BT-Drucksache 17/2851

Unzureichende Finanzierung von Integrationskursen und andauernde Niedrig-Honorare für Lehrkräfte

Vom 2. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2851
17. Wahlperiode 02. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Klaus Ernst, Agnes Alpers, Matthias
W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Katja Kipping,
Kornelia Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Frank Tempel, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Unzureichende Finanzierung von Integrationskursen und andauernde
Niedrig-Honorare für Lehrkräfte

Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hatte am 9. Februar
2010 im Innenausschuss des Deutschen Bundestages eine Prüfung dazu ange-
kündigt, ob und wie die auch nach seinen Angaben „niedrigen“ Honorare der
Lehrkräfte in Integrationskursen angehoben werden können. Auf Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. erklärte die Bundesregierung Ende April 2010 (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/1536), dass Spielräume für Verbesserungen der Ver-
gütung geprüft würden. Auch die Beauftragte der Bundesregierung für Migra-
tion, Flüchtlinge und Integration Maria Böhmer (epd vom 19. Dezember 2009)
und die Integrationskurs-Bewertungskommission forderten eine bessere Bezah-
lung der Lehrkräfte. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der prekären Ein-
kommens- und Beschäftigungssituation in Integrationskursen wurden jedoch
bis heute nicht ergriffen.

Wie aus der Bundestagsdrucksache 17/1536 hervorgeht, hat auch ein vom
Bundesministerium des Innern (BMI) in Auftrag gegebenes Gutachten zum
Finanzierungssystem der Integrationskurse erbracht, dass die Bezahlung der
Honorarkräfte schlecht und im Vergleich mit ähnlichen Berufsbildern viel zu
niedrig ist. Eine Erhöhung der Vergütung würde laut Gutachten auch die Kurs-
qualität steigern, den Trägern müssten entsprechend „verbindliche“ Auflagen
zum Honorar gemacht werden (Gutachten, S. 19). Hierzu ist das BMI unter
Hinweis auf die „Vertragsfreiheit zwischen Träger und der Lehrkraft“ (Bundes-
tagsdrucksache 16/13972, Frage 5b) jedoch nicht bereit. Nur die wenigsten
Lehrkräfte, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelt, können trotz ih-
rer hohen Qualifikation von dem geringen Honorar leben, Altersarmut ist vor-
programmiert. Gemessen an anderen vergleichbaren Berufsbildern müssten
laut Gutachten (S. 20) Lehrkräfte in Integrationskursen mindestens um 15 Pro-
zent bis zu 71 Prozent mehr verdienen. Dies entspräche einer Anhebung der
Stundenpauschale für die Kursträger von derzeit 2,35 Euro auf 2,56 bis zu 4,05
Euro. Die schlechte Bezahlung und die damit verbundene Überlastung und De-

motivierung der Lehrkräfte ist auch ein Grund dafür, warum nicht einmal jede/
jeder zweite Kursabsolventin/Kursabsolvent (48,9 Prozent) im Zeitraum
1. Januar 2005 bis 30. Juni 2009 das gesetzgeberisch angestrebte Ziel eines
Sprachzertifikats über das Sprachniveau B1 erreichen konnte.

Am 5. Mai 2010 legte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flücht-
linge (BAMF), Dr. Albert Maximilian Schmid, im Innenausschuss des Deut-

Drucksache 17/2851 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schen Bundestages überraschend dar, dass die Finanzierungssituation der Inte-
grationskurse „sehr zugespitzt“ sei und deshalb „durchgreifende Maßnahmen“
ergriffen werden müssten, um den Haushaltsvorgaben zu entsprechen (vgl. hib-
Meldung vom 5. Mai 2010). In den vorherigen Haushaltsberatungen war noch
der Eindruck erweckt worden, die bereitgestellten Mittel seien großzügig be-
messen und ausreichend. Bereits zum 1. April 2010 wurden Sparmaßnahmen
wirksam, insbesondere Einschränkungen bei der Fahrtkostenerstattung und
Kinderbetreuung, bei Wiederholungsmöglichkeiten und Alphabetisierungs-
kursen. Zudem wurde eine „sanfte“ Begrenzung des Kurszugangs von Personen
ohne Rechtsanspruch entsprechend der zur Verfügung stehenden Mittel be-
schlossen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP war noch ver-
einbart worden, dass Integrationskurse „quantitativ und qualitativ aufgewertet“
werden sollten, und auch im „Nationalen Integrationsplan – Neue Wege – Neue
Chancen“ hatte sich der Bund dazu verpflichtet, „das Angebot an Integrations-
kursen zeitnah und flächendeckend auszubauen“. Real geschieht nun das Ge-
genteil, das Angebot wird eingeschränkt. Auch die in Aussicht gestellte Verbes-
serung der prekären Beschäftigungssituation vieler Lehrkräfte im Integrations-
kursbereich steht damit offenkundig in weiter Ferne.

