BT-Drucksache 17/12892

Langfristige, entwicklungspolitische und zivile Aspekte des deutschen Engagements in Mali

Vom 13. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12892
17. Wahlperiode 13. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Katja Keul, Tom Koenigs, Dr. Frithjof
Schmidt, Hans-Christian Ströbele, Viola von Cramon-Taubadel, Uwe Kekeritz,
Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Langfristige, entwicklungspolitische und zivile Aspekte des deutschen
Engagements in Mali

Für den zivilen Aufbau in Mali kommt Deutschland eine besondere Verantwor-
tung und Rolle zu, nachdem die Bundesrepublik Deutschland den Vorsitz der
Gebertroika für Mali seit Januar 2013 innehat. Die Eskalation in Mali ist eine
Folge der langjährigen Abwesenheit von Staatlichkeit im Norden, die islamis-
tischen Terroristen und organisierter Kriminalität insbesondere seit 2003 rechts-
freie Räume geschaffen hat, dem Einsickern von Waffen und Kämpfern aus
Libyen und der fehlenden Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft.
Die dauerhafte Armut, Dürren und Perspektivlosigkeit tragen zur Verschärfung
der Situation bei. Gleichzeitig ist die Lage in Mali auch im Kontext der Fragilität
in der Region zu sehen. Angesichts der Mandate für EUTM (European Union
Training Mission) und AFISMA (African-led International Support Mission to
Mali) stellt sich die Frage, inwiefern das Engagement Deutschlands und der
internationalen Gemeinschaft im Bereich des zivilen Aufbaus geeignet ist, zu
einer langfristigen und nachhaltigen Entwicklung in Mali beitragen zu können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was tut die Bundesregierung, um demokratische Strukturen und Prozesse in-
nerhalb der malischen Gesellschaft schon jetzt zu unterstützen und damit den
Aufbau eines langfristigen und stabilen Friedens nach Ende des internationa-
len militärischen Engagements zu gewährleisten?

a) Was plant und tut die Bundesregierung, um eine innermalische Partizipa-
tion und Aussöhnung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und
Ethnien voranzutreiben?

b) Wie unterstützt die Bundesregierung die malische Regierung bei ihren Be-
mühungen, im Juni/Juli 2013 faire Wahlen im Land durchführen zu wol-
len?
c) Wie stellt sie sicher, dass innerhalb dieses politischen Lösungs- und Ver-
handlungsprozesses alle Konfliktstränge und -akteure des Landes berück-
sichtigt und neben dem Norden auch die anderen marginalisierten Regio-
nen des Landes adressiert werden?

Drucksache 17/12892 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Inwiefern beobachtet, begleitet und unterstützt die Bundesregierung den
politischen Prozess in Mali auch über die angestrebte faire und freie
Durchführung von Wahlen hinaus?

e) Wie wird die Beteiligung und Konsultation von Akteuren der inner-
malischen und regionalen Zivilgesellschaft sowie der Regionen und Kom-
munen sichergestellt, und welche Akteure sind dies?

2. Was tut die Bundesregierung, um regional bedeutsame Akteure wie die Staa-
ten Westafrikas, insbesondere Mauretanien und Algerien, einzubinden und so
der Problematik der Grenzüberschreitung der Krise entgegenzutreten?

3. Welche entwicklungspolitischen Maßnahmen plant die Bundesregierung, um
den tieferliegenden Ursachen der Krise innerhalb der Gesellschaft Malis
wirksam und langfristig entgegenzutreten?

a) Warum hält die Bundesregierung die Gelder für die regierungsnahe Ent-
wicklungszusammenarbeit mit Mali zurück, und welche Anforderungen
müssen erfüllt sein, damit sich dies ändert?

b) In welchen Schritten plant die Bundesregierung die im Zuge der Krise
ausgesetzte Entwicklungszusammenarbeit stufenweise wieder aufzuneh-
men?

