BT-Drucksache 17/2972

Umsetzung der Konvention gegen Streumunition

Vom 16. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2972
17. Wahlperiode 16. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Malczak, Dr. Gerhard Schick, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung der Konvention gegen Streumunition

Streumunition ist eine Terrorwaffe. Sie tötet unterschiedslos und hemmt auch
noch Jahre nach ihrem Einsatz jegliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung
in den betroffenen Gebieten. Die weit überwiegende Zahl der Opfer sind
Zivilistinnen und Zivilisten. Noch heute gefährden Millionen nicht explodierter
Minen und Streumunitionen die Bevölkerung vieler Staaten. Neben den vielen
Todesopfern hat der Einsatz von Streumunition auch zur Folge, dass viele
Menschen mit zum Teil schwersten Behinderungen nach einer Explosion leben
müssen.

Das Inkrafttreten der Konvention gegen Streumunition am 1. August 2010 ist
ein Meilenstein für den Schutz der Zivilbevölkerung vor dieser grausamen
Waffe. Aus der Ratifikation der Konvention ergeben sich für die Bundesrepublik
Deutschland eine Reihe von umfassenden Verpflichtungen zur Umsetzung des
Verbotes des Einsatzes, der Herstellung und Weitergabe von Streumunition.
Hierzu gehört, in allen relevanten Bereichen dafür Sorge zu tragen, dass die
Ziele der Konvention nicht unterlaufen werden. Dies schließt insbesondere den
Finanzsektor mit ein.

Am 29. August 2010 berichtete jedoch das ARD-Magazin Monitor, dass Gelder
aus Riester-Fonds auch in Beteiligungen an Unternehmen, die international
geächtete Streumunition herstellen, geflossen sind. Auch ist die Haltung und der
Umgang der Bundesregierung mit sogenannter alternativer Streumunition bzw.
Punktzielmunition unklar. Somit wirft die Umsetzung der Konvention gegen
Streumunition zahlreiche Fragen auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen genauen Zeitplan sieht die Bundesregierung für die Vernichtung
und Entsorgung der Streumunition vor?

2. Verläuft die Vernichtung und Zerstörung reibungslos?

Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

3. Gibt es im Zeitplan Margen für Störungen, die zu Verzögerungen führen?

4. Wann, wo und von wem wurde nach Kenntnis der Bundesregierung zuletzt
Streumunition eingesetzt?

Drucksache 17/2972 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Erfüllung ihrer Ver-
pflichtungen gemäß Artikel 4 Absatz 2 (Aufklärung von Zivilistinnen und
Zivilisten, Aufräumen von Gebieten, in denen Streumunition eingesetzt
wurde, etc.)?

6. In welcher Größenordnung stellt die Bundesregierung Hilfe und Unterstüt-
zung für Streubombenopfer bereit?

Inwieweit geht sie dabei alters- und gendersensibel vor?

7. Welchen Ländern und in jeweils welchem Umfang gewährt die Bundes-
regierung Hilfe bei der Erfüllung der Aufgaben aus der Konvention?

8. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um in betroffenen Ländern die wirt-
schaftliche und soziale Entwicklung zu unterstützen?

9. Welche Initiativen werden gemäß Artikel 21 der Konvention unternommen,
um Bündnispartner vom Einsatz abzuhalten und von der Unterzeichnung
der Konvention zu überzeugen?

10. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung gegenüber Bündnispart-
nern, die nicht bereit sind, sich an die Oslo-Konvention zu halten?

11. Plant die Bundesregierung, den Bericht über den Fortschritt und die Umset-
zungspläne zur Erfüllung der sich aus der Konvention ergebenen Verpflich-
tungen (Artikel 7) auch gleichzeitig dem Deutschen Bundestag vorzulegen?

Gibt es innerhalb der Bundesregierung eine Anlaufstelle, die sich mit der
Sorge um Streubombenopfer befasst?

Wenn ja, wer ist hierfür zuständig?

12. Was ist der aktuelle Stand der im Jahresabrüstungsbericht 2009 (S. 8) ange-
kündigten Bemühungen der Bundesregierung, auf ein Protokoll zum Verbot
von Antifahrzeugminen hinzuwirken?

13. Wie garantiert die Bundesregierung, dass beim Einsatz von wirkzeit-
begrenzten Antifahrzeugminen zivile Opfer ausgeschlossen sind?

Welche Einsatzregeln gibt es hierzu?

