BT-Drucksache 17/12193

Entwurf eines Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht

Vom 30. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12193
17. Wahlperiode 30. 01. 2013

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Dr. Konstantin von Notz,
Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, Claudia Roth (Augsburg), Wolfgang Wieland
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen
Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-,
Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht

A. Problem

In inzwischen über 50 Entscheidungen hat der Gerichtshof der Europäischen
Union (EuGH) festgestellt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
(EU) den in der EU lebenden Staatsangehörigen der Türkei und ihren Familien-
angehörigen Rechte vorenthalten, wie sie sich aus dem Abkommen vom
12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Euro-
päischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Türkei und den auf dieser
Grundlage ergangenen Rechtsakten ergeben.

Der EuGH hat in einer Vielzahl von Urteilen insbesondere die Rechtslage in
Deutschland beanstandet, weil sie nicht den europarechtlichen Vorgaben ent-
sprach. Denn in der deutschen Rechtsordnung ist der Rechtsstatus der Assozia-
tionsrechtsberechtigten allenfalls ganz rudimentär abgebildet. Zudem stehen
die Bestimmungen des allgemeinen Aufenthaltsrechts nach der Rechtspre-
chung des EuGH bei Staatsangehörigen der Türkei häufig in einem Wider-
spruch zur wirklichen Rechtslage, wie sie sich aus dem Europarecht ergibt. Die
Urteile des EuGH werden jedoch bislang nicht oder allenfalls unzureichend im
deutschen Recht umgesetzt.

B. Lösung

Die sich aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei unmittelbar ergebenden
Rechte werden durch diesen Entwurf explizit im deutschen Recht (Aufenthalts-
gesetz, Aufenthaltsverordnung, Beschäftigungsverordnung, Bundesbeamten-
gesetz und Beamtenstatusgesetz) verankert. Dies dient der Transparenz und
Rechtssicherheit – nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die
Rechtspraxis insgesamt.
Der Entwurf trifft auch klarstellende Regelungen bei einigen Einzelfragen, die
der EuGH zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, die sich jedoch auf
der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung zu Gunsten der Betroffenen beant-
worten lassen.

Darüber hinaus werden Lücken zwischen dem europarechtlichen Assoziations-
recht und dem nationalen Aufenthaltsrecht insbesondere im Hinblick auf Perso-

Drucksache 17/12193 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nen geschlossen, die wegen des Bezugs einer Rente aus dem Erwerbsleben aus-
scheiden.

Der Entwurf löst dabei auch das bisherige Problem, dass die Betroffenen jeden
Rechtsfortschritt mühsam beim EuGH gegen unwillige Behörden erstreiten
mussten.

C. Alternativen

Beibehalten intransparenter und daher rechtsstaatlich inakzeptabler ausländer-
rechtlicher Regelungen in Anwendungshinweisen und Rundschreiben.

D. Kosten

Die kommunalen Haushalte werden durch Einsparungen aufgrund von Verein-
fachungen im Verwaltungsverfahren entlastet.

Auf den Haushalt des Bundes ergeben sich keine Auswirkungen.

liche Veröffentlichungen der europäischen Gemein-
schaften, Assoziierungsabkommen und Protokolle
EWG – Türkei sowie andere Basisdokumente, Brüs-
sel 1992, S. 327) erfüllt, der in seiner deutschen
Fassung Folgendes bestimmt:

„Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7

Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden
türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung
erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

– haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern
aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ein-
zuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf je-
des Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12193

Entwurf eines Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen
Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-,
Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zu-
letzt durch die Artikel 1 und 6 des Gesetzes vom 1. Juni
2012 (BGBl. I S. 1224) geändert worden ist, wird wie folgt
geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 56
folgende Angabe eingefügt:

㤠56a Verlust des Aufenthaltsrechts nach dem Assozia-
tionsabkommen EWG/Türkei“.

2. § 4 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

„Keines Aufenthaltstitels für die Einreise und den
Aufenthalt im Bundesgebiet bedürfen die Staatsange-
hörigen unter 16 Jahren der Türkei, wenn ein Eltern-
teil eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 5 besitzt.“

b) Absatz 5 wird wie folgt gefasst:

„(5) Einem Ausländer, dem auf Grund des Assozi-
ationsabkommens EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht
zusteht, wird von Amts wegen unverzüglich eine
Aufenthaltserlaubnis ausgestellt, wenn die erforder-
lichen Angaben vorliegen. In der Aufenthaltserlaub-
nis, die mindestens fünf Jahre gültig sein soll, ist das
Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufent-
haltsrechts zu bescheinigen. Neben einer Aufent-
haltserlaubnis nach diesem Absatz können weitere
Aufenthaltstitel erteilt werden. Soweit die Rechtsstel-
lung der in Satz 1 genannten Personen in diesem Ge-
setz oder in anderen Rechtsvorschriften günstiger ge-
regelt ist, bleiben diese unberührt.“

c) Nach Absatz 5 werden die folgenden Absätze 6 bis 8
angefügt:

,(6) Eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 5 wird
einem Ausländer ausgestellt, der die Voraussetzungen
des Artikels 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Asso-
ziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der
Assoziation vom 19. September 1980 (Amt für amt-

der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitglied-
staats angehört, in diesem Mitgliedstaat

– nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäfti-
gung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeits-
erlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn
er über einen Arbeitsplatz verfügt;

– nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäfti-
gung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern
aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ein-
zuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für
den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber sei-
ner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen
unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern die-
ses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stel-
lenangebot zu bewerben;

– nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäfti-
gung freien Zugang zu jeder von ihm gewähl-
ten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsver-
hältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit we-
gen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer
Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer
Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unver-
schuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständi-
gen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden
sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krank-
heit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemä-
ßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch
nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungs-
zeit erworbenen Ansprüche.“

(7) Eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 5 wird
einem Ausländer ausgestellt, der die Voraussetzungen
des Artikels 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Asso-
ziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der
Assoziation vom 19. September 1980 (Amt für amt-
liche Veröffentlichungen der europäischen Gemein-
schaften, Assoziierungsabkommen und Protokolle
EWG – Türkei sowie andere Basisdokumente, Brüs-
sel 1992, S. 327) erfüllt, der in seiner deutschen
Fassung Folgendes bestimmt:

„Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären
über den freien Zugang der Familienangehörigen
zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer,

seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsge-
mäßen Wohnsitz haben

Drucksache 17/12193 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– haben freien Zugang zu jeder von ihnen ge-
wählten Beschäftigung im Lohn- oder Ge-
haltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens
fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz
haben.

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Auf-
nahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen
haben, können sich unabhängig von der Dauer ih-
res Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat
dort auf jedes Stellengebot bewerben, sofern ein
Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit
mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäf-
tigt war.“

(8) Soweit in diesem Gesetz oder in anderen
Rechtsvorschriften die Rechtsstellung eines türki-
schen Staatsangehörigen oder eines Familienangehö-
rigen im Sinne des Absatzes 7 weniger günstig ge-
regelt sind, als sie für

1. die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienst-
leistungsverkehr von Staatsangehörigen der Tür-
kei zum 1. Januar 1973 oder danach,

2. Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit der
Türkei, deren Aufenthalt und Beschäftigung im
Bundesgebiet ordnungsgemäß ist in Bezug auf die
Bedingungen und den Zugang zum Arbeitsmarkt
zum 20. Dezember 1976 oder danach oder

3. Familienangehörige von Personen nach Nummer 2
in Bezug auf die Bedingungen und den Zugang
zum Arbeitsmarkt zum 1. Dezember 1980 oder da-
nach

gegolten haben, sind die jeweils günstigeren Rege-
lungen anzuwenden.‘

3. Nach § 7 Absatz 2 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

„Die Frist darf nicht so bemessen werden, dass das Ent-
stehen einer Rechtsposition, die zur Ausstellung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 führt, ausge-
schlossen wird.“

4. Nach § 9 Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Dem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach
§ 4 Absatz 5 ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen,
wenn er sich seit fünf Jahren mit einer Aufenthalts-
erlaubnis nach § 4 Absatz 5 ständig im Bundesgebiet
aufgehalten hat. Abweichend von Satz 1 ist Inhabern
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 vor Ablauf
von fünf Jahren eine Niederlassungserlaubnis zu er-
teilen, wenn sie

1. sich mindestens drei Jahre ständig im Bundesgebiet
aufgehalten und mindestens während der letzten
zwölf Monate im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit
ausgeübt haben und

a) zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Er-
werbsleben das 65. Lebensjahr erreicht haben oder

b) ihre Beschäftigung im Rahmen einer Vorruhe-
standsregelung beenden oder

a) die durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufs-
krankheit eingetreten ist und einen Anspruch auf
eine Rente gegenüber einem Leistungsträger im
Bundesgebiet begründet oder

b) nachdem sie sich zuvor mindestens zwei Jahre
ständig im Bundesgebiet aufgehalten haben.“

5. Dem § 21 wird folgender Absatz 7 angefügt:

„(7) Einem Staatsangehörigen der Türkei kann ab-
weichend von den Absätzen 1 bis 6 eine Aufenthaltser-
laubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit er-
teilt werden, wenn von ihm zu erwarten ist, dass er sich
in das deutsche Wirtschaftsleben integrieren kann, die
Aufnahme der Tätigkeit nicht von vornherein zum
Scheitern verurteilt ist und er bereits mit den deutschen
Lebensverhältnissen und der deutschen Sprache ausrei-
chend vertraut ist.“

6. Nach § 30 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Auf-
enthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn der Ausländer
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 oder eine
Niederlassungserlaubnis nach § 9 Absatz 2a besitzt.“

7. § 31 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

„(1a) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
genügt für Personen, die die begründete Aussicht
auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4
Absatz 5 haben, wenn die eheliche Lebensgemein-
schaft seit mindestens zwei Jahren bestanden hat.“

b) In Absatz 2 Satz 1 werden nach dem Wort „dreijäh-
rigen“ die Wörter „oder zweijährigen“ und nach der
Angabe „Nr. 1“ die Wörter „oder Absatz 1a“ einge-
fügt.

8. Nach § 34 Absatz 1 wird folgender Absatz 1a einge-
fügt:

„(1a) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die
nach § 4 Absatz 1 Satz 2 vom Besitz eines Aufenthalts-
titels befreit sind oder waren.“

9. Nach § 35 Absatz 1 wird folgender Absatz 1a einge-
fügt:

„(1a) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die
nach § 4 Absatz 1 Satz 2 vom Besitz eines Aufenthalts-
titels befreit sind oder waren.“

10. § 52 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden die Wörter „§ 4 Absatz 1 Satz 2“
durch die Wörter „§ 4 Absatz 1 Satz 3“ ersetzt.

b) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 3a eingefügt:

„(3a) Eine nach § 4 Absatz 5 ausgestellte Aufent-
haltserlaubnis kann widerrufen werden, wenn fest-
gestellt wurde, dass ein Aufenthaltsrecht nach dem
Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder
nicht mehr besteht. Eine Feststellung nach Satz 1
kommt unbeschadet von § 56a nur

1. bei einer auf Grund von § 4 Absatz 6 ausgestell-

2. ihre Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbs-

minderung aufgeben,
ten Aufenthaltserlaubnis beim endgültigen Aus-
scheiden aus dem Arbeitsmarkt oder

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12193

2. bei einer auf Grund von § 4 Absatz 7 ausgestell-
ten Aufenthaltserlaubnis beim Verlassen des
Bundesgebietes für einen erheblichen Zeitraum
ohne berechtigte Gründe

in Betracht.“

11. Nach § 56 wird folgender § 56a angefügt:

㤠56a
Verlust des Aufenthaltsrechts nach dem Assoziations-

abkommen EWG/Türkei

(1) Der Verlust des Aufenthaltsrechts nach dem As-
soziationsabkommen EWG/Türkei kann unbeschadet
des § 52 Absatz 3a nur aus Gründen der öffentlichen
Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 14 Ab-
satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates
EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation
vom 19. September 1980) festgestellt werden. Die
Feststellung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit
kann nur erfolgen, wenn es sich um Krankheiten mit
epidemischem Potenzial im Sinne der einschlägigen
Rechtsinstrumente der Weltgesundheitsorganisation
und sonstige übertragbare Krankheiten handelt, sofern
gegen diese Krankheiten Maßnahmen im Bundesgebiet
getroffen werden und wenn die Krankheit innerhalb
der ersten drei Monate nach Einreise auftritt.

