BT-Drucksache 17/1512

Vorbereitung der Bundesregierung auf die Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages und ihr Einsatz für nukleare Abrüstung

Vom 23. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1512
17. Wahlperiode 23. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Malczak, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorbereitung der Bundesregierung auf die Überprüfungskonferenz des
Nichtverbreitungsvertrages und ihr Einsatz für nukleare Abrüstung

Laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP setzt sich die Bundes-
regierung bei der Ausarbeitung eines neuen strategischen Konzeptes der NATO
im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten für den Abzug
der US-Atomwaffen aus Deutschland ein. Für die Überprüfungskonferenz des
Nichtverbreitungsvertrages (NVV) vom 3. bis 28. Mai 2010 in New York ist es
das erklärte Ziel der Bundesregierung, das Vertragsregime zu stärken und sich
für konkrete Schritte zur Abrüstung und Rüstungskontrolle einzusetzen. Am
26. März 2010 forderte die überwältigende Mehrheit des Deutschen Bundes-
tages in einem interfraktionellen Antrag die Bundesregierung dazu auf, die welt-
weite nukleare Abrüstung mit umfassenden Schritten zu unterstützen (vgl. Bun-
destagsdrucksache 17/1159). Vor diesem Hintergrund bedarf es näherer Aus-
künfte darüber, was die Bundesregierung zur Vorbereitung der Überprüfungs-
konferenz des NVV und für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland
konkret unternommen hat bzw. zu unternehmen beabsichtigt.

Wir fragen die Bundesregierung:

Zum Stand der Konsultationen mit den USA und den NATO-Partnern über den
Abzug der Atomwaffen aus Deutschland sowie über Abrüstung und Rüstungs-
kontrolle innerhalb der NATO

1. Wann wurden seit Beginn dieser Legislaturperiode durch wen und mit wem
entsprechende Gespräche geführt (bitte in Form einer chronologischen Über-
sicht mit Angabe der Funktion der Gesprächsteilnehmer aufschlüsseln)?

2. Welche konkreten Fragen wurden dabei erörtert und zu welchen Ergebnissen
kamen die Gespräche (bitte in Form einer chronologischen Übersicht auf-
schlüsseln)?

3. Welche Gespräche (wann, durch wen und mit wem, zu welchen Fragen) be-
absichtigt die Bundesregierung bis zum NATO-Gipfel im Herbst 2010 zu
führen?

4. Welche Positionsdifferenzen und Übereinstimmungen hat die Bundesregie-
rung im Zuge dieser Gespräche festgestellt (nach Ländern aufschlüsseln),
und welche Schlussfolgerungen für ihr Handeln zieht sie daraus?

Drucksache 17/1512 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. In welchem Umfang beabsichtigt die Bundesregierung, den Bundestag in
die Beratungen über ein neues strategisches Konzept der NATO einzubezie-
hen?

Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Bericht der NATO-Experten-
gruppe dem Parlament zuzuleiten?

6. Befürwortet die Bundesregierung, im Sinne einer einvernehmlichen Haltung
der NATO-Verbündeten über die Zukunft der nuklearen Teilhabe, auch einen
Verzicht der anderen, an der operativen nuklearen Teilhabe beteiligten Staa-
ten (Belgien, Italien, Niederlande, Türkei) auf die Beschaffung neuer nuk-
learwaffenfähiger Trägersysteme?

Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Beschaffungsvor-
haben für nuklearwaffenfähige Trägersysteme in diesen Staaten?

7. Befürwortet sie auch ein Ende der politischen Aspekte der nuklearen Teil-
habe, wie beispielsweise der gemeinsamen Konsultationen über Nuklear-
fragen in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO?

Wenn nein, welchen Sinn können diese politischen Instrumente der Teil-
habe noch nach einem Ende der operativen Teilhabe durch einen Abzug der
US-Atomwaffen haben?

8. Hat die Bundesregierung auch andere NATO-Staaten eingeladen, das
gemeinsame Schreiben der fünf Außenminister Belgiens, Deutschlands,
Luxemburgs, der Niederlande und Norwegens vom 26. Februar 2010 an
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zu unterschreiben?

Wenn ja, welche Staaten waren das?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der Beratungen über die
Rolle der NATO bei der nuklearen Abrüstung auf dem informellen NATO-
Außenministertreffen in Tallinn am 22/23. April 2010?

Hat die Bundesregierung dort ihr Anliegen eines Abzugs der in Deutschland
stationierten Atomwaffen zur Sprache gebracht?

Wenn ja, wie haben die Verbündeten auf dieses Anliegen reagiert?

10. Befürwortet die Bundesregierung, dass auch die NATO die Aufgabe von
Kernwaffen auf die Abschreckung anderer Kernwaffenbesitzer beschränkt?

Wenn ja, welche Aktivitäten hat sie unternommen oder beabsichtigt sie zu
unternehmen, um dieses Prinzip im neuen strategischen Konzept der NATO
zu verankern?

