BT-Drucksache 17/13727

Für universelle Nachhaltigkeitsziele - Entwicklungs- und Umweltagenda zusammenführen

Vom 5. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13727
17. Wahlperiode 05. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Dr. Valerie Wilms, Ute Koczy, Uwe Kekeritz,
Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Hermann E. Ott, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel,
Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Dr. Thomas Gambke, Bettina Herlitzius, Katja Keul,
Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Daniela Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für universelle Nachhaltigkeitsziele – Entwicklungs- und Umweltagenda
zusammenführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der internationalen Entwicklungspolitik stehen in den kommenden eineinhalb
Jahren bedeutende Diskussionen und Entscheidungen bevor. Es geht um die Zu-
kunftsperspektiven der im Jahr 2000 von der internationalen Staatengemein-
schaft beschlossenen Millenniumsentwicklungsziele (MDGs), deren Laufzeit
2015 endet. Am 31. Mai 2013 legte das vom Generalsekretär der Vereinten Na-
tionen zum Post-2015-Prozess eingesetzte hochrangige Beratungsgremium erste
Vorschläge zu deren Fortentwicklung vor.

Bei einer zukünftigen Agenda für nachhaltige Entwicklung muss es um mehr ge-
hen als nur die Weiterverfolgung der MDGs für arme Länder. Vielmehr braucht
es eine für alle Staaten gültige Agenda für nachhaltige Entwicklung mit univer-
sellen Ober- und ausdifferenzierten Unterzielen und einem klaren Bezug zu den
planetarischen Grenzen der Erde. Diese gemeinsame Agenda ist unverzichtbar,
denn nur so kann die notwendige sozial-ökologische Transformation hin zu einer
menschenrechtsbasierten nachhaltigen Entwicklung weltweit vorangetrieben
werden.

Trotz vieler Kritikpunkte hinsichtlich ihrer Entstehung, Konzeption und ihres
Formats und obwohl nicht alle Ziele bis 2015 erreicht werden, haben die MDGs
große Erfolge zu verzeichnen: Ihre hohe Mobilisierungskraft und leichte Kom-
munizierbarkeit haben weltweit Öffentlichkeit für das Thema Armutsbekämp-
fung geschaffen und damit der Entwicklungspolitik eine neue Richtung gege-

ben. Die MDGs haben den Trend sinkender finanzieller öffentlicher Unter-
stützungsgelder (Official Development Assistance – ODA) in den 90er-Jahren
entgegengewirkt und die politische Anerkennung der Entwicklungszusammen-
arbeit deutlich verbessert. Der von den Vereinten Nationen (VN) geleitete Prozess
einer künftigen Entwicklungsagenda beinhaltet bereits jetzt intensive Diskus-
sionen um Prioritäten, Konzepte und Strategien einer zukünftigen Entwick-

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lungspolitik. Er findet auf unterschiedlichsten Ebenen statt und bezieht im Rah-
men thematischer und regionaler Konsultationen auch die Zivilgesellschaft mit
ein.

Parallel zu den Diskussionen um eine neue Entwicklungsagenda haben die Re-
gierungen bei der Rio+20-Konferenz im Juni 2012 beschlossen, Ziele für nach-
haltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) zu formulieren.
Diese sollen auf alle Länder der Welt anwendbar sein und die drei Dimensionen
von Nachhaltigkeit – ökonomisch, ökologisch und sozial – beinhalten. Eine ei-
gene Arbeitsgruppe der VN (Open Working Group) ist damit beauftragt, bis
Herbst 2014 eine Liste möglicher SDGs zu verfassen und der VN-Generalver-
sammlung zur Beschlussfassung vorzulegen. Im September 2013 soll erstmals
das „Hochrangige politische Forum für nachhaltige Entwicklung“ zusammen-
kommen, das die bisherige VN-Kommission für nachhaltige Entwicklung
(CSD) ersetzen wird.

Eine Zusammenführung der beiden Prozesse mit dem Ziel einer gemeinsamen,
universell gültigen Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung ist ange-
sichts der globalen Herausforderungen dringend notwendig. Sie wird von vielen
Seiten – u. a. von der Europäischen Kommission in einer gemeinsamen Mittei-
lung des Umwelt- und des Entwicklungskommissars, aber auch von Vertretern/
Vertreterinnen internationaler Organisationen, der Zivilgesellschaft und Wissen-
schaft – befürwortet.