(2) Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung
genügt für sich allein nicht, um die in Absatz 1 ge-
nannte Feststellung zu begründen. Es dürfen nur im
Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrecht-
liche Verurteilungen und diese nur insoweit berück-
sichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden
Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen,
das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen
Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hin-
reichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein
Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

(3) Bei einer Feststellung nach Absatz 1 sind insbe-
sondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in
Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand,
seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale
und kulturelle Integration in Deutschland und das Aus-
maß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berück-
sichtigen.

(4) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf bei Vorlie-
gen der Voraussetzungen von § 9 Absatz 2a nur aus
schwerwiegenden Gründen getroffen werden.

(5) Die Entscheidungen oder Maßnahmen, die den
Verlust des Aufenthaltsrechts betreffen, dürfen nicht zu
wirtschaftlichen Zwecken getroffen werden.

(6) Wird der Pass oder Passersatz ungültig, so kann
dies die Aufenthaltsbeendigung nicht begründen.

(8) Vor der Feststellung nach Absatz 1 soll der Be-
troffene angehört werden. Die Feststellung bedarf der
Schriftform.

(9) Wird ein Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwal-
tungsgerichtsordnung gestellt, darf die Abschiebung

12. Nach § 78 Absatz 1 Satz 2 wird folgender Satz ein-
gefügt:

„Satz 2 gilt entsprechend für die Aufenthaltserlaubnis,
die nach § 4 Absatz 5 auszustellen ist, und die Aufent-
haltserlaubnisse, die Ausländern erteilt werden, die
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 besitzen
oder die begründete Aussicht auf Ausstellung einer
solchen Aufenthaltserlaubnis haben.“

13. Nach § 81 Absatz 4 wird folgender Absatz 4a eingefügt:

„(4a) Beantragt ein Ausländer, der eine Aufenthalts-
erlaubnis nach § 4 Absatz 5 besitzt oder die begründete
Aussicht auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 4 Absatz 5 hat, die Erteilung oder Verlängerung
eines Aufenthaltstitels, so gilt sein Aufenthalt bis zur
Entscheidung der Ausländerbehörde vorläufig als er-
laubt.“

14. Dem § 84 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Absatz 1 Nummer 2 bis 5 und Absatz 2 Satz 1
finden keine Anwendung auf Inhaber einer Aufent-
haltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 sowie auf Ausländer,
die die begründete Aussicht auf Ausstellung einer Auf-
enthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 haben.“

15. § 98 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 wird aufgehoben.

b) Die bisherigen Nummern 2 bis 4 werden die Num-
mern 1 bis 3.

Artikel 2
Änderung der Aufenthaltsverordnung

Die Aufenthaltsverordnung vom 25. November 2004
(BGBl. I S. 2945), die zuletzt durch Artikel 5 Absatz 1 des
Gesetzes vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) geändert wor-
den ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe zu § 15 wird folgende Angabe ein-
gefügt:

„§ 15a Befreiung für Staatsangehörige der Türkei“.

b) Nach der Angabe zu § 28 wird folgende Angabe ein-
gefügt:

„§ 28a Befreiung für assoziationsrechtsberechtigte
Staatsangehörige der Türkei“.

2. Nach § 15 wird folgender § 15a eingefügt:

㤠15a
Befreiung für Staatsangehörige der Türkei

Abweichend von § 15 sind Staatsangehörige der Tür-
kei bei der Teilnahme am Dienstleistungsverkehr für ei-
nen Aufenthalt von bis zu drei Monaten im Bundesge-
biet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Ein-
reise und den Aufenthalt befreit.“

3. Nach § 28 wird folgender § 28a eingefügt:

㤠28a
Befreiung für assoziationsrechtsberechtigte

Staatsangehörige der Türkei
nicht erfolgen, bevor über den Antrag entschieden
wurde.“

Staatsangehörige der Türkei und ihre Familienange-
hörigen sind nach Maßgabe des Assoziationsabkom-

sehen ist, dass das Aufenthaltsrecht durch eine Aufent-
haltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes
bescheinigt wird oder dem Inhaber einer solchen Aufent-
haltserlaubnis oder Personen, die die begründete Aus-
sicht auf Ausstellung einer solchen Aufenthaltserlaubnis
haben, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wird
diese Aufenthaltserlaubnis wie folgt ausgestellt oder er-
teilt:

1. auf einem Vordruckmuster nach § 58 Satz 1 Num-
mer 13 oder

2. auf Antrag als Dokument mit elektronischem Spei-
cher- und Verarbeitungsmedium nach § 78 Absatz 1
des Aufenthaltsgesetzes.“

4. Nach § 52 Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Absatz 2 Satz 1 bis 4 und 6 gilt entsprechend für
die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Ab-
satz 5 des Aufenthaltsgesetzes sowie für die Erteilung
einer sonstigen Aufenthaltserlaubnis an Inhaber einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 des Aufenthalts-
gesetzes oder an Personen, die die begründete Aussicht
auf Ausstellung einer solchen Aufenthaltserlaubnis
haben. Bei Personen nach Satz 1 ermäßigt sich die
Gebühr nach § 44 für die Erteilung einer Niederlassungs-
erlaubnis auf 28,80 Euro. Wird die Niederlassungs-
erlaubnis einer Person erteilt, die zum Zeitpunkt der
Antragstellung noch nicht 24 Jahre alt ist, ermäßigt sich
die Gebühr auf 22,80 Euro.“

5. In § 58 Satz 1 Nummer 13 werden nach den Wörtern „(§ 5
Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU)“ ein Komma und
die Wörter „die Aufenthaltserlaubnis, die nach § 4 Ab-
satz 5 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt wird, oder die
Aufenthaltserlaubnis, die Inhabern einer solchen Aufent-
haltserlaubnis oder Personen, die die begründete Aus-
sicht auf die Ausstellung einer solchen Aufenthaltser-
laubnis haben, erteilt wird,“ eingefügt.

Artikel 3

Änderung der Beschäftigungsverordnung

Die Beschäftigungsverordnung vom 22. November 2004
(BGBl. I S. 2937), die zuletzt durch Artikel 5 Absatz 3 des
Gesetzes vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) geändert wor-
den ist, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 7 wird folgender Satz angefügt:

sehen ist, sofern der zuständige Sportfachverband ihre
fachliche Eignung als Trainer bestätigt und der jeweilige
Verein ein für den Lebensunterhalt ausreichendes Gehalt
zahlt.“

2. Dem § 13 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 bedarf
keiner Zustimmung die Erteilung eines Aufenthaltstitels
an das fahrende Personal mit Staatsangehörigkeit der
Türkei im grenzüberschreitenden Personen- und Güter-
verkehr.“

3. Dem § 14 wird folgender Satz angefügt:

„Abweichend von Satz 1 bedarf keiner Zustimmung die
Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Besatzungen mit
Staatsangehörigkeit der Türkei von

1. Seeschiffen und Binnenschiffen oder

2. Luftfahrzeugen bei Unternehmen mit Sitz im Aus-
land.“

Artikel 4
Änderung des Bundesbeamtengesetzes

Dem § 7 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes vom
5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), das zuletzt durch Artikel 4
des Gesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1583) geändert
worden ist, wird folgender Satz angefügt:

„Die Voraussetzungen von Absatz 1 Nummer 1 erfüllt auch,
wer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 des Auf-
enthaltsgesetzes besitzt.“

Artikel 5
Änderung des Beamtenstatusgesetzes

Dem § 7 Absatz 1 des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni
2008 (BGBl. I S. 1010), das durch Artikel 15 Absatz 16 des
Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert wor-
den ist, wird folgender Satz angefügt:

„Die Voraussetzungen von Absatz 1 Nummer 1 erfüllt auch,
wer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 des Auf-
enthaltsgesetzes besitzt.“

Artikel 6
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 29. Januar 2013
Drucksache 17/12193 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mens vom 12. September 1963 zur Gründung einer
Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsge-
meinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) und
den auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsakten vom
Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Soweit vorge-

„Abweichend von Satz 1 Nummer 4 bedarf keiner Zu-
stimmung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Be-
rufssportlerinnen und Berufssportler oder Berufstraine-
rinnen und Berufstrainer mit der Staatsangehörigkeit der
Türkei, deren Einsatz in deutschen Sportvereinen vorge-
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

stimmte nämlich, dass die Betroffenen, ihr qua Assozia- europarechtlich determiniert sind. Der Rechtsstatus der

tionsrecht bestehendes Aufenthaltsrecht durch eine (gebüh-
renpflichtige) Aufenthaltserlaubnis, die sie beantragen müs-
sen, nachzuweisen haben. Schließlich sieht § 98 Abs. 2

Assoziationsrechtsberechtigten ist möglichst widerspruchs-
frei in die nationale Rechtsordnung einzupassen. Insoweit
mag es dem nationalen Gesetzgeber in einem gewissen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12193

Begründung

A. Allgemeines

Das Assoziationsabkommen zwischen der EWG (heute EU)
und ihren Mitgliedstaaten sowie der Türkei vom 12.9.1963
(Gesetz v. 15.5.1964, BGBl. II S. 509, in Kraft getreten am
1.12.1964, BGBl. II S. 1959) sieht in Art. 12 die schritt-
weise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer vor, wobei sich die Vertragsparteien von
den Art. 48, 49 und 50 des EWG-Vertrages (heute Art. 45
bis 47 AEUV) „leiten lassen“ wollen. Ein bedeutsamer
Schritt für die Angleichung der Rechtsstellung türkischer
Staatsangehöriger an die der Unionsbürgerinnen und Uni-
onsbürger wurde mit dem Assoziationsratsbeschluss 1/80
(ARB 1/80) getan, zu dem – beginnend mit den Entschei-
dungen Sevince (EuGH, Urt. v. 20.9.1990 – Rs. C-192/89,
Slg. 1990, I-03461) und Kus (EuGH, Urt. v. 16.12.1992 –
Rs. C-37/91, Slg. 1992, I-06781) – mittlerweile eine aus-
führliche Rechtsprechung des EuGH existiert, die den be-
sonderen Aufenthaltsstatus türkischer Staatsangehöriger
aufzeigt. Darüber hinaus sind, angesichts der zunehmend re-
striktiven Praxis der europäischen Staaten im Ausländer-
recht, die im ARB 1/80, im vorangegangen Assoziations-
ratsbeschluss 2/76 (ARB 2/76) und im Zusatzprotokoll zu
dem Assoziationsabkommen (ZusProt) vom 23.11.1970
(BGBl. 1972 II S. 385, in Kraft getreten am 1.1.1973,
BGBl. 1973 II S. 113) enthaltenen Verschlechterungsver-
bote für den Rechtsstatus vieler türkischer Staatsangehöri-
ger sowie ihrer Familienangehörigen relevant geworden.