In einem Änderungsantrag zum Haushalt 2010 (Ausschussdrucksache 17(4)21)
hatte die Fraktion DIE LINKE. eine deutliche Erhöhung der Mittel gefordert,
da die „vorgesehenen 218 Mio. Euro […] angesichts erheblich gestiegener
Ausgaben für Integrationskurse im Jahr 2009 trotz einer Erhöhung gegenüber
dem ursprünglichen Ansatz um 44 Mio. Euro nicht ausreichen“ würden. Die
Fraktionen der CDU/CSU und FDP lehnten diese Forderung im Frühjahr 2010
ab. Bereits im Sommer 2010 sah sich jedoch das BMI gezwungen, eine zusätz-
liche Aufstockung der Haushaltsmittel für Integrationskurse um 15 Mio. Euro
zu beschließen, gleichzeitig wurden weitere Einsparungen bei der Fahrtkosten-
erstattung und Lehrkräftequalifizierung angeordnet. Sprachkursträger protes-
tierten in einer gemeinsamen Stellungnahme energisch gegen diese „integra-
tionspolitisch äußerst problematischen“ und extrem kurzfristig durchgesetzten
Sparmaßnahmen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen haben im ersten Halbjahr 2010 einen (Intensiv-/Ziel-
gruppen-/Berufs-) Integrationskurs bzw. einen Wiederholungskurs (bitte
gesondert ausweisen) begonnen bzw. absolviert (bitte auch nach den fünf
wichtigsten Herkunftsländern differenzieren, absolute und relative Zahlen
sowie die Vergleichswerte des ersten und zweiten Halbjahres 2009 nennen),
und wie groß war jeweils der Anteil der Neuzuwanderer bzw. der seit länge-
rem hier lebenden Personen, der Deutschen und der zur Teilnahme Ver-
pflichteten?

2. Wie viele Personen ohne Rechtsanspruch auf Integrationsteilnahme haben im
ersten Halbjahr 2010 einen Antrag auf Zulassung zum Integrationskurs ge-
stellt, wie viele Anträge wurden angenommen bzw. abgelehnt, und wie lang
war die durchschnittliche Bearbeitungszeit (bitte auch die jeweiligen Ver-
gleichswerte des ersten Halbjahres 2009 und des Gesamtjahres 2009 nennen
und soweit möglich nach den verschiedenen Kursarten – Frauen-, Eltern-,
Jugend-, Alphabetisierungs-, Behinderten-, Intensiv-, Berufsintegrationskurs
usw.; Vollzeit-/Teilzeitkurs – differenzieren)?

3. Wie hoch waren im ersten Halbjahr 2010 die Ausgaben für die Bereiche:

a) Intensivkurse;

b) Integrationskurse (600 Unterrichtseinheiten);
c) Wiederholung des Aufbaukurses (300 Unterrichtseinheiten);

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2851

d) Kurse für spezielle Zielgruppen (bitte differenzieren, inklusive Berufs-
integrationskurse);

e) Prüfungskosten/Sprachstandsfeststellungen (bitte differenzieren);

f) hälftige Rückerstattung des Kosteneigenbeitrages;

g) Fahrtkostenzuschuss;

h) Befreiung vom Kostenbeitrag;

i) Kinderbetreuung;

j) Aufwandsentschädigung für Verwaltungstätigkeit;

k) Lehrerqualifizierung;

l) Bonuszahlungen an Kursträger, sonstiges;

m)insgesamt

(bitte zu allen Teilfragen die Vergleichswerte des ersten Halbjahres 2009 und
des Gesamtjahres 2009 nennen und darlegen, wie merkliche Abweichungen
jeweils zu erklären sind und aufgrund welcher Annahmen mit welchen Aus-
gaben für das Gesamtjahr 2010 bzw. 2011 gerechnet wird)?