Anhand welcher Kriterien macht sie dies fest?

c) Wendet die Bundesregierung für die volle Wiederaufnahme der Entwick-
lungszusammenarbeit andere Kriterien an als für die Unterstützung der
militärische Ausbildungs- und Trainingsmission (EUTM) und der afrika-
nischen Unterstützungsmission (AFISMA), und wenn ja, warum?

d) Wie bewertet die Bundesregierung die politische Zusammenarbeit zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Mali über den
Zeitraum der letzten 15 Jahre, bzw. tut sie dies aktuell?

e) Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus gegebenenfalls für ein-
zelne Projekte und Durchführungsmaßnahmen der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit?

f) Inwiefern hat die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit der
letzten Jahre mit Mali einer kritischen Prüfung unterzogen, bei der auch
menschenrechtliche Kriterien berücksichtigt wurden?

g) Was tut die Bundesregierung insbesondere im Hinblick auf ihre verant-
wortungsvolle Rolle der Führung der internationalen Gebergemeinschaft,
um ein kohärentes Vorgehen der verschiedenen Geber sicherzustellen?

h) Welche andauernden Auswirkungen der durch EU-Agrarexportsubventio-
nen weggebrochenen Märkte für einheimische Agrarprodukte sieht die
Bundesregierung, und unterstützt die Bundesregierung entwicklungspoli-
tische Maßnahmen zum Aufbau lokaler landwirtschaftlicher Märkte,
Großmärkte und anderer Vermarktungsstrukturen für heimische Agrar-
produkte?

i) Inwiefern kann die Bundesregierung aktuell von Kontakten zu Vertreterin-
nen und Vertretern der Zivilgesellschaft in Mali aus der früheren Zusam-
menarbeit profitieren?

j) Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um ein „joint
programming“ in der EU für die Entwicklungszusammenarbeit mit Mali
zu erreichen, und wie ist hier der konkrete Zeitplan?

k) Inwiefern soll eine differenzierte Gesamtstrategie zur Koordinierung der

verschiedenen Geber und der einzelnen Maßnahmen unter Einbezug der
Zivilgesellschaft und mit Hinblick auf die besondere Rolle der Frauen in

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12892

Mali erarbeitet werden, und wenn keine solche Strategie erarbeitet wird,
warum nicht?

l) Was tut die Bundesregierung auch in ihrer Rolle als Vorsitzende der inter-
nationalen Gebergemeinschaft, um sicherzustellen, dass die humanitäre
Hilfe und die entwicklungspolitischen Maßnahmen geographisch ausge-
wogen, konfliktpräventiv und gerecht eingesetzt werden?

4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Ergebnisse der
internationalen Entschuldung Malis im Rahmen der HIPC-Initiative und die
aktuelle Verschuldung Malis vor, und welche Schlüsse zieht sie daraus?

5. Was unternimmt die Bundesregierung im Bereich der humanitären Hilfe für
Mali?

a) Welche der zugesagten Hilfen wurden bislang geleistet?

b) Inwiefern wird die Bundesregierung die humanitäre Hilfe für 2013 ent-
sprechend dem von den Vereinten Nationen formulierten Bedarf an Hilfs-
geldern und dem angemessenen Anteil Deutschlands, auch gemessen an
seiner Wirtschaftskraft, erhöhen?

c) Wann genau sind die nächsten Erhöhungen geplant, und aus welchen Ti-
teln werden sie geschöpft?

d) Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung mit den im Rahmen der
zivilen Krisenprävention vorgesehenen Mitteln in Mali?

e) Inwiefern trifft es zu, dass bislang anderweitig eingeplante Mittel für an-
dere Regionen und Länder nun nicht bereitgestellt werden, um Mittel aus
dem entsprechenden Titel für Mali zur Verfügung zu stellen?

f) Welche Hilfsorganisationen setzen derzeit die humanitäre Hilfe Deutsch-
lands für Mali um (bitte nach Höhe der Zuwendung, Zeitraum und Orga-
nisation, Region, Sektor und Zielgruppe auflisten)?

g) Inwiefern sieht die Bundesregierung es als problematisch an, dass huma-
nitäre Organisationen sich vor allem auf die Region rund um (die Stadt)
Mopti konzentrieren, und was plant die Bundesregierung zu unterneh-
men, um die Hilfe entsprechend den Bedarfen besser zu verteilen?

h) Inwiefern sind die Kommunen in Mali in die Akutversorgung eingebun-
den?

i) Inwiefern ist die malische Übergangsregierung an der Verteilung oder
Koordination der humanitären Hilfe beteiligt?

j) Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
mit dem Ministerium für humanitäre Angelegenheiten (Ministère de l’ac-
tion humanitaire, de la solidarité et des personnes âgées) gemacht, und
welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

k) Für wie sinnvoll erachtet es die Bundesregierung, humanitäre Hilfe in en-
ger Abstimmung mit oder sogar über die malische Regierung umzuset-
zen, um die Binnenvertriebenen in Mali, die vor allem bei Familien in
Südmali untergekommen sind, besser zu erreichen?

l) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Unabhängigkeit der hu-
manitären Hilfe in Mali gewährleistet wird?

m) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Vorwür-
fen von Ärzte ohne Grenzen, die Bundesregierung vermische humanitäre
und militärische Aufgaben in Mali und gefährde so nicht nur die Arbeit
von Hilfsorganisationen, sondern auch das Leben vieler hilfsbedürftiger

Malierinnen und Malier (Pressemitteilung vom 30. Januar 2013)?

