BT-Drucksache 17/2436

Mindestbeiträge zur Rentenversicherung verbessern, statt sie zu streichen

Vom 7. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2436
17. Wahlperiode 07. 07. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katrin Göring-Eckardt,
Fritz Kuhn, Birgitt Bender, Uwe Kekeritz, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer,
Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mindestbeiträge zur Rentenversicherung verbessern, statt sie zu streichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als Teil des Sparpakets hat die Bundesregierung beschlossen, die Beiträge zur
Rentenversicherung für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu streichen. Diese
Maßnahme führt dazu, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Alters-
armut steigen wird und immer mehr Ältere auf Leistungen der Grundsicherung
im Alter und auf Leistungen wegen Erwerbsminderung angewiesen sein wer-
den. Zudem führt die komplette Streichung der Rentenbeiträge dazu, dass Per-
sonen, die zwischenzeitlich nicht rentenversichert waren, weil sie sich z. B.
selbständig gemacht haben, keinen Anspruch mehr auf Erwerbsminderungs-
rente erwerben können. Davon können auch Ansprüche auf Rehabilitationsleis-
tungen betroffen sein.

Die Bundesregierung treibt hiermit auf die Spitze, was die große Koalition be-
gonnen hatte. Denn diese hat in der letzten Legislaturperiode den ohnehin nicht
sehr hohen Beitrag zur Rentenversicherung für Arbeitslosengeld-II-Beziehende
halbiert. Das war eine gut versteckte und in der Öffentlichkeit kaum wahrge-
nommene Sozialkürzung, die zudem indirekt auch das Rentenniveau aller Rent-
ner und Rentnerinnen reduziert hat.

Eingeführt wurden die Rentenbeiträge für alle Arbeitslosengeld-II-Beziehen-
den mit den Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, den so-
genannten Hartz-Reformen. Damit wurden zum ersten Mal auch für einen Teil
derjenigen, die vorher Sozialhilfe bezogen hatten, Rentenbeiträge gezahlt. Ziel
dieser Maßnahme war es nicht, einen armutsfesten Rentenanspruch zu errei-
chen, sondern es ging darum, den Betroffenen den Zugang zu einer Erwerbs-
minderungsrente zu ermöglichen, ihnen zu ermöglichen, Wartezeiten für die
Rente anzusammeln und nicht zuletzt auch darum, sie in die Lage zu versetzen,

einen einigermaßen angemessenen Rentenanspruch für die Zeiten des Leis-
tungsbezugs zu erwerben. Arbeitslosengeld-II-Beziehende wurden deshalb mit
Erwerbstätigen mit einem Monatseinkommen von 400 Euro gleichgestellt, in-
dem für den gezahlten Rentenbeitrag ein fiktives Einkommen in dieser Höhe
unterstellt wurde.

Drucksache 17/2436 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Verzicht auf die von der Bundesregierung beschlossene Streichung und die
Rücknahme der Kürzungen in der letzten Legislaturperiode ist das Minimum
bei einer Neuregelung der Mindestbeiträge. Darüber hinaus sollten aber nicht
nur für diejenigen Mindestbeiträge bezahlt werden, die Arbeitslosengeld II be-
ziehen, sondern auch für diejenigen im erwerbsfähigen Alter, die Sozialhilfe
beziehen, da sie bisher bei den Rentenanwartschaften leer ausgehen. Schließ-
lich ist zu berücksichtigen, dass Arbeitslosengeld-I-Beziehende in Bezug auf
ihre Rentenansprüche nicht schlechtergestellt werden sollten als Arbeitslosen-
geld-II-Beziehende. Die Kosten für diese Maßnahmen dürfen nicht den Bei-
tragszahlenden aufgebürdet werden.

Da dieser Mindestbeitrag nicht zu einer armutsfesten Rente führt, sind weitere
Maßnahmen notwendig, um Armut im Alter zu vermeiden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

1. auf die Streichung der Rentenbeiträge für Langzeitarbeitslose zu verzichten
und stattdessen den Betrag von 205 Euro in § 166 Absatz 1 Nummer 2a des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch durch den Betrag von 400 Euro zu erset-
zen. Die an die Rentenversicherung zu zahlenden Beiträge sind aus Steuer-
mitteln zu finanzieren;

2. die Beiträge von Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld I auf
diesen Mindestbeitrag aufzustocken, wenn diese ohne die Aufstockung dar-
unter liegen;

3. eine Regelung einzuführen, die sicherstellt, dass auch für Bezieherinnen und
Bezieher von Sozialhilfe ein steuerfinanzierter Mindestbeitrag in entspre-
chender Höhe gezahlt wird;

4. ein Konzept vorzulegen, mit dem gewährleistet wird, dass langjährig Versi-
cherte eine Rente über dem Grundsicherungsniveau erhalten.

Berlin, den 6. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende sind nach wie vor not-
wendig. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Arbeitslosengeld-II-Bezie-
henden einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente und Rehabilitationsleis-
tungen haben. Nur so kann sichergestellt werden, dass zum Beispiel
Erwerbstätige, die zwischenzeitlich selbständig tätig waren und dann Arbeits-
losengeld II beantragen, einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente neu auf-
bauen können. Auf diesem Weg kann zudem der Zugang zu Rehabilitationsleis-
tungen für Langzeitarbeitslose erhalten werden.

Auch Arbeitslose und andere Grundsicherungsbeziehende sollten einen nen-
nenswerten Rentenanspruch erhalten. Um dies zu erreichen, ist ein Mindest-
beitrag sinnvoll, bei dem ein Einkommen von 400 Euro unterstellt wird. Bei
höheren Rentenanwartschaften ergibt sich das Problem, dass eine große Zahl
der Erwerbstätigen entweder geringere Rentenanwartschaften erhielte oder ein
relativ hoher Mindestbeitrag erhoben werden müsste.
Die Finanzierung dieser Maßnahmen sollte aus Steuermitteln erfolgen und
transparent gestaltet sein. Eine Beitragsfinanzierung (sei es durch die Arbeits-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2436

losenversicherung, sei es durch die Rentenversicherung) wäre nicht zielgerecht.
Zur besseren Transparenz sollte ein Teil des allgemeinen Zuschusses zur Ren-
tenversicherung umgewandelt werden und ein Haushaltstitel „Rentenversiche-
rungsbeiträge für Arbeitslose sowie Zuschüsse zu den Rentenversicherungs-
beiträgen von Menschen mit Niedrigeinkommen“ eingeführt werden. Der all-
gemeine Zuschuss zur Rentenversicherung sollte entsprechend reduziert wer-
den. Auch die Finanzierung der Beiträge für Bezieherinnen und Bezieher von
Sozialhilfe soll dabei aus Bundesmitteln erfolgen, damit die Kommunen nicht
zusätzlich belastet werden.

Durch die Maßnahmen wird erreicht, dass die Betroffenen eigene Ansprüche
erwerben. Das ist besser als ein nachträglicher Bezug von Grundsicherungsleis-
tungen, der zudem die Kommunen belastet.

Für sich genommen reichen diese Maßnahmen aber nicht aus, um einen ausrei-
chenden Schutz vor Armut im Alter zu bieten. Deswegen müssen sie einge-
bettet werden in ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung der Altersarmut.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie als
langjährig Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht auf
Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein werden. Deswegen ist die Ein-
führung einer Garantierente notwendig, die die Rentenanwartschaften auf ein
Mindestniveau anhebt. Kurzfristig ist die Anhebung des Regelsatzes für die
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit auf 420 Euro notwendig.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.