BT-Drucksache 17/2077

Schätzung der finanziellen Auswirkungen von steuerpolitischen Gesetzesvorhaben

Vom 11. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2077
17. Wahlperiode 11. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Alexander Bonde,
Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Stephan
Kühn, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schätzung der finanziellen Auswirkungen von steuerpolitischen Gesetzesvorhaben

Die Berechnung der finanziellen Auswirkungen von Gesetzesvorhaben erwies
sich in der Vergangenheit oft als undurchsichtig. Die Berechnungsgrundlagen,
aufgrund derer die Finanztableaus von Gesetzentwürfen erstellt werden, bleiben
unveröffentlicht, und ob eine externe Kontrolle der angestellten Berechnungen
des Bundesministeriums der Finanzen vorgenommen wird, ist intransparent.

Die daraus resultierende Abwesenheit einer verlässlichen Datengrundlage über
zu erwartende Steuermehr- bzw. Steuermindereinnahmen von Gesetzentwürfen
erschwert eine fundierte Entscheidung der Parlamentarier über das jeweilige Ge-
setz. Dies verdeutlicht – rückblickend – beispielsweise die Evaluierung des 2003
in Kraft getretenen Strafbefreiungserklärungsgesetzes, die ergab, dass statt der
erwarteten 5 Mrd. Euro Mehreinnahmen lediglich 1,4 Mrd. Euro zusätzlich ein-
genommen wurden.

Doch sind veröffentlichte Evaluierungen dieser Art die seltene Ausnahme.
Obwohl in zahlreichen verabschiedeten Gesetzen eine Evaluierung nach einem
angemessenen Zeitraum ausdrücklich vorgesehen ist, liegen diese häufig nicht
vor. Bei anderen Gesetzen ist eine Evaluierung nicht explizit vorgesehen, wäre
aber angebracht und notwendig.

Evaluierungen der eingetretenen finanziellen Auswirkungen nach Inkrafttreten
des Gesetzes, verbunden mit Angaben über die Gründe der Ursachen für etwaige
Abweichungen, könnten die Belastbarkeit der ursprünglichen Schätzungen über-
prüfen und zur zukünftigen Verbesserung der Berechnungen beitragen.

Wir fragen die Bundesregierung daher:

1. Welche steuerpolitischen Gesetze, die in der 16. Wahlperiode verabschiedet
wurden, wurden bislang im Hinblick auf ihre finanziellen Auswirkungen eva-
luiert?

2. Welche Ergebnisse ergaben sich aus den in Frage 1 etwaig vorgenommenen
Evaluierungen, und wie erklärt die Bundesregierung eventuelle Abweichun-

gen zwischen geschätzten und tatsächlichen finanziellen Auswirkungen des
jeweiligen steuerpolitischen Gesetzes?

3. Plant die Bundesregierung zurzeit eine Evaluierung der finanziellen Auswir-
kungen in Kraft getretener steuerpolitischer Gesetze, und wenn ja, welcher?

4. Bezieht die Bundesregierung in bestimmte Schätzungen über die finanziellen
Auswirkungen von Gesetzentwürfen im Steuerrecht externen Sachverstand ein,
und wenn ja, bei welchen Gesetzen ist dies geschehen, und in welcher Form?

Drucksache 17/2077 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus vergangenen erhebli-
chen Abweichungen zwischen geschätzten und tatsächlichen finanziellen
Auswirkungen, wie etwa beim Strafbefreiungserklärungsgesetz, gezogen?

6. Liegen der Bundesregierung bereits Zahlen über die direkten Auswirkungen
der Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vor, und wenn ja,
inwiefern stimmen diese mit den im Gesetzentwurf geschätzen finanziellen
Auswirkungen überein, und wie lassen sich gegebenenfalls Abweichungen
erklären?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, welcher Teil der in der neuesten Steuer-
schätzung auf 6 Mrd. Euro bezifferten Mindereinnahmen gegenüber der
Novemberschätzung aufgrund von Steuerrechtsänderungen auf das Wachs-
tumsbeschleunigungsgesetz zurückzuführen ist, und wenn ja, welche Maß-
nahmen des Gesetzes sorgen für jeweils wie hohe prognostizierte Steuermin-
dereinnahmen?

8. Inwiefern haben sich die im Gesetzentwurf für die 2008 bzw. (in Bezug auf
die Abgeltungsteuer) 2009 in Kraft getretene Unternehmensteuerreform ge-
schätzten Einnahmeausfälle von 6,5 Mrd. Euro im Jahr 2008 und 6,7 Mrd.
Euro im Jahr 2009 als realistisch erwiesen, und wie erklärt die Bundesregie-
rung etwaige Abweichungen?

9. Wird die Bundesregierung in naher Zukunft der im Bericht des Finanzaus-
schusses zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (Bundestagsdruck-
sache 16/5491) ausgedrückten Bitte um die Vorlage einer Evaluation und
eines Erfahrungsberichts zur Einführung der Zinsschranke nachkommen,
und wenn nein, warum nicht?

10. Inwiefern ist die Bundesregierung der im Bericht des Finanzausschusses
zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (Bundestagsdrucksache 16/5491)
ausgedrückten Bitte um Prüfung aller Verlustverrechnungsbeschränkungen
und Vorlage alternativer Vorschläge für eine Neuordnung unter Berücksich-
tigung der europäischen Entwicklungen nachgekommen?

11. Inwiefern wurde bislang der im Bericht des Finanzausschusses zum Bürger-
entlastungsgesetz Krankenversicherung (Bundestagsdrucksache 16/13429)
angestrebten Evaluation und grundlegenden Überarbeitung der bestehenden
Verlustabzugsrestriktionen des Unternehmenssteuerrechts nachgekommen?

12. Inwiefern stimmen die erwarteten Mehreinnahmen der Erhöhung des Mehr-
wertsteuersatzes auf 19 Prozent zum 1. Januar 2007 mit den tatsächlichen
Mehreinnahmen überein, und wie erklärt die Bundesregierung etwaige Ab-
weichungen?

13. Plant die Bundesregierung, die Berechnung über die finanziellen Auswir-
kungen von Gesetzentwürfen im Steuerrecht in Zukunft transparenter zu
machen, etwa indem Berechnungsgrundlagen und -annahmen detailliert ver-
öffentlicht werden, und wenn nein, warum nicht?

14. Plant die Bundesregierung, ihre Methoden bei der Berechnung der finanziel-
len Auswirkungen von Gesetzentwürfen im Steuerrecht zu reformieren, um
zu stabileren Schätzungen zu kommen, und wenn ja, in welcher Weise?

15. Ist die Bundesregierung in Austausch mit Regierungen anderer Staaten, um
Reformmöglichkeiten der deutschen Praxis bei der Schätzung finanzieller
Auswirkungen von Gesetzesvorhaben im Steuerrecht auszuloten, und wenn
ja, mit welchen bisherigen Ergebnissen?

Berlin, den 11. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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