BT-Drucksache 17/1274

zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/797- Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen

Vom 29. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1274
17. Wahlperiode 29. 03. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/797 –

Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen

A. Problem

Die Antragsteller fordern den Deutschen Bundestag auf festzustellen, dass
Deutschland erhebliche Defizite in Sachen Gleichstellung in der Privatwirt-
schaft habe. Die fortdauernde Diskriminierung von Frauen schade den Unter-
nehmen, der Wirtschaft und der Demokratie. Bildungsinvestitionen würden ver-
geudet, den Unternehmen gingen kreative Potenziale verloren und nicht zuletzt
bliebe die Arbeitsmarktdynamik, die sich aus einer erhöhten Frauenerwerbstä-
tigkeit ergäbe, ungenutzt.

Die Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft seien fest in Männerhand.
Das gelte auch für die Aufsichtsräte, die die Geschäftsführung eines Unterneh-
mens kontrollieren sollten, den Vorstand beriefen sowie weitreichende Entschei-
dungen genehmigten. Der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten liege in den 200
größten deutschen Unternehmen bei nur 9,8 Prozent, was ganz überwiegend den
Gewerkschaften zu verdanken sei. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2001 zwi-
schen Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden zur Förderung der Chancen-
gleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft müsse als gescheitert
angesehen werden. Die Koalition ignoriere das langjährige Scheitern dieser Ver-
einbarung und setze weiter auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Unterneh-
men. Sie lege sich nicht fest, wann und wie eine höhere Beteiligung von Frauen
in Aufsichtsräten erreicht werden solle.

In Norwegen sei eine Quote bereits im Jahr 2006 eingeführt worden. In Frank-
reich habe die Regelung einer verbindlichen Frauenquote von 40 Prozent in Auf-
sichtsgremien börsennotierter Unternehmen bereits erste parlamentarische Hür-
den genommen. In den Niederlanden, Belgien und Österreich würden Quoten

für die Besetzung von Aufsichtsgremien mit Frauen zurzeit diskutiert.

Die Antragsteller fordern eine generelle Änderung des Aktiengesetzes. Die bis-
herige Gewohnheit des Wechsels der Vorstandsvorsitzenden auf die Posten des
Aufsichtsratschefs behindere Transparenz, Innovation und die Gleichstellung
von Frauen in den Unternehmen. Die in der letzten Wahlperiode eingeführte
zweijährige Karenzzeit für einen Wechsel sei viel zu kurz und leicht zu umge-
hen. Frauen sollten mit mindestens 40 Prozent – mit dem Ziel einer paritätischen

Drucksache 17/1274 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Besetzung – auch bei der Abordnung der Kapitalseite im Aufsichtsrat vertreten
sein.

Darüber hinaus sei es notwendig, die Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate, die
eine Person maximal übernehmen dürfe, von derzeit zehn auf fünf zu reduzieren,
wobei ein Vorsitz doppelt zu zählen sei. Die Begrenzung der Mandate auf fünf
hätte zur Folge, dass die einzelnen Aufsichtsratsmandate wesentlich ernster ge-
nommen werden könnten und die Verflechtungen zwischen verschiedenen Ge-
sellschaften reduziert würden.

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffordern,

● im Börsengesetz für börsennotierte Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat
bis 2017 nicht mit mindestens 40 Prozent Frauen – mit dem Ziel einer paritä-
tischen Vertretung – besetzt ist, Sanktionen bis hin zur Entziehung der Zulas-
sung zur Börse vorzusehen;

● § 100 des Aktiengesetzes so zu verändern, dass maximal fünf Aufsichtsrats-
mandate durch eine Person übernommen werden dürfen – dabei ist ein Vor-
sitz doppelt zu zählen;

● die Berufung von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat erst nach einer
verbindlichen Karenzzeit von mindestens fünf Jahren zuzulassen;

● die Einrichtung einer zentralen Datenbank sicherzustellen, in die sich Be-
werberinnen für Mandate in den Aufsichtsräten eintragen können.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1274

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/797 abzulehnen.

Berlin, den 24. März 2010

Der Rechtsausschuss

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender

Elisabeth Winkelmeier-Becker
Berichterstatterin

Marco Buschmann
Berichterstatter

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Raju Sharma
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Frauen in Aufsichtsräten sowie die Einrichtung einer Daten-
bank, in die sich geeignete Frauen eintragen und dann bei der seien.
Besetzung von Aufsichtsratsposten Berücksichtigung finden
könnten. Sie habe kein Verständnis für die Haltung der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die
auf einen Stufenplan setze und die Quote nur als Ultima Ratio

Die Fraktion der SPD führte aus, sie seien sich wohl alle
einig, dass es unerträglich sei, wie wenig Frauen sich in Füh-
rungsposition befänden. Dies gelte nicht nur für die deutsche
Wirtschaft, sondern für alle gesellschaftlichen Bereiche. Im-
Drucksache 17/1274 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker, Marco Buschmann,
Dr. Eva Högl, Raju Sharma und Jerzy Montag

