BT-Drucksache 17/2868

Vergabe öffentlicher Mittel an deutsche Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan

Vom 7. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2868
17. Wahlperiode 07. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele, Tom
Koenigs, Thilo Hoppe, Priska Hinz (Herborn), Marieluise Beck (Bremen), Volker
Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vergabe öffentlicher Mittel an deutsche Nichtregierungsorganisationen in
Afghanistan

Im Rahmen der Afghanistankonferenz, die am 28. Januar 2010 in London statt-
fand verkündete die deutsche Bundesregierung eine „Entwicklungsoffensive“
für Nordafghanistan. Nach den Regierungsverhandlungen zwischen dem Bun-
desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
und der afghanischen Regierung Anfang Mai dieses Jahres, wurden die Mittel
der Entwicklungszusammenarbeit für das Jahr 2010 auf insgesamt 224,4 Mio.
Euro erhöht. Zudem sind laut dem BMZ weitere 10 bis 12 Mio. Euro für Not-
und Übergangshilfe sowie 10 Mio. Euro für eine „NRO-Fazilität Afghanistan“
(NRO – Nichtregierungsorganisationen), im Rahmen des Titels „Förderung pri-
vater deutscher Träger“ geplant.

Im Mai 2010 erfolgte die Ausschreibung der „NRO-Fazilität Afghanistan“, der
zufolge Projekte im Einklang mit dem Afghanistan-Konzept der Bundesregie-
rung von Januar 2010 und in Übereinstimmung mit dem Konzept der „Vernetz-
ten Sicherheit“ stehen müssen. Darüber hinaus wird eine regionale Schwer-
punktsetzung vorgenommen, die sich an dem deutschen militärischen Engage-
ment orientiert.

Zwar hat das BMZ der Ausschreibung eine Definition des Konzepts der „Ver-
netzten Sicherheit“ angehängt. Diese stimmt jedoch nicht mit der Definition
überein, die im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 gegeben wird. Eine umfas-
sende und ressortübergreifende Definition des Konzepts der „Vernetzten Sicher-
heit“ liegt bislang nicht vor. Nichtregierungsorganisationen die sich um Mittel
aus der „NRO-Fazilität Afghanistan“ bewerben möchten, geben aus diesem
Grund an, dass sie auf dieser Grundlage nicht abschließend beurteilen können,
welche Konsequenzen aus dieser Verpflichtung entstehen. Verschiedene Nicht-
regierungsorganisationen haben in den letzten Wochen gegen die von der Bun-
desregierung erstmals eingeführte entwicklungspolitische Konditionierung von
Hilfsgeldern und eine Unterordnung der Entwicklungszusammenarbeit unter

militärische Ziele protestiert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Höhe wurden bislang Barmittel und Verpflichtungsermächtigun-
gen aus der „NRO-Fazilität Afghanistan“ beantragt (bitte nach Titeln, Sekto-
ren und durchführenden Organisationen aufschlüsseln)?

Drucksache 17/2868 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. In welcher Höhe wurden bislang Barmittel und Verpflichtungsermächtigun-
gen aus der „NRO-Fazilität Afghanistan“ bewilligt (bitte nach Titeln, Sek-
toren und durchführenden Organisationen aufschlüsseln)?

3. In welcher Höhe wurden in 2010 bislang Mittel aus dem Einzelplan 23 über
die „NRO-Fazilität Afghanistan“ hinaus beantragt, und wie viele davon
wurden bereits bewilligt, beziehungsweise stehen kurz vor einer Bewilli-
gung (bitte nach Titeln aufschlüsseln)?

4. In welcher Höhe wurden in 2010 bislang Mittel aus weiteren Einzelplänen
beantragt, und wie viele davon wurden bereits bewilligt, beziehungsweise
stehen kurz vor einer Bewilligung (bitte nach Titeln aufschlüsseln)?

5. Besteht die Möglichkeit über die „NRO-Fazilität Afghanistan“ hinaus Mit-
tel aus dem Einzelplan 23 für Projekte in Afghanistan zu beantragen?

Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

6. In welcher Form arbeiten Nichtregierungsorganisationen in bereits bewil-
ligten Projekten aus Mitteln der „NRO-Fazilität Afghanistan“ mit anderen
deutschen, afghanischen und/oder internationalen Organisationen zusam-
men (bitte nach Projekten, Distrikten, Sektoren und durchführenden Orga-
nisationen aufschlüsseln)?

