BT-Drucksache 17/12664

Wohnungsprivatisierung in Deutschland

Vom 11. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12664
17. Wahlperiode 11. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Steffen Bockhahn,
Roland Claus, Dr. Barbara Höll, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig,
Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Kersten Steinke,
Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Wohnungsprivatisierung in Deutschland

Kommunale Wohnungsunternehmen tragen im Rahmen der Daseinsvorsorge
zur sozialen Wohnraumversorgung bei. Zudem kennen sie die lokalen Problem-
lagen und haben ein großes Interesse an langfristig stabilen Quartieren.

Mit dem Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände kommt es nur kurzfristig zu
einer Entlastung des kommunalen Haushalts. Langfristig gesehen, verzichtet
die Kommune allerdings auf regelmäßige Einnahmen aus den verkauften Woh-
nungsbeständen. Den Kommunen gehen zudem durch die Privatisierung sozial-
und stadtentwicklungspolitische Handlungsmöglichkeiten verloren.

Viele private Finanzinvestoren agieren im Widerspruch zu einer demokra-
tischen, nachhaltigen und an den Interessen der Mieterinnen und Mieter ausge-
richteten Wohnungswirtschaft. Der Kauf von Wohnungen stellt für sie eine An-
lageform dar. Die Wohnungsbestände werden so oftmals zu einem reinen Wirt-
schaftsprodukt.

Zunehmend dominieren sogenannte Wiederverkäufe das Transaktionsgesche-
hen. Es besteht dabei die Gefahr, dass einzelne Käuferinnen und Käufer in eine
wirtschaftliche Not geraten und deshalb extreme Bewirtschaftungs- und Ver-
wertungsstrategien anstreben.

Die bei der Veräußerung vereinbarten Sozialchartas bieten den Mieterinnen und
Mietern nur befristeten Schutz. Soweit sie überhaupt Regelungen enthalten, die
über die üblichen mietrechtlichen Standards hinausgehen, können sie leicht
durch einen Weiterverkauf bzw. Abschluss eines neuen Mietvertrages umgan-
gen werden.

Die verstärkte Mieterprivatisierungspolitik, Blockverkäufe und der generelle
Handel der Investoren untereinander könnten zukünftig zu unüberschaubaren
Besitzstrukturen führen, was sich nachteilig und hemmend auf die Stadtgestal-
tung auswirken kann.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche großen Transaktionen von Wohnungsbeständen (über 800 Wohnun-
gen) an Finanzinvestoren fanden nach Kenntnis der Bundesregierung vom
1. Januar 2012 bis zum 28. Februar 2013 – unterteilt in Erstverkäufe und
Wiederverkäufe – statt?

Inwieweit lassen sich daraus Tendenzen für die Zukunft ableiten?

Drucksache 17/12664 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wo befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Standorte der
jeweiligen Wohnungsbestände der in Frage 1 genannten Transaktionen
(Bundesland und Stadt)?

3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil international
agierender Finanzinvestoren als Käufer bezüglich dieser Transaktionen?

4. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil international
agierender Finanzinvestoren als Verkäufer bezüglich dieser Transaktionen?

5. Wie lange hielten die Finanzinvestoren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Durchschnitt die Wohnungsbestände seit dem Jahr 2000 (Halte-
frist, bitte den Durchschnittswert pro Jahr angeben)?

6. Welche Auswirkungen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Privati-
sierung kommunaler Wohnungsbestände auf den lokalen bzw. deutschland-
weiten Wohnungsmarkt (Instandhaltung der Wohnungsbestände, Engage-
ment für das Wohngebiet, Mietpreise, Zufriedenheit der Mieter usw.)?

Welche Unterschiede sind hierbei auf entspannten bzw. angespannten
Wohnungsmärkten zu verzeichnen?

7. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung davon auszugehen, dass Finanz-
investoren, die große Wohnungsbestände erworben haben, eine langfristige
Marktorientierung anstreben?

Wie gestaltet sich die Abhängigkeit zwischen der Größe des Wohnungs-
bestandes des Investors und der Haltefrist der Wohnungsbestände?

8. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die konkrete Anzahl der
Finanzinvestoren, die große Wohnungsbestände erwerben?

Wie hoch ist deren Anteil im Verhältnis zur Gesamtzahl der kaufenden
Finanzinvestoren?

9. In welcher Größenordnung werden nach Kenntnis der Bundesregierung die
großen Wohnungsbestände (ab 800 Wohnungen) im share deal bzw. im
asset deal an Finanzinvestoren verkauft?

10. Worin liegen nach Kenntnis der Bundesregierung die Vor- und Nachteile
von einem share deal bzw. einem asset deal für den Käufer bzw. Verkäufer?

11. Bei wie vielen share deals wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
100 Prozent der Anteile des jeweiligen Wohnungsunternehmens verkauft?

12. Wurden 100 Prozent der Anteile der TLG Wohnen GmbH an die TAG
Immobilien AG im Rahmen eines share deals verkauft?
Wenn ja, in welcher Höhe wurde hierbei für das jeweilige Bundesland eine
Grunderwerbssteuer fällig?

13. Welche zuständigen Finanzämter wurden über eine eventuell angefallene
Grunderwerbssteuer informiert?

14. Inwieweit hat es vor der Entscheidung der Bundesregierung zum europa-
weiten Interessenbekundungsverfahren zum Verkauf der TLG Wohnen
GmbH Gespräche oder Verhandlungen mit regionalen Wohnungsunterneh-
men und Genossenschaften über den Ankauf der örtlichen TLG-Woh-
nungsbestände gegeben (wann, wo, mit wem)?

15. Welche Gründe gab es für den Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes
der TLG Wohnen GmbH an einen einzigen Erwerber an Stelle einer Über-
tragung an die regionalen bzw. kommunalen Wohnungsunternehmen?

Berlin, den 11. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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