BT-Drucksache 17/12622

Mindestlöhne durchsetzen, Qualität der Kontrollen verbessern

Vom 1. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12622
17. Wahlperiode 01. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Birgitt Bender, Britta Haßelmann, Sven-Christian
Kindler, Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, Dr. Tobias Lindner,
Dr. Harald Terpe, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Mindestlöhne durchsetzen, Qualität der Kontrollen verbessern

Nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ vom 11. Januar 2013 ernannte eine
Berliner Reinigungsfirma ihre Mitarbeiterinnen, die für die Sauberkeit der
Kundentoiletten zu sorgen hatten, zu „Bewacherinnen“ der Trinkgeldteller,
um den Mindestlohn im Gebäudereinigungsgewerbe zu umgehen. Die Firma
zahlte den Frauen 4,50 Euro pro Stunde anstelle des Mindestlohns in Höhe von
8,82 Euro – mit dem Nebeneffekt, dass sich auch die Sozialbeiträge nahezu
halbierten. Das kann nur als Lohndumping mit krimineller Energie bezeichnet
werden.

Solche Beispiele zeigen, dass die Festlegung von Mindestlöhnen alleine nicht
ausreicht. Auch ihre effektive Kontrolle ist erforderlich. Diese ist mit einem
erheblichen Aufwand verbunden. Die zuständigen Kontrollbehörden müssen
mit den notwendigen Personalmitteln und Ressourcen ausgestattet sein, um
gegen kreatives Lohndumping vorgehen zu können. Denn unter Lohndumping
leiden die Beschäftigten und tariftreue Betriebe gleichermaßen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Mindestlöhne allgemein

1. Für welche Branchenmindestlöhne hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit
(FKS) nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz Kontroll- und Durch-
setzungskompetenzen, und wie viele Beschäftigte fallen jeweils in den
Geltungsbereich dieser Branchenmindestlöhne?

2. In welchen weiteren Branchen gibt es nach Ansicht der Bundesregierung
lohnpolitische Verwerfungen und Fehlentwicklungen, die mit einem bran-
chenspezifischen Mindestlohn beantwortet werden müssten?

3. In welchen Branchen und Regionen sind Bruttostundenlöhne unter 8,50 Euro
üblich und verbreitet (bitte differenziert nach tariflichen und ortsüblichen

Bruttostundenlöhnen angeben)?

4. Wie hoch war die Zahl der Erwerbstätigen, die in den Jahren 2011 und 2012
jeweils ein aufstockendes Arbeitslosengeld II erhielten, und wie hoch waren
die gesamten Ausgaben für ein aufstockendes Arbeitslosengeld II jeweils in
den Jahren 2011 und 2012?

5. Wie viele Aufstockerinnen und Aufstocker sind aktuell geringfügig, Teilzeit
und Vollzeit beschäftigt?

Drucksache 17/12622 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Kontrollen und Sanktionen

6. Wie viele Kontrollen von Branchenmindestlöhnen wurden von der FKS
2009 und 2012 pro Jahr durchgeführt (bitte differenziert nach Branchen
und Jahren angeben)?

7. Wie viele Verstöße wegen Nichtgewährung von Mindestlöhnen wurden von
der FKS zwischen den Jahren 2009 und 2012 aufgedeckt, und wie viele
Unternehmen waren dafür verantwortlich (bitte differenziert nach Branchen
und Jahren angeben)?

8. Wie hoch waren die verhängten Bußgelder aufgrund von Verstößen gegen
branchenspezifische Mindestlöhne von 2009 bis 2012, und wie hoch ist
die Summe der tatsächlich gezahlten Bußgelder (bitte differenziert nach
Branchen und Jahren angeben)?

9. Wie erklärt die Bundesregierung die mögliche Diskrepanz zwischen den
festgesetzten Bußgeldern und den tatsächlich vereinnahmten Bußgeldern?

10. Wie viele Strafverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung auf-
grund von Verstößen gegen branchenspezifische Mindestlöhne von 2009
bis 2012 eingeleitet, und wie viele davon endeten mit Freiheitsstrafen bzw.
mit Geldstrafen in welcher Höhe (bitte differenziert nach Branchen und
Jahren angeben)?

11. Wie viele Bußgelder bzw. Strafverfahren wurden gegen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer sowie gegen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein-
geleitet, und aus welchen Gründen?

12. Wie viele Fälle der Generalunternehmerhaftung gab es aufgrund von Prü-
fungen der FKS von 2009 bis 2012 pro Jahr wegen Verstößen gegen Bran-
chenmindestlöhne, und wie hoch war das finanzielle Volumen pro Jahr?

