten

a) für einen Rentenbezug vor der Regelaltersgrenze und

b) für fließende Übergänge in den Ruhestand zu schaffen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung?

28. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass bereits Tage bevor
der Bericht den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Verfügung
gestellt wurde, detailliertes Zahlenmaterial und wörtliche Zitate aus dem
Bericht in der Presse zitiert wurden?

29. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sie mit dem hier vorliegen-
den Bericht ihrer Berichtspflicht ausreichend nachgekommen ist?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 26. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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