BT-Drucksache 17/3554

Legalisierung von Cannabis-Medikamenten zur Therapie von schweren Erkrankungen

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3554
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Jan Korte, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Niema Movassat, Jens Petermann, Petra Pau, Raju Sharma,
Kathrin Senger-Schäfer, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Legalisierung von Cannabis-Medikamenten zur Therapie von schweren
Erkrankungen

Laut Presseberichten plant die Bundesregierung eine Novellierung des Betäu-
bungsmittelgesetztes (BtMG) und folgt damit der Empfehlung des Sachver-
ständigenausschusses für Betäubungsmittel vom 3. Mai 2010.

In einem Kommentar schreibt die Bundesregierung dazu:

„Da in Europa (Großbritannien) eine Zulassung für ein Fertigarzneimittel mit
Cannabis-Extrakt zur symptomatischen Therapie der Spastik bei Multipler
Sklerose erteilt wurde, ist es zeitnah notwendig, für einen auch in Deutschland
bevorstehenden Antrag auf Zulassung dieses Arzneimittels das generelle Ver-
kehrsverbot für Cannabis zu medizinischen Zwecken aufzuheben.“ (Quelle: Re-
ferentenentwurf für eine Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung betäu-
bungsmittelrechtlicher Vorschriften (25. BtMÄndV) (Stand: 19. August 2010))

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Höhe unterstützt die Bundesregierung Forschungsvorhaben auf
dem Gebiet der medizinischen Verwendung von Cannabis, und welche För-
derprogramme sind ihr auf EU-Ebene bekannt (bitte nach Art und Höhe auf-
gliedern)?

2. Wie schätzt die Bundesregierung die Datenlage zur Wirksamkeit und Sicher-
heit von Cannabinoiden in der Therapie ein, insbesondere bei (1) chronischen
neuropathischen Schmerzen und Schmerzen von Krebspatienten, (2) Spastik
bei Multipler Sklerose, (3) Appetitlosigkeit und Kachexie bei fortgeschrit-
tenen Krebserkrankungen und Aids-Wasting-Syndrom und (4) Tourette-
Syndrom?

3. Welche im Ausland bereits erteilten Zulassungen zu cannabis- oder canna-
binoidhaltigen Arzneimitteln sind der Bundesregierung bekannt?

4. Für welche Fertigarzneimittel und für welche Indikationsgebiete außerhalb
der Behandlung von Spastik bei Multipler Sklerose wurden bisher Zulas-
sungsanträge beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) gestellt?
5. Welche legalen Anwendungsmöglichkeiten für Cannabis oder andere Canna-
binoide gibt es derzeit in Deutschland?

6. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage bzw. aufgrund welcher Rechtsprechung
existieren die momentanen Möglichkeiten, dass individuelle Patienten Can-
nabis trotz Verkehrsverbots laut BtMG anwenden dürfen?

Wie beurteilt die Bundesregierung diese rechtliche Situation?

Drucksache 17/3554 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
7. Wie viele Ausnahmegenehmigungen nach § 3 Absatz 2 BtMG zur medizi-
nischen Verwendung von Cannabis in Deutschland wurden bisher beim
BfArM beantragt?

Wie vielen Anträgen wurde stattgegeben, wie viele Anträge wurden abge-
lehnt, und wie viele Anträge wurden noch nicht beschieden (bitte jeweils
für die Anwendung im Rahmen von Eigenanbau, von importierten Medizi-
nal-Hanfblüten sowie sonstigen Anwendungen sowie den jeweiligen Indi-
kationen einzeln auflisten)?

8. Für welche anderen Betäubungsmittel wurden derartige Ausnahmegeneh-
migungen beantragt, und für welche davon positiv beschieden?

9. Wie viele Anträge zur Anwendung von Cannabis und nicht verkehrsfähi-
gen Cannabinoiden zu Forschungszwecken sind bislang beim BfArM ein-
gereicht worden?

Welche Indikationen wurden jeweils beforscht?

10. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für die Patientinnen und
Patienten bei der legalen Verwendung von Cannabis oder synthetischen
Cannabinoiden (bitte nach Art der Wirksubstanzen bzw. verwendeten
Pflanzenteile aufschlüsseln und die verschiedenen Ausnahmegenehmigun-
gen einbeziehen)?

11. Wie viele dieser Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen regel-
haft übernommen (bitte wiederum wie in Frage 10 aufschlüsseln)?

12. Stimmt die Bundesregierung der Schlussfolgerung zu, dass vermögende
Patienten hinsichtlich der medizinischen Nutzung von verschreibungsfähi-
gen Cannabinoiden deutlich besser gestellt sind als weniger vermögende
Patienten aufgrund der hohen Kosten, welche nicht von den Krankenkas-
sen übernommen werden?

13. Welche Möglichkeiten der legalen Cannabisanwendung zu medizinischen
Zwecken im Rahmen von Rezepturen, Eigenanbau oder anderen Anwen-
dungsarten außerhalb von Fertigarzneimitteln in Europa, Israel, Kanada
oder den USA sind der Bundesregierung bekannt?

14. Warum wird die Möglichkeit der legalen Cannabisanwendung zu medi-
zinischen Zwecken im Rahmen von Rezepturen, Eigenanbau oder anderen
Anwendungsarten außerhalb von Fertigarzneimitteln und ohne Erteilung
von Sondergenehmigungen nicht auch in Deutschland ermöglicht?

15. Plant die Bundesregierung, die Entscheidung des BfArM in Bezug auf das
Verbot zum Selbstanbau von Cannabis bei Besitzern einer Ausnahmege-
nehmigung aufzuheben bzw. zu einer anderen Entscheidung zu kommen
aufgrund der Tatsache, dass in einem Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 19. Mai 2005 darauf hingewiesen wird, dass bei vorliegender
Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis am
ehesten eine Erlaubnis zum Eigenanbau in Frage kommt?

16. Wann plant die Bundesregierung, eine Entscheidung über die Verschrei-
bungsfähigkeit von cannabishaltigen Arzneimitteln zu treffen?

17. Wird sich die Genehmigungspraxis des BfArM in Bezug auf die Entschei-
dungen nach § 3 Absatz 2 BtMG verändern, falls eine Zulassung für ein
cannabishaltiges Fertigarzneimittel erteilt und dessen Verschreibungsfähig-
keit hergestellt wird?

Berlin, den 27. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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