BT-Drucksache 17/13212

Umsetzung der Rohstoffstrategie der Bundesregierung

Vom 22. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13212
17. Wahlperiode 22. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Oliver Krischer, Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe,
Volker Beck (Köln), Dr. Frithjof Schmidt, Viola von Cramon-Taubadel,
Dr. Tobias Lindner, Dorothea Steiner, Lisa Paus, Beate Walter-Rosenheimer,
Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Hans-Josef Fell, Katja Keul,
Tom Koenigs, Stephan Kühn, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Dr. Hermann E. Ott, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Markus Tressel,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung der Rohstoffstrategie der Bundesregierung

In den Ländern des globalen Südens gehen Rohstoffabbau und -handel häufig
mit Menschenrechtsverletzungen, Gewalt, sozialen Verwerfungen, massiven
ökologischen Schäden, Misswirtschaft und Korruption einher. Es gelingt selten,
den Rohstoffreichtum so zu nutzen, dass sich die Lebensverhältnisse der lokalen
Bevölkerung verbessern. Der unregulierte Wettlauf um Rohstoffe verschärft
diese Probleme. Fairer Interessensausgleich, Transparenz und internationale
Abstimmungs- und Regulierungsmechanismen fehlen. Stattdessen prägen natio-
nale Initiativen die Rohstoffpolitik. Im Oktober 2010 hat die Bundesregierung
ihre Rohstoffstrategie vorgelegt. Diese soll die Versorgung mit nichtenerge-
tischen mineralischen Rohstoffen sichern. In der Rohstoffstrategie kündigt die
Bundesregierung unter anderem den Aufbau von bilateralen Rohstoffpartner-
schaften mit „ausgewählten Produzentenländern“ an und hebt hervor, dass für
die Rohstoffpartnerschaften ein „konkretes Engagement“ der deutschen Wirt-
schaft erforderlich sei. Entsprechende Abkommen wurden bisher mit der
Mongolei (Oktober 2011), Kasachstan (Februar 2012) sowie aktuell mit Chile
(Januar 2013) abgeschlossen, weitere Abkommen sind in Planung. Die Roh-
stoffpartnerschaften zielen einseitig auf die Sicherung der Rohstoffversorgung
der deutschen Industrie und sind nicht europäisch oder international eingebun-
den. Menschenrechtliche, entwicklungspolitische, soziale und ökologische
Aspekte, Transparenz sowie die Zivilgesellschaft bleiben außen vor. In der Roh-
stoffstrategie unterstreicht die Bundesregierung ihre Bereitschaft, die deutsche
rohstoffverarbeitende Industrie durch gezielte politische Flankierung zu unter-
stützen und fordert die Industrie dazu auf, konkrete Engagements zur Absiche-
rung des Bezugs von Rohstoffen auszuweiten. Im Frühjahr 2012 haben sich
mehrere Unternehmen zur „Rohstoffallianz“ zusammengeschlossen. Ziel der
Rohstoffallianz ist, der deutschen Industrie direkten Zugang zu Rohstoffen über

Beteiligungen an Rohstoffprojekten im Ausland zu verschaffen. Der Geschäfts-
führer der Rohstoffallianz forderte im Hinblick auf die Rohstoffversorgung der
deutschen Wirtschaft vor kurzem eine strategisch ausgerichtete Außenwirt-
schafts- und Sicherheitspolitik (vgl. Handelsblatt, 18. Februar 2013).

Drucksache 17/13212 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sind im Rahmen der bestehenden Rohstoffpartnerschaften Instrumente der
Außenwirtschaftsförderung (AWF) in Anspruch genommen worden?

Wenn ja, für welche Projekte, in welchen Ländern, und in welcher Höhe (bitte
auflisten)?

2. Inwiefern hat die Bunderegierung die Instrumente der AWF für die Rohstoff-
partnerschaften angepasst, ausgebaut, vereinfacht, bzw. inwiefern plant sie
dies zu tun?

Ist die Einführung neuer Instrumente der AWF für die Rohstoffpartnerschaf-
ten geplant?

3. Welche Rolle kommt der KfW Bankengruppe bei der Umsetzung der Roh-
stoffpartnerschaften zu?

4. Inwiefern werden bei Anträgen für Instrumente der AWF im Rahmen der
Rohstoffpartnerschaften potenzielle ökologische, soziale und menschen-
rechtliche Probleme besonders intensiv geprüft vor dem Hintergrund, dass es
sich beim Rohstoffsektor um einen für diese Probleme anfälligen Sektor han-
delt und beispielsweise Kasachstan als Rohstoffpartnerland aus menschen-
rechtlicher Sicht Defizite aufweist?

5. Von welchen konkreten internationalen Verhaltenskodizes sowie Umwelt-
und Sozialstandards spricht die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kasachstan-
Politik der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/11930, Frage 18), in
der die Bundesregierung darlegt, dass Unternehmen im Rohstoffsektor diese
Kodizes und Standards im eigenen Interesse einhalten würden, und welche
Konsequenzen für die Inanspruchnahme der Instrumente der deutschen AWF
hat eine Nichteinhaltung?

