BT-Drucksache 17/3440

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/3030, 17/3361, 17/3406 - Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011)

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3440
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Alexander Bonde, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian
Kindler, Stephan Kühn, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Ekin Deligöz,
Katja Dörner, Hans-Josef Fell, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Maria Klein-Schmeink, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Markus Kurth, Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann
Ott, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick,
Dorothea Steiner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/3030, 17/3361, 17/3406 –

Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Sparpaket der Bundesregierung erhöht die ökologische und soziale Ver-
schuldung. Soziale und ökologische Kosten werden in die Zukunft verschoben.
Starke Schultern bleiben verschont.

Eine Brennelementesteuer darf nicht als ökologisches Deckmäntelchen für die
Laufzeitverlängerung missbraucht werden. Schon jetzt belaufen sich die Kosten,
die von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zukünftig für Rückbau und
Sanierung von Forschungseinrichtungen und gescheiterten Endlagern beglichen
werden sollen, auf mehr als 30 Mrd. Euro. Daher brauchen wir unabhängig von
der Laufzeitverlängerung eine Brennelementesteuer mit einem jährlichen Auf-
kommen von 3,7 Mrd. Euro. Die von der Bundesregierung veranschlagten
2,3 Mrd. Euro Einnahmen über die Brennelementesteuer der Atomindustrie sind
in Anbetracht der Milliardengewinne, die mit der Laufzeitverlängerung den vier
großen Atomkonzernen geschenkt werden, deutlich zu niedrig. Der Zusatzge-
winn der Atomindustrie wird von Experten auf bis zu 150 Mrd. Euro geschätzt.
Außerdem ist schon jetzt auf Basis der gewählten Steuersätze nachzurechnen,
dass das Aufkommen niemals die 2,3 Mrd. Euro erreichen wird. Gleichzeitig

werden die Länder und Kommunen durch die steuerliche Ausgestaltung des
Deals erheblich belastet.

Der Energie- und Klimafonds der Bundesregierung, welcher aus Zahlungen der
Atomindustrie bis 2016 in Höhe von zusammen 1,4 Mrd. Euro gespeist werden
soll, ist nichts weiter als ein Verschiebebahnhof, denn der Fonds finanziert nur
ansatzweise gewaltige Kürzungen im Umweltetat, welche die Koalition der

Drucksache 17/3440 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

CDU/CSU und FDP vorher beschlossen hat. So werden die Förderung erneuer-
barer Energien beim Marktanreizprogramm deutlich gesenkt, das Gebäude-
sanierungsprogramm zusammengestrichen; die bei der Klimakonferenz in
Kopenhagen zugesagten Mittel für den internationalen Klimaschutz verschwin-
den gänzlich. Jeder Euro, der hier in Deutschland aus Bundesmitteln zum öko-
logischen Umbau der Gesellschaft genutzt würde, mobilisiert noch mal sieben
bis acht Euro an privaten Investitionen und kurbelt damit die Wirtschaft vor Ort
an. So könnten Arbeitsplätze im Handwerk und im Mittelstand geschaffen und
gesichert werden.

Während Sozialhilfeempfänger mit dem Sparpaket vor vollendete Tatsachen
gestellt werden, knickt die Bundesregierung gegenüber den Lobbyisten von
Energiekonzernen und energieintensiver Industrie hinter verschlossenen Türen
ein. So handeln die Energiekonzerne mit der Bundesregierung Senkungen und
Befristungen bei der Brennelementesteuer aus und sichern sich in einem Ge-
heimvertrag gegen eine hohe Gewinnabschöpfung ihrer Zusatzgewinne durch
die Laufzeitverlängerung ab. Energieintensive Unternehmen setzen durch, dass
auch sie um 500 Mio. Euro weiniger zur Haushaltssanierung beitragen müssen.

Durch den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen hätte die Bundesregie-
rung gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz der Umwelt und der Sanierung des
Haushalts leisten können. Das Umweltbundesamt hat den Umfang umwelt-
schädlicher Subventionen auf Einnahmen- und Ausgabenseite im Bundeshaus-
halt auf jährlich mindestens 48 Mrd. Euro geschätzt.