4. Wie ist die aktuelle durchschnittliche Kursgröße, und wie viele im ersten
Halbjahr 2010 bzw. im zweiten Halbjahr 2009 neu begonnene Kurse waren
Teilzeitkurse, wie viele waren Abend- oder Wochenendkurse für (vollzeit-)ar-
beitende Personen (bitte soweit möglich auch nach verschiedenen Kursarten
differenzieren)?

5. Wie war die Verteilung der neuen Sprachkurs-Teilnehmenden auf die einzel-
nen Module des Integrationskurses entsprechend ihrer sprachlichen Vor-
kenntnisse im ersten Halbjahr 2010?

6. Wie viele der Personen, die im ersten Halbjahr 2010 einen Integrations-
bzw. Wiederholungskurs (soweit möglich bitte differenzieren) beendeten,
haben an einer Sprachprüfung teilgenommen, wie viele von ihnen haben die
Prüfung auf welchem Sprachniveau bestanden (bitte jeweils absolute und re-
lative Angaben – bezogen sowohl auf die Kursabsolventen als auch auf die
Prüfungsteilnehmenden – machen und Vergleichswerte für das zweite Halb-
jahr 2009 nennen)?

7. Inwieweit wurde die Integrationsgeschäftsdatei inzwischen fortentwickelt,
um z. B. statistische Doppelzählungen auszuschließen (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 15 der Abgeordneten Sevim
Dag˘delen auf Bundestagsdrucksache 17/29), und welche neuen Erkennt-
nisse gibt es gegebenenfalls bezüglich der Frage, wie viele zur Integrations-
kursteilnahme Verpflichtete dieser Verpflichtung in welchem Zeitraum
nachgekommen sind bzw. welche Gründe dem entgegenstanden?

8. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass seit 2005 weniger als 50 Prozent
der Integrationskursabsolvierenden den Abschlusstest über das vom Gesetz-
geber angestrebte Ziel des Sprachniveaus B1 geschafft haben, sieht sie dies
insbesondere als ein Zeichen dafür, dass die Dauer, Qualität und Struktur der
Integrationskurse verbesserungsbedürftig sind, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie hieraus?

Verfügt die Bundesregierung über Vergleichszahlen zu Erfolgsquoten bei
Prüfungen auf dem Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Refe-
renzrahmens für Sprachen (GER) in Integrationskursen anderer europäi-
scher Länder, wenn ja, welche?

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9. Was sind nach Ansicht der Bundesregierung die maßgeblichen Gründe
dafür, dass 15 Prozent der Teilnehmenden an einem „Deutsch-Test für
Zuwanderer“ das Sprachniveau A2 nicht erreichen konnten, und welche
Maßnahmen oder Änderungen sind gegebenenfalls geplant, um diesen An-
teil zu minimieren?

10. Aus welchen Titeln des Einzelplans 06 stammen die für Integrationskurse
nachträglich zusätzlich bereitgestellten Mittel in Höhe von 15 Mio. Euro?

11. Werden für Integrationskurse im Jahr 2011 erneut 44 Mio. Euro oder eine
andere Summe aus dem „Fonds für Bildungsmaßnahmen“ bereitstehen,
und wenn nein, wie soll die dann entstehende Finanzierungslücke ge-
schlossen werden (bitte ausführen)?

12. Mit welchen Einspareffekten in welcher Höhe für das Jahr 2010 rechnet die
Bundesregierung aufgrund welcher im Jahr 2010 ergriffenen Maßnahmen
zur Begrenzung der Ausgaben (bitte einzeln auflisten), welche weiteren
Maßnahmen hält sie gegebenenfalls für erforderlich, um mit den bereit-
stehenden Mitteln auszukommen, oder sollen die Mittelzuweisungen erhöht
werden?