Die Klarstellungen, dass und welche Regelungen für die
vom Assoziationsrecht Begünstigten (türkische Staatsange-
hörige und ihrer Familienangehörigen) gelten, mussten da-
bei mühsam vor dem EuGH erstritten werden, so dass mitt-
lerweile über 50 Entscheidungen des EuGH zu diesen Fra-
gen vorliegen. Im nationalen Ausländerrecht (insbesondere
dem Aufenthaltsgesetz – AufenthG) findet der wahre
Rechtsstatus der Betroffenen jedenfalls keinen klaren Aus-
druck. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG setzt lediglich voraus,
dass sich aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein
Aufenthaltsrecht ergeben kann. In welchen Fällen ein sol-
ches Aufenthaltsrecht entsteht und welche Rechte damit
verbunden sind, darüber lässt das Gesetz Betroffene wie
Rechtsanwender völlig im Unklaren. Auch im Zusammen-
hang mit der Aufenthaltsbeendigung enthält § 50 Abs. 1
AufenthG lediglich einen „Platzhalter“. Der Bestimmung,
wonach eine Ausländerin bzw. ein Ausländer zur Ausreise
verpflichtet ist, wenn ein Aufenthaltsrecht nach dem Asso-
ziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr be-
steht, folgen keinerlei nähere Bestimmungen, unter welchen
Voraussetzungen Assoziationsrechtsberechtigte ihr Aufent-
haltsrecht in Deutschland verlieren können. Darüber hinaus
enthält das AufenthG für die Assoziationsberechtigten nur
noch eine zusätzliche Bürde, die vom Assoziationsrecht
überhaupt nicht verlangt wird. § 4 Abs. 5 AufenthG be-

klaratorische Bedeutung hat, nicht oder nicht rechtzeitig be-
antragt worden ist.

Gerade der letztgenannte Punkt verdeutlicht: Mit Restriktio-
nen hat sich der Gesetzgeber bisher durchaus befasst; die
Rechtslage für Betroffene und Behörden klar und deutlich
zu machen, hat er aber versäumt. Schon nach allgemeinem
deutschem rechtspolitischem Verständnis verträgt sich dies
nicht mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der verlangt, dass die
Normunterworfenen ihre Rechte auch klar erkennen können
sollten. Ein Fachgespräch der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, in dem sich insbesondere Prof. Dr. Jürgen Bast
zu dieser Frage geäußert hat, kam zu dem Ergebnis, dass
sich ein entsprechendes Gebot auch gerade aus dem Europa-
recht ergibt. Demnach verlangt der EuGH, dass „die Betrof-
fenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen [...]
können“ (EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – Rs. C-344/04, Interna-
tional Air Transport Association, Slg. 2006, I-403, Rn. 68).
Nach seiner Rechtsprechung muss die Rechtsanwendung
ferner für die Betroffenen vorhersehbar sein (EuGH, Urt. v.
22.11.2001 – Rs. C-301/97, Niederlande/Rat, Slg. 2001, I-
8853, Rn. 43). Schließlich ist besonders darauf hinzuwei-
sen, dass es nach Auffassung des Gerichtshofes nicht hin-
nehmbar ist, dass „die betroffenen Normadressaten bezüg-
lich der ihnen eröffneten Möglichkeiten, sich auf das Ge-
meinschaftsrecht zu berufen, in einem Zustand der Unge-
wissheit gelassen werden“ (EuGH, Urt. v. 11.6.1991 –
Rs. C-307/89, Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-2903,
Rn. 13). Genau dieser Zustand besteht aber wie dargelegt
bei den vom Assoziationsrecht Begünstigten. Eine Klarstel-
lung im nationalen Recht ist damit auch ein europarecht-
liches Gebot. Gegen eine derartige Klarstellung kann dabei
auch nicht damit argumentiert werden, es gäbe ein Verbot
die europarechtliche Rechtslage im nationalen Recht klarzu-
stellen. Die dieses Verbot betreffende Rechtsprechung des
EuGH bezieht sich primär auf den Verordnungsbereich (um
den es hier nicht geht) und selbst in diesem Bereich kann es
(so wie hier) nach der Rechtsprechung des EuGH geboten
sein, „im Interesse ihres inneren Zusammenhangs und ihrer
Verständlichkeit für die Adressaten bestimmte Punkte [zu]
wiederholen“ (EuGH, Urt. v. 28.3.1985 – Rs. 272/83, Kom-
mission/Italien, Slg. 1985, 1057, Rn. 27). Die danach ge-
mäß dem (deutschen und europäischen) Rechtsstaatsgebot
erforderliche Klarstellung der Rechtslage leistet der vorlie-
gende Gesetzentwurf. Dies gilt auch soweit der EuGH
Rechtsfragen nur abstrakt beantwortet hat, eine Einzelfall-
konstellation aber noch nicht ganz konkret entschieden ist
(siehe etwa unten: Artikel 1 Nummer 13 zu den Folgen
einer verspäteten Beantragung der Verlängerung einer Auf-
enthaltserlaubnis). Denn den mühsamen Weg über den
EuGH will der Entwurf den Betroffenen gerade ersparen.

Gesondert ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzentwurf
auch rechtspolitische Fragen entscheidet, die nicht zwingend
Nr. 1 AufenthG ein Bußgeld vor, falls der Aufenthaltstitel,
der nach ständiger Rechtsprechung des EuGH lediglich de-

Rahmen z. B. offenstehen, die Dauer der Bescheinigung
über das Aufenthaltsrecht auszugestalten (vgl. BVerwG,

Drucksache 17/12193 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Urt. v. 22.5.2012 – 1 C 6.11, InfAuslR 2012, 350). Nationale
Voraussetzungen und Kriterien kann er jedoch nach Entste-
hen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechtes nicht
mehr verlangen. Deshalb erscheint es – auch zur Verwal-
tungsvereinfachung – geboten ohne Prüfung solcher Voraus-
setzungen nach fünfjährigem Aufenthalt (der allgemeinen
Frist für die Erteilung einer zeitlich unbefristeten Erlaubnis)
eine unbefristete Bescheinigung zu erteilen.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Folgeänderung der Einfügung von Nummer 11.

Zu Nummer 2 (§ 4)

Zu Buchstabe a

Durch die Einfügung wird die seit dem Ausländergesetz
vom 28.4.1965 (AuslG 1965 – BGBl. I S. 353) bis zum
15. Januar 1997 geltende Rechtslage wiederhergestellt, wo-
nach Kinder unter 16 Jahren mit Staatsangehörigkeit der
Türkei visumsfrei einreisen konnten und für ihren Aufent-
halt keines Aufenthaltstitels bedurften. Bis zum 15. Januar
1997 waren Kinder aus der Türkei und den anderen ehema-
ligen Anwerbestaaten vom Besitz eines Visums und eines
Aufenthaltstitels befreit. Nach dem AuslG 1965 (§ 2 Abs. 1
Nr. 1) waren noch alle Kinder vor Vollendung des 16. Le-
bensjahres vom Besitz eines Aufenthaltstitels befreit. Unter
dem Ausländergesetz vom 9.7.1990 (AuslG 1990 – BGBl. I
S. 1354) war in § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchfüh-
rung des Ausländergesetzes vom 18.12.1990 (DVAuslG –
BGBl. I S. 2983) dann noch eine Befreiung für Kinder unter
16 Jahren aus den Europäischen Gemeinschaften und den
ehemaligen Anwerbestaaten vorgesehen. Die mit der Ver-
ordnung vom 11. Januar 1997 zur Änderung der DVAuslG
(BGBl. I S. 4) vorgenommene Aufhebung der Befreiung
vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels verstieß in Bezug
auf die Kinder von Assoziationsrechtsberechtigten gegen
das Verschlechterungsverbot des Art. 13 ARB 1/80. Der
EuGH hat inzwischen mehrfach klargestellt, dass die im
ARB 1/80 enthaltenen Vorschriften zur Begünstigung der
Familienzusammenführung auch dazu dienen, die Beschäf-
tigung und den Aufenthalt der türkischen Arbeitnehmerin
bzw. des türkischen Arbeitnehmers, der sich bereits ord-
nungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat,
zu begünstigen (vgl. zuletzt Urt. v. 19. Juli 2012 – Rs. C-45/
11, Dülger, NVwZ 2012, 1235, Rn. 39 m. w. Nachw.). Dar-
aus ergibt sich, dass es sich bei Verschärfungen im Bereich
der Familienzusammenführung um nach Art. 13 ARB 1/80
unzulässige neue Beschränkungen für die Rechte der in
Deutschland bereits ordnungsgemäß beschäftigten Arbeit-
nehmer handelt. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Wider-
spruch dazu, dass der EuGH aus dem Assoziationsrecht bis-
her kein originäres Recht auf Familienzusammenführung
abgeleitet hat. Denn im Zusammenhang mit der Aufhebung
der Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels geht
es nicht um die Einräumung originärer Nachzugsrechte aus
dem Assoziationsrecht, sondern darum dass sich neue ge-

beitsmarkt zugelassenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, – auswirken können und die daher gegen das Ver-
schlechterungsverbot verstoßen. Die Befreiung vom Besitz
eines Aufenthaltstitels führte im Übrigen auch nach der
alten Rechtslage unter dem AuslG 1965 und dem AuslG
1990 nicht zu einem voraussetzungslosen Aufenthalt für die
Betroffenen. Vielmehr konnte der Aufenthalt beschränkt
und von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht wer-
den (vgl. § 7 Abs. 5 AuslG 1965 und § 3 Abs. 5 AuslG
1990, Kanein/Renner, AuslR, 5. Aufl. 1992, § 3 AuslG
Rn. 16). Eine entsprechende Regelung enthält auch § 12
Abs. 4 AufenthG für den Aufenthalt von Ausländerinnen
und Ausländern, die keines Aufenthaltstitels bedürfen.
Überdies gilt die Regelung nur für Kinder, bei denen ein
Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Assozia-
tionsrechts besitzt.

Zu Buchstabe b

Durch die Neufassung erhält der Aufenthaltstitel für Asso-
ziationsrechtsberechtigte einen die aufenthaltsrechtlich ver-
festigte Rechtsstellung der Assoziationsrechtsberechtigten
klar zum Ausdruck bringenden Gehalt. Der EuGH hat von
Beginn an herausgehoben, dass die nach Art. 6 Abs. 1 oder
Art. 7 1/80 ARB vorgesehenen Rechte auf Zugang zum
Arbeitsmarkt, zwangsläufig ein Aufenthaltsrecht implizie-
ren, da andernfalls diese Rechte völlig wirkungslos wären
(st. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 20.9.1990 – Rs. C-192/89,
Sevince, Slg. 1990, I-3641, Rn. 29; Urt. v. 5.10.1994 – Rs.
C-355/93, Eroglu, Slg. 1994, I-5113, Rn. 17 ff.). Die Auf-
enthaltsrechte bestehen dabei unmittelbar kraft Assozia-
tionsrechts, woraus folgt, dass ein Aufenthaltstitel in diesen
Fällen nur deklaratorische Bedeutung hat (EuGH, Urt. v.
1.4.1997 – Rs. C-351/95, Kadiman, Slg. 1997, I-2133,
Rn. 51), weshalb die Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5
auch „ausgestellt“ und nicht „erteilt“ wird. Das Bundesver-
waltungsgericht (Urt. v. 22. Mai 2012 – 1 C 6.11, InfAuslR
2012, 350) hat jüngst allerdings entschieden, dass die bisher
übliche Form einer Bescheinigung des assozia-
tionsrechtlichen Aufenthaltsrechts mit einer befristeten Auf-
enthaltserlaubnis nach dem geltenden § 4 Abs. 5 den Anfor-
derungen des Assoziationsrechts nicht genügt. Denn es
fehle an der Bescheinigung des assoziationsrechtlich be-
gründeten Daueraufenthaltsrechts. Das könne im Rechtsver-
kehr, etwa beim Abschluss längerfristiger Verträge wie z. B.
Mietverträgen, zu Benachteiligungen der Betroffenen füh-
ren, da für den Rechtsverkehr bei einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 4 Abs. 5 nach geltendem Recht nicht erkennbar sei,
dass diesem Titel ein Daueraufenthaltsrecht zu Grunde
liege. Wer z. B. als Familienangehöriger nach Art. 7 Abs. 1
zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 ein Daueraufenthaltsrecht
habe, das nur unter sehr engen Voraussetzungen erlöschen
könne, habe, so das Bundesverwaltungsgericht, ein berech-
tigtes Interesse daran, dass dieses Daueraufenthaltsrecht
auch nach außen erkennbar bescheinigt werde. Die in der
gegenwärtigen Praxis noch übliche Ausstellung und Verlän-
gerung einer auf höchstens drei Jahre befristeten Aufent-
haltserlaubnis genügt diesen Anforderungen nicht. Das
Bundesverwaltungsgericht verlangt daher eine Bescheini-
gung, mit der die Betroffenen im Rechtsverkehr das ihnen
zustehende Daueraufenthaltsrecht auf einfache und praxis-
setzliche Bestimmungen negativ auf die Integration der
nach dem Assoziationsrecht Berechtigten, – bereits zum Ar-