Neben der ökologischen Verschuldung vergrößert sich die soziale Verschul-
dung: Die geplanten Kürzungen im Sozialbereich sind erheblich und wachsen
bis 2014 auf 10,9 Mrd. Euro pro Jahr an. Am deutlichsten zeigt sich die Schief-
lage beim Elterngeld. Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II
(ALG II) werden durch den vollständigen Wegfall des Elterngelds mit 400 Mio.
Euro p. a. belastet, während das Gros der Elterngeldempfängerinnen und -emp-
fänger auf 2 Prozent des Anspruches verzichten muss. Dies summiert sich auf
200 Mio. Euro pro Jahr. Spitzenverdienende werden überhaupt nicht belastet.
Einkommensschwache Haushalte sind besonders stark von steigenden Energie-
preisen betroffen. Trotzdem will die Bundesregierung rund 100 Mio. Euro
durch die Streichung der Heizkostenkomponente bei Wohngeld einsparen.

Beiträge zur Rentenversicherung für Arbeitslose in Höhe von 1,8 Mrd. Euro
pro Jahr sollen künftig vom Bund nicht mehr geleistet werden. Dies führt dazu,
dass noch mehr Menschen auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein wer-
den, weil das Rentenniveau noch stärker sinkt. Gezahlt wird also schlicht und
einfach später und dann zunehmend durch die Grundsicherung im Alter. Hier
findet also eine Verschiebung zulasten der Kommunen statt.

Genauso unsinnig sind die Kürzungen im Bereich der Bundesagentur für Arbeit
in Höhe von 4,3 Mrd. Euro im Jahre 2011 mit steigender Tendenz bis 2014.
Durch weniger und qualitativ minderwertige Maßnahmen werden Menschen
länger im Bezug von ALG II bleiben und damit auch länger „passive“ Leistun-
gen beziehen. Das kostet letztlich mehr als eine gute Arbeitsmarktpolitik.

II. Der Deutsche Bundestag beschließt:

Die Maßgaben der Schuldenbremse müssen eingehalten werden. Dies ist je-
doch auch ohne ökologische und soziale Schieflage möglich. Ein solcher Kon-
solidierungsprozess unter ökologischer und sozialer Verantwortung erfordert
zuvorderst folgende Maßnahmen:

1. Konsolidierung auf Kosten der Schwächsten ist ein falscher und gefährlicher
Weg. Die Kürzungen im Bereich des ALG II, besonders beim Elterngeld, und

der Bundesagentur für Arbeit werden zurückgenommen. Es müssen die Ein-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3440

gliederungshilfe gestärkt, der Erwachsenenregelsatz für ALG II auf 420 Euro,
für Kinder auf ein Existenz und Teilhabe sicherndes Niveau angehoben wer-
den. Die Heizkostenkomponenten bleiben beim Wohngeld erhalten.

2. Ökologisch schädliche Subventionen in zweistelliger Milliardenhöhe müssen
beendet werden. Diese finanziellen Mittel werden zur Konsolidierung der
öffentlichen Finanzen und für gezielte Investitionen in die ökologische
Modernisierung gebraucht. Die Einführung einer Flugticketabgabe ist rich-
tig, allerdings ist diese ökologisch zu differenzieren. Eine Brennelemente-
steuer in Höhe von 3,7 Mrd. Euro wird eingeführt, damit die steuerliche Be-
vorzugung gegenüber anderen Energieträgern abgebaut wird. Längere Lauf-
zeiten werden abgelehnt. Besonders anzugehen sind die Ermäßigungen bei
der Strom- und Energiesteuer, die Abschaffung des Spitzenausgleichs, der
Abbau von Steuerbefreiung für besonders energieintensive Prozesse, eine
ökologische Reform der Dienstwagenbesteuerung, die Kerosinbesteuerung
sowie das Ende der Subventionierung der Steinkohleförderung und die Er-
höhung der LKW-Maut.

3. Haushaltskonsolidierung durch Aufgaben- und Ausgabekritik ist notwendig.
Aber auch die Einnahmebasis muss verbessert werden. Hierzu zählen eine
Bundessteuerverwaltung, die Einführung einer Vermögensabgabe, die An-
hebung des Spitzensteuersatzes, eine Finanzumsatzsteuer, die Besteuerung
von Kapitaleinkünften wie Arbeitseinkommen und die Rücknahme der
Mehrwertsteuerermäßigung für das Beherbergungsgewerbe sowie Abbau
weiterer branchenbezogener Mehrwertsteuervergünstigungen.

Berlin, den 26. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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