13. Welche aktuellen (oder letzten) Erkenntnisse zur Höhe der gezahlten Lehr-
kräftehonorare im Integrationskursbereich gibt es, wie viele Träger mit
jeweils wie vielen gemeldeten Lehrkräften bzw. Kursen zahlen unter bzw.
bis 12 Euro pro Unterrichtseinheit, was ist das niedrigste festgestellte Hono-
rar, wie viele zahlen zwischen 12 und 15 Euro, zwischen 15 und 16 Euro,
zwischen 16 und 18 Euro, zwischen 18 und 20 Euro, zwischen 20 und
25 Euro bzw. über 25 Euro, wie viele Träger mit jeweils wie vielen gemel-
deten Lehrkräften bzw. Kursen zahlten in der Praxis ein geringeres Honorar
(in welcher Höhe) als gegenüber dem BAMF angegeben, und wie viele Vor-
Ort-Prüfungen mit welchen Konsequenzen gab es diesbezüglich im ersten
Halbjahr 2010?

14. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass einzelne Lehrkräfte angeben,
im Frühjahr 2009 für 10 Euro die Stunde gearbeitet zu haben und vom
BAMF kontrolliert worden zu sein und es sogar Hinweise auf Honorare in
Höhe von 8 Euro gibt (vgl. z. B. Honorarumfrage und Beschwerdebrief an
das BAMF auf www.daz-netzwerk.de), während die Bundesregierung den
niedrigsten zu dieser Zeit gezahlten Lohn mit 12 Euro angab (Bundestags-
drucksache 16/13972, Frage 6), wie viele Träger zahlten in der Vergangen-
heit Honorare von unter bzw. bis 12 Euro, und was tut die Bundesregierung
hiergegen?

15. Wie viele auf ein Jahr befristete Kursträger-Lizensierungen wegen Honora-
ren unter 15 Euro pro Unterrichtseinheit hat es bislang in welchem Zeit-
raum gegeben, wie viele dieser Lizenzen wurden nach einem Jahr nicht,
befristet oder unbefristet verlängert oder vorher widerrufen?

a) Wie hatten sich die Honorare nach einem Jahr verändert, oder wurden
bzw. werden von diesen Trägern in welchem Umfang weiterhin unter
15 Euro gezahlt?

b) Wie wurde in Erfahrung gebracht, dass die Qualität solcher „Dumping-
lohn-Kurse“ vergleichbar mit anderen sein soll, und wie erklärt sich und
bewertet die Bundesregierung diese überraschende Feststellung (Bun-
destagsdrucksache 17/1536, Frage 11)?

16. Welche Maßnahmen wurden infolge der 14. Sitzung der Bewertungskom-
mission vom Dezember 2009 ergriffen, in der Aktivitäten zur Verbesserung
der Beschäftigungssituation von Lehrkräften gefordert bzw. vom BAMF

und dem BMI laut Protokoll auch in Aussicht gestellt wurden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2851

a) Inwieweit gibt es insbesondere Initiativen für ein Anreizsystem zur
Festanstellung von Lehrkräften, um Qualitätsverluste und die Abwande-
rung motivierter und qualifizierter Lehrkräfte zu verhindern?

b) Wie soll der laut Protokoll der 14. Sitzung der Bewertungskommission
vom BMI mit „oberster Priorität“ angekündigte „zielführende Weg zu
einer Erhöhung der Lehrkräftevergütung (…) über die Anhebung des
Stundensatzes und der Sicherstellung einer vollständigen Weitergabe
durch die Kursträger“ beschritten werden, wenn die Bundesregierung zu-
gleich Auflagen an die Kursträger zur Entlohnung unter Hinweis auf die
„Vertragsfreiheit“ ablehnt (Bundestagsdrucksache 16/13972, Frage 5b)?

17. Inwieweit, in welchen Gremien und bei welchen Erhebungen und Studien
wurden und werden die Meinungen, Erfahrungen und Forderungen von
Kursleiterinnen und -leitern vom BAMF berücksichtigt, wenn es etwa um
die Fragen einer angemessenen Bezahlung, der Träger- und Kursqualität
und der Struktur der Kurse geht, gibt es einen regelmäßigen und/oder insti-
tutionalisierten Austausch zwischen BAMF und Lehrkräften, und wenn
nein, warum nicht, und wie reagiert das BAMF auf Beschwerden von
Kursleiterinnen und -leitern über Träger und Dumpinglöhne?

