BT-Drucksache 17/3221

Bürokratieabbau vorantreiben: Kleine Unternehmen von der Bilanzierungspflicht befreien

Vom 6. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3221
17. Wahlperiode 06. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Fritz Kuhn,
Ingrid Nestle, Alexander Bonde, Ingrid Hönlinger, Stephan Kühn, Jerzy Montag,
Dr. Konstantin von Notz, Daniela Wagner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bürokratieabbau vorantreiben: Kleine Unternehmen von der Bilanzierungspflicht
befreien

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Wirtschaftskrise hat bei vielen Unternehmen finanzielle Engpässe hinterlas-
sen. Anderthalb Jahre nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz ist die Kredit-
vergabe der Banken für viele Unternehmen immer noch sehr restriktiv. Insbe-
sondere kleine Unternehmen leiden unter finanziellen Engpässen.

Nach wie vor bindet unnötige und übertriebene Bürokratie die Mittel der kleinen
und mittleren Unternehmen. Personen- und Kapitalunternehmen müssen einen
Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anlagen und Lagebe-
richt) anfertigen, auch wenn die Vorteile für besonders kleine Unternehmen oft-
mals in keinem Verhältnis zum dafür nötigen Mitteleinsatz stehen. Das EU-Par-
lament hat daher eine Initiative der EU-Kommission zur Änderung der
Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss im Hinblick auf Kleinstunter-
nehmen grundsätzlich unterstützt.

Die Änderung sieht vor, Kleinstunternehmen in Zukunft von der Pflicht, eine
Bilanz zu erstellen und einen Jahresabschluss zu veröffentlichen, zu befreien.
Als Kleinstunternehmen gelten alle Firmen, die zwei der folgenden Schwellen-
werte einhalten:
● Bilanzsumme maximal 500 000 Euro;
● Nettoumsatzerlöse maximal 1 000 000 Euro;
● durchschnittliche Zahl der Beschäftigten während des Geschäftsjahres maxi-

mal zehn Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter.

Die Umsetzung scheitert derzeit an der fehlenden Zustimmung des Europäi-
schen Rates.

Nach bestehender bundesdeutscher Rechtsetzung sind nur Einzelkaufleute, die
an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren
nicht mehr als 500 000 Euro Umsatzerlöse und 50 000 Euro Jahresüberschuss
aufweisen, von den Bilanzierungspflichten befreit. Aber auch kleine Personen-
gesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften leiden oftmals unter der Bilan-
zierungspflicht. In vielen Fällen wiegt der Nutzen einer umfassenden Bilanzie-
rung nicht die Kosten auf.

Drucksache 17/3221 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Richtlinie 78/660/
EWG dahingehend geändert wird, dass Kleinstunternehmen von der Jahres-
abschlusspflicht befreit werden;

● diese Richtlinie in die bundesdeutsche Rechtsetzung zu übertragen und damit
Einzelkaufleute, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, die die
von der geplanten Richtlinienänderung vorgesehenen Schwellenwerte ein-
halten, von der Jahresabschlusspflicht zu befreien;

● falls die Änderung der europäische Richtlinie scheitert oder sich die Abstim-
mung verzögert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der alle kleinen Personen-
gesellschaften, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgen-
den Geschäftsjahren nicht mehr als 500 000 Euro Umsatzerlöse und 50 000
Euro Jahresüberschuss aufweisen, von den Pflichten zur Erstellung eines Jah-
resabschlusses befreit. Eine Bilanz soll auch weiterhin freiwillig erstellt wer-
den können. Falls eine kleine Personengesellschaft entscheidet, keine Bilanz
zu erstellen, muss sie eine Einnahme-Überschuss-Rechnung zur Ermittlung
ihrer Steuerlast anfertigen;

● das Formular für die Einnahme-Überschuss-Rechnung, das Unternehmer
verwenden müssen, die von der Jahresabschlusspflicht befreit sind, zu ver-
einfachen und unternehmensorientiert zu gestalten.

Berlin, den 5. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Nach den Daten des KfW-Mittelstandspanels leiden besonders kleine Unterneh-
men mit wenigen Beschäftigten unter einer restriktiveren Kreditvergabe. Fast
ein Viertel der Unternehmen mit fünf bis neun Beschäftigten hat im Jahr 2009
nach Verhandlungen kein Kreditangebot bekommen, Tendenz steigend. Eine
Besserung der schwierigen Lage ist nicht in Sicht.

Liquiditätsengpässe wirken sich direkt negativ auf Investitionen wie Forschung
und Entwicklung aus. Bei vielen kleinen Unternehmen wirken sich Liquiditäts-
engpässe oftmals direkt auf die Betriebsfähigkeit aus und können existenzbedro-
hend sein.

Insbesondere für kleine Unternehmen ist die Pflicht zur Erstellung eines Jahres-
abschlusses mit hohen Kosten verbunden, die oftmals den möglichen Nutzen
bei weitem übersteigen. Mit dem Wegfallen der Bilanzierungspflicht für alle
Kleinstunternehmen könnten sich nach Schätzungen der EU-Kommission auf
europäischer Ebene Entlastungswirkungen für 5,3 Millionen von der 4. Richt-
linie erfassten Unternehmen im Umfang von 6,3 Mrd. Euro ergeben. Mit einer
durchschnittlichen jährlichen Ersparnis von ca. 1 200 Euro pro Unternehmen
würden wichtige Mittel in den Betrieben frei, die in der Krise von besonderer
Bedeutung sind und beispielsweise für Investitionen verwendet werden könn-
ten. Die Bundesregierung schätzt die Einspargröße für Unternehmen sogar auf
durchschnittlich 2 500 Euro.

Daher sollte es kleinen Unternehmen freigestellt werden, ob sie einen Jahres-
abschluss mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anlagen und Lagebericht
erstellen wollen. Sollten sich kleine Unternehmen geschäftliche Vorteile von

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3221

einer umfassenden Bilanzierung versprechen, steht es ihnen weiterhin frei, diese
vorzulegen.

Darüber hinaus besteht Entbürokratisierungsbedarf bei der Einnahme-Über-
schuss-Rechnung (EÜR). Seit dem Inkrafttreten des 2003 verabschiedeten
Kleinunternehmerförderungsgesetzes sind Steuerpflichtige, die von der Jahres-
abschlusspflicht befreit sind, verpflichtet, ihrer Steuererklärung eine Gewinner-
mittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Einnahme-Überschuss-
Rechnung) beizufügen. Die Verwendung des EÜR-Formulars ist mit erhebli-
chem Aufwand verbunden und führt aufgrund der Komplexität zu vielen Fragen,
die Unternehmer oftmals nicht ohne steuerliche Beratung beantworten können.
Eine Vereinfachung des EÜR-Formulars würde Unternehmen entsprechend ent-
lasten.

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