Drucksache 17/12892 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Wie plant die Bundesregierung, durch ihre zukünftige Zusammenarbeit mit
der malischen Regierung gezielt Menschenrechte zu achten und zu fördern?

7. Wie plant die Bundesregierung, die organisierte Kriminalität in der Sahel-
Region, vor allem den Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, der bedeu-
tend zur Destabilisierung beiträgt, zu bekämpfen?

Wie werden diese Pläne international abgestimmt?

8. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Herkunft und die
Endverbrauchsmärkte von durch Mali geschmuggelten Drogen?

9. Welchen Zusammenhang sieht sie zwischen dem Drogenschmuggel durch
Mali und Absatzmärkten in Europa, und welche Konsequenzen zieht sie
daraus?

10. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Einhaltung bzw.
Nichteinhaltung relevanter internationaler Sozial- und Umweltstandards im
Bergbausektor Malis und insbesondere bei der Erkundung von Uranvor-
kommen vor?

11. Unterstützt sie entwicklungspolitische Maßnahmen, die Informations- und
Mitbestimmungsrechte betroffener lokaler Bevölkerungen und eine trans-
parente Verwendung der Gewinne beim Rohstoffabbau sicherstellen?

12. Wann wird AFISMA nach Kenntnis der Bundesregierung die volle Einsatz-
fähigkeit erreichen, wo wird das Hauptquartier sein, und wer wird die Mis-
sion leiten?

13. Wann und inwiefern wird die französische Operation Servail nach Kenntnis
der Bundesregierung dem Kommando von AFISMA unterstellt werden,
oder ist geplant, beide Operationen parallel zu führen und nur im Bedarfsfall
französische Truppenteile dem Kommando von AFISMA zu unterstellen?

14. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die African Peace
Facility, durch die Missionen wie AFISMA finanziert werden, künftig nicht
mehr aus Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds gespeist wird?

15. Welche Möglichkeiten und Hindernisse sieht die Bundesregierung darin,
die African Peace Facility in Zukunft aus anderen Töpfen zu speisen, etwa
aus dem EU-Stabilitätsinstrument?

16. Inwiefern sieht die Bundesregierung in der 2011 beschlossenen EU-Strate-
gie für Sicherheit und Entwicklung in der Sahel-Region die Grundlage für
das koordinierte Handeln der EU in dieser Region, und welche Ansätze die-
ser Strategie müssen nach ihrer Ansicht angesichts der Ereignisse in Mali
verändert werden?

a) Welche Verhandlungsprozesse haben dazu geführt, dass die 2008 begon-
nene Arbeit an der EU-Sahel-Strategie erst 2011 abgeschlossen werden
konnte, und welche Verantwortung trägt die Bundesregierung daran und
an der nach Auffassung der Fragesteller zögerlichen Umsetzung der
Strategie 2011 und 2012?

b) Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber dem Leitmotiv
der EU-Sahel-Strategie „Entwicklung durch Sicherheit“ und den sich
daraus ergebenden Handlungsschwerpunkten?

c) Inwiefern werden im Rahmen der Strategie Mittel aus dem EDF (Euro-
pean Development Fund – Europäischer Entwicklungsfonds) für den Be-
reich der Sicherheitssektorreform verwendet, und wie ist die Position der
Bundesregierung zu einer solchen Verwendung von Geldern der Ent-
wicklungszusammenarbeit?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12892

17. Was tut die Bundesregierung, um die im Laufe des Konfliktes im Norden
Malis zerstörten Kulturgüter so weit als möglich wieder instand zu setzen
und um kulturell wertvolle Stätten im ganzen Land in Zukunft entsprechend
der äußerst angespannten Sicherheitslage zu schützen?

18. Welche konkreten Planungen existieren bei der Bundesregierung und auf
europäischer Ebene in Bezug auf die menschenrechtlichen Inhalte der EU-
Ausbildungsmission EUTM Mali, die in Mali ansässigen Menschenrechts-
organisationen einzubinden?

Berlin, den 13. März 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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