BT-Drucksache 17/3205

Verpflichtung zur UN-Resolution 1325 "Frauen, Frieden und Sicherheit" einhalten - Auf Gewalt in internationalen Konflikten verzichten

Vom 6. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3205
17. Wahlperiode 06. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Möhring, Jan van Aken, Agnes Alpers,
Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Yvonne Ploetz, Paul Schäfer (Köln), Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Verpflichtung zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ einhalten –
Auf Gewalt in internationalen Konflikten verzichten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die einstimmige Verabschiedung der Resolution 1325 (2000) des UN-Sicher-
heitsrates „Frauen, Frieden und Sicherheit“ durch den Sicherheitsrat der Ver-
einten Nationen vor zehn Jahren war ein wichtiger völkerrechtlicher Schritt,
den Frauen aus aller Welt gemeinsam erkämpft haben. Durch Partizipation,
Prävention und Protektion sollen die Rollen von Frauen in der Friedensschaf-
fung und Konfliktprävention verstärkt, Kriege und Konflikte verhindert und
der Schutz von Frauen und Kindern in Kriegs- und Krisengebieten verbessert
werden.

Mit drei Nachfolgeresolutionen wurde die Bedeutung der Resolution 1325
des UN-Sicherheitsrates gestärkt. Die Resolution des UN-Sicherheitsrates
1820 (2008) verurteilt sexualisierte Gewalt in Kriegen als Straftat im Sinne
des Völkerstrafrechts. Endlich wurde sexualisierte Gewalt als Kriegsstrategie
international geächtet. Mit den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates 1889
(2009) und 1890 (2009) verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten zu einer
besseren Berichterstattung über die Umsetzung von der Resolution 1325. Der
Deutsche Bundestag begrüßt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland mit
der Unterzeichnung dieser Resolutionen zu ihrer Umsetzung verpflichtet hat.

Die Verabschiedung der Resolution 1325 war ein großer Erfolg von Friedens-
aktivistinnen aus aller Welt. Erstmalig gab es damit einen völkerrechtlich
bindenden Beschluss, der Frauen gleichermaßen an Friedensprozessen betei-
ligt und die Geschlechterperspektive berücksichtigt. Allerdings hat die Bun-
desregierung seit Unterzeichnung der Verträge keine Schritte unternommen,
um die Resolution umzusetzen. Der Deutschen Bundestag kritisiert diesen
Sachverhalt scharf.

2. Frauenrechte dürfen nicht weiter zur Legitimation militärischer Interventio-
nen missbraucht werden.

Frauenrechte, und damit auch die Resolution 1325, werden verstärkt zur Le-
gitimation von militärischen Einsätzen herangezogen. Besonders der Kriegs-

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einsatz in Afghanistan wurde mit der Befreiung von Frauen legitimiert. Seit
1990 hat sich Deutschland an 28 militärischen Einsätzen beteiligt. Mit seinen
verstärkten Militärinterventionen in der ganzen Welt trägt Deutschland dazu
bei, dass Frauen in Krisen- und Konfliktregionen immer mehr von Gewalt be-
troffen sind. Zugleich sinken ihre Möglichkeiten an Friedensverhandlungen
teilzunehmen stetig. Nach einer Studie von UNIFEM (2009) waren bei ins-
gesamt 21 untersuchten Friedensverhandlungen seit 1992 nur 2,4 Prozent der
Mitunterzeichnenden weiblich. Noch verheerender ist die Situation in Afgha-
nistan. „Drei Viertel der deutschen Ausgaben für Afghanistan gehen in den
militärischen Einsatz, nur ein Viertel in den zivilen Aufbau. Gelder für
Frauenprojekte betragen ein Prozent der Gesamtausgaben“, beklagt medica
mondiale e. V. zu Recht in einem Positionspapier (Juni 2010) zur Lage der
Frauen in Afghanistan. Darin kritisiert die Frauenrechtsorganisation eben-
falls die „unheilvolle Vermischung von militärischen Aktionen und zivilem
Engagement.“

Frauengruppen in Afghanistan verurteilen, dass mit den unter der Karsai-Re-
gierung beschlossenen Amnestiegesetzen die Täter von sexualisierter Gewalt
nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können. Bis heute können die
Opfer keine Verurteilung und Wiedergutmachung von sexualisierten Gewalt-
verbrechen unter der Taliban-Herrschaft einfordern. Deutschland hat keine
Schritte unternommen, um unter Einhaltung des völkerrechtlichen Prinzips
der Nichteinmischung die Umsetzung der Resolution 1325 in Afghanistan
voranzutreiben.