Personalsituation/Ressourcen

13. Wie hat sich die Personalsituation der FKS in Vollzeitäquivalenten 2011
und 2012 pro Jahr entwickelt, und wie viele der bewilligten Planstellen sind
aktuell nicht besetzt?

14. Wie hoch sind derzeit die gesamten Kosten für die Kontrollen durch die
FKS, und wie hoch sind die Einnahmen, die diesen Kosten gegenüberstehen?

Steuerung der FKS

15. Mithilfe welcher Zielgrößen wird die Arbeit der FKS gesteuert?

16. Wie hoch war die Zielvorgabe bei der Schadenssumme von 2009 bis 2012
pro Jahr, und wie hoch war jeweils die tatsächlich aufgedeckte Schadens-
summe?

17. Wie hoch war die Zielvorgabe bei der zu erbringenden Schadenssumme
je Ermittler von 2009 bis heute pro Jahr, und wie hoch war die tatsächlich
erreichte Schadenssumme pro Jahr?

18. Teilt die Bundesregierung die Kritik des Bundesrechnungshofs vom
11. Januar 2008 (Bericht nach § 99 BHO über die Organisation und Arbeits-
weise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit – FKS), dass die Zielvorgaben nur
ungenügende Anreize bieten, im Bereich der organisierten Kriminalität zu
ermitteln?

Wenn ja, inwieweit wurden die Zielvorgaben aufgrund der Kritik des
Bundesrechnungshofs umgestaltet?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12622

19. Stehen bei den Kontrollen und Verfahren gezielt die Unternehmen im Mittel-
punkt, die eklatant und in großem Maße arbeitsrechtliche Regelungen um-
gehen, auch wenn die Kontrollen und Ermittlungen langwierig und komplex
sind und nicht „schnelle“ Kontrollen zur Einhaltung der Zielgrößen?

Wenn ja, mit welchen Daten kann diese Schwerpunktsetzung unterlegt
werden?

Lohnwucher und Veruntreuung bzw. Vorenthaltung von Arbeitsentgelt

20. Wie viele Verfahren bzw. Verstöße gab es nach Kenntnis der Bundes-
regierung von 2009 bis 2012 aufgrund des Verdachts auf Lohnwucher nach
§ 299 Absatz 1 Nummer 3 des Strafgesetzbuchs (StGB), und in welcher
Höhe wurden Geld- bzw. Freiheitsstrafen verhängt (bitte differenziert nach
Branchen und Jahren angeben)?

21. Wie viele Verfahren bzw. Verstöße gab es nach Kenntnis der Bundes-
regierung von 2009 bis 2012 aufgrund des Verdachts auf Veruntreuung
und Vorenthaltung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB, und in welcher
Höhe wurden Geld- bzw. Freiheitsstrafen verhängt (bitte differenziert nach
Branchen und Jahren angeben)?

Sozialversicherungsbeiträge

22. In welcher Höhe wurden Sozialversicherungsbeiträge sowie Steuern von
2009 bis 2012 aufgrund der Ermittlungen der FKS nachgefordert, und in
welcher Höhe wurden die nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge
bzw. Steuern bereits gezahlt (bitte differenziert nach Branchen und Jahren
angeben)?

23. Wie erklärt die Bundesregierung die mögliche Diskrepanz zwischen nach-
geforderten Sozialversicherungsabgaben bzw. Steuern und tatsächlich ver-
einnahmten Sozialversicherungsbeträgen bzw. Steuern?

24. Wie viele vermögensabschöpfende Maßnahmen im Rahmen von nach-
geforderten Sozialversicherungsbeiträgen bzw. Steuern wurden von 2009
bis 2012 pro Jahr durchgeführt, und wie hoch waren die jeweils pro Jahr
abgeschöpften Summen?

25. Teilt die Bundesregierung die Kritik aus dem Bericht des Bundesrech-
nungshofs vom 11. Januar 2008, dass die Krankenversicherungen zu selten
vermögensabschöpfende Maßnahmen durchführen?

Wenn ja, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung auf den Weg ge-
bracht?

Wenn nein, warum nicht?

26. Wie viele Gerichtsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
aufgrund nicht oder zu wenig gezahlter Sozialversicherungsbeiträge von
2009 bis 2012 pro Jahr geführt?

27. Wie viele Freiheitsstrafen bzw. Geldbußen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung aufgrund nicht oder zu wenig gezahlter Sozialversiche-
rungsbeiträge in welcher Höhe von 2009 bis 2012 pro Jahr verhängt?

Berlin, den 1. März 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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