BT-Drucksache 17/12663

Pakt für Wettbewerbsfähigkeit

Vom 11. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12663
17. Wahlperiode 11. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Alexander Ulrich, Christine Buchholz,
Dr. Diether Dehm, Werner Dreibus, Annette Groth, Thomas Nord, Richard Pitterle,
Michael Schlecht, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Sahra Wagenknecht,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Pakt für Wettbewerbsfähigkeit

Im Rahmen der Verhandlungen über eine Vertiefung der Wirtschafts- und Wäh-
rungsunion (WWU) im Nachgang des Europäischen Rates am 13./14. Dezem-
ber 2012 wird neben anderen Maßnahmen auch die Einrichtung eines „Paktes
für Wettbewerbsfähigkeit“ (im Folgenden: Wettbewerbspakt) diskutiert. Bei
dem Gipfeltreffen einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-
päischen Union (EU) darauf, dass auf der Tagung im Juni 2013 unter anderem
„die Durchführbarkeit und Modalitäten von gegenseitig vereinbarten Verträgen
für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum […] eingehender geprüft werden“
(Schlussfolgerungen des Europäischen Rates am 13./14. Dezember 2012).

In ihrer Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos am 24. Januar 2013 bekräftigte
die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Forderung nach einem „Pakt für Wett-
bewerbsfähigkeit“. Es gehe darum, sicherzustellen, „dass wir in den nächsten
Jahren auch eine Kohärenz in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der
gemeinsamen Währungsunion erreichen“. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
weiter: „Und damit meine ich nicht eine Kohärenz in der Wettbewerbsfähigkeit
irgendwo im Mittelmaß der europäischen Länder, sondern eine Wettbewerbsfähig-
keit, die sich daran bemisst, ob sie uns Zugang zu globalen Märkten ermöglicht.“

Nach Vorstellung der Bundeskanzlerin sollen die Mitgliedstaaten der EU
„analog zum Fiskalpakt einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit beschließen, in
dem die Nationalstaaten Abkommen und Verträge mit der EU-Kommission
schließen, in denen sie sich jeweils verpflichten, Elemente der Wettbewerbs-
fähigkeit zu verbessern, die in diesen Ländern noch nicht dem notwendigen
Stand der Wettbewerbsfähigkeit entsprechen“. Dabei gehe es „um Dinge wie
Lohnzusatzkosten, Lohnstückkosten, Forschungsausgaben, Infrastrukturen und
Effizienz der Verwaltungen (…) – also um Dinge, die in nationaler Hoheit der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegen“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen um einen „Pakt für Wett-
bewerbsfähigkeit“?
a) An welchen Punkten besteht Einigkeit zwischen den an den Verhandlun-
gen beteiligten Regierungen?

b) An welchen Punkten gibt es in den Verhandlungen Differenzen?

c) Welche Regierungen vertreten welche Standpunkte?

d) Welcher Zeitplan ist für die Verabschiedung, Ratifizierung und Umset-
zung vorgesehen?

Drucksache 17/12663 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Worin sieht die Bundesregierung den „notwendigen Stand der Wettbe-
werbsfähigkeit“, zu dem sich die EU-Mitgliedstaaten durch den Wettbe-
werbspakt verpflichten sollen?

3. Welche Maßnahmen und Regelungen sollte der Wettbewerbspakt nach
Auffassung der Bundesregierung in Bezug auf die Koordinierung der
Lohnpolitik enthalten (ggf. nach Ländern aufschlüsseln)?

a) Strebt sie eine Senkung der so genannten Lohnzusatzkosten an?

Wenn ja, auf welche Höhe, und durch welche konkreten Maßnahmen?

b) Wo sieht sie den „notwendigen Stand“ der Lohnstückkosten, durch
welche konkreten Maßnahmen will sie diesen erreichen, und sollten
diese ihrer Ansicht nach auch direkte Lohnsenkungen beinhalten?

c) Wie positioniert sich die Bundesregierung zur Möglichkeit der Lohn-
Indexierung?

d) Zieht die Bundesregierung in Erwägung, die innerhalb der Europäischen
Union existierenden Differenzen der Löhne im Verhältnis zur Produkti-
vität durch eine Anhebung der Löhne in den Ländern mit unterdurch-
schnittlichen Werten in diesem Bereich zu erreichen, anstatt die Diffe-
renzen durch sinkende Löhne anzugleichen?

4. Welche Mindeststandards beim Kündigungsschutz erachtet die Bundes-
regierung als notwendig und gerechtfertigt?

5. Welche Maßnahmen sollten nach den Vorstellungen der Bundesregierung
zur Angleichung von welchen Steuern in welche Richtung ergriffen wer-
den?

6. Welches Renteneintrittsalter sollte nach Auffassung der Bundesregierung
EU-weit angestrebt werden?

Ist sie der Meinung, dass die Erhöhung und Harmonisierung des Renten-
eintrittsalters in den Wettbewerbspakt einbezogen werden sollte?