Spätestens seit den Kriegen auf dem Balkan werden Kriegseinsätze damit be-
gründet, Frauen vor sexualisierten Übergriffen und Massenvergewaltigungen
schützen zu wollen. Dabei ging von sogenannten Internationalen Schutztrup-
pen vielfach ebenfalls sexualisierte Gewalt in Form von Zwangsprostitution
und Vergewaltigungen aus. Beispielhaft sei hier auf die Mission der Verein-
ten Nationen im Kongo verwiesen. Diese Beispiele zeigen, dass militärische
Interventionen nicht zur Wahrung von Frauenrechten beitragen, sondern dass
Frauen und Kinder im Gegenteil überproportional stark von den Folgen von
Kriegen betroffen sind. Zudem verlieren Frauen an gesellschaftlichem Ein-
fluss und Zugang zu Entwicklungsmaßnahmen, da diese zunehmend in den
von Männern dominierten Sicherheitssektor umgelenkt werden.

Nur durch die Vermeidung von Konflikten und die alleinige Umsetzung zivi-
ler Maßnahmen in Kriegs- und Konfliktsituationen kann das Versprechen der
Resolution 1325 wirklich eingelöst werden. Die Resolution 1325 dahinge-
hend zu interpretieren, dass der Anteil von Frauen am Kriegsgeschehen
erhöht werden muss, ist völlig inakzeptabel. Deswegen bedarf es einer Wei-
terentwicklung der Resolution 1325 und ihrer Nachfolgeresolutionen dahin-
gehend, dass ausschließlich zivile Konfliktlösungsstrategien verfolgt werden
dürfen und die Unterzeichnerstaaten sich zu striktem Gewaltverzicht ver-
pflichten.

3. Der Deutsche Bundestag vermisst die Erarbeitung eines nationalen Aktions-
planes, der allen Kriterien von EPLO (European Peacebuilding Liaison
Office) entspricht. 33 Länder dieser Welt, darunter zwölf Staaten in Europa,
haben bereits oder beabsichtigen bis zum zehnjährigen Bestehen der Resolu-
tion 1325, einen nationalen Aktionsplan (NAP) zu ihrer Umsetzung zu ver-
abschieden. Deutschland gehört nicht dazu. Diese nationalen Aktionspläne
beinhalten in unterschiedlicher Art und Weise Maßnahmen, die durch ihre
Implementierung in bestehende politische Prozesse oder durch Initiierung
neuer Projekte die Umsetzung der Resolution 1325 fördern. In den meisten
europäischen Ländern wurden dafür interministerielle Arbeitsgruppen gebil-
det, die mit zivilgesellschaftlichen Organisationen kooperieren.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3205

Die vorherige wie die aktuelle Bundesregierung argumentieren, dass kein na-
tionaler Aktionsplan gebraucht werde, da die Bundesregierung sich sowieso
zum Gender Mainstreaming verpflichtet habe und außerdem zwei weitere
Aktionspläne, für zivile Krisenprävention und für Gewalt gegen Frauen, das
Themenfeld bereits abdeckten. Die Berichte der Bundesregierung zur Umset-
zung der Resolution 1325 aus den Jahren 2004 und 2007 (Bundestagsdruck-
sache 16/7267) zeigen jedoch, dass die Bundesregierung darin lediglich
Maßnahmen auflistet, die einen Geschlechteraspekt beinhalten. Dies wurde
unter anderem vom Frauensicherheitsrat, einem autonomen Netzwerk von
Friedensforscherinnen und -aktivistinnen, in zwei Schattenberichten zu
Recht wiederholt kritisiert.