7. Wie viele Nichtregierungsorganisationen haben bislang wie viele Projekte
aus Mitteln der „NRO-Fazilität Afghanistan“ beantragt (bitte nach Förder-
summen der Projekte, Sektoren, Distrikten und den Namen der beantragen-
den Nichtregierungsorganisationen aufschlüsseln)?

8. Wurden Beantragungen von Mitteln aus der „NRO-Fazilität Afghanistan“
bisher abgelehnt?

Wenn ja, warum, und mit welcher Begründung (bitte nach Projekten, Sek-
toren, Distrikten und beantragenden Nichtregierungsorganisationen auf-
schlüsseln)?

9. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Mittel der „NRO-Fazilität
Afghanistan“ 2010 fristgerecht abfließen können?

a) Wenn ja, worauf gründet sich diese Annahme?

b) Wie stellt die Bundesregierung den Abfluss der Mittel sicher?

10. In welcher Form werden Projekte, die durch Mittel aus der „NRO-Fazilität
Afghanistan“ durchgeführt werden, evaluiert?

11. Wie stellt die Bundesregierung die Qualität der durchgeführten Projekte si-
cher, wenn es in der Ausschreibung heißt, die Vorhaben sollen rasch umge-
setzt werden und eine zügige Mittelumsetzung ermöglichen?

12. In welcher Höhe soll die „NRO-Fazilität Afghanistan“ in den Jahren nach
2010 fortgeschrieben werden (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

13. In welcher Höhe und Form wurden seit 2001 Mittel der Bundesregierung
durch Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan in Anspruch genom-
men und abgerufen (bitte nach Jahren der Bereitstellung, Haushaltsplänen
und Titeln aufschlüsseln)?

14. Um welche Projekte durch Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan,
die durch Bundesmittel finanziert wurden, handelte es sich seit 2001 (bitte
nach Jahren, Sektoren und Distrikten aufschlüsseln)?

15. Kann die Bundesregierung sicherstellen, dass die zusätzlichen Mittel für
Projekte in Afghanistan durch private Träger im Rahmen der „NRO-Fazili-
tät Afghanistan“ nicht auf Kosten von Projekten in Afghanistan gehen, die
durch private Träger, auch im Rahmen von Public-Private-Partnership-Pro-

jekten, aus anderen Haushaltstiteln finanziert werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2868

Wenn ja, wie?

Wenn nein, welche Projekte betrifft dies (bitte nach Titeln aufschlüsseln)?

16. Wie begründet die Bundesregierung die Ablehnung der Finanzierung der
Hauptmaßnahme des Aufbauprojekts „Technische Führungskräfte für Af-
ghanistan“ (TeFA), das in einem Public Private Partnership mit Volkswagen
durchgeführt werden sollte, nachdem die Vormaßnahme bereits in 2009
durchgeführt wurde?

a) Wie begründet die Bundesregierung diese Ablehnung vor dem Hinter-
grund, dass die zivilen Mittel für Afghanistan in 2010 deutlich erhöht
werden sollen?

b) Wie begründet die Bundesregierung, dass die 20 Teilnehmer des Pro-
jekts, nach dem Ende der Vormaßnahme am 31. Dezember 2009 und der
durchführende Partner Volkswagen erst am 6. August 2010 darüber be-
nachrichtigt wurden, dass das Projekt nicht fortgeführt werde?

c) Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der Strei-
chung von Mitteln für zivile Projekte in Afghanistan im Einzelplan 5 und
der Einrichtung der „NRO-Fazilität Afghanistan“ im Einzelplan 23?

17. Wurden Finanzierungen seitens der Bundesregierung von Projekten, die in
den letzten Jahren auf mehrere Jahre Laufzeit beantragt worden waren und
die durch private Träger oder in Kooperation mit privaten Trägern durchge-
führt werden sollten, in 2010 nicht verlängert?

a) Um welche Projekte handelte es sich dabei (bitte nach Projekten, Haus-
haltstiteln und durchführenden Organisationen aufschlüsseln)?

b) Aus welchen Gründen wurden die Finanzierungen dieser Projekte nicht
verlängert?

18. Wie definiert die Bundesregierung ressortübergreifend und umfassend das
Konzept der „Vernetzten Sicherheit“?

19. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um zu einer umfassenden
und ressortübergreifenden Definition des Konzepts der „Vernetzten Sicher-
heit“ zu gelangen?