gerechte Weise dokumentieren können. Diesem Anliegen
dient die Vorschrift damit, dass sie vorsieht, dass die Auf-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/12193

enthaltserlaubnis das bestehende Daueraufenthaltsrecht be-
scheinigt. Eine Differenzierung zwischen den sich nach
Artikel 6 und Artikel 7 ARB 1/80 ergebenden Aufenthalts-
rechten für einerseits Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und andererseits ihren Familienangehörigen bzw. nach den
jeweils unterschiedlichen Verfestigungsstufen dieser Vor-
schriften ist in diesem Zusammenhang nicht geboten. Wie
auch § 4 Abs. 3 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes voraussetzt, handelt es sich
bei allen aus Art. 6 und Art. 7 ARB 1/80 abgeleiteten Auf-
enthaltsrechten um unbefristete Aufenthaltsrechte (vgl. die
Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums
des Innern vom 17. April 2009 zum Staatsangehörigkeitsge-
setz, Nummer 4.3.1.3 und Nummer 10.1.1.2). In Ausnah-
mefällen gebotene Differenzierungen kann durch eine ent-
sprechende Befristung des Aufenthaltstitels Rechnung ge-
tragen werden.

Aufgrund der in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Rechts-
stellung der Assoziationsrechtsberechtigten und der frei-
zügigkeitsberechtigten Unionsbürgerinnen und Unions-
bürger bzw. deren Familienangehörigen liegt es nahe, die
ebenfalls deklaratorische Aufenthaltserlaubnis nach dieser
Vorschrift, wie in § 5 Abs. 1 und 2 des Freizügigkeitsge-
setzes/EU vorgesehen, von Amts wegen zu erteilen.

Klargestellt wird auch, dass neben der Aufenthaltserlaubnis
nach § 4 Abs. 5 noch weitere Aufenthaltstitel erteilt werden
können, weil z. B. auch ein weiterer Aufenthaltszweck wie
der Nachzug zu einer bzw. einem deutschen Staatsangehöri-
gen erfüllt sein kann und sich hieraus z. B. weitergehende
Rechte in Bezug auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit er-
geben können (vgl. Bundesverwaltungsgericht, a. a. O.,
Rn. 30). Darüber hinaus wird ausdrücklich bestimmt, dass
günstigere Regelungen im AufenthG oder anderen gesetzli-
chen Vorschriften für Assoziationsrechtsberechtigte weiter-
hin anwendbar bleiben, da mit der Einführung der ihren
Daueraufenthalt bescheinigenden Aufenthaltserlaubnis in
keinem Fall eine Verschlechterung ihrer Rechtsstellung ver-
bunden sein soll. Eine entsprechende Regelung enthielt § 15
des Aufenthaltsgesetzes/EWG vom 22.7.1969 (BGBl. I
S. 927) für Angehörige der EWG.

Zu Buchstabe c

Die Einfügungen dienen der rechtsstaatlichen Transparenz
und der Vereinfachung der Rechtsanwendung. Die zentralen
Bestimmungen des Assoziationsrechts für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen sowie
für die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die bis-
lang weder im Gesetzesblatt der Bundesrepublik Deutsch-
land noch dem der Europäischen Union bzw. ihrer Vor-
gänger veröffentlicht worden sind, werden hiermit in das
AufenthG integriert. Anstatt wie bislang erforderlich müs-
sen die Betroffenen und die Rechtsanwender nun nicht mehr
neben dem Gesetzestext noch mehrere europarechtliche
Rechtsakte zu Rate ziehen, um wesentliche Grundbegriffe
für die Rechtsposition der zahlenmäßig größten Gruppe von
Migrantinnen und Migranten in Deutschland (vgl. Statisti-
sches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2, 2010, Tabelle 12)
aufzufinden.

Der in Art. 6 ARB 1/80 verwendete Arbeitnehmerbegriff ist

wie im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit
von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern (Art. 45 AEUV).
In der Rechtssache Genc (EuGH, Urt. v. 4.2.2010 – Rs. C-14/
09, Slg. 2010, I-931, Rn. 19 f.) hat der EuGH seine Recht-
sprechung zum Arbeitnehmerbegriff wie folgt zusammenge-
fasst: „Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat,
kommt dem Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Art. 39
EG [jetzt: Art. 45 AEUV] eine für das Unionsrecht autonome
Bedeutung zu, und er darf nicht eng ausgelegt werden. Als
„Arbeitnehmerin“ bzw. „Arbeitnehmer“ ist jede Person an-
zusehen, die bzw. der eine tatsächliche und echte Tätigkeit
ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen
so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig unterge-
ordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merk-
mal des Arbeitsverhältnisses besteht nach der Rechtspre-
chung des Gerichtshofs darin, dass jemand während einer be-
stimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leis-
tungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung
erhält […].Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die
Herkunft der Mittel für diese Vergütung oder der Umstand,
dass der Betreffende die Vergütung durch andere Mittel zur
Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen
Mitteln des Wohnmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unter-
stützung zu ergänzen sucht, kann irgendeine Auswirkung auf
die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts ha-
ben […].“ Eine Arbeitnehmereigenschaft kann danach u. a.
bei einer geringfügigen Beschäftigung mit weniger als 6 Ar-
beitsstunden pro Woche (EuGH, Genc, a. a. O.; BVerwG,
Urt. v. 19.4.2012 – 1 C 10/11, InfAuslR 2012, 243) oder bei
einer Beschäftigung während eines Studiums vorliegen – un-
abhängig davon, zu welchem Zweck die Einreise gestattet
wurde (EuGH, Urt. v. 24.1.2008 – Rs. C-294/06, Payir, Slg.
2008, I-203,Rn. 40 ff.).

Art. 7 ARB 1/80 privilegiert die Familienangehörigen eines
dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Ar-
beitnehmers oder einer Arbeitnehmerin und zwar unabhän-
gig von der Staatsangehörigkeit der Familienangehörigen
(EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-451/11, Dülger, NVwZ
2012, 1235, Rn. 34 ff.). Abgestuft nach der Aufenthalts-
dauer im Inland (Satz 1) oder aufgrund einer im Inland
abgeschlossenen Berufsausbildung (Satz 2) erhalten die
Familienangehörigen eingeschränkten bzw. freien Zugang
zum Arbeitsmarkt. Die dabei erworbenen Rechtspositionen
werden durch die Aufhebung der familiären Bande oder den
Wegzug der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers aus
dem Bundesgebiet nicht berührt (EuGH, Urt. v. 16.3.2000 –
Rs. C-329/97, Ergat, Slg. 2000, I-1487, Rn. 26 f.).

In dem neuen Absatz 8 werden für die Rechtsanwenderin
bzw. den Rechtsanwender leicht ersichtlich die jeweils für
Deutschland maßgeblichen Zeitpunkte der verschiedenen
assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote aufge-
führt. Dies kann insbesondere im Hinblick auf Konstellatio-
nen, die von dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht oder
nicht in allen Einzelheiten erfasst sind, bedeutsam sein. Klar
gestellt wird darüber hinaus entsprechend der Rechtspre-
chung des EuGH, dass nach dem Inkrafttreten der Ver-
schlechterungsverbote eingeführte Verbesserungen nicht
mehr zurückgenommen werden dürfen (Urt. v. 9.12.2010,
Rs. C-300/09 und C-301/09, Toprak und Oguz, Slg. 2010,
ein unionsrechtlicher Begriff, der genau so zu verstehen ist, I- 12845, Rn. 55).

Drucksache 17/12193 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zu Nummer 3 (§ 7)

Die Einfügung zielt darauf eine nach dem Assoziationsrecht
unzulässige Diskriminierung von Staatsangehörigen der
Türkei zu überwinden. Die Anwendungshinweise des Bun-
desministeriums des Innern zum ARB 1/80 vom 2.5.2002
sehen nämlich bislang in Nr. 1.6.2 vor, dass bei Staatsange-
hörigen der Türkei eine Befristung der Aufenthaltserlaubnis
z. B. bei Spezialitätenköchinnen und Spezialitätenköchen
derart vorzunehmen ist, dass sie das Hineinwachsen in eine
Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 verhindert. Dies ist
ein klarer Verstoß gegen das Assoziationsrecht und die
Rechtsprechung des EuGH. In der Rechtssache Ertanir
(Urt. v. 30.9.1997 – Rs. C-98/96, Slg. 1997, I-5179,
Rn. 31 ff.) hat der EuGH ausdrücklich in Bezug auf die
deutsche Regelung zu den Spezialitätenköchinnen und Spe-
zialitätenköchen entschieden, dass durch nationale Regelun-
gen ein Hineinwachsen in geschützte Rechtspositionen nach
Art. 6 ARB 1/80 nicht ausgeschlossen werden kann. Durch
die in den Vorläufigen Anwendungshinweisen vorgesehene
diskriminierende Befristungsregelung wird diese Rechtspre-
chung aber offensichtlich in unzulässiger, weil diskriminie-
render Weise unterlaufen.

Zu Nummer 4 (§ 9)

Die Einfügung trägt dem Umstand Rechnung, dass das As-
soziationsrecht EWG/Türkei im Grunde ein eigenständiges
Regime der Aufenthaltsverfestigung vorsieht, das im We-
sentlichen auf die erfolgreiche Integration in den Arbeits-
markt sowie die Aufenthaltsdauer abstellt. In der Rechtspra-
xis führt es aber zu integrationspolitisch bedenklichen Irrita-
tionen bei den Betroffenen, wenn die Voraussetzungen für
die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hierauf nicht
abgestimmt sind, zumal es sehr fraglich ist, ob die seit der
Geltung der assoziationsrechtlichen Verschlechterungsver-
bote eingeführten Verschärfungen zum Erwerb eines Dauer-
aufenthaltstitels in Form der Niederlassungserlaubnis mit
dem Europarecht vereinbar sind (vgl. Zeran, Asylmagazin
2011, 398, 400). Denn nach der Entscheidung des EuGH in
der Rechtssache Toprak und Oguz (Urt. v. 9.12.2010 – C-
300/09 u. 301/09, Slg. 2010, I-12845, Rn. 40 f.) können
auch Regelungen, die sich nicht unmittelbar auf den Ar-
beitsmarktzugang beziehen, die aber sonstige Auswirkun-
gen auf das Aufenthaltsrecht der Betroffenen haben, in den
Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbots nach
Art. 13 ARB 1/80 fallen. Es spricht viel dafür, dass hierzu
auch Verschärfungen bei den Voraussetzungen für den Er-
werb eines Daueraufenhaltstitels gehören, denn wie das
Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 22.5.2012 – 1 C 6.11,
InfAuslR 2012, 350, Rn. 28) entschieden hat, kann die feh-
lende Nachweismöglichkeit eines Daueraufenthaltsrechts in
der Rechtspraxis erhebliche Nachteile mit sich bringen.