Gibt es Fälle, in denen Unternehmen, die im Rohstoffsektor tätig sind bzw.
eine Förderung für Rohstoffprojekte beantragt haben, eine Förderung auf-
grund von Nichteinhaltung dieser Standards verwehrt wurde (bitte auflisten)?

6. Inwiefern koppelt die Bundesregierung die Außenwirtschaftsförderung im
Rahmen der Rohstoffpartnerschaften an Transparenzstandards, etwa an eine
Offenlegung der grundlegenden Informationen aus Konzessionsverträgen?

7. Inwiefern hält die Bundesregierung die Transparenzanforderungen, die sie an
ihre AWF im Rohstoffsektor legt, vor dem Hintergrund der verbindlichen Of-
fenlegungspflichten auf Projektebene, wie sie durch den Dodd-Frank-Act
festgelegt und am 9. April 2013 auf EU-Ebene durch eine Einigung von
Europäischem Parlament, Europäischer Kommission und Europäischem Rat
beschlossen wurden, für ausreichend?

8. Wie steht die Bundesregierung zur Forderung des Geschäftsführers der Roh-
stoffallianz, ungebundene Finanzkredite auch für langfristige Rohstoffliefer-
verträge anwendbar zu machen, die nicht mit Investitionen in den Bergbau
vor Ort verbunden sind (vgl. Handelsblatt, 18. Februar 2013)?

9. Inwiefern und durch welche Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung die
Rohstoffallianz?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13212

10. Wie wird das im Januar 2013 angelaufene Explorationsförderprogramm zur
Verbesserung der Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit kriti-
schen Rohstoffen konkret umgesetzt, welche Mittel stehen hierfür zur Ver-
fügung, welche Rolle kommt der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in
der Umsetzung des Programms zu, und nach welchen Kriterien entscheidet
das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über die
Anträge?

11. Mit welchen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas kooperiert die
DERA im Bereich ihrer Rohstoffländerkooperation, was ist Inhalt dieser
Zusammenarbeit, und welche Rolle spielen die Auslandshandelskammern
sowie Germany Trade and Invest im Rahmen dieser Kooperationen?

12. Welche Rolle spielt der Rohstoffsektor im Rahmen der Initiative „Neue
Zielmärkte“ des BMWi zur Förderung von Direktinvestitionen in Afrika,
Asien und Lateinamerika?

13. Inwiefern gewährleistet die Bundesregierung die wirtschaftliche Diversifi-
zierung der Rohstoffpartnerländer, um eine einseitige Abhängigkeit der
Länder von Rohstoffen zu vermeiden?

Welche konkreten Maßnahmen führt die Bundesregierung hier durch (bitte
nach Land, Maßnahme, Laufzeit, Volumen auflisten)?

14. Sofern im Rahmen der Rohstoffpartnerschaften Rechtsberatungen durch-
geführt werden, können diese nur von Rohstoffunternehmen in Anspruch
genommen werden oder auch von lokalen Akteurinnen und Akteuren, die
beispielsweise mit problematischen Auswirkungen der Projekte konfron-
tiert sind?

Falls die Rechtsberatung nur für Unternehmen gilt, ist eine entsprechende
Ausweitung geplant?

Wenn nicht, warum nicht?

15. Inwiefern gilt das Menschenrechtskonzept des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die Rohstoffpart-
nerschaften und ihre Umsetzung?

16. Welche Konsequenzen hat der „Leitfaden zur Berücksichtigung von men-
schenrechtlichen Standards und Prinzipien, einschließlich Gender, bei der
Erstellung von Programmvorschlägen der deutschen staatlichen Techni-
schen und Finanziellen Zusammenarbeit“ des BMZ für die Rohstoffpartner-
schaften und ihre Umsetzung?

17. Inwiefern und durch welche Maßnahmen prüft die Bundesregierung die
Aktivitäten im Rahmen der Rohstoffpartnerschaften auf ihre Kohärenz mit
ihrer Unterstützung für die wirtschaftliche, soziale und nachhaltige Ent-
wicklung in den Partnerländern?

a) Welche Projekte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Roh-
stoffe wurden in den Rohstoffpartnerschaftsländern verstärkt bzw. im
Rahmen der Partnerschaften neu aufgenommen (bitte auflisten?)

b) Inwiefern und durch welche konkreten Maßnahmen unterstützt die Bun-
desregierung im Rahmen der Rohstoffpartnerschaften in den Partner-
ländern den Aufbau von Wertschöpfungsketten im Rohstoffsektor, und
welche Verarbeitungsschritte finden bei den bisherigen Rohstoffpartner-
schaften in den Partnerländern statt (bitte auflisten)?

18. Wie steht die Bundesregierung zu den Forderungen des Geschäftsführers
der Rohstoffallianz, die Sicherheitspolitik strategisch zur Versorgung mit

Rohstoffen auszurichten (vgl. Handelsblatt vom 18. Februar 2013)?

Drucksache 17/13212 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. Wie bewertet die Bundesregierung den Einsatz sicherheitspolitischer und
militärischer Instrumente zur Rohstoffsicherung, von denen das „Handels-
blatt“ (18. Februar 2013) mit dem Verweis auf die Bundesregierung be-
richtet?