Die Organisationen EPLO, International Alert und Initiative for Peacebuil-
ding haben gemeinsam Standards entwickelt, die jeder NAP unter anderem
beinhalten sollte:
– Grundprinzipien bezüglich klarer Zielsetzungen, Quoteneinhaltung und

Umsetzungszeitpläne,
– grundsätzliche Ausrichtung auf Konfliktvermeidung und zivile Maßnah-

men,
– enge Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und

Frauengruppen,
– die Gültigkeit der Aktionspläne für alle Politikfelder.

Für eine erfolgreiche Implementierung der NAPs empfiehlt EPLO eine enge
Verzahnung des NAP mit den verschiedenen Regierungsebenen, die Kon-
trolle der Einhaltung unter anderem durch die nationalen Parlamente, regel-
mäßige Evaluierung und Partnerschaften mit konfliktbelasteten Ländern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, folgende Maßnah-
men zu ergreifen:

1. Die Bundesregierung verzichtet auf die Anwendung militärischer Gewalt in
internationalen Konflikten und Kriegen.

2. Die VN-Resolution 1325 (2000) wird von der Bundesregierung in allen inter-
nationalen Handlungsfeldern prioritär umgesetzt.

3. Zum Schutz von Frauen und Mädchen sowie der Zivilbevölkerung insgesamt
ergreift bzw. unterstützt die Bundesregierung in Krisenregionen zivile Maß-
nahmen der Konfliktprävention und Konfliktlösung und stellt die dafür
notwendigen Mittel im Haushalt des Auswärtigen Amts zur Verfügung. Die
Verquickung von militärischen Einsätzen und zivilem Engagement wird um-
gehend eingestellt.

4. Die Bundesregierung erarbeitet innerhalb eines Jahres in einem partizipa-
tiven Prozess mit Friedens- und Frauenorganisationen einen nationalen Ak-
tionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325, der in allen Bereichen ihres
außen-, entwicklungs- und verteidigungspolitischen Handelns und im natio-
nalen wie europäischen Kontext umgesetzt und entsprechend budgetiert
wird. Der Aktionsplan orientiert sich an folgenden Eckpunkten:

a) In allen Phasen offizieller Friedensprozesse und Friedensverhandlungen
und auf allen, auch lokalen und informellen Entscheidungsebenen müssen
Frauen paritätisch teilhaben und die Verwirklichung der Gleichstellung
der Geschlechter angestrebt werden.

b) Die politischen und wirtschaftlichen Teilhabe- und Einflussmöglichkeiten
von Frauen an allen Aktivitäten nach einem Konflikt im Hinblick auf
Friedensverhandlungen und Mediation, Wiederaufbau und Wiederein-
gliederung müssen gewährleistet werden. Alle Programme und Projekte

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orientieren sich dabei an einer geschlechtergerechten Konzeption und
Umsetzung.

c) Alle zivilen Maßnahmen sind zu treffen, um Verletzungen der Menschen-
rechte in bewaffneten Konflikten zu beenden, insbesondere sexualisierte
Gewalt und geschlechtsspezifische Aggressionen gegen Frauen.

d) Die Bundesregierung legt einen auf Friedenspolitik ausgerichteten außen-,
verteidigungs-, entwicklungs- und innenpolitischen Haushaltsplan vor.
Dabei wird gewährleistet, dass alle Projekte und Programme geschlechter-
spezifische Bedürfnisse berücksichtigen und Frauen und Männern glei-
chermaßen zu Gute kommen.

e) Die Wirkung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans wird anhand
konkreter Indikatoren regelmäßig evaluiert. Diese Evaluationen bilden die
Grundlage der Berichte an die Vereinten Nationen und sind dem Bundes-
tag vorzulegen.

5. Die Bundesregierung fördert aktiv und dauerhaft – sowohl ideell als auch
finanziell – die Einrichtung von UN-Resolution-1325-Kontrollstellen auf der
europäischen Ebene und bei den Vereinten Nationen, um die Umsetzung der
Resolution in beschriebenem Sinne auch auf diesen Ebenen zu implementie-
ren.

6. Die Bundesregierung verzichtet auf jegliche Unterstützung – auch auf
Ausstattungs- und Ausbildungshilfe – für Regime und Streitkräfte, welche
Minderjährige als Soldaten in bewaffnete Konflikte entsenden, sich sys-
tematischer Menschenrechtsverletzungen oder systematischer sexualisierter
Gewalt schuldig machen.

Berlin, den 5. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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