Der Deutsche Bundestag unterstützt eine solche Zusammenführung der Post-
MDG- und SDG-Prozesse. Er bekennt sich dazu, zukünftig ressortübergreifend
in allen fachlich relevanten Ausschüssen – wie u. a. dem Entwicklungs-, Um-
welt-, Wirtschafts-, Agrar-, Gesundheits-, Bildungs- und Auswärtigen Aus-
schuss, in den Unterausschüssen „Vereinte Nationen“, „Zivile Krisenpräven-
tion“ und „Gesundheit in Entwicklungsländern“ – sowie im Parlamentarischen
Beirat für nachhaltige Entwicklung zu dieser Thematik zu arbeiten und gemein-
same Anhörungen und Beratungen anzustreben. Analog der ministeriellen
Ebene sollte eine gemeinsame Federführung des Entwicklungs- und Umwelt-
ausschuss angestrebt und die Kompetenz des Parlamentarischen Beirats für
nachhaltige Entwicklung genutzt werden, fachübergreifende Arbeitsprozesse
anzustoßen und zu begleiten.

Der Nachhaltigkeitsgipfel in Rio im Jahr 1992 war wegweisend. Bereits dort
stellte die internationale Gemeinschaft fest, dass der einseitig auf Wirtschafts-
wachstum basierende Entwicklungspfad der Industrienationen nicht globalisier-
bar sei, sondern dass menschliche Entwicklung und ökologische Nachhaltigkeit
miteinander in Einklang gebracht werden müssen.

Mit der Klimarahmenkonvention und dem Übereinkommen über die biolo-
gische Vielfalt (CBD) folgten erste bedeutende politische Lösungsansätze.
Trotzdem hat das bis jetzt vorherrschende Entwicklungsmodell die Frage da-
nach, was menschliche Entwicklung im Rahmen der natürlichen Grenzen der
Erde bedeutet, nicht konsequent gestellt. Unter Entwicklung wird überwiegend
noch immer „nachholende Entwicklung“ verstanden. Entwicklungs- und
Schwellenländer eifern dem „Vorbild“ der Industrienationen nach und betreiben
wie sie Raubbau an der Natur. Die Industrienationen tragen damit eine histo-
rische Verantwortung, für die sie im Rahmen einer zukünftigen Agenda für
nachhaltige Entwicklung in die Pflicht genommen werden müssen. Gleichzeitig
dürfen aber auch die Regierungen der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht
aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Zwar hat es in den vergangenen 20 Jahren ökonomische Fortschritte gegeben.
So ist beispielsweise der Anteil der extrem Armen, die von weniger als 1,25 US-
Dollar pro Tag leben, zurückgegangen; in Ländern wie China, Indien und Brasi-

lien sind neue Mittelschichten entstanden und ein größerer Anteil an Menschen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13727

hat Zugang zu Gesundheit und Bildung erhalten. Gleichzeitig aber steigen die
Treibhausgasemissionen; Verwüstungen und Landdegradation schreiten voran;
Wald- und Ökosysteme werden zerstört und Meere überfischt. Die Zahl der
Hungernden liegt bei fast einer Milliarde Menschen und die Kluft zwischen Arm
und Reich – sowohl zwischen den Ländern als auch innerhalb vieler Länder – ist
weiter gewachsen. So leben zwei Drittel der Armen heute in sogenannten Län-
dern mit mittlerem Einkommen (MICs). Vor allem in den fragilen und von Ge-
waltkonflikten betroffenen Staaten, in denen ca. 1,2 Milliarden Menschen leben,
wird voraussichtlich keines der MDGs erreicht werden. Das heißt: in der Ten-
denz haben sich globale, ökologische und soziale Bedingungen in den vergan-
genen 20 Jahren nicht verbessert.

Die große Herausforderung für die internationale Gemeinschaft und deren natio-
nale Regierungen besteht also darin, im Sinne eines integrierten Entwicklungs-
verständnisses darauf hinzuwirken, dass unter Anerkennung der planetarischen
Grenzen extreme Armut und Hunger überwunden werden, alle Menschen ein
Leben in Würde und Sicherheit führen können und ein nachhaltiger Entwick-
lungspfad eingeschlagen wird. Es muss darum gehen, die Ökosysteme zu erhal-
ten und allen Menschen angemessenen Zugang zu den natürlichen Ressourcen
zu ermöglichen – auch nachfolgenden Generationen. Die Eindämmung des Kli-
mawandels spielt dabei eine Schlüsselrolle. Sollte es nicht gelingen, die Erd-
erwärmung auf maximal zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter
zu begrenzen, sind die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung zerstört.