20. Plant die Bundesregierung, wie vom „Handelsblatt“ am 18. Februar 2013
berichtet, die Benennung eines Koordinators für Rohstoff- und Sicherheits-
fragen, der zur Sicherung der Rohstoffversorgung die Interessen der strate-
gischen Industrien sowie der Wehr- und Sicherheitstechnik verzahnen soll?

Falls ja, wie ist dieser in die Gesamtstrategie der Bundesregierung eingebet-
tet, und welche Rolle spielen entwicklungspolitische Aspekte?

21. Wie werden die im Rahmen der Rohstoffpartnerschaften erklärten Ziele,
wie die Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards, konkret umge-
setzt?

22. Welche Rolle kommt aus Sicht der Bundesregierung der Zivilgesellschaft in
den Rohstoffpartnerländern sowie in Deutschland im Rahmen der Rohstoff-
partnerschaften zu, und durch welche Maßnahmen wird diese gefördert?

23. Inwiefern und durch welche konkreten Initiativen versucht die Bundesre-
gierung, eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Rohstoffpartner-
schaften zu gewährleisten vor dem Hintergrund ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kasachstan-
Politik der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/11930, Fragen 18,
20, 21d), wonach die Information bzw. Einbeziehung der betroffenen
Bevölkerung im Rahmen der mit Deutschland abgeschlossenen Rohstoff-
partnerschaft eine innerstaatliche Angelegenheit und damit Sache der ka-
sachischen Regierung sei?

24. Inwiefern und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung die bisher
bestehenden Rohstoffpartnerschaften evaluiert, insbesondere im Hinblick
auf ihre sozialen, entwicklungs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Wir-
kungen?

Falls die Bundesregierung noch keine Evaluierung durchgeführt hat, plant
sie eine solche?

Inwiefern sollte aus Sicht der Bundesregierung der Abschluss weiterer Roh-
stoffpartnerschaften von einer Evaluierung der bisher bestehenden Partner-
schaften abhängig gemacht werden?

25. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass sich die Situation der
Menschen in den Rohstoffpartnerländern aufgrund der Rohstoffpartner-
schaften verändert hat?

26. Prüft die Bundesregierung die menschenrechtlichen, sozialen und ökologi-
schen Folgen ihrer Rohstoffpartnerschaften, und wenn ja, in welchen Inter-
vallen und unter Heranziehung welcher Indikatoren?

27. Ist der Bundesregierung der Entwurf eines Alternativen Rohstoffabkom-
mens der Bundesrepublik Deutschland von Prof. Dr. Markus Krajewski be-
kannt, und wenn ja, wie steht sie zu den Vorschlägen?

28. Inwiefern wird im Rahmen der Rohstoffpartnerschaften das Prinzip des free
prior and informed consent gewährleistet?

29. Wird im Rahmen von Rohstoffpartnerschaften diskutiert, einen Beschwer-
demechanismus einzurichten, an den sich die lokale Bevölkerung in den
Partnerländern wenden kann, falls diese sich in ihren Rechten verletzt sieht?

Wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13212

30. Beabsichtigt die Bundesregierung, bei den Rohstoffpartnerschaften kon-
krete soziale, ökologische und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für
Bergbauunternehmen und Rohstoffimporteure einzuführen?

Wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht?

31. Plant die Bundesregierung Rohstoffpartnerschaften mit weiteren Ländern?

a) Wenn ja, mit welchen Ländern, und nach welchen Kriterien werden
diese ausgewählt?

b) Wie weit sind die Verhandlungen über eine Rohstoffpartnerschaft mit
Peru, und wie weit ist die Prüfung einer Rohstoffpartnerschaft mit Süd-
afrika?

c) Inwiefern werden Industrie und Zivilgesellschaft (in den Partnerländern
und in Deutschland) bei der Auswahl der Partnerländer konsultiert bzw.
einbezogen?

d) Welche Länder haben Interesse an einer Rohstoffpartnerschaft mit
Deutschland signalisiert?

32. Inwiefern hat die Bundesregierung die bestehenden Rohstoffpartnerschaf-
ten mit ihren europäischen Partnerinnen und Partnern abgestimmt bzw.
plant eine entsprechende Abstimmung für künftige Abkommen, und welche
Maßnahmen verhindern aus Sicht der Bundesregierung einen EU-weiten
„Wettlauf“ um Rohstoffe?

33. Plant die Bundesregierung bei weiteren Rohstoffpartnerschaften eine Rati-
fizierung durch den Deutschen Bundestag?

Wenn nein, warum nicht?

34. Inwiefern setzt die Bundesregierung im Rahmen der Rohstoffstrategie
Aktivitäten zur Reduktion des Bedarfs an Rohstoffen, beispielsweise durch
Effizienzsteigerung, Substitution oder Recycling, um bzw. plant diese (bitte
auflisten)?

Welche konkreten Anreize, um Recycling weiter auszubauen und das Recy-
clingpotential zu erhöhen und welche konkreten Ziele, neue Materialien
durch recycelte zu ersetzen, setzt die Bundesregierung?

Berlin, den 22. April 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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