18. Welche konkreten Schlussfolgerungen wurden aus der vom BMI in Auf-
trag gegebenen Evaluierung des Finanzierungssystems der Integrations-
kurse durch die Firma Rambøll Management Consulting GmbH gezogen?

19. Wurde z. B. durch Pressemitteilung, Information von Abgeordneten, Rund-
schreiben oder in Newslettern darauf hingewiesen, dass dieses Gutachten
vorliegt und auf der Internetseite des BAMF seit Januar 2010 verfügbar
ist, und wenn nein, warum nicht?

20. Inwieweit hält die Bundesregierung die gewählte Form der Veröffent-
lichung des Gutachtens für ausreichend, wenn nicht einmal Fachabgeord-
nete bei der Debatte im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am
5. Mai 2010 zu Integrationskursen von der Existenz des Gutachtens wuss-
ten (auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu
Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 17/1536 lag zu diesem Zeitpunkt nur
der Fraktion DIE LINKE. vor und war noch nicht öffentlich verfügbar)?

21. Inwieweit kann die Bundesregierung den Eindruck widerlegen, dass eine
Veröffentlichung des Gutachtens vor allem deshalb eher klammheimlich
(d. h. ohne Pressemitteilung usw.) erfolgte, weil die Auftraggeber des Gut-
achtens nicht willens oder in der Lage sind, aus den Ergebnissen und
Befunden des Gutachtens wirksame Schlussfolgerungen zu ziehen – etwa
hinsichtlich der Verbesserung der prekären Beschäftigungssituation der
Lehrkräfte?

22. Gibt es neben dem veröffentlichten Kurzgutachten zum Finanzierungs-
system der Integrationskurse auch eine längere Fassung des Gutachtens
oder einen ausführlicheren Evaluierungsbericht, und wenn ja, wo ist dieser
verfügbar, und was sind über das Kurzgutachten hinausgehende Erkennt-
nisse dieses Berichts?

23. Wie ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 13 auf Bundestags-
drucksache 17/1536 zu verstehen, wonach als konkrete Schlussfolgerung
aus der Evaluierung „Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Sicherung
einer hohen Qualität der Integrationskurse, wie im Trägerrundschreiben
vom 15. März 2010 genannt“, ergriffen worden seien, wo doch die Maß-
nahmen des genannten Rundschreibens (Einschränkungen bezüglich Fahrt-
kostenerstattung, Kinderbetreuung, Wiederholungsmöglichkeiten, Alpha-
betisierungskursen und der Zulassung von Teilnehmenden ohne Rechts-

anspruch) gar nicht Gegenstand der Evaluierung waren bzw. jedenfalls in
dem veröffentlichten Kurzgutachten keine Rolle spielen, während bezüg-

Drucksache 17/2851 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lich des eigentlichen Untersuchungsauftrags und der Feststellungen des
Gutachtens insbesondere zur angemessenen Vergütung der Lehrkräfte
keinerlei Schlussfolgerungen gezogen wurden?

24. Was haben die Prüfungen des BMI erbracht, ob und wie die Vergütung der
Lehrkräfte verbessert werden kann, wenn noch keine Ergebnisse vorliegen,
warum nicht, und inwieweit sind diese Ergebnisse abhängig von der Höhe
der bereitgestellten Haushaltsmittel, bzw. welche Maßnahmen hält die
Bundesregierung hiervon unabhängig für erforderlich angesichts der laut
Gutachten bestehenden „unterdurchschnittlichen Vergütung von Lehrkräf-
ten in Integrationskursen“ (S. 3)?

25. Inwieweit hält die Bundesregierung weiter an ihrer Auffassung fest, keine
weiteren Vorgaben zur Mindesthonorierung von Lehrkräften machen zu
wollen, obwohl auch aus dem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten her-
vorgeht, dass es notwendig sei, eine Erhöhung der Trägerpauschale ver-
bindlich an eine Erhöhung der Lehrkraftvergütung zu knüpfen (S. 19), zu-
mal das bestehende Finanzierungssystem für die Träger einen Anreiz zur
Reduktion der Lehrgehälter bietet, um einen ökonomischen Erfolg zu
sichern oder zu vergrößern (S. 18, vgl. aber auch schon das erste Rambøll-
Gutachten zu Integrationskursen, S. 133, bitte begründen)?