Daher bedarf es einer für alle Staaten gültigen Agenda für nachhaltige Entwick-
lung mit universellen Ober- und ausdifferenzierten Unterzielen im ökonomi-
schen, ökologischen, sozialen wie menschenrechtlichen Bereich. Diese sollte
auf den in der Millenniumserklärung der VN und anderen internationalen Ab-
kommen festgelegten grundlegenden Prinzipien und politischen Lösungsansät-
zen aufbauen. Eine herausragende Rolle spielt dabei das Prinzip der geteilten,
aber unterschiedlichen Verantwortung, das eine Unterscheidung der politischen
Verpflichtungen nach ökonomischem Entwicklungsstand, sozialer Gerechtig-
keit und umweltpolitischer Verantwortlichkeit vorsieht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Prozess der Entstehung einer Agenda für nachhaltige Entwicklung,

1. gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft dafür einzutreten, dass
die zurzeit im Rahmen der Vereinten Nationen noch parallel laufenden Pro-
zesse der Post-2015-Entwicklungsagenda und der SDGs zusammengeführt
werden mit dem Ziel, im Jahr 2014 eine integrierte, universell gültige Agenda
von Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen verabschieden zu können. Die
Bundesregierung sollte hierzu nicht nur die bereits bestehenden und noch
einzurichtenden VN-Gremien nutzen, sondern dies von höchster politischer
Ebene aus einfordern und diesbezüglich eine globale Vorreiterolle überneh-
men. Insbesondere sollte die Bundesregierung intensiv für eine Zusammen-
führung der beiden Prozesse bei Schwellen- und Entwicklungsländern werben
und auf mögliche Bedenken bezüglich der Gefahr des Bedeutungsverlusts
der Armutsbekämpfungsagenda eingehen;

2. bei dem Prozess zur Positionierung bezüglich der Inhalte und Prioritäten einer
Post-2015-Entwicklungsagenda große Transparenz und breite Partizipations-
möglichkeiten für den Bundestag und Bundesrat, die Zivilgesellschaft, Wis-
senschaft und Wirtschaft sicherzustellen. In diesem Kontext sollte die
Bundesregierung auch eine entsprechende Medienkampagne durchführen,
welche die Bevölkerung über die Erarbeitung einer globalen Agenda für
nachhaltige Entwicklung und Beteiligungsmöglichkeiten informiert und

Öffentlichkeit schafft;

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3. dafür einzutreten, dass für den weiteren Prozess auch auf internationaler
Ebene Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten für lokale wie globale
zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Wirtschaftsakteure bestehen und
dass vor allem ärmste und fragile Staaten eine bedeutende Rolle erhalten;

bezogen auf den Rahmen der zu vereinbarenden Ziele sowie die Stärkung und
Einrichtung von Institutionen zur Unterstützung einer Agenda für nachhaltige
Entwicklung,

4. sich auf VN-Ebene dafür einzusetzen, dass die künftige Agenda neben einer
politischen Erklärung und einem Zielkatalog auch mit einem konkreten poli-
tischen Aktionsprogramm versehen wird, das unter anderem Möglichkeiten
zur Finanzierung aufzeigt;

5. sich im Rahmen der Expertengruppe der VN zur Finanzierungsstrategie der
SDGs dafür einzusetzen, dass

a) die Industrienationen, die das 0,7-Prozent-Ziel zur Erreichung der ODA-
Quote noch nicht erfüllt haben, in die Pflicht genommen werden, ihre Zu-
sagen zügig einzuhalten;

b) nach Verabschiedung des Zielkatalogs auf der Grundlage einer umfassen-
den und genauen Berechnung, die bereits gemachte Finanzierungszusagen
für Entwicklung, Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und
Schutz der biologischen Vielfalt mit einbezieht, ermittelt wird, wie hoch
der zusätzliche Finanzierungsbedarf zur Implementierung der SDGs ist
und wie diese Gelder generiert werden können;

c) ermittelt wird, welche innovativen Finanzierungsinstrumente einen Bei-
trag zur Finanzierung der SDGs leisten sollen;

d) ausführlich darüber beraten wird und Vorschläge erarbeitet werden, wie
Länder gerechte Steuersysteme aufbauen und stärken können und welche
Unterstützung sie hierfür benötigen;

e) ermittelt wird, wie Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung
und Steueroasen sowie zur Abschaffung von umwelt- und entwicklungs-
schädlichen Subventionen umgesetzt werden;

f) ermittelt wird, wie private Investitionen generiert und mit Hilfe genauer
Kriterien so eingesetzt werden, dass sie einen nachweislich positiven Bei-
trag zur nachhaltigen Entwicklung leisten;

g) dafür eingetreten wird, dass nach Verabschiedung des Zielkatalogs und in
Anlehnung an den Monterrey-Konsens, die Doha- und Paris-Erklärungen,
die Accra- und Busan-Agenden sowie die Übereinkünfte, die im Rahmen
des UNFCCC-Prozesses (UNFCCC = United Nations Framework Con-
vention on Climate Change) in Kopenhagen und Rio entstanden sind, die
VN zügig eine internationale Konferenz für eine Finanzierungsstrategie
der Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung einberuft;