Zudem trägt die Einfügung dem Umstand Rechnung, dass
insbesondere bei Rentnerinnen und Rentnern, die endgültig
aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, das Aufenthalts-
recht assoziationsrechtlich nicht vorgegeben ist (vgl. EuGH,
Urt. v. 6.6.1995 – Rs. C-434/93, Bozkurt, Slg. 1995, I-1475,
Rn. 39 f.). Hier für eine großzügige Regelung zu sorgen,
entspricht auch der Anerkennung der Lebensleistung der
Betroffenen. Dem wird in Satz 2 Nr. 1 mit der Gewährung

setzungen für die Bescheinigung eines Daueraufenthalts-
rechts für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger (§ 4a Abs. 1
FreizügG/EU) orientiert. Ebenfalls orientiert an der entspre-
chenden Rechtsstellung für Unionsbürgerinnen und Unions-
bürger (§ 4 Abs. 2 FreizügG/EU) werden in Satz 2 Nr. 2
spezielle Regelungen für den Fall des (vorzeitigen) Aus-
scheidens aus dem Erwerbsleben aufgenommen, um Härte-
fälle zu vermeiden.

Zu Nummer 5 (§ 21)

§ 21 AufenthG stellt in seiner derzeit geltenden Fassung
eine nach Art. 41 ZusProt unzulässige Verschärfung der
Niederlassungsfreiheit dar, da eine Aufenthaltserlaubnis
zum Zwecke der Ausübung der selbständigen Tätigkeit da-
nach insbesondere nur dann erteilt werden darf, wenn sie im
öffentlichen Interesse liegt. Eine so hohe Hürde sah aber das
AuslG 1965 und die zum maßgeblichen Zeitpunkt des In-
krafttretens des Zusatzprotokolls am 01.01.1973 geltende
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AuslG 1965 für die
Zulassung einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht vor
(so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
23.072012 – 17 B 779/12, InfAuslR 2012, 354 f.). Die hier
vorgesehene Regelung stellt daher für vom Assoziations-
recht begünstigte Personen den Rechtszustand nach dem
AuslG 1965 und der hierzu ergangenen Rechtsprechung
wieder her. Danach ist an die Anforderungen im Einzelnen
kein allzu strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerwG,
Urt. v. 27.9.1978 – 1 C 28.77, DÖV 1979, 374;
Urt. v. 9.5.1986 – 1 C 39.83, BVerwGE 74, 65).

Zu Nummer 6 (§ 30)

Durch die Änderung wird sichergestellt, dass der Ehegatten-
nachzug mit dem Assoziationsrecht konform geregelt wird.
Das Erfordernis des Nachweises von Deutschkenntnissen
durch nachziehende Ehegatten sowie die Einführung eines
Ehegattennachzugsalters von mindestens 18 Jahren wurden
erst nach Inkrafttreten der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB
1/80, also am 1.12.1980, durch das Richtlinienumsetzungs-
gesetz vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970), das insoweit am
28.8.2007 in Kraft getreten ist, eingeführt. Verschärfungen
des Familiennachzugs wirken sich aber negativ auf die
Arbeitnehmerfreizügigkeit aus und verstoßen daher gegen
die Stillhalteklausel. Der EuGH hat in der Rechtssache
Toprak und Oguz (Urt. v. 9.12.2010 – C-300/09 u. 301/09,
Slg. 2010, I-12845, Rz. 40 f.) klargestellt, dass die Mitglied-
staaten verpflichtet sind, auch solche neuen Beschränkun-
gen zu unterlassen, die nicht unmittelbar die Arbeitnehmer-
freizügigkeit betreffen, die sich aber mittelbar auf diese
negativ auswirken können. Weiterhin hat der EuGH in-
zwischen klargestellt, dass sich die assoziationsrechtlichen
Verschlechterungsverbote auch auf die Bedingungen erst-
maligen Einreise beziehen (EuGH, Urt. 20.9.2007 –
Rs. C- 16/05, Tum und Dari, Slg. 2007, I-7415, Rn. 57 ff.,
zum Verschlechterungsverbot des Art. 41 ZusProt in Bezug
auf die Niederlassungsfreiheit und EuGH, Urt. v. 17.9.2009 –
Rs. C-42/06, Sahin, Slg. 2009, I-8465, Rn. 65, zur Gleich-
artigkeit der Verschlechterungsverbote in Art. 41 ZusProt
und Art. 13 ARB 1/80). Der EuGH hat inzwischen auch
mehrfach klargestellt, dass die im ARB 1/80 enthaltenen
Vorschriften zur Begünstigung der Familienzusammenfüh-
eines speziellen Anspruches auf Erteilung einer Niederlas-
sungserlaubnis Rechnung getragen, der sich an den Voraus-

rung auch dazu dienen, die Beschäftigung und den Aufent-
halt der türkischen Arbeitnehmerin bzw. des türkischen Ar-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/12193

beitnehmers, der sich bereits ordnungsgemäß in den Auf-
nahmemitgliedstaat integriert hat, zu begünstigen (vgl. zu-
letzt Urt. v. 19. Juli 2012 – Rs. C-45/11, Dülger, NVwZ
2012, 1235, Rn. 39 m. w. Nachw.). Daraus ergibt sich, dass
es sich bei Verschärfungen beim Ehegattennachzug um nach
Art. 13 ARB 1/80 unzulässige neue Beschränkungen für die
Rechte der in Deutschland bereits ordnungsgemäß beschäf-
tigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handelt. Damit
steht dieses Ergebnis auch nicht in Widerspruch dazu, dass
der EuGH aus dem Assoziationsrecht bisher kein originäres
Recht auf Familienzusammenführung abgeleitet hat. Denn
es geht in diesem Zusammenhang nicht um Ableitung eines
originären Rechts auf Ehegattennachzug aus dem ARB 1/
80, sondern im Einklang mit dem Wortlaut des Art. 13 ARB
1/80 um die Verhinderung von Verschärfungen für die Inte-
gration des sich bereits im Bundesgebiet ordnungsgemäß
aufhaltenden Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin.

Zu Nummer 7 (§ 31)

Zu Buchstabe a

Die Einfügung stellt klar, dass die Verlängerung der Ehe-
mindestbestandszeit von zwei auf drei Jahren durch das Ge-
setz zur Bekämpfung von Zwangsheirat vom 23.6.2011
(BGBl. I S. 1266) für die Gewährung eines eigenständigen
Aufenthaltsrechts gegen das assoziationsrechtliche Ver-
schlechterungsverbot verstößt und daher für vom Assozia-
tionsrecht begünstigte Personen nach wie vor die seit der
Neufassung vom 25.5.2000 des § 19 AuslG 1990 (BGBl. I
S. 742) vorgesehene zweijährige Mindestehebestandszeit,
anzuwenden ist. Zwar bestand unter dem AuslG 1990 zu-
nächst eine vierjährige Mindestehebestandszeit. Der EuGH
hat in der Rechtssache Toprak und Oguz (Urt. v. 9.12.2010,
Rs. C-300/09 und C-301/09, Slg. 2010, I-12845, Rn. 55)
allerdings ausdrücklich im Hinblick auf eine vergleichbare
Konstellation in den Niederlanden zum eigenständigen Auf-
enthaltsrecht von Ehegatten und Verschärfungen der Ehe-
mindestbestandszeit klargestellt, dass das Verschlechte-
rungsverbot nach Art. 13 ARB 1/80 dynamisch auszulegen
ist. Danach dürfen Verbesserungen für vom Assoziations-
recht Begünstigte, die nach dem 1. Dezember 1980 einge-
führt wurden, nicht mehr zurückgenommen werden, weil
dies den Zielen des Assoziationsrechts widerspräche. Die
Einführung einer dreijährigen Ehemindestbestandszeit in
§ 31 Absatz 1 Nr. 1 verstößt gegen dieses dynamische Ver-
schlechterungsverbot. Dies wird auch von der Bundesregie-
rung zugestanden, allerdings hält sie aus unerfindlichen
Gründen eine gesetzgeberische Klarstellung nicht für erfor-
derlich (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4623, S. 3). Dabei
bezieht sich das Verschlechterungsverbot nach der Recht-
sprechung des EuGH ausdrücklich insbesondere auf diejeni-
gen Personen, die noch kein nach dem Assoziationsrecht
verfestigtes Aufenthaltsrecht haben (EuGH, Urt. v.
17.9.2009 – Rs. C-42/06, Sahin, Slg. 2009, I-8465, Rn. 50 f.;
Toprak und Oguz, a. a. O, Rn. 45). Da Personen mit einem
assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht bereits über ein ei-
genständiges Aufenthaltsrecht verfügen, war im Zusam-
menhang mit dem eigenständigen Aufenthaltsrecht für Ehe-
gatten nur der Personenkreis zu erfassen, der noch nicht
über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt,
der aber in ein solches absehbar hineinwachsen kann, weil

handelt, denen eine erste Aufenthaltserlaubnis erteilt wor-
den ist. Zur Bestimmung dieses Personenkreises orientiert
sich die Formulierung an Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/
86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das
Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 vom
3.10.2003, S. 12).

Zu Buchstabe b

Folgeänderung zu Buchstabe a, mit der klargestellt wird,
dass in Härtefällen auch bei einer Ehebestandszeit unter
zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist.

Zu Nummer 8 (§ 34)

Folgeänderung zu Nummer 2 Buchstabe a: Gleichstellung
von Zeiten, in denen Betroffene nach § 4 Abs. 1 Satz 2
(neu) vom Besitz eines Aufenthaltstitels freigestellt wurden
mit den Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis.

Zu Nummer 9 (§ 35)

Mit der Einfügung werden die Zeiten, in denen Kinder unter
16 Jahren nach § 4 Abs. 1 Satz 2 (neu) vom Besitz eines
Aufenthaltstitels befreit sind, den Zeiten des Besitzes einer
Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis nach § 35 gleichgestellt. Dies ent-
spricht der früheren Rechtslage zur Erteilung einer unbefris-
teten Aufenthaltserlaubnis nach § 26 AuslG 1990 (vgl.
Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländerge-
setz, 1991, S. 190). Die Regelung entspricht damit auch im
Wesentlichen der Rechtslage unter dem AuslG 1965. Ge-
mäß den Verwaltungsvorschriften zu § 7 AuslG 1965 war in
Nummer 4 Abs. 3 (abgedruckt in Kanein, Ausländerrecht,
4. Aufl. 1988, zu § 7 AuslG) vorgesehen, dass Kindern, die
sich vor Vollendung des 16. Lebensjahres ununterbrochen
fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatten und weiter-
hin aufhielten, in der Regel schon die erste Aufenthaltser-
laubnis unbefristet zu erteilen war (vgl. Zeran, Asylmagazin
2011, S. 398, 440).

Zu Nummer 10 (§ 52)

Zu Buchstabe a

Folgeänderung zu Nummer 2 Buchstabe a: Anpassung eines
Verweises.

