BT-Drucksache 17/1419

Klimaschutz und gerechten Handel mit Lateinamerika und der Karibik voranbringen

Vom 21. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1419
17. Wahlperiode 21. 04. 2010

Antrag
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Dr. Hermann Ott, Ute Koczy, Uwe Kekeritz,
Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Cornelia Behm,
Viola von Cramon-Taubadel, Katrin Göring-Eckardt, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn,
Katja Keul, Sylvia Kotting-Uhl, Agnes Malczak, Jerzy Montag, Kerstin Müller
(Köln), Ingrid Nestle, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt, Dorothea Steiner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Klimaschutz und gerechten Handel mit Lateinamerika und der Karibik
voranbringen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 17. und 18. Mai 2010 findet in Madrid das sechste Gipfeltreffen der Euro-
päischen Union und der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (EU-LAK-
Gipfel) statt. Die spanische Ratspräsidentschaft hat sich ehrgeizige Ziele für die
europäische Politik gegenüber Lateinamerika gesteckt. Auf dem Gipfel in
Madrid sollen als Höhepunkt und Abschluss dieser Bemühungen mehrere
Abkommen unterzeichnet werden.

Die Europäische Union sollte die strategische Partnerschaft mit den Staaten
Lateinamerikas und der Karibik nutzen, um neue Impulse für eine nachhaltige
Entwicklung auf beiden Kontinenten zu setzen, die Menschenrechte und den
Multilateralismus zu stärken sowie gemeinsam gegen den Klimawandel vor-
zugehen. In der Handelspolitik muss die EU an dem von ihr selbst gestellten
Postulat festhalten, entwicklungsfreundliche Abkommen zu verhandeln, die die
Menschenrechte stärken, einen Beitrag im Kampf gegen Armut und Hunger
leisten und den Schutz von Umwelt und Klima voranbringen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich dafür einzusetzen, dass auf dem EU-LAK-Gipfel gemeinsame Anstren-

gungen für den Klimaschutz und eine multilaterale Handelspolitik verab-
redet werden, die zu einer nachhaltigen Entwicklung und der Stärkung der
Menschenrechte beiträgt;

2. im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen verstärkt mit den Staa-
ten Lateinamerikas und der Karibik zu kooperieren, um zu einem völker-
rechtlich verbindlichen Kyoto-Nachfolgeabkommen zu gelangen;

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3. sich dafür einzusetzen, dass sich die EU an einer verlässlichen, zusätz-
lichen und angemessenen Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung
beteiligt. Diese Finanzierung muss zusätzlich zu den versprochenen
0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusam-
menarbeit und unabhängig von den Reduktionszielen der Industrieländer
bereitgestellt werden;

4. den gemeinsamen Vorschlag Mexikos und Norwegens zu unterstützen, für
die Finanzierung von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen in Ent-
wicklungsländern unter anderem einen „Green Fund“ zu schaffen;

5. den gemeinsamen Vorschlag Mexikos, Großbritanniens, Norwegens und
Australiens zu unterstützen, wonach ein internationales Emissionshandels-
system zur Finanzierung des internationalen Klimaschutzes etabliert wer-
den soll;

6. den Vorschlag Mexikos und Norwegens zu unterstützen, wonach der inter-
nationale Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel darüber
hinaus durch die Erlöse aus der Versteigerung von nationalen Emissions-
erlaubnissen (Assigned Amount Units, AAU) im Rahmen des internationa-
len Klimaregimes der Vereinten Nationen (VN) finanziert werden soll;

7. sich dafür einzusetzen, dass die EU ihr Emissionsreduktionsziel für 2020
auf mindestens 30 Prozent gegenüber 1990 erhöht, um so andere Staaten zu
ehrgeizigeren Reduktionsverpflichtungen zu ermutigen;

8. darauf hinzuarbeiten, dass sich weitere Staaten Lateinamerikas und der Ka-
ribik zu konkreten und nachprüfbaren Klimaschutzanstrengungen ver-
pflichten, mit dem Ziel, ihre Emissionen insgesamt mindestens um 15 bis
30 Prozent gegenüber einem „business as usual“-Pfad zu vermindern;

9. sich gemeinsam mit der EU und den Tropenwaldländern Lateinamerikas
und der Karibik für ein zusätzliches Finanzierungsinstrument für voraus-
sagbare, zusätzliche und angemessene Mittel zum Schutz der Tropen-
wälder und zur Kompensation vermiedener Entwaldung (REDD) einzuset-
zen. Bei der Ausgestaltung von REDD müssen die Rechte der im und vom
Wald lebenden Menschen und der Schutz natürlicher Wälder im Mittel-
punkt stehen;

