BT-Drucksache 17/12361

Forderung nach Unterstützung des Zuges der Erinnerung durch die Deutsche Bahn AG und die Bundesregierung

Vom 18. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12361
17. Wahlperiode 18. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,
Karin Binder, Dr. Lukrezia Jochimsen, Caren Lay, Sabine Leidig, Kornelia Möller,
Jens Petermann, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten
Tackmann, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Forderung nach Unterstützung des Zuges der Erinnerung durch die Deutsche
Bahn AG und die Bundesregierung

Der gemeinnützige „Zug der Erinnerung“ ist nach wie vor größtenteils lahm-
gelegt. Das erinnerungspolitische Projekt, das mit einem rollenden Aus-
stellungszug den Menschen gewidmet ist, die während der NS-Herrschaft mit
Hilfe der Reichsbahn deportiert worden sind, kann keine Fahrt mehr aufnehmen,
weil die Deutsche Bahn AG (DB AG) für die Nutzung der Schienenwege
Gebühren verlangt, die der Zug der Erinnerung e. V. nicht bezahlen kann. Die
Fragesteller haben sich bereits mehrfach zu dieser Thematik erkundigt und neh-
men erfreut zur Kenntnis, dass die DB AG inzwischen erklärt hat, dass sie nicht
von den Gebühren profitieren wolle, sondern diese an die Stiftung Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft (EVZ) überweisen werde.

Gleichwohl ist damit dem Zug der Erinnerung e. V. in keiner Weise geholfen.
EVZ und Zug der Erinnerung e. V. sind unterschiedliche Organisationen, eine
schlichte Weiterreichung der Spenden durch die EVZ an den Zug der Erinnerung
e. V. nicht möglich.

Dennoch nehmen sowohl die Bundesregierung als auch die DB AG in ihren ein-
schlägigen Stellungnahmen durchweg eine Vermischung von Zug der Erinne-
rung e. V. und EVZ vor. So erklärte die Bundesregierung (Bundestagsdruck-
sache 17/11227), sie begrüße die Erklärung der DB AG, Einnahmen aus Tras-
senentgelten aus Fahrten des Zuges der Erinnerung e. V. der Stiftung EVZ zu-
kommen zu lassen. Auf die Frage, inwiefern die Bundesregierung bereit sei, jene
Gebühren, die die DB AG nicht selbst an den Zug der Erinnerung e. V. spendet,
selbst zu übernehmen und zurückzuzahlen, antwortete die Bundesregierung:
„Die Problematik stellt sich nicht, da die DB AG erklärt hat, ab Januar 2012
eventuelle Einnahmen aus Trassenentgelten, die aus Fahrten des Zugs der
Erinnerung generiert werden, an die Stiftung EVZ zu überweisen.“ Eine solche
Spende in Höhe von 40 000 Euro ist im Dezember 2012 bei der EVZ verbucht
worden, sie wird nach Kenntnis der Fragesteller aber nicht an den Zug der

Erinnerung e. V. weitergeleitet.

Mit solchen Äußerungen wird der Eindruck erweckt, der Zug der Erinnerung
e. V. profitiere von Spenden der DB AG an die EVZ und damit sei das Problem
für den Zug der Erinnerung e. V. gelöst. Eine solche Sicht geht aber an der
Realität vorbei. Zum einen ist die EVZ schon aus rechtlichen Gründen nicht in
der Lage, die Bahnspenden einfach an den Zug der Erinnerung e. V. weiterzulei-
ten. Zum anderen hat die Bahn im Januar 2013 u. a. in Schreiben an die EVZ und

Drucksache 17/12361 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Abgeordnete Ulla Jelpke (DIE LINKE.) ausgeführt, dass die Spenden-
summe sich zwar an den Gebühren orientiere, die dem Zug der Erinnerung e. V.
berechnet worden sind bzw. noch darüber liege. Die Spenden seien aber aus-
drücklich für die humanitären Projekte der EVZ gedacht. „Ein Anspruch von
Seiten des Vereins ‚Zug der Erinnerung‘ auf Spendenmittel leitet sich daraus
nicht ab“, heißt es in dem Schreiben an die Abgeordnete Ulla Jelpke.