Zu den Konsultationen mit den EU-Mitgliedstaaten über eine gemeinsame euro-
päische Position für die Überprüfungskonferenz

11. Wann wurden seit Beginn dieser Legislaturperiode durch wen und mit wem
entsprechende Gespräche geführt (bitte in Form einer chronologischen
Übersicht mit Angabe der Funktion der Gesprächsteilnehmer aufschlüs-
seln)?

12. Welche Positionsdifferenzen und Übereinstimmungen hat die Bundesregie-
rung im Zuge dieser Gespräche festgestellt (nach Ländern aufschlüsseln),
und welche Schlussfolgerungen für ihr Handeln zieht sie daraus?

13. Welche Positionsdifferenzen und Übereinstimmungen liegen nach Ansicht
der Bundesregierung insbesondere mit der französischen Regierung vor, die
dem nuklearen Abrüstungsprogramm Barack Obamas offen mit großer
Skepsis gegenübersteht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1512

14. Zur Umsetzung welcher zusätzlichen Transparenzmaßnahmen wäre die
Bundesregierung (insbesondere in Bezug auf Informationen über die An-
zahl und Stationierungsorte von Atomwaffen auf deutschem Boden) selbst
bereit, um den im Gemeinsamen Standpunkt der EU auch für den Bereich
der substrategischen Waffen angestrebten Prozess der Vertrauensbildung in
der nuklearen Rüstungskontrolle zu befördern?

Weitere Fragen

15. Mit welchen Initiativen bzw. Vermittlungsstrategien will die Bundesregie-
rung den Interessengegensatz zwischen den Kernwaffenstaaten (KWS) und
der Bewegung der ungebundenen Staaten (NAM) überwinden und zum
Erfolg der Überprüfungskonferenz beitragen?

16. Welche Initiativen hat die Bundesregierung wann, mit wem und mit wel-
chem Ergebnis für die Fortsetzung des bilateralen Abrüstungsprozesses
zwischen den USA und Russland, in den auch die substrategischen Nu-
klearwaffen einbezogen werden sollen, seit Beginn der Legislaturperiode
unternommen (bitte in Form einer chronologischen Übersicht mit Angabe
der Funktion der Gesprächsteilnehmer aufschlüsseln)?

17. Mit welchen konkreten Beiträgen unterstützte die Bundesregierung die Ver-
handlungen zwischen den USA und Russland über das Nachfolgeabkom-
men zum START-Vertrag (bitte insbesondere auf mögliche Vermittlungsun-
terstützungen in der Frage der Raketenabwehr eingehen)?

18. Welche Initiativen beabsichtigt die Bundesregierung wann und mit wem für
die Fortsetzung des bilateralen Abrüstungsprozesses zwischen den USA
und Russlands, in den auch die substrategischen Nuklearwaffen einbezogen
werden sollen, zu ergreifen (bitte in Form einer chronologischen Übersicht
mit Angabe der Funktion der Gesprächsteilnehmer aufschlüsseln)?

19. Wie ist die Haltung der Bundesregierung zu den neuen Plänen der US-
Administration zur Raketenabwehr in Europa und innerhalb der NATO?

20. Welche Schlussfolgerungen für ihren Einsatz für nukleare Abrüstung und
den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland zieht die Bundesregierung
aus der neuen Nuklearstrategie (Nuclear Posture Review Report) der USA?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Anfang April 2010 ver-
öffentlichten Nuclear Posture Review Report, dass die USA in Bezug auf
die nukleare Teilhabe „alle Optionen offenhalten wollen“?1

Erleichtert diese Haltung den angestrebten Abzug der US-Atomwaffen aus
Deutschland?

22. Wie bewertet die Bundesregierung die im Nuclear Posture Review Report
verkündeten Pläne der US-Regierung, die Einsatzdauer der in Europa sta-
tionierten Atomsprengköpfe durch ein umfassendes Life Extension Pro-
gram zu verlängern?

Ist aus deutscher Sicht ein solches Programm, das auch die in Deutschland
stationierten Atomwaffen betreffen würde, vor dem Hintergrund der Forde-
rung nach einem Abzug der Atomwaffen aus Europa notwendig?

23. Welche Schlussfolgerungen für ihren Einsatz für nukleare Abrüstung und
den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland zieht die Bundesregierung
aus der neuen Militärdoktrin Russlands?

1 NPR. S. 28: „These decisions do not presume the results of future decisions within NATO about the
requirements of nuclear deterrence and nuclear sharing, but keep open all options.“

Drucksache 17/1512 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Wie reagiert die Bundesregierung außen- und energiepolitisch auf die zu-
nehmenden Proliferationsrisiken, die sich aus der Renaissance der zivilen
Nutzung der Kernenergie ergeben (bitte insbesondere auf die Frage der För-
derung des Exports von Atomtechnologie eingehen)?

Berlin, den 23. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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