26. Inwieweit erwägt die Bundesregierung eine grundsätzliche Abkehr vom
bisherigen Finanzierungssystem (etwa die Festanstellung staatlich an-
erkannter Integrationslehrerinnen und -lehrer), vor dem Hintergrund, dass
nach dem Gutachten die Beschäftigung als Honorarkräfte „von den befrag-
ten Lehrkräften sowie ihren Interessensvertretungen und Verbänden als be-
sonders problematisch wahrgenommen“ wird, z. B. wegen der geringen
Beschäftigungssicherheit, der unangemessenen Vergütung, des Verdienst-
ausfalls im Krankheitsfall, der fehlenden Absicherung für Urlaubs- und
Regenerationsphasen usw. (S. 9), oder welche anderen Maßnahmen wird
sie diesbezüglich ergreifen?

27. Wie steht die Bundesregierung zu Forderungen, das BAMF solle als „erster
Arbeitgeber“ zumindest die Kosten für eine Lohnfortzahlung im Krank-
heitsfall, für Urlaubs- und Weiterbildungszeiten sowie die Hälfte der So-
zialversicherungsbeiträge übernehmen, und wie steht sie zu Forderungen
nach einem Branchenmindestlohn im Weiterbildungs- bzw. Integrations-
kursbereich?

28. Inwieweit ist nach Ansicht der Bundesregierung der im Gutachten vor-
genommene Vergütungsvergleich der Integrationskurs-Lehrkräfte mit den
Einstiegsgehältern anderer Berufsgruppen (S. 14 f. und 20) verzerrt, da der
Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen unberücksichtigt
bleibt und zudem nicht berücksichtigt wird, dass Lehrkräfte in Integrations-
kursen keine Berufseinsteigerinnen bzw. -einsteiger sind, und inwieweit
stimmt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund der Auffassung zu,
dass die Entlohnung für Integrationskurs-Lehrkräfte nicht um 17 bis
71 Prozent, sondern um weit mehr als 40 bis über 100 Prozent steigen
müsste, um anderen vergleichbaren Berufsgruppen angepasst zu werden?

29. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung dazu,
wie viele der derzeit etwa 12 500 Lehrkräfte in Integrationskursen in den
letzten fünf Jahren zusätzlich zu ihrem Honorar Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen mussten (sogenannte
Aufstocker), welche sonstigen Informationen zu den Lehrkräften liegen ihr
vor (bezüglich ihrer Zahl, des Geschlechts, der Qualifikation, der Staatsan-
gehörigkeit usw.)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2851

30. Wie will die Bundesregierung die Qualität der Integrationskurse steigern
(Koalitionsvertrag), wenn keine wirksamen Maßnahmen zur Verbesserung
der Beschäftigungssituation der Lehrkräfte ergriffen werden, obwohl laut
Gutachten (S. 3) ein „qualitativer (…) Zusammenhang zwischen Vergütung
und Kursqualität angenommen werden“ kann und dies auch von der Bewer-
tungskommission bestätigt wurde?

31. Wie soll die Zusage des Bundes im Rahmen des „Nationalen Integrations-
plans“ erfüllt werden, „das Angebot an Integrationskursen zeitnah und
flächendeckend auszubauen“, wenn das Angebot etwa durch verzögerte Zu-
lassungen von Personen ohne Rechtsanspruch, durch Einschränkungen bei
der Fahrtkostenerstattung, Wiederholungs- und Teilzeitkursen und der Kin-
derbetreuung eher eingeschränkt wird, und welches Signal gibt der Bund
damit den anderen Teilnehmenden am „Nationalen Integrationsplan“ be-
züglich der Erfüllung ihrer Selbstverpflichtungen?