10. gemeinsam mit der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
effektive Maßnahmen gegen den illegalen Holzeinschlag zu ergreifen und
sich innerhalb der EU für ein klares Import- und Handelsverbot für illegal
geschlagenes Holz einzusetzen,

11. insbesondere sich bei den aktuellen Verhandlungen um die EU-Verordnung
über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeug-
nisse in Verkehr bringen, für die Änderungsvorschläge der ersten Lesung
des Europäischen Parlaments und damit für eine Verschärfung des aktuel-
len Kommissionsvorschlags einzusetzen;

12. bilateral und innerhalb der EU die energiepolitische Kooperation mit den
Staaten Lateinamerikas und der Karibik durch gezielte Förderung von er-
neuerbaren Energien und Energieeffizienz auszubauen;

13. die Atomverträge mit Brasilien und Argentinien durch eine Kooperation
über erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu ersetzen;

14. keine Hermesbürgschaften für den Bau von Atomkraftwerken oder für Ex-
porte von Atomtechnologie zu erteilen;

15. den Bürgschaftsantrag von Siemens/Areva für den Bau des Atomkraft-
werkes Angra 3 in Brasilien abzulehnen bzw. die Zustimmung rückgängig

zu machen;

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16. auf dem EU-LAK-Gipfel gemeinsame Initiativen zu erarbeiten mit dem
Ziel, unter dem Dach der Vereinten Nationen einen ökologischen und so-
zialen Rahmen für die Weltwirtschaft zu entwickeln, z. B. in Form der von
der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vorgeschlagenen aber bisher nicht
weiterentwickelten Charta für nachhaltiges Wirtschaften. Dabei sollten
auch die Vorschläge der von Joseph Stiglitz geleiteten VN-Expertenkom-
mission berücksichtigt werden;

17. auf dem EU-LAK-Gipfel für gemeinsame Anstrengungen zur Stärkung des
Multilateralismus zu werben – vor allem für eine Reform und Aufwertung
der Institutionen der Vereinten Nationen;

18. sich auch auf dem EU-LAK-Gipfel für einen Abschluss der laufenden
Welthandelsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) (Doha-Entwick-
lungsrunde) einzusetzen, der in allen Bereichen die Auswirkungen der
Wirtschafts- und Finanzkrise auf Entwicklungsländer berücksichtigt, die
soziale und ökologische Dimension der Globalisierung stärkt und ausrei-
chende Schutzmechanismen für Entwicklungsländer vorsieht;

19. sich dafür einzusetzen, dass die EU bei der Verhandlung von bi- und pluri-
lateralen Handelsabkommen ihre Verhandlungspartner nicht zu Liberalisie-
rungsmaßnahmen drängt, die über das hinausgehen, was zurzeit im Rah-
men der WTO durchsetzbar ist;

20. sich dafür einzusetzen, dass bi- und plurilaterale Handelsabkommen keine
Passagen enthalten, die den Partnerstaaten eine effektive Finanzmarktauf-
sicht und Kapitalverkehrskontrolle erschweren;

21. sich innerhalb der EU im Interesse des universellen Zugangs zu essen-
tiellen Medikamenten dafür einzusetzen, dass bi- und plurilaterale Han-
delsabkommen keine Verpflichtungen im Bereich des geistigen Eigentums
enthalten, die über die Vereinbarungen des TRIPS-Abkommens (Überein-
kommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigen-
tums) hinausgehen, insbesondere keine Bestimmungen zu Patentverlänge-
rungen und Exklusivität von Forschungsdaten;

22. den Staaten Lateinamerikas und der Karibik das Recht zuzugestehen, ihren
eigenen Entwicklungspfad zu definieren und auch mit alternativen Wirt-
schaftsbündnissen wie ALBA (Bolivarianische Allianz für Amerika) zu-
sammenzuarbeiten;

23. sich in der EU für eine gemeinsame und kohärente Menschenrechtspolitik
der EU gegenüber den Ländern Lateinamerikas und der Karibik einzuset-
zen;

24. dafür einzutreten, dass die Menschenrechte in der europäischen Handels-
politik gegenüber den Staaten Lateinamerikas und der Karibik stärkere
Beachtung finden und die bereits laufenden Verhandlungen zu Handels-
abkommen entweder einen klaren Fokus auf Menschenrechte, Ökologie
und nachhaltige Entwicklung legen oder bis zu einer dahingehenden Verän-
derung des Verhandlungsmandats ausgesetzt werden;