6. auf VN-Ebene die Initiative dafür zu ergreifen, dass die VN ein Set von
Instrumenten zur Messbarkeit und Überprüfung der SDGs entwickelt und in
einem unabhängigen und freiwilligen SDG-Überprüfungsmechanismus bün-
delt. Dieser sollte einerseits dazu dienen, dass die Rechenschaftspflicht von
Regierungen hinsichtlich ihrer Anstrengungen zur Erreichung der Ziele ge-
stärkt sowie Fortschritte und best practices aufgezeigt werden. Andererseits
würde er ein bedeutendes Instrument zur Schaffung von Transparenz gegen-
über den Parlamenten, der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft
darstellen. Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, dass die General-
versammlung der VN ihren Mitgliedstaaten dringend empfiehlt, sich einem

solchen unabhängigen Überprüfungsmechanismus zu stellen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13727

7. die Wissenschaft in der dringenden Aufgabe zu unterstützen, möglichst zü-
gig zu erforschen, wie die planetarischen Grenzen in SDGs übertragen wer-
den können. Wissenschaftliche Think Tanks und Beratungsgremien wie
etwa die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), das Deutsche Institut für
Entwicklungspolitik (DIE) oder der Wissenschaftliche Beirat der Bundes-
regierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sollten aufgefordert
werden, Vorschläge auszuarbeiten, die der Bundesregierung und dem Bun-
destag vorlegt und in den internationalen Prozess eingespeist werden;

8. sich im Rahmen der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit
dafür einzusetzen, dass in den Partnerländern die Erhebung von Daten deut-
lich verbessert und dass neue Instrumente, die für die Messung der Errei-
chung der SDGs erforderlich sind, geschaffen werden. Die Bundesregierung
sollte daher in Abstimmung mit anderen Gebern finanzielle und technische
Unterstützung bei dem Aufbau von Statistikämtern in den Partnerländern
verstärkt anbieten;

9. dass neben den bestehenden Indizes zur Darstellung von Entwicklung – wie
u. a. dem Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen (HDI)
und den Multidimensional Poverty Index (MPI) – ein „Index für nachhaltige
Entwicklung“ international etabliert wird, der menschliche Entwicklung,
Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen und Umverteilungsindikatoren
zusammenbringt;

10. sich auf VN-Ebene dafür einzusetzen, dass bis 2015 ein Aktionsplan mit
kurzfristiger Laufzeit für diejenigen MDGs erarbeitet wird, die bisher noch
nicht umgesetzt sind und voraussichtlich bis 2015 auch nicht mehr erreicht
werden. Dieser Aktionsplan sollte in der bi- und multilateralen Entwick-
lungszusammenarbeit sowie von den Ländern, die noch Defizite bei der
MDG-Erreichung aufweisen, prioritär und engagiert umgesetzt werden;

11. darüber hinaus auf VN-Ebene dafür einzutreten, sowohl die universellen
Ober- als auch die ausdifferenzierten Unterziele der Agenda für nachhaltige
Entwicklung mit sektor- und landesspezifischen zeitlichen Zielmarken zu
versehen. Es muss sichergestellt werden, dass alle Länder auch zu ihren Ver-
sprechen stehen und diese regelmäßig überprüft werden können;

bezogen auf die Prinzipien und inhaltlichen Ziele, die eine solche Agenda um-
fassen sollte,

12. in den intergouvernementalen Verhandlungsprozessen die Initiative dafür
zu ergreifen, dass

a) die Überwindung von Armut ein prioritäres Ziel der Entwicklungs-
agenda bleibt und dass dieses unter Achtung der planetarischen Grenzen
erreicht wird;

b) das Prinzip der „gemeinsamen, aber geteilten Verantwortlichkeiten“ für
die Erhaltung der Ökosysteme der Erde sowie auch auf regionaler und
nationaler Ebene als leitendes Prinzip Eingang findet;

c) die geschlechterspezifischen Ursachen und Folgen von Armut und Hun-
ger, die in den MDGs nicht ausreichend berücksichtigt sind, in den Mit-
telpunkt gerückt werden und die Rechte von Frauen und Mädchen ge-
stärkt und dabei die rechtliche Gleichstellung sowie die politische und
ökonomische Partizipation von Frauen sowie geschlechtersensible Ent-
wicklungsstrategien im Rahmen des Post-2015-Prozesses konsequent
verankert und forciert werden;

d) die besondere Situation fragiler Staaten berücksichtigt wird und die Peace-
building und Statebuilding Goals (PSG), die gemeinsam mit 19 fragilen