Zu Buchstabe b

Die Einfügung füllt § 50 Abs. 1 aus, der bislang nur voraus-
gesetzt hat, dass im Hinblick auf eine möglicherweise beste-
hende Ausreisepflicht zu prüfen ist, ob ein Aufenthaltsrecht
nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht bzw.
nicht mehr besteht. Das geltende Gesetz hat dies allerdings
nur vorausgesetzt und keinerlei Regelung dafür vorgesehen,
wie der Verlust eines entsprechenden Rechtes festgestellt
werden kann. Dabei legt bereits die Formulierung des § 50
Abs. 1 es nahe, dass für die Ausreisepflicht neben der Fest-
stellung, dass ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziations-
abkommen EWG/Türkei nicht bzw. nicht mehr besteht, es
noch darauf ankommt, dass die Betroffenen nicht (mehr) im
Besitz eines Aufenthaltstitels sind. Die damit angelegte
Zweigleisigkeit im Hinblick auf die Aufenthaltsbeendigung
es sich um Staatsangehörige der Türkei oder ihre Familien-
angehörigen (unabhängig von deren Staatsangehörigkeit)

von Assoziationsrechtsberechtigten hat allerdings bisher in
der Praxis keine Rolle gespielt. Nunmehr wird daher be-

Drucksache 17/12193 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stimmt, dass neben der Feststellung des Verlustes des Auf-
enthaltsrechts nach dem Assoziationsabkommen EWG/
Türkei für das Bestehen einer Ausreisepflicht noch ein ggf.
ausgestellter Aufenthaltstitel widerrufen werden muss.
Hierzu nimmt die Regelung zum einen Bezug auf die Fest-
stellung nach § 56a (neu), die sich auf den Verlust des Auf-
enthaltsrechts nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 wegen einer
tatsächlichen und schwerwiegenden Gefährdung der öffent-
lichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit bezieht und
regelt zum andern, wann sich ansonsten der Verlust der sich
aus Art. 6 und 7 ARB ergebenden Aufenthaltsrechte erge-
ben kann.

Für das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 kommt ein
Verlust nur bei einem endgültigen Ausscheiden aus dem Ar-
beitsmarkt in Betracht (st. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 6.6.1995
Rs. – C-4347/93, Bozkurt, Slg. 1995, I-1475, Rn. 39 f.). Das
liegt nach der Rechtsprechung des EuGH noch nicht bei ei-
ner freiwilligen Kündigung vor. Insoweit ist im Einzelfall
ein angemessener Zeitraum zur Arbeitssuche zu bestimmen,
der zumindest lang genug sein muss, um die tatsächliche
Chance zu gewähren, eine neue Arbeit zu finden (EuGH,
Urt. v. 23.1.1997 – Rs. C-171/95, Tetik, Slg. 197, I-329,
Rn. 32 ff.).

Das sich aus Art. 7 ARB 1/80 ableitende Aufenthaltsrecht
kann nach der Rechtsprechung des EuGH nur unter sehr
eingeschränkten Voraussetzungen verloren gehen, nämlich
nur dann wenn das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitglied-
staats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berech-
tigte Gründe verlassen wird. Eine längere Abwesenheit vom
Arbeitsmarkt etwa wegen der Verbüßung einer Freiheits-
strafe oder wegen einer Drogentherapie führt dagegen nach
der Rechtsprechung des EuGH nicht zum Verlust des sich
aus Art. 7 ARB 1/80 ergebenden Aufenthaltsrechts (EuGH,
Urt. v. 11.11.2004 – Rs. C-467/02, Cetinkaya, Slg. 2004,
I- 10895, Rn. 36; Urt. v. 16.3.2000 – C-329/97, Ergat,
Slg. 2000, I-1487, Rn.45 f. und 48).

Zu Nummer 11 (§ 56a – neu)

Die Einfügung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich für
die Aufenthaltsbeendigung aus Gründen der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit für Assoziationsrechtsberechtigte
aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v.
20.2.2000 – Rs. C-340/97, Nazli, Rn. 56; Urt. v. 11.11.2004
– Rs. C-467/02, Cetinkaya, Slg. 2004, I-10895, Rn. 43 ff.)
im Grunde ein eigenständiges Rechtsregime entwickelt hat,
bei dem die Regelungen des Ausweisungsrechts allenfalls
eingeschränkt Anwendung finden (vgl. Huber in Huber,
Aufenthaltsgesetz, 2010, Art. 14 ARB 1/80 Rn. 2 ff.). Insbe-
sondere das nach dem Aufenthaltsgesetz vorgesehene Re-
gime von Ist- und Regelausweisungen (§§ 53 f.), bei denen
keine umfassende Ermessenausübung in Bezug auf die Auf-
enthaltsbeendigung vorgesehen ist, findet für Assoziations-
rechtsberechtigte nach der Rechtsprechung des EuGH keine
Anwendung. Dies wird durch die Einfügung einer speziel-
len Regelung zur Feststellung des Verlustes des Aufent-
haltsrechts, die die Anwendbarkeit des Ausweisungsrechts
ausschließt, klargestellt. In ihrer Konzeption (Feststellung
des Verlustes des Aufenthaltsrechts) und ihren einzelnen
Voraussetzungen orientiert sich die Regelung entsprechend
der Rechtsprechung des EuGH an der in § 6 FreizügG/EU

Aufenthaltsrechts vorsieht. Nicht übernommen wurde aller-
dings § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, da nach der Entscheidung
des EuGH in der Rechtssache Ziebell (Urt. v. 8.12.2011,
C- 371/08, NVwZ 2012, 422, Rn. 63 ff.) der besondere Aus-
weisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3a der Richtlinie 2004/
38/EG (ABl. Nr. L 158 S. 77), der für Unionsbürgerinnen
und Unionsbürger gilt, die seit zehn Jahren ihren Aufenthalt
im Aufnahmemitgliedstaat haben, nicht auf Assoziations-
rechtsberechtigte übertragbar sein soll.

Zu Nummer 12 (§ 78)

Mit der Einfügung wird den assoziationsrechtlichen Ver-
schlechterungsverboten und dem Diskriminierungsverbot
nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 in Bezug auf die Erhebung
von Gebühren für die Erteilung von Aufenthaltstiteln ent-
sprochen. Die mit der Neufassung des § 78 AufenthG durch
das Gesetz vom 12.4.2011 (BGBl. I S. 610) verbundene Er-
höhung der Gebühren für die Erteilung einer Aufenthalts-
oder Niederlassungserlaubnis sind mit dem Assoziations-
recht nicht vereinbar. Danach werden Aufenthaltstitel nun-
mehr als eigenständige Dokumente mit elektronischem
Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgestellt. Das führte
zu einer deutlichen Erhöhung der Gebühren für die Ertei-
lung von Aufenthaltstiteln (für eine Aufenthaltserlaubnis
mit längerer Gültigkeit als einem Jahr 110,00 Euro statt zu-
vor 60,00 Euro und für eine Niederlassungserlaubnis im Re-
gelfall 135,00 Euro statt 85,00 Euro). Der EuGH hat in Be-
zug auf niederländische Regelungen in zwei Entscheidun-
gen (EuGH, Urt. v. 17.9.2009 – Rs. C-42/06, Sahin,
Slg. 2009, I-8465; Urt. v. 29.4.2010 – Rs. C-92/07, Kom-
mission/Niederlande, Slg. 2010, I-3683) klargestellt, dass
das Erheben von Gebühren unter die assoziationsrechtlichen
Verschlechterungsverbote fallen kann. Diese Grundsätze
sind auch auf die deutsche Rechtslage zu übertragen, wobei
zu berücksichtigen ist, dass Gebühren für die Erteilung von
Aufenthaltstiteln erst durch die am 1.1.1978 in Kraft getre-
tene Gebührenverordnung zum Ausländergesetz vom
20.12.1977 (BGBl. I S. 2840) eingeführt wurden und damit
nach Geltung der Verschlechterungsverbote aus Art. 7 ARB
2/76 für Arbeitnehmer sowie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzpro-
tokolls für Selbständige sowie Dienstleitungserbinger und -
empfänger, allerdings vor Inkrafttreten des Verschlechte-
rungsverbotes in Art. 13 ARB 1/80 am 1.12.1980, das inso-
weit für die Familienangehörigen von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern aus der Türkei maßgeblich ist. Die Ge-
bührenverordnung sah in § 2 u. a. für die Erteilung eines be-
fristeten Aufenthaltstitels mit einer Gültigkeitsdauer von
über einem Jahr 40,00 DM und für einen unbefristeten Auf-
enthaltstitel 50,00 DM vor. Die Einführung neuer Vorschrif-
ten widerspricht nach der Rechtsprechung des EuGH aller-
dings dann nicht dem Verschlechterungsverbot, wenn es an-
dernfalls zu einer nach Art. 59 ZusProt unzulässigen Bes-
serstellung von Assoziationsrechtsberechtigten gegenüber
Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern komme. Allerdings
dürfen den Assoziationsrechtsberechtigten auch in diesem
Fall nur solche neue Pflichten auferlegt werden, die im Ver-
gleich zu denjenigen von Unionsbürgern verhältnismäßig
sind (EuGH Sahin, a. a. O., Rn. 67; Urt. v. 19.2.2009 –
Rs. C-228/06, Soysal, Slg. 2009, I-1031, Rn. 61). Insoweit
ist zu berücksichtigen, dass für die Ausstellung von Auf-
für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger vorgesehenen Re-
gelung, die eine förmliche Feststellung des Verlustes des

enthaltskarten und Daueraufenthaltskarten nach dem
FreizügG/EU an Familienangehörige von Unionsbürgerin-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/12193

nen und Unionsbürgern, die selbst keine Unionsbürgerinnen
bzw. Unionsbürger sind, nach § 47 Abs. 3 AufenthV jeweils
eine Gebühr von 28,80 Euro bzw. 22,80 Euro bei Personen
unter 24 Jahren erhoben wird, was den Gebühren für die
Ausstellung eines Personalausweises entspricht (vgl. § 1 der
Personalausweisgebührenverordnung). Eine entsprechende
Gebührenerhebung wäre danach grundsätzlich auch bei As-
soziationsrechtsbegünstigten vertretbar. Dieses Ergebnis
kann sich zusätzlich auf Erwägungen des Diskriminierungs-
verbotes aus Art. 10 ARB 1/80, das bei Gebührenerhebun-
gen zu beachten ist (Urteil Kommission/Niederlande, a. a. O.,
Rn. 75), stützen. So scheint es angemessen, die nach dem
Assoziationsrecht Begünstigten jedenfalls nicht schlechter
zu behandeln als Personen, die Aufenthaltsrechte aus dem
Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und
ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom
21. Juni 1999 (ABl. L 114 vom 30.4.2002, S. 6) herleiten.
Für diese ist im Hinblick auf eine europarechtliche Gegen-
seitigkeitsbestimmung vorgesehen (vgl. Beschluss und Be-
richt des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bun-
desregierung – Bundestagsdrucksache 17/3354 – Bundes-
tagsdrucksache 17/4464, S. 7), dass sie auf Wunsch weiter-
hin eine Aufenthaltserlaubnis in der bisherigen Form eines
Klebeetiketts mit den deutlich niedrigeren Gebühren wie für
eine Aufenthaltskarte bzw. Daueraufenthaltskarte ausge-
stellt bekommen können. Einbezogen in die Regelung wer-
den auch diejenigen Personen, die noch kein nach dem
Assoziationsrecht verfestigtes Aufenthaltsrecht haben, da
nach der Rechtsprechung des EuGH die Verschlechterungs-
verbote des Assoziationsrechts gerade auch für diesen
Personenkreis gelten (vgl. Begründung zu Nummer 7 Buch-
stabe b).