25. sich dafür einzusetzen, dass die Menschenrechtsklauseln der Freihandels-
und Assoziierungsabkommen der EU mit Staaten Lateinamerikas vor allem
hinsichtlich der Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen über die des
Allgemeinen Präferenzsystems Plus (APS+) der EU hinausgehen;

26. sich gegenüber der EU-Kommission dafür auszusprechen, dass das Frei-
handelsabkommen mit Peru und Kolumbien nicht unterzeichnet wird, be-
vor es keine ausreichend starke und sanktionsbewährte Menschenrechts-
klausel enthält;

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27. innerhalb der EU zu fordern, dass die Verhandlungen zum Assoziierungs-
abkommen zwischen der EU und den Staaten Zentralamerikas ausgesetzt
werden, bis sich die Lage der Menschenrechte in Honduras, insbesondere
von kritischen Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsverteidi-
gerinnen und -verteidiger sowie Gegnerinnen und Gegner des Putsches
vom 28. Juni 2009, signifikant verbessert hat und eine Wahrheitskommis-
sion eingerichtet wurde, die internationalen Standards entspricht;

28. darauf zu drängen, dass bei einer notwendigen Evaluierung und Überarbei-
tung des Gemeinsamen Standpunktes der EU gegenüber Kuba von 1996
die Menschenrechtsanforderungen nicht aufgeweicht oder gar den Wirt-
schaftsinteressen von Mitgliedstaaten der EU geopfert werden;

29. sich innerhalb der EU für einen verbesserten Marktzugang für die Staaten
Lateinamerikas und der Karibik einzusetzen und das europäische
Agrardumping zu beenden. Gleichzeitig muss auf die Beachtung von Men-
schenrechtskriterien und die Einhaltung von sozialen und ökologischen
Mindeststandards gedrängt werden;

30. sich innerhalb der EU dafür einzusetzen, dass die Staaten Lateinamerikas
und der Karibik in Verhandlungen über Freihandelsabkommen nicht dazu
gezwungen werden, dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz von
Pflanzenzüchtungen (UPOV-Abkommen) beizutreten;

31. sich innerhalb der EU dafür einzusetzen, dass keines der aktuell verhandel-
ten Freihandels- und Assoziierungsabkommen den Druck auf die Fischbe-
stände erhöht;

32. dafür einzutreten, dass sich die Staaten Europas, Lateinamerikas und der
Karibik gemeinsam für einen Erfolg des gegenwärtigen Reformprozesses
in der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Natio-
nen (FAO) einsetzen und dazu beitragen, dass das neue Komitee für Welt-
ernährungssicherheit (CFS) so gestärkt wird, dass es den Kampf gegen den
weltweiten Hunger koordinieren kann;

33. sich dafür einzusetzen, dass vom EU-LAK-Gipfel weitere Impulse für die
gemeinsame Unterstützung des Aufbaus von Haiti ausgehen;

34. unverzüglich das Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen
lebende Völker in unabhängigen Ländern (ILO-Konvention 169) zu ratifi-
zieren und dafür Sorge zu tragen, dass bei der Implementierung der Frei-
handels- und Assoziierungsabkommen die Rechte indigener Völker ge-
wahrt werden.

Berlin, den 21. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen in Madrid sollen die Beziehungen der
Europäischen Union zu den Staaten Lateinamerikas und der Karibik intensi-
viert werden. Obwohl oft vollmundig eine strategische Partnerschaft mit hehren
Zielen beschworen wird, scheinen im Vorbereitungsprozess die Interessen der
europäischen Exportwirtschaft zu dominieren. Die spanische Ratspräsident-
schaft hat es sich zum Ziel gesetzt, unter Hochdruck verschiedene Freihandels-

und Assoziierungsabkommen zu Ende zu verhandeln, um sie auf dem Madrider

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Gipfel unterzeichnen lassen zu können. Die Verhandlungspartner werden dabei
zu Liberalisierungsschritten gedrängt, die weit über das hinausgehen, was zur-
zeit im Rahmen der WTO-Verhandlungen konsensfähig wäre.