32. Wie steht die Bundesregierung zu den gemeinsamen Forderungen der Inte-
grationskursträger Deutscher Volkshochschul-Verband e. V., Bundesver-
band der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e. V., Euro-Schu-
len-Organisation, Internationaler Bund, Initiative Pro Integration, Verband
Deutscher Privatschulverbände e. V. in dem Schreiben vom 4. Mai 2010
(vgl. Ausschussdrucksache 17(4)49),

a) die Zulassung zu Integrationskursen nicht zu beschränken und Interes-
sierten innerhalb von vier Wochen einen Zulassungsbescheid zuzustel-
len, da Einschnitte für integrationswillige Zuwanderer „integrations-
politisch äußerst problematisch“ seien und Interessierte andernfalls das
Interesse verlieren könnten;

b) den Zugang zu Teilzeit-, Wiederholungs- und Alphabetisierungskursen
nicht einzuschränken, um nicht die Bildungsmaxime der Bundesregie-
rung „Niemand darf verloren gehen“ zu verletzen und die sprachliche
Integration der besonders Hilfebedürftigen nicht aufzugeben;

c) den Trägern spätestens vier Wochen nach Kursabrechnung ihre Mittel
zu erstatten?

33. Warum soll eine Kurswiederholung bei Interessierten, die das Niveau A2
nach 600 Unterrichtseinheiten nicht erreicht haben, nicht einmal im
Rahmen einer Einzelfallprüfung möglich sein, und welches gegebenenfalls
alternative Angebot zur Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse wird dieser
besonders förderungsbedürftigen Gruppe gegebenenfalls eröffnet?

34. Erwägt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Einführung von
Kursen für Langsam-Lernende, um zu verhindern, dass etwa 15 Prozent
der Prüfungsteilnehmenden nach 600 Unterrichtseinheiten keine weitere
Förderung mehr erhalten (bitte begründen)?

35. Erwägt die Bundesregierung die Einführung eines Rechtsanspruchs auf
Integrationskursteilnahme auch für bereits länger im Land lebende Migran-
tinnen und Migranten, nachdem das frühere politische Versprechen, alle
Betroffenen, die einen Kurs besuchen wollten, würden auch zugelassen,
nun unter Haushaltsgesichtspunkten zumindest zeitlich eingeschränkt
wurde (bitte begründen)?

36. Wenn es die Bundesregierung grundsätzlich für zulässig hält, gegen
„Dumping-Honorare“ vorzugehen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/1536,
Frage 16), wieso hält sie dann die verbindliche Vorgabe von Mindest-
honoraren im Rahmen der Ausschreibung von Trägerzulassungen bzw. im
Rahmen der Vergütung für Integrationskurse für unzulässig oder untaug-

lich (bitte begründen)?

Drucksache 17/2851 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Vorgaben
des Europäischen Sozialfonds, wonach eine sozialversicherungspflichtige
Anstellung der Kursleiterin bzw. des Kursleiters zur Bedingung der Ver-
gabe bei Berufsintegrationskursen gemacht wird?

37. Welche weiteren Erfahrungen bezüglich der Berufsintegrationskurse gibt es
inzwischen, und waren die von der Bundesregierung auf Bundestagsdruck-
sache 17/1536 zu Frage 22 genannten Zahlen (11 bzw. 7 von 18 Kursteil-
nehmenden hätten eine Anstellung nach Kursende erlangt) repräsentativ,
und inwieweit bewertet die Bundesregierung diese Zahlen als „positiv“?

a) Wie hoch ist der Anteil von Personen in Berufsintegrationskursen, die
vorher einen Integrationskurs besucht haben?

b) Wie hoch ist der Anteil von Personen in Berufsintegrationskursen, die zu-
vor einen Integrationskurs mit Zertifikaten auf dem Niveau A2 oder B1
bzw. ohne Sprachzertifikat absolviert haben?

c) Mit welchen Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) rechnet
die Bundesregierung in Bezug auf Berufsintegrationskurse für die Jahre
2010 bis 2015?

38. Wie ist die aktuelle Personalstruktur des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge in absoluten und relativen Zahlen (bitte bezüglich der inhalt-
lichen Aufgabenbereiche so differenziert wie möglich antworten – wie be-
reits auf Bundestagsdrucksache 17/1364 zu Frage 29 erbeten –, insbeson-
dere auch bezogen auf die Planung, Durchführung und Kontrolle der Inte-
grationskurse)?