7. Wie steht die Bundesregierung zur Tarifautonomie in den Mitgliedstaaten,
insbesondere vor dem Hintergrund der angestrebten Koordinierung der
Lohnpolitik (bitte begründen)?

8. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung garantiert werden, dass trotz
der angestrebten „Reformen“ zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
bestehende gewerkschaftliche Rechte wie das Streikrecht sowie andere
Arbeitnehmerrechte nicht ausgehöhlt werden?

9. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass
die angestrebten „Reformen“ zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
nicht bestehende soziale Rechte der Bevölkerungen der betroffenen Länder
tangieren?

10. Sieht die Bundesregierung die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands im zurückliegenden Jahrzehnt als Vorbild für die anderen
Länder der EU an?

Würde die Bundesregierung einen „Export“ der deutschen „Agenda 2010“
in die anderen Länder der EU als zielführend zur Erreichung einer höheren
Wettbewerbsfähigkeit ansehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12663

11. Würde eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der anderen Länder der EU und
damit eine Anpassung von deren Situation an Deutschland nach Meinung
der Bundesregierung erforderlich machen, auch die Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands weiter zu erhöhen?

Wenn nein, erwartet die Bundesregierung, dass die Anpassung der Wettbe-
werbsfähigkeit der anderen Länder der EU an die Situation in Deutschland
und der dadurch zu erwartende Rückgang der deutschen Leistungsbilanz-
überschüsse gegenüber diesen Ländern zu einem Absinken des deutschen
Leistungsbilanzüberschusses insgesamt führt, oder erwartet die Bundes-
regierung, dass die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse zum Rest der
Welt zum Ausgleich ansteigen?

12. In welchen Ländern der EU und in welchen Bereichen sieht die Bundes-
regierung die größten Defizite bei der Wettbewerbsfähigkeit?

13. Welche Rolle spielen für die Bundesregierung Privatisierungen staatlicher
oder teilstaatlicher Unternehmen bei der Erreichung des Ziels einer höhe-
ren Wettbewerbsfähigkeit?

14. Wie soll der Pakt für Wettbewerbsfähigkeit nach Vorstellung der Bundes-
regierung in die europäischen Rechtsstrukturen eingebettet werden?

a) Handelt es sich beim Pakt für Wettbewerbsfähigkeit explizit um ein
Instrument der Eurozone oder soll möglichst die gesamte EU einbezo-
gen werden?

b) Strebt die Bundesregierung wie beim Fiskalpakt das Ziel der Eingliede-
rung in die EU-Verträge in einem zu definierenden Zeitraum an?

c) Sollen die Mitgliedstaaten einen einmaligen Vertrag mit der Euro-
päischen Kommission abschließen oder sollen jährlich neue Verträge
abgeschlossen werden?

d) Sollten die Abkommen und Verträge, die die Mitgliedstaaten mit der
Europäischen Kommission schließen sollen, nach Ansicht der Bundes-
regierung analog zum Fiskalvertrag unkündbar sein?

e) Durch welche Druck- und Anreizmechanismen sollen Mitgliedstaaten
dazu motiviert werden, die Verträge zu unterzeichnen?

f) Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Überlegungen zur
Schaffung einer Fiskalkapazität der Eurozone?

15. Welche Inhalte sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung in die
bilateralen Verträge zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen
Kommission eingehen?

a) Welche Rolle spielen dabei die länderspezifischen Empfehlungen aus
dem Europäischen Semester oder die Indikatoren aus dem Euro-Plus-
Pakt und dem Economic Governance-Paket?

b) Was sind die wesentlichen inhaltlichen Unterscheidungsmerkmale zwi-
schen dem Euro-Plus-Pakt und dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit?

16. Verfolgt die Bundesregierung mit dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit das
Ziel, den Leistungsbilanzüberschuss der EU bzw. der Eurozone insgesamt
zu erhöhen?

a) In welchen Weltregionen würde das nach Einschätzung der Bundes-
regierung in welchem Umfang zu einer Steigerung der Leistungsbilanz-
defizite und, daraus resultierend, zu einer steigenden Verschuldung füh-
ren?

b) In welchem Umfang hält die Bundesregierung Leistungsbilanzüber-
schüsse der gesamten EU bzw. der Eurozone für erstrebenswert?
c) Inwiefern sieht sie davon ausgehend eine Gefahr für die Stabilität des
Weltmarktes (bitte begründen)?

Drucksache 17/12663 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Was meint die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel konkret, wenn sie in
Davos davon spricht, dass sich Strukturreformen besser durchführen lassen,
wenn die gesamtwirtschaftliche Lage entspannter ist, aber die politische
Erfahrung gezeigt habe, „dass für politische Strukturreformen oft Druck
gebraucht wird“?

Berlin, den 11. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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