14. Präferiert die Bundesregierung eine enge Auslegung der Konvention oder
eine weite, wonach Hersteller von alternativer Streumunition die Konven-
tion unterlaufen können, da sie gemäß Artikel 2 Absatz 2 keine Streumuni-
tion im Sinne der Konvention herstellen?

15. Wie beantwortet die Bundesregierung die völkerrechtlich umstrittene
Frage, ob die sogenannte alternative Streumunition eine Waffe ist, die zu-
verlässig zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden kann?

16. Wie (mit welchen Maßnahmen), wann und mit welchem Resultat hat die
Bundesregierung diese Frage überprüft?

17. Zählt die Bundesregierung mit Suchköpfen ausgestattete, sogenannte
Punktzielmunition zur Streumunition?

18. Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung in ihrer Haltung gegenüber
sogenannter intelligenter Streumunition daraus, dass in Herstellerangaben
die Einsatzfähigkeit besonders in urbanen Gebieten hervorgehoben wird?

19. Beabsichtigt die Bundesregierung, sogenannte intelligente Streumunition
weiter zu nutzen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2972

20. Wird in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin alternative Streumuni-
tion (Punktzielmunition) getestet?

Wenn ja, werden diese Testergebnisse öffentlich gemacht?

Wenn ja, wann?

21. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu einem Investitionsverbot, und
wie begründet sie diese?

22. Teilt die Bundesregierung die Interpretation, dass das Verbot der Unter-
stützung des Einsatzes, der Herstellung und Weitergabe von Streumunition
jegliche Form von Unterstützung umfasst, also auch Investitionen in
Firmen, die Streumunition in ihrem Portfolio haben?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche Konsequenzen hat das für Fragen des ethischen Invest-
ments?

23. Beinhaltet das im Kriegswaffenkontrollgesetz enthaltene Förderungsverbot
von Entwicklung, Produktion und Handel von Streumunition aus Sicht der
Bundesregierung auch ein Investitionsverbot?

24. Wenn nein, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um
diese Gesetzeslücke im Sinne einer effektiven Umsetzung des Verbotes von
Streumunition zu schließen?

25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Verwendung staat-
licher Fördergelder für die Riester-Rente für Investitionen in Unternehmen,
die Streumunition herstellen?

26. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus Medienberichten,
nach denen Gelder der staatlichen Förderung für die Riester-Rente über
Fonds auch in die Herstellung von Streumunition investiert werden?

27. Plant die Bundesregierung Maßnahmen zur besseren Offenlegung der Ver-
flechtungen von Firmenbeteiligungen, damit sich Bürgerinnen und Bürger
transparenter und umfassender informieren können?

28. Auf Grundlage welcher Informationen und durch welches Prüfungsver-
fahren kommt die Bundesregierung zu dem Schluss, dass das amerikani-
sche Unternehmen L3-Communications, von dem das Bundesministerium
des Innern Körperscanner erwerben will, keine Streumunition herstellt?

29. Unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Bundesregierung in-
ternational anerkannten Normen des ethischen und nachhaltigen Invest-
ments?

Wenn ja, welchen?

30. Kann die Bundesregierung – vor dem Hintergrund der Antwort auf die
Kleine Anfrage „Nachhaltigkeit bei der Anlagestrategie der öffentlichen
Hand“ (Bundestagsdrucksache 16/12018) – ausschließen, dass über
das ERP-Sondervermögen (ERP = Europäisches Wiederaufbauprogramm
„Marshallplan“), Bundeseisenbahnvermögen, den Erblastentilgungsfonds,
Entschädigungsfonds, die Versorgungsrücklage, den Versorgungsfonds,
das Kinderbetreuungs-Sondervermögen, die Postbeamtenversorgungskasse
sowie Anlagen in den Sozialversicherungen öffentliche Gelder aus
Deutschland in Unternehmen investiert sind, die Streumunition herstellen?

Wenn ja, wie wird das bei den jeweiligen Institutionen sichergestellt?

Wenn nein, hält die Bundesregierung eine Investition öffentlicher Gelder in
solche Unternehmen angesichts der Konvention gegen Streumunition für
vertretbar?

Drucksache 17/2972 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
31. Wie beurteilt es die Bundesregierung, wenn Fonds, die neben ökonomi-
schen auch ethische, soziale oder ökologische Anlagekriterien berücksich-
tigen (sogenanntes nachhaltiges oder ethisches Investment) eine Investition
in Unternehmen, die Streumunition herstellen oder vertreiben, nicht aus-
schließen können?

Hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund Mindeststandards für
ethisches oder nachhaltiges Investment für erforderlich?

Berlin, den 16. September 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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