39. Für welchen Zeitraum wurden bzw. werden wie viele Beschäftigte des
BAMF aus welchen Bereichen zur Abarbeitung von Asylanträgen ein-
gesetzt, und welche Auswirkungen hatte dies bislang im Bereich der Asyl-
bearbeitung bzw. für die Bereiche, denen Personal entzogen wurde?

40. Inwieweit ist die Aussage des Präsidenten des BAMF im Innenausschuss
des Deutschen Bundestages vom 5. Mai 2010 zutreffend, wonach das BMI
für den Hauhalt 2010 mehr als 218 Mio. Euro für Integrationskurse gefor-
dert habe, dies aber vom Deutschen Bundestag abgelehnt worden sei, und
wieso wurde in einer Sachinformation des BMI an den Abgeordneten
Roland Claus vom 21. Januar 2010 zu Frage 1 behauptet, die bereitgestellten
Mittel in Höhe von 218 Mio. Euro seien ausreichend zur Erfüllung aller
Rechtsansprüche und auch „der Mittelbedarf für ein darüber hinausgehen-
des Kursangebot“ könne „wie bisher bedarfsorientiert unter Inanspruch-
nahme des vorhandenen Verstärkungsvermerks im Haushaltsvollzug bereit-
gestellt werden“ – was sich nur wenig später als offenkundig falsch erwies?

41. Wie sollen sich die 233 Mio. Euro für Integrationskurse für 2010 – und
218 Mio. für 2011 – als auskömmlich erweisen, wenn nach Aussage des
Präsidenten des BAMF im Innenausschuss des Deutschen Bundestages
vom 5. Mai 2010 im Januar 2010 bereits 20,5 Mio. Euro noch für das
Jahr 2009 ausgegeben werden mussten, die Ausgaben bis Ende April 2010
weitere 87,5 Mio. Euro betrugen (und damit auf das Jahr hochgerechnet
über 262 Mio. Euro), das Einsparvolumen der zum 1. Mai 2010 ergriffenen
Sparmaßnahmen hingegen nur auf 13 Mio. Euro geschätzt wurde, so dass
sich aufgrund dieser Zahlen selbst nach der nochmaligen Aufstockung um
15 Mio. Euro ein Fehlbetrag in Höhe von über 35 Mio. Euro für das Jahr
2010 ergibt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/2851

42. Wie reagiert die Bundesregierung auf das Schreiben der Arbeiterwohlfahrt
Bezirksverband Niederrhein e. V. (Ausschussdrucksache 17(11)242 vom
27. August 2010), in dem anhand konkreter Beispiele aus dem Integra-
tionskursalltag dargestellt wird, dass durch die Sparmaßnahmen des BAMF
zum 1. April 2010 Ziele des Koalitionsvertrages konterkariert, besondere
Zielgruppen von einer Kursteilnahme faktisch ausgeschlossen, das Kindes-
wohl gefährdet und Kursabbrüche begünstigt würden, weil

a) die Vorgabe von mindestens 12 bzw. 15 Mindestunterrichtsstunden pro
Woche Lernungewohnte pädagogisch und Eltern mit mehreren Kindern
organisatorisch/zeitlich überfordere und hinsichtlich der Ermöglichung
von Elternkursen in Grundschulen aus räumlichen Gründen ein Problem
sei und sogar zu Mehrkosten führen könne (ebd., S. 3);

b) es im Hinblick auf das Kindeswohl unzumutbar sei, wenn Eltern mit
Kindern unter zwei bzw. drei Jahren angesichts fehlender entsprechen-
der Betreuungsstrukturen für die Kinder durch die Arbeitsverwaltung zu
Vollzeitkursen verpflichtet würden (ebd., S. 4);

c) bestimmte Zielgruppen wie pflegende Angehörige, berufstätige und
arbeitsuchende Personen, lernungewohnte Menschen und Eltern auf
Teilzeit- und Abendkurse mit begrenzter Wochenstundenzahl angewie-
sen sind (ebd.);

d) viele Kurse nicht zustande kommen, verschoben oder abgebrochen wer-
den müssen, wenn nur Personen mit gültiger Berechtigung aufgenom-
men werden dürfen (ebd., S. 5)?

Berlin, den 3. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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