Staaten erarbeitet und 2011 auf der Busan-Konferenz verabschiedet wur-

Drucksache 17/13727 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den, in die zukünftige Agenda für nachhaltige Entwicklung eingespeist
werden;

e) das Konzept des ökologischen Fußabdrucks sowie neue Wohlstandskon-
zepte, die sich von einem einzig am Bruttoinlandsprodukt ausgerichteten
Wachstumsbegriff lossagen und stattdessen qualitative Indikatoren wie
inklusives Wachstum, Zufriedenheit, Teilhabegerechtigkeit, Umvertei-
lung, ökologische Kosten sowie eine absolute Reduktion des globalen
Ressourcenverbrauchs in eine zukünftige Agenda für nachhaltige Ent-
wicklung eingehen;

f) bereits bestehende internationalen Abkommen, Initiativen und Erklärun-
gen sowie international geteilte Grundwerte und Prinzipien der Zusam-
menarbeit berücksichtigt werden und die zukünftige Agenda für nachhal-
tige Entwicklung auf diesen aufbaut, insbesondere:

i) Millenniumserklärung

ii) Rio+20 Erklärung

iii) Agenda 21

iv) Internationale Charta der Menschenrechte

v) Klimarahmenschutzkonvention

vi) Konvention zum Schutz der Biodiversität

vii) Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüs-
tenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer be-
troffenen Ländern, insbesondere in Afrika (UNCCD)

viii) Frauenkonvention (CEDAW)

ix) ILO Kernarbeitsnormen

x) Aktionsprogramm von Kairo (1994)

xi) Behindertenrechtskonvention der VN;

g) universelle Oberziele berücksichtigt, aufgeschlüsselt und mit ausdiffe-
renzierten Unterzielen und aussagekräftige Indikatoren ausformuliert
werden sollten:

i) für die menschlichen Bedürfnisse grundlegende materielle und von
den natürlichen Ressourcen abhängige Oberziele wie Ernährungs-
sicherheit für alle, Wassersicherheit für alle und nachhaltige Energie
für alle;

ii) auf Gleichheits-, Teilhabe- und Freiheitsrechten basierende Ober-
ziele wie Frieden und Gerechtigkeit für alle (u. a. Geschlechter-
gerechtigkeit, Schutz vor Gewalt, Zugang zu fairer Justiz, politische
Mitsprache), Bildung und Chancengleichheit für alle, menschen-
würdige Arbeit und Unterkunft für alle, Zugang zur Gesundheitsver-
sorgung und zu sozialen Sicherungssystemen für alle;

iii) Schutz des Erdsystems und Erhalt der ökologischen Grundlagen und
damit Ziele wie Schutz des Klimas, der Meere, Erhalt der biolo-
gischen Vielfalt und der Bodenfruchtbarkeit;

bezogen auf die nationale Ebene,

13. die Aktivitäten aller Ressorts zu koordinieren und auf Politikkohärenz bei
der Erarbeitung und Umsetzung einer Post-2015-Agenda für nachhaltige
Entwicklung hinzuwirken;
14. nach Verabschiedung einer Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung
die international vereinbarten Ziele bei der 2014 beginnenden Fortschrei-

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bung der Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands zu berücksichtigen und das
Management der Nachhaltigkeitsstrategie zu stärken, indem das Maßnah-
menprogramm zügig angepasst, der Monitoringprozess transparent ge-
macht und die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Ressorts substantiell
verbessert wird;

15. schnellstmöglich, jedoch spätestens bis 2017 mindestens 0,7 Prozent des
Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit (ODA) be-
reitzustellen, die bereits gemachten Zusagen zur Finanzierung des interna-
tionalen Klimaschutzes und des Erhalts der biologischen Vielfalt einzuhal-
ten. Dafür muss Deutschland jährlich mindestens 1,2 Mrd. Euro zusätzlich
für die Entwicklungszusammenarbeit und 500 Mio. Euro für den Klima-
schutz bereitstellen. Insgesamt sollte die Bundesregierung signalisieren, den
der Wirtschaftskraft Deutschlands entsprechenden Anteil zur Finanzierung
der Erreichung der SDGs zu leisten.

Berlin, den 4. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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