Obwohl es sich die EU selber zum Ziel gesetzt hat, mit Hilfe der Assozi-
ierungsabkommen die Menschenrechte zu stärken und eine nachhaltige Ent-
wicklung zu fördern, spielten diese Aspekte in den bisherigen Verhandlungen
nur eine untergeordnete Rolle. Besonders drastisch deutlich wird dies an der
Wiederaufnahme der Verhandlungen bezüglich eines Assoziierungsabkom-
mens mit den Staaten Zentralamerikas, die nach dem Putsch Ende Juni letzten
Jahres in Honduras ausgesetzt worden waren. Obwohl sich die mit dem Putsch
einsetzende dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage auch nach
der Amtseinführung des neuen Präsidenten Porfirio Lobo Sosa nicht gebessert
hat, ist die honduranische Regierung wieder als Verhandlungspartner akzeptiert
worden.

Ein weiteres Beispiel ist die schwache Menschenrechtsklausel im Abkommen
mit Peru und Kolumbien. Sie wird zu keiner tatsächlichen Verbesserung der
Menschenrechtslage beitragen können, da sie weder wirkungsvolle Sanktions-
möglichkeiten noch entsprechende Überprüfungsmechanismen enthält.

Das Ergebnis der Verhandlungen mit Peru und Kolumbien stößt sowohl in die-
sen Ländern als auch in Europa auf den Widerstand von Zivilgesellschaft,
Gewerkschaften, Kirchen und Parteien. Die EU würde durch die Unterzeich-
nung und Ratifizierung des Abkommens denjenigen in den Rücken fallen, die
sich in Peru und Kolumbien für die Menschenrechte einsetzen. Zugleich würde
die EU den internationalen Druck auf die kolumbianische Regierung verrin-
gern, die Menschenrechtslage spürbar zu verbessern und jede Kooperation mit
paramilitärischen Gruppen zu beenden. Der internationale Druck auf Kolum-
bien ist unter anderem dadurch gewachsen, dass weder die USA noch Kanada
oder die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) wegen der zahlreichen
Menschenrechtsverletzungen bereit sind, Freihandelsabkommen mit Kolum-
bien zu ratifizieren.

Auch gegenüber Kuba drängt die spanische Ratspräsidentschaft auf eine
Lockerung der Menschenrechtsanforderungen, um anvisierte Wirtschafts-
projekte leichter realisieren zu können.

Statt einseitig den Interessen der europäischen Exportwirtschaft zu folgen und
auf ein Wachstumsmodell zu setzen, das Menschenrechtskriterien sowie ökolo-
gische und soziale Aspekte vernachlässigt, sollte die Europäische Union mit
den Staaten Lateinamerikas und der Karibik die strategische Partnerschaft für
eine nachhaltige Entwicklung nutzen und damit wichtige Impulse für einen
Erfolg der Klimaverhandlungen in Cancún im Dezember 2010 und des Welt-
nachhaltigkeitsgipfels 2012 in Rio de Janeiro (Rio 20plus) geben.

Statt auf den Abschluss von Freihandelsabkommen zu drängen, die noch
immer einem Liberalisierungsdogma folgen und staatliches Regulieren auf ein
Minimum begrenzen wollen, sollte die EU Assoziierungsabkommen anstreben,
die im Sinne einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft dem Leitbild
einer Globalisierung mit menschlichem Antlitz folgen und die Menschenrechte
– gerade auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen – stärken.

In diesem Sinne sollten sich die Europäische Union und die Staaten Lateiname-
rikas und der Karibik gemeinsam für eine Stärkung des Multilateralismus, vor
allem für eine Reform und Aufwertung der Vereinten Nationen einsetzen.
Dabei könnte die im letzten Jahr von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in
die Diskussion gebrachte Erarbeitung einer VN-Charta für nachhaltiges Wirt-
schaften sowie die Einrichtung eines VN-Gremiums, das die Umsetzung dieser

Charta überwacht, eine wichtige Rolle spielen. Die Bundesregierung ist jedoch

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bisher die Konkretisierung dieser Vorschläge und Versuche, dafür Verbündete
zu finden und sie umzusetzen, schuldig geblieben.

Auch bei den internationalen Klimaverhandlungen kann eine strategische Alli-
anz zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik eine zen-
trale Rolle auf dem Weg hin zu einem völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-
Nachfolgeabkommen spielen. Die EU sollte den Gipfel in Madrid unter ande-
rem dafür nutzen, um eine verstärkte Kooperation mit diesen Staaten zu gestal-
ten, indem sie die Vorschläge aufgreift, die auf dem Tisch liegen.