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
17/797 in seiner 27. Sitzung am 4. März 2010 beraten und an
den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung sowie an
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales und an den Ausschuss für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung über-
wiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage 17/797 in seiner 8. Sitzung am 24. März 2010
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlage
17/797 in seiner 12. Sitzung am 24. März 2010 beraten und
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und
DIE LINKE. Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage 17/97 in seiner 9. Sitzung am 24. März 2010
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der SPD Ablehnung des Antrags.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 9. Sitzung am
24. März 2010 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. beschlossen zu empfeh-
len, den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trug zur Be-
gründung ihres Antrags vor, sie habe eine ähnlich lautende
Vorlage bereits in der letzten Wahlperiode eingereicht, da
sich eine Vereinbarung auf freiwilliger Basis als nicht wir-
kungsvoll erwiesen habe. Daran habe sich nichts geändert.
Nach fast zehn Jahren habe sich bei der Besetzung von Füh-
rungspositionen mit Frauen nichts geändert. Deshalb forder-
ten sie nunmehr die Einführung einer 40-Prozent-Quote für

dessen Inhalt umzusetzen und die bestehende Diskrepanz
zwischen der ungleichen Bezahlung von Männern und Frau-
en abzubauen. Sie erhoffe sich auch Zustimmung von der
Fraktion der CSU, da die Frauenunion der CSU inzwischen
vehement ebenfalls eine 40-Prozent-Quote fordere.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, sie teile die Zielsetzung
des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ins-
besondere die Forderung nach Einführung einer Quote. Pro-
blematisch sei für sie allerdings die geforderte Quote von
40 Prozent Frauen repräsentierten die Hälfte der Mensch-
heit, ihnen stünde daher auch zumindest die Hälfte der
Macht auf allen Ebenen zu. Die Fraktion DIE LINKE. habe
folgerichtig für ihre Partei eine Quote von 50 Prozent einge-
führt, dies müsse in allen Bereichen gelten. Sie könne dem
Antrag, der nur eine Quote von 40 Prozent Frauenanteil in
den Aufsichtsräten vorsehe, deshalb nicht zustimmen.

Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, auch sie wolle
durch Veränderungen erreichen, dass mehr Frauen in Füh-
rungspositionen gelangten und teile insoweit das mit dem
Antrag verbundene Anliegen. Streitpunkt sei der Weg dahin.
Die Einführung einer Quote schließe sie nicht völlig aus, sie
wolle zunächst jedoch den Weg des Stufenplans verfolgen.
Der Ausgangspunkt sei ein anderer als vor neun Jahren. Es
werde eine Datenbank vom Verband der Unternehmerinnen
geben, hierfür würden u. a. etwa 0,5 Mio. Euro aus öffent-
lichen Mitteln bereitgestellt. Soweit die Antragsteller auch
eine Begrenzung der Aufsichtsratsmandate forderten und
gleichzeitig eine Quote für Frauen, könne dies missverstan-
den werden und passe nicht zu dem eigentlichen Anliegen,
mehr Frauen in führende Positionen der Wirtschaft zu brin-
gen.

Die Fraktion der FDP erklärte, sie könne sich dem Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht anschlie-
ßen, weil sie eine starre Quote, die unabhängig von Unter-
nehmensgröße und Branche, allein an die Börsenzulassung
anknüpfe, für nicht geeignet halte. Selbst erfolgreiche Perso-
nalmakler für Top-Führungspositionen klagten jedenfalls in
bestimmten Bereichen über den Mangel an Bewerberinnen.
Im Übrigen sei der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN im Hinblick auf die Konzernklausel auch nicht
genügend durchdacht. Das Gesetz zur Angemessenheit der
Vorstandsvergütung (VorstAG), mit dem die „Cooling-Off“
Periode für Vorstandsmitglieder eingeführt worden sei, sei
noch nicht einmal ein Jahr in Kraft. Bisher lägen noch keine
verwertbaren Ergebnisse hierüber vor; die von der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag gezogene
Schlussfolgerung sei daher nicht nachvollziehbar. Man solle
erst einmal Erfahrungen sammeln und zu einem späteren
Zeitpunkt entscheiden, welche Maßnahmen zu ergreifen
ansehe. Unter Hinweis auf Artikel 3 Absatz 2 des Grund-
gesetzes betonte die Fraktion, es sei nunmehr an der Zeit,

mer nur zu bekräftigen, wie wichtig es sei, Führungspositio-
nen mit Frauen zu besetzen, reiche nicht. Da sich gezeigt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1274

habe, dass die vereinbarte Selbstverpflichtung der deutschen
Wirtschaft nicht den gewünschten Erfolg gebracht habe,
müsse man den Mut aufbringen, Maßnahmen wie in Nor-
wegen zu ergreifen. Auch der große Lohnunterschied
zwischen Männern und Frauen sei nicht hinnehmbar. Sie
könne allerdings dem Antrag nicht zustimmen, da er nicht
weit genug gehe. Er beziehe sich nur auf Frauen in Auf-
sichtsräten, die Gleichstellung von Frauen und die Quote
müssten sich aber auch auf die Besetzung von Vorstandspos-
ten beziehen. Die Fraktion der SPD verwies auf ihren eige-
nen Antrag auf Drucksache 17/821, in dem sie ein umfassen-
des Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft fordere.

Berlin, den 24. März 2010

Elisabeth Winkelmeier-Becker
Berichterstatterin

Marco Buschmann
Berichterstatter

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Raju Sharma
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

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