Zu Nummer 13 (§ 81)

Die Einfügung trägt dem assoziationsrechtlichen Ver-
schlechterungsverbot Rechnung. Nach § 21 Abs. 3 Satz 1
und Satz 3 AuslG 1965 galt bei Beantragung der Aufent-
haltserlaubnis bzw. der Beantragung der Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis der Aufenthalt bis zur Entscheidung
der Ausländerbehörde unabhängig davon, ob der Antrag
rechtzeitig gestellt wurde, der Aufenthalt als erlaubt (vgl.
Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl. 1988, § 21 AuslG Rn. 3).
Durch die Einfügung wird klargestellt, dass sich die vom
Assoziationsrecht Begünstigten auf die Erlaubnisfiktion des
§ 21 Abs. 3 AuslG 1965 auch bei verspäteter Antragstellung
berufen können und insoweit § 81 Abs. 3 Satz 2 auf sie
keine Anwendung findet. Ebenso wird klargestellt, dass die,
ohnehin problematische, Auslegung des § 81 Abs. 4 durch
die Allgemeine Verwaltungsvorschrift (Nummer 81.4.2.1),
wonach die Erlaubnisfiktion ausgeschlossen sein soll, wenn
die Verlängerung nach Ablauf des bestehenden Aufenthalts-
titels beantragt worden ist, in diesen Konstellationen nicht
zulässig ist. Obwohl sich bei Inhaberinnen und Inhabern
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 das Aufenthalts-
recht direkt aus dem Assoziationsrecht ergibt, kann die Be-
stimmung für sie wegen der Beantragung eines anderen
Aufenthaltstitels z. B. bei Ausscheiden aus dem Arbeits-
markt von Bedeutung sein. Im Übrigen ist die Bestimmung
vor allem für diejenigen Personen, die noch kein nach dem

relevant. Der EuGH hat klargestellt, dass die Verschlechte-
rungsverbote des Assoziationsrechts gerade auch für diesen
Personenkreis gelten (vgl. Begründung zu Nummer 7 Buch-
stabe b).

Zu Nummer 14 (§ 84)

Die Änderung trägt dem assoziationsrechtlichen Ver-
schlechterungsverbot Rechnung. Die Bestimmungen in § 84
Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 1 stellen Verschlechterun-
gen beim Aufenthaltsrecht dar, die im AuslG 1965 (§ 21
Abs. 3) noch nicht enthalten waren und die erst nach In-
krafttreten des Verschlechterungsverbotes des Art. 13 ARB
1/80 zum 1.12.1980 durch das AuslG 1990 (§ 71 Abs. 2)
bzw. durch das AufenthG eingeführt worden sind. Diese
Änderungen sind daher auf Assoziationsrechtsberechtigte
und Personen, die die begründete Aussicht haben, ein Auf-
enthaltsrecht nach dem Assoziationsrecht erhalten zu kön-
nen, nicht anwendbar (HK-AuslR/Hoffmann, 2008, § 84
Rn. 3). Wie unter der Geltung des AuslG 1965 führt die vor-
genommene Änderung dazu, dass die aufschiebende Wir-
kung eines Rechtsbehelfs die Rechtmäßigkeitsfiktion des
Aufenthalts zur Folge hat und die Betroffenen z. B. das
Land etwa zu Verwandtenbesuchen verlassen und wieder
einreisen können (so zur alten Rechtslage: BVerwG, Beschl.
v. 14.7.1978 – 1 ER 301/78, NJW 1979, 505). Einbezogen
in die Regelung werden auch diejenigen Personen, die noch
kein nach dem Assoziationsrecht verfestigtes Aufenthalts-
recht haben, da nach der Rechtsprechung des EuGH die
Verschlechterungsverbote des Assoziationsrechts gerade
auch für diesen Personenkreis gelten (vgl. Begründung zu
Nummer 7 Buchstabe b).

Zu Nummer 15 (§ 98)

Folgeänderung zu Nummer 2 Buchstabe b: Erteilung der
deklaratorischen Aufenthaltserlaubnis für Assoziations-
rechtsberechtigte erfolgt von Amts wegen, so dass die ohne-
hin assoziationsrechltich fragwürdige bußgeldbewährte
Sanktionierung des Nicht-Besitzes einer deklaratorischen
Aufenthaltserlaubnis nicht mehr erforderlich ist.

Zu Artikel 2 (Änderung der Aufenthaltsver-
ordnung)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Folgeänderungen der Einfügungen der Nummern 2 und 3.

Zu Nummer 2 (§ 15a – neu)

Mit der Änderung wird in Umsetzung des assoziationsrecht-
lichen Verschlechterungsverbotes des Art. 41 Abs. 1
ZusProt klargestellt, dass Staatsangehörige der Türkei für
einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten keines
Visums bedürfen, wenn der Aufenthalt zur Teilnahme am
Dienstleistungsverkehr erfolgt. Die Aufnahme einer Er-
werbstätigkeit ist dabei nicht zulässig. Zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Zusatzprotokolls, am 1.1.1973, bestand
für Staatsangehörige der Türkei, die für einen Zeitraum von
weniger als drei Monaten einreisen wollten und dabei keiner
Erwerbstätigkeit nachgehen wollten, keine Visumspflicht
(§ 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des
Assoziationsrecht verfestigtes Aufenthaltsrecht haben, die
aber in einen solche Rechtsposition hineinwachsen können,

Ausländergesetzes in der Fassung vom 12. März 1969,
BGBl. I S. 207). Die speziellen Befreiungstatbestände des

Drucksache 17/12193 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

§ 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 der Verordnung u. a. für Dienstleistun-
gen als Arbeitnehmer für einen nicht im Bundesgebiet an-
sässigen Arbeitgeber oder für künstlerische und wissen-
schaftliche Darbietungen schlossen einen Rückgriff auf die
allgemeine Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 nicht aus (Die-
nelt, ZAR 2009, 182, 187 m. w. Nachw.). Eine Visums-
pflicht für Staatsangehörige der Türkei besteht für Kurzauf-
enthalte von bis zu drei Monaten in Deutschland erst seit
dem 1.10.1980 (Elfte Verordnung zur Änderung der Verord-
nung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli
1980, BGBl I S. 782).

Der EuGH hat in der Rechtssache Soysal entschieden, dass
strengere Einreisebestimmungen, wie das Erfordernis eines
Schengenvisums zur Erbringung von Dienstleistungen in ei-
nem Mitgliedstaat, eine neue und damit unzulässige Be-
schränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach dem as-
soziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot darstellen
(EuGH, Urt. v. 19.2.2009, Rs. C-228/06, Soysal, Slg. 2009-
I1031, Rn. 49 ff.). Einer visumsfreien Einreise steht auch
nicht die Verordnung (EG) Nr: 539/2001, die die Drittländer
festlegt, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der
Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen bzw.
von dieser Pflicht befreit sind, entgegen, da sich das Assozi-
ationsrecht gegenüber dem EU-Sekundärrecht als höherran-
giges Recht durchsetzt (vgl. Soysal, a. a. O., Rn. 59). In
zehn weiteren Mitgliedstaaten der EU (Frankreich, Belgien,
Niederlande, Luxemburg, Italien, Dänemark, Irland, Verei-
nigtes Königreich, Portugal und Spanien) können sich
Staatsangehörige der Türkei aufgrund des assoziationsrecht-
lichen Verschlechterungsverbotes auf die Befreiung von der
Visumspflicht berufen. Der EuGH hat bislang den sowohl
im Unionsrecht wie auch im Assoziationsrecht verwandten
Begriffen wie der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der
Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in beiden
Rechtsbereichen die gleiche Bedeutung beigemessen
(EuGH, Urt. v. 31.1.2003 – Rs. C-317/01 und C-369/01,
Abatay und Sahin, Slg. 2003, I-12301, Rn. 68 ff.; vgl. auch
Dienelt, ZAR 2009, 182, 183). Für die Anwendung der
Visumsfreiheit für Kurzaufenthalte kann sich die Praxis da-
her an der entsprechenden etablierten Praxis für Unionsbür-
gerinnen und Unionsbürger orientieren. Aufgrund einer
Vorlage des OVG Berlin-Brandenburg wird der EuGH
(Rs. C-221/11, Demirkan) in nächster Zukunft Gelegenheit
haben, sich zu den dabei stellenden Fragen näher zu äußern.

Zu Nummer 3 (§ 28a – neu)

Folgeänderung zu Artikel 1 Nummer 12. Die Änderung
dient dazu die Begünstigten nach dem Assoziationsabkom-
men EWG/Türkei gebührenrechtlich den freizügigkeitsbe-
rechtigten Schweizerinnen und Schweizern gleichzustellen.
Entsprechend § 28 wird daher bestimmt, dass vom Assozia-
tionsrecht EWG/Türkei Begünstigten eine Aufenthaltser-
laubnis auf einem Vordruckmuster ohne elektronischem
Speicher- und Verarbeitungsmedium erhalten (Nr. 1), es sei
denn sie beantragen ein Dokument mit elektronischem Spei-
cher- und Verarbeitungsmedium (Nr. 2).

Zu Nummer 4 (§ 52)

Folgeänderung zu Artikel 1 Nummer 12. Die Änderung

haltserlaubnis gebührenrechtlich den freizügigkeitsberech-
tigten Schweizern gleichzustellen und in Bezug auf die Nie-
derlassungserlaubnis den drittstaatsangehörigen Familien-
mitgliedern von Unionsbürgern. Vom Assoziationsrecht
EWG/Türkei Begünstigte werden in Bezug auf Aufenthalts-
erlaubnisse sowie für weitere Amtshandlungen (bis auf in
Bezug auf die Grenzgängerkarte) den Staatsangehörigen der
Schweiz gleichgestellt. Satz 2 und Satz 3 sehen für die Nie-
derlassungserlaubnis die gleichen Gebühren wie für die
Ausstellung der Daueraufenthaltskarte nach dem Freizügig-
keitsgesetz/EU vor, die sich wiederum nach § 1 der Perso-
nalausweisgebührenverordnung für die Ausstellung eines
Personalausweises richten.

Zu Nummer 5 (§ 58)

Folgeänderung zu Nummer 3 (Möglichkeit der Ausstellung
von Aufenthaltstiteln für vom Assoziationsrecht Begünstig-
ten auf einem Vordruckmuster und nicht als Dokument mit
elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium).

Zu Artikel 3 (Änderung der Beschäftigungsver-
ordnung)

Zu Nummer 1 (§ 7)

Die Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass nach
dem Inkrafttreten des Verschlechterungsverbotes des Art. 11
ABR 2/76 am 20.12.1976 bzw. des Art. 13 ARB 1/80 am
1.12.1980 Verschärfungen beim Arbeitsmarktzugang für
Berufssportlerinnen und Berufssportler sowie für Be-
rufstrainerinnen und Berufstrainer eingeführt wurden. Der
EuGH (Urt. 9.12.2010 – Rs. C-300/09 und C-301/09,
Toprak und Oguz, Slg. 2010, I-12845, Rn. 55) hat inzwi-
schen klar gestellt, dass die assoziationsrechtlichen Ver-
schlechterungsverbote auch Beschränkungen beim Zugang
zum Arbeitsmarkt erfassen, die die Rücknahme oder Ein-
schränkung von Vergünstigungen betreffen, die erst nach
dem Inkrafttreten der Verschlechterungsverbote eingeführt
worden sind. Artikel 1 Nr. 3 der Vierten Verordnung zur
Änderung der Arbeitserlaubnisverordnung vom 29.8.1978
(BGBl. I S. 1531), der am 1.10.1978 in Kraft getreten war,
sah vor, dass „Personen für den von ihnen berufsmäßig aus-
geübten Sport“ keiner Arbeitserlaubnis bedurften. Weitere
Anforderungen an den Nachweis der sportlichen Qualifi-
kation (Bestätigung durch den für die Sportart zuständigen
deutschen Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Deut-
schen Olympischen Sportbund) und die erforderliche Höhe
der Gehaltszahlung (mindestens 50 Prozent der Beitragsbe-
messungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung),
wie sie § 7 Nr. 4 heute vorsieht, wurden erst nach dem In-
krafttreten des Verschlechterungsverbotes eingeführt. Erste
Verschärfungen führte Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b der
Zehnten Verordnung zur Änderung der Arbeitserlaubnisver-
ordnung vom 1.9.1993 (BGBl. I S. 1527), der am 1.9.1993
in Kraft trat, ein. § 7 Satz 2 (neu) überträgt daher in Anwen-
dung des assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbotes
für Berufssportlerinnen und Berufssportler mit der Staatsan-
gehörigkeit der Türkei die ursprüngliche Regelung in § 9
Nr. 10 der Arbeitserlaubnisverordnung in das System des
AufenthG, bei dem an die Stelle der Befreiung vom Erfor-
dient dazu, die Berechtigten nach dem Assoziationsabkom-
men EWG/Türkei in Bezug auf die Erteilung einer Aufent-

dernis einer Arbeitserlaubnis die Befreiung vom Erfordernis
einer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ertei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/12193

lung eines Aufenthaltstitels zu Beschäftigungszwecken
nach § 39 AufenthG getreten ist.