Mexiko hat in der Debatte um die Finanzierung von Klimaschutz und Anpas-
sung an den Klimawandel in Entwicklungsländern zentrale Impulse gesetzt und
diese Vorschläge gemeinsam mit Norwegen weiterentwickelt. Zudem hat sich
Mexiko dazu bekannt, seine Emissionen bis 2020 um 30 Prozent gegenüber
dem „business as usual“-Pfad zu vermindern. Als Gastgeber der kommen-
den Verhandlungsrunde der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen
(COP 16) im Dezember 2010 in Cancún kommt der mexikanischen Regierung
zudem eine zentrale Rolle zu.

Auch Brasilien hat sich zu ehrgeizigen Emissionsreduktionen von bis zu
39 Prozent gegenüber dem „business as usual“-Pfad bereiterklärt. Zudem sagte
der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva beim Klimagipfel in
Kopenhagen zu, dass Brasilien bereit sei, zur Finanzierung des internationalen
Klimaschutzes in Entwicklungsländern beizutragen, wenn es auf diesem Gebiet
zu einer internationalen Vereinbarung kommt.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Schutz der tropischen Wälder. Allein
die Tatsache, dass der größte noch intakte Tropenwald in Amazonien liegt und
nahezu alle Staaten der Region über Tropenwald verfügen, macht die zentrale
Rolle Lateinamerikas beim Erhalt der Tropenwälder deutlich. Die Region ist
aber auch wegen der riesigen Flächen, die jedes Jahr vernichtet werden, von
besonderer Bedeutung für den Aufbau von REDD-Mechanismen zur Verhinde-
rung von Entwaldung. Viele Staaten haben langjährige Erfahrung beim Schutz
des Tropenwaldes und verfügen zudem über Governance-Strukturen, die einen
nachhaltigen Schutz der Wälder ermöglichen. Die Industrieländer haben bisher
im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit wichtige Beiträge zum Tropen-
waldschutz geleistet. Sie sind aufgrund ihrer Verantwortung für den Klima-
wandel in der Pflicht, sich zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit an der
Finanzierung von REDD maßgeblich zu beteiligen.

Ein zentrales Element der gemeinsamen Anstrengungen für den Klimaschutz
muss der Ausbau der energiepolitischen Kooperation mit den Staaten Latein-
amerikas und der Karibik durch die gezielte Förderung von erneuerbaren Ener-
gien und Energieeffizienz sein. Durch eine intensive und finanziell gut ausge-
stattete Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien, vor allem bei
Solar- und Windkraft, kann den Staaten Lateinamerikas und der Karibik der
Weg zur energiepolitischen Unabhängigkeit geebnet werden. Auch der
Konflikt zwischen Umweltschutz und der Förderung fossiler Energien kann so
vermieden und ein Beitrag zum Klimaschutz durch einen nachhaltigen Ent-
wicklungsweg weg von Öl und Atom geleistet werden. Hierbei bieten auch
Biokraftstoffe Entwicklungschancen für die Region. Bei Anbau und Produk-
tion müssen jedoch soziale und ökologische Mindeststandards eingehalten
werden. Außerdem ist eine nationale Flächennutzungsplanung nötig, die ver-
hindert, dass der Anbau von Energiepflanzen Primärwälder zerstört oder auf
Kosten der Nahrungsmittelproduktion geht und die Ernährungssouveränität
gefährdet.

Es ist ein Zeichen in die absolut falsche Richtung, dass die Bundesregierung
einen positiven Grundsatzbeschluss bezüglich des Bürgschaftsantrags von Sie-

mens/Areva für den Bau des Atomkraftwerkes Angra 3 in Brasilien gefasst hat,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/1419

ohne eigene Auflagen zu bestimmen. Um die Entwicklung der brasilianischen
Wirtschaft und den Ausbau der Energieversorgung voranzubringen, ist die
Kooperation im Bereich der erneuerbaren Energien vielversprechender als der
Bau eines weiteren Atomkraftwerks, das auf einer veralteten Technologie auf-
baut und ökonomisch unrentabel ist. Außerdem verfügt Brasilien über keinerlei
Zwischen- oder Endlager für Atommüll. Die unter der rot-grünen Bundesregie-
rung erfolgreich auf den Weg gebrachten bilateralen Beziehungen im Sektor
erneuerbare Energien und Energieeffizienz müssen weiter forciert werden. Sie
machen einen Ausbau der kostspieligen und risikoreichen Atomenergie über-
flüssig.

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