Die Ausführungen der DB AG belegen, dass es sich bei den Bahnspenden fak-
tisch um Weiterleitungen jener Gelder handelt, die der Zug der Erinnerung e. V.
an die Bahn entrichten musste. Von diesen Geldern soll die EVZ profitieren, der
Zug der Erinnerung e. V. erhält jedoch nichts und kann weiterhin nicht fahren.
Durch diese Praxis drohen EVZ und Zug der Erinnerung e. V. in eine Konkur-
renzsituation zueinander gebracht zu werden. Den Fragestellern drängt sich der
Eindruck auf, als wollten Bundesregierung und DB AG sich aus der Verantwor-
tung ziehen und den offenkundigen Konflikt auf die EVZ abschieben. Die bis-
herige Haltung der Bundesregierung, sie könne kein Problem für den Zug der
Erinnerung erkennen, ist aus Sicht der Fragesteller nicht haltbar. Das Problem
für den Zug der Erinnerung existiert, es ist drängend, und die EVZ kann es nicht
lösen. Wenn die Bundesregierung und Deutsche Bahn AG den Zug der Erinne-
rung tatsächlich für förderungswürdig halten, müssen sie endlich auch wirksame
Initiativen dafür entfalten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum hat die Bundesregierung bislang in ihrer Argumentation daraufhin
abgestellt, Spenden der Bahn an die EVZ erfüllten praktisch den Zweck einer
Kompensation der dem Zug der Erinnerung e. V. abverlangten Gebühren,
und wie bewertet sie dies aus heutiger Sicht?

2. Erkennt die Bundesregierung nun, dass das Problem, welches die Forderung
der DB AG nach Bezahlung von Trassen- und Stationsentgelten beim Zug der
Erinnerung e. V. auslöst, nicht durch Spenden der DB AG an die Stiftung
EVZ gelöst wird (wenn nein, bitte begründen)?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Information
der DB AG, aus ihren Spenden an die EVZ leite sich keinerlei Rechtsan-
spruch des Zuges der Erinnerung e. V. ab?

4. Ist die Bundesregierung bereit, auf die DB AG dahingehend einzuwirken,
dass sie entweder auf die Gebührenbeitreibung gegenüber dem Zug der
Erinnerung e. V. verzichtet oder diese Gebühren in Form von Spenden – und
zwar unmittelbar an den Zug der Erinnerung e. V. – zurückgibt oder sie vor-
schießt, und wenn nein, warum nicht?

5. Ist die Bundesregierung, nachdem die DB AG nun eindeutig erklärt hat, die
dem Zug der Erinnerung e. V. abverlangten Gebühren nicht diesem, sondern
der EVZ zukommen zu lassen, bereit, dem Zug der Erinnerung e. V. eine För-
derung in Höhe dieser Gebühren zukommen zu lassen, und wenn nein, wa-
rum nicht?

6. Bleibt die Bundesregierung bei ihren früheren Aussagen, dass sie die Tätig-
keit des Zuges der Erinnerung e. V. begrüße, und wenn ja, was will sie unter-
nehmen, um sicherzustellen, dass der Zug der Erinnerung e. V. nicht durch
die Gebührenforderungen der DB AG an der Fortführung seiner Tätigkeit
gehindert wird?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, das Bemühen der
DB AG, nicht als Nutznießerin von Gebühren seitens des Zuges der Erinne-
rung e. V. dazustehen, dürfe nicht dazu führen, dass der Zug der Erinnerung

e. V. in eine Konkurrenzsituation zur EVZ gebracht wird, und wenn ja, was
will sie dazu beitragen, eine solche Entwicklung zu vermeiden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12361

8. Auf Grundlage welcher konkreten Zahlen und Erkenntnisse hat die Bundes-
regierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zu Frage 4 auf Bundes-
tagsdrucksache 17/9331 ausgeführt, es sei „davon auszugehen, dass alle mit
Hilfe der Reichsbahn Deportierten Entschädigungsleistungen“ erhalten hät-
ten, und inwiefern hält sie diese Einschätzung heute aufrecht?

a) Inwiefern ist sie in der Lage, detailliert nach Opferkategorien aufzu-
listen, wie viele Menschen deportiert wurden und wie viele davon
ermordet, wie viele Überlebende mit welchen Summen entschädigt bzw.
nicht entschädigt wurden?

b) Inwiefern hält sie eher die Auffassung der Fragesteller für zutreffend,
dass keineswegs, auch nicht annähernd, „alle“ Deportierten entschädigt
worden sind, sondern Millionen von ihnen am Ziel ihrer erzwungenen
Fahrt ermordet wurden?

9. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung mittlerweile von Gerichtsver-
fahren in den USA, in denen NS-Opfer bzw. ihre Verbände von der DB AG
Entschädigung fordern, welche Position nimmt sie hierzu ein, und welche
Position vertritt die DB AG nach Kenntnis der Bundesregierung?

10. Inwiefern wurde die Verständigung des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung mit der DB AG, „dass sich die Stiftung ‚Erinne-
rung, Verantwortung und Zukunft‘ mit dem Verein ‚Zug der Erinnerung‘ über
die Verwendung der Gelder abstimmt“ (Bundestagsdrucksache 17/9331)
nach Kenntnis der Bundesregierung umgesetzt, und wie erklärt die Bundes-
regierung in diesem Zusammenhang, dass nach Kenntnis der Fragesteller
bislang weder dem Zug der Erinnerung e. V. noch der EVZ etwas über diese
„Verständigung“ bekannt ist?

Welche weiteren Initiativen will die Bundesregierung in diesem Zusammen-
hang entwickeln?

Berlin, den 18. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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