20. Anhand welcher Verfahren und Regeln wird vom BMZ versucht, Kohärenz
in der Arbeit zwischen den verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen
Stellen in Afghanistan herzustellen?

21. In welcher Weise werden bei der Bewilligung von Projekten aus Mitteln der
„NRO-Fazilität Afghanistan“ das Bundesministerium der Verteidigung und
das Auswärtige Amt einbezogen?

22. Was bedeutet diese Definition für die Projektarbeit der Nichtregierungsor-
ganisationen in der konkreten Projektdurchführung?

23. Wie gestalten sich die Konditionalitäten der „NRO-Fazilität Afghanistan“
im Detail aus?

24. Wie wird die Einpassung in die deutsche Gesamtstrategie im Bewerbungs-
verfahren für die „NRO-Fazilität Afghanistan“ operationalisiert?

25. Welche Angaben müssen Nichtregierungsorganisationen in den Antragsfor-
mularen für Mittel aus der „NRO-Fazilität Afghanistan“ machen?

26. Wie stellt sich die Bundesregierung in Zukunft die Zusammenarbeit zwi-
schen Nichtregierungsorganisationen und deutschen staatlichen Stellen in
der alltäglichen Projektarbeit konkret vor, wenn diese in Übereinstimmung
mit dem Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ stattfinden sollen?

Drucksache 17/2868 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Was ändert sich im Vergleich zu Projektdurchführungen durch Nichtregie-
rungsorganisationen in Afghanistan während der letzten Jahre durch die Un-
terordnung gegenüber dem Konzept der „Vernetzten Sicherheit“?

28. Welche rechtlichen Verpflichtungen ergeben sich für Nichtregierungsorga-
nisationen bei der Durchführung von Projekten, wenn diese im Einklang mit
dem Afghanistan-Konzept der Bundesregierung von Januar 2010 und in
Übereinstimmung mit dem Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ stehen
müssen?

29. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Nichtregierungsorganisatio-
nen bei der Projektdurchführung von Projekten aus Mitteln der „NRO-Fazi-
lität Afghanistan“ im Einzelfall Weisungen von Offizieren der Internationa-
len Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) Folge leisten müssen?

Falls nein, wann und unter welchen Voraussetzungen wäre dies gegeben?

30. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass deutsche zivile Hilfe für mi-
litärische Ziele der ISAF, der USA oder Deutschlands instrumentalisiert
werden wird, wenn sich die Nichtregierungsorganisationen dem Konzept
der „Vernetzten Sicherheit“ unterordnen?

Wenn ja, wie?

31. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisa-
tionen oder ihre Zielgruppen verstärkt zu Angriffszielen erklärt werden, so-
fern eine militärische Anbindung der zivilen Hilfsprojekte besteht?

Wie begründet die Bundesregierung diese Annahme?

32. Wie beurteilt die Bundesregierung die Veränderung der Wahrnehmung von
deutschen Nichtregierungsorganisationen, die sich ab 2010 dem Konzept
der „Vernetzten Sicherheit“ unterordnen, durch die afghanische Bevölke-
rung im Vergleich zu den Vorjahren?

33. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefährdung von Nichtregierungsorga-
nisationen nach einem Abzug der internationalen Truppen in 2014 ein, die
in den letzten vier Jahren des Einsatzes in der Wahrnehmung der afghani-
schen Bevölkerung eng mit dem Militär zusammengearbeitet haben?

34. Können die im Rahmen der Haushaltsverhandlungen 2010 zusätzlich einge-
stellten Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 10 Mio. Euro für den
gesamten Titel „Private Träger“ oder nur für einzelne Sonderfazilitäten ge-
nutzt werden?

Wenn Letzteres, warum, und für welche Sonderfazilitäten?

35. Welche nachhaltigen Projekte wurden vom BMZ in den Bereichen der
„NRO-Fazilität Menschenrechtsprojekte“ und der „NRO-Fazilität Nachhal-
tiger Ressourcenschutz“ bewilligt, die mit den im Jahr 2010 eingestellten
Mitteln umgesetzt werden können?

36. Inwieweit erachtet die Bundesregierung die derzeitige Zweckbindung der
Sondermittel für die verschiedenen NRO-Fazilitäten aus entwicklungspoli-
tischen Gesichtspunkten für sinnvoll, und soll die Zweckbindung für 2011,
2012 und 2013 aufrechterhalten werden?

Berlin, den 7. September 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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