Für Berufstrainerinnen und Berufstrainer führte erst Art. 1
Nr. 3 Buchstabe d der Zehnten Verordnung zur Änderung
der Arbeitserlaubnisverordnung (a. a. O) eine Befreiung
vom Erfordernis der Arbeitserlaubnis ein, allerdings mit der
(damals auch für Berufssportlerinnen und Berufssportler
eingeführten) Anforderung, dass der zuständige Sportfach-
verband ihre fachliche Eignung bestätigte und ein Verein
ihnen ein für den „Lebensunterhalt ausreichendes Gehalt“
zahlte. Die durch die Beschäftigungsverordnung vom
22.11.2004 (BGBl. I S. 2937), die am 1.1.2005 in Kraft ge-
treten ist, heute in § 7 Nr. 4 vorgesehenen weiteren Anfor-
derungen, die denen für Berufssportlerinnen und Berufs-
sportler entsprechen (s. o.), verstoßen gegen das assozia-
tionsrechtliche Verschlechterungsverbot. Daher sieht § 7
Satz 2 (neu) für Berufstrainerinnen und Berufstrainer mit
der Staatsangehörigkeit der Türkei die Übertragung der ur-
sprünglich in § 9 Nr. 10 Arbeitserlaubnisverordnung vorge-
sehene Regelung in das System nach dem AufenthG vor.

Zu Nummer 2 (§ 13)

Die Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass nach dem
Inkrafttreten des Verschlechterungsverbotes des Art. 41
Abs. 1 ZusProt am 1.1.1973 bzw. von Art. 11 ABR 2/76 am
20.12.1976 und Art. 13 ARB 1/80 am 1.12.1980 Verschär-
fungen in Bezug auf die Erwerbstätigkeit des fahrenden
Personals im grenzüberschreitenden Personen- und Güter-
verkehr eingeführt wurden. Die ursprüngliche Fassung von
§ 9 Nr. 2 der Arbeitserlaubnisverordnung vom 2.3.1971
(BGBl. I S. 152), die am 1.4.1971 in Kraft getreten war, sah
für diese Tätigkeiten keinerlei weitere Einschränkungen
vor. Die vielfältigen heute in § 13 vorgesehenen Einschrän-
kungen für das fahrende Personal im grenzüberschreitenden
Güter- und Personenverkehr wurden alle erst nach Inkraft-
treten der Verschlechterungsverbote eingeführt. Das gilt ins-
besondere für die heute in § 13 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene
Einschränkung auf das Fahrpersonal eines Arbeitgebers
„mit Sitz im Ausland“, die durch die am 1.9.1993 erlassene
und in Kraft getreten zehnte Änderungsverordnung (BGBl.
I S. 1527) eingeführt worden ist. Diese Änderung war Ge-
genstand der Rechtssache Abatay (EuGH, Urt. v.
21.10.2003, Rs. C-317/01 u. C-369/01, Slg. 2003, I-12301),
in der der EuGH klar gestellt hat, dass das Erfordernis des
Besitzes einer Arbeitserlaubnis für die Erbringung von
Dienstleistungen im grenzüberschreitenden Güter- und Per-
sonenverkehr, die erst nach dem Inkrafttreten von Art. 41
Abs. 1 ZusProt eingeführt wurde, mit dem darin enthaltenen
Verschlechterungsverbot nicht vereinbar ist. Hierauf können
sich nach dem Urteil (a. a. O., Rn. 106) nicht nur die Dienst-
leistungsunternehmen, sondern auch die bei diesem Be-
schäftigten berufen, denn: „Ohne Beschäftigte könnte näm-
lich ein Dienstleistungserbringer seine Leistungen nicht er-
bringen.“ In der Rechtssache Abatay ging es um Fahrer, die
ihren Wohnsitz und ihre Familien in der Türkei hatten und
die sich jeweils nur für sehr kurze Zeit im Bundesgebiet auf-
hielten, weshalb der EuGH die Vorschriften zur Dienstleis-
tungsfreiheit angewandt hat (a. a. O., Rn. 89). Soweit aller-
dings Fahrerinnen und Fahrer betroffen sind, die ihren Le-
bensmittelpunkt im Bundesgebiet haben und sich in den hie-

terungsverbot einschlägig, das ebenfalls vor den in § 13 ent-
haltenen Verschärfungen eingeführt wurde. Die Änderung
sieht daher für das Fahrpersonal im grenzüberschreitenden
Personen- und Güterverkehr mit Staatsangehörigkeit der
Türkei die Übertragung der ursprünglich in § 9 Nr. 2 Ar-
beitserlaubnisverordnung vorgesehene Regelung in das Sys-
tem nach dem AufenthG (s. o. Begründung zu Nummer 1)
vor.

Zu Nummer 3 (§ 14)

Die Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass nach
dem Inkrafttreten des Verschlechterungsverbotes des Art. 11
ARB 2/76 am 20.12.1976 für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer Verschärfungen beim Arbeitsmarktzugang für
die Besatzungen von See- und Binnenschiffen sowie von
Luftfahrzeugen eingeführt wurden. § 9 Nr. 2 der Arbeitser-
laubnisverordnung vom 2.3.1971 (BGBl. I S. 152) sah in
der am 1.4.1971 in Kraft getretenen Fassung eine generelle
Befreiung vom Erfordernis einer Arbeitserlaubnis für die
Besatzungen von See- und Binnenschiffen vor. Diese Fas-
sung galt auch noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der
o. g. assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote. Die
inzwischen in § 14 Nr. 1 und Nr. 3 vorgesehenen Beschrän-
kungen auf den internationalen Verkehr bei Seeschiffen und
u.a. auf das technische Personal bei Binnenschiffen versto-
ßen daher gegen das Verschlechterungsverbot. Für die Be-
satzungen von Luftfahrzeugen galten ebenfalls zunächst
keine Einschränkungen. Die auch heute noch § 14 Nr. 4 vor-
gesehene Ausnahme von der Arbeitserlaubnisfreiheit für
Luftfahrzeugführer, Flugingenieure und Flugnavigatoren
sowie die Beschränkung auf Unternehmen mit Sitz im In-
land wurde allerdings bereits mit der Verordnung vom
8.1.1973 (BGBl. I S. 18) und damit zwar vor dem Inkraft-
treten des Verschlechterungsverbotes für Arbeitnehmer
nach Art. 7 ARB 2/76 am 1.12.1976 aber nach dem Inkraft-
treten des Verschlechterungsverbotes des Art. 41 ZusProt
am 1.1.1973 für die Dienstleistungsfreiheit. Daher ist für die
Besatzungen von Luftfahrzeugen, die bei Unternehmen mit
Sitz im Ausland beschäftigt sind und daher im Rahmen der
Dienstleistungsfreiheit tätig sind, die ursprüngliche Fassung
von § 9 Nr. 2 der Arbeitserlaubnisverordnung anzuwenden.
§ 14 Satz 2 (neu) sieht daher für Besatzungen von See- und
Binnenschiffen sowie von Luftfahrzeugen mit der Staatsan-
gehörigkeit der Türkei die Übertragung der ursprünglichen
Reglung in § 9 Nr. 2 der Arbeitserlaubnisverordnung in das
System nach dem AufenthG (s. o. Begründung zu Num-
mer 1) vor, für die Besatzungen von Luftfahrzeugen aller-
dings nur soweit sie bei Unternehmen mit Sitz im Ausland
beschäftigt sind.

Zu den Artikeln 4 und 5 (Änderung des Bundes-
beamtengesetzes und
Änderung des Beamten-
statusgesetzes)

Die Änderungen sehen eine Gleichstellung von nach dem
ARB 1/80 Berechtigten beim Zugang zum Beamtenverhält-
nis mit anderen europarechtlich Privilegierten wie den Uni-
onsbürgerinnen und Unionsbürgern, den EWR-Staatern
(Island, Norwegen und Lichtenstein) und den schweizeri-
sigen Arbeitsmarkt integrieren möchten, ist das für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltende Verschlech-

schen Staatsangehörigen vor, wie sie in § 7 Abs. 1 Nr. 1
Buchstabe a bis c des Bundesbeamtengesetzes (BBG) für

Drucksache 17/12193 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

H. Heene
ese
Bundesbeamte sowie in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis c
des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) für Landesbeamte
schon vorgesehen ist. Die Änderungen tragen der ständigen
Rechtsprechung des EuGH Rechnung, dass die Stellung der
nach dem ARB 1/80 Berechtigten im Aufnahmemitglied-
staat soweit wie möglich der Rechtsstellung der Unionsbür-
gerinnen und Unionsbürger anzunähern ist, die von ihrer
Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben
(EuGH, Urt. v. 06.06.1995 – Rs. C-434/93 (Bozkurt), Slg. I
1995, 1475, Rn. 22). Namentlich gilt dies auch für die Uni-
onsbürgerinnen und Unionsbürgern nach den EU-Verträgen
eingeräumte Inländergleichbehandlung auf dem Arbeits-
markt (EuGH, Urt. v. 04.02.2010 – Rs. C-14/09,Genc, Slg.
2010, I-931, Rn. 17 m. w. Nachw.). In der Rechtsprechung
des EuGH ist seit langem anerkannt, dass sich die aufgrund
der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu gewährende Gleichbe-
handlung grundsätzlich auch auf den öffentlichen Dienst
und den Zugang zum Beamtenverhältnis erstreckt (st. Rspr.
seit EuGH, Urt. v. 12.2.1974, Rs. 152/73, Sotigu, Slg. 1974,
153). Ausnahmen sind nur dort zugelassen, wo es um Tätig-
keiten geht, die eine unmittelbare Teilnahme an Ausübung
hoheitlicher Gewalt mit sich bringen (vgl. Art. 45 Abs. 4
AEUV). Diese Einschränkungsmöglichkeit wird in § 7
Abs. 2 BBG und § 7 Abs. 2 BeamtStG abgebildet, wonach
nur deutsche Staatsangehörige ins Beamtenverhältnis beru-
fen werden dürfen, wenn die Aufgabe dies erfordere. In der
Rechtssache Birlikte hat der EuGH (Urt. v. 8.5.2003 – Rs.
C-171/01, Slg. 2003, I-4301, Rn. 92) seine Rechtsprechung
zum Zugang zum öffentlichen Dienst nach der Arbeitneh-
merfreizügigkeit für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger
auf Berechtigte nach dem ARB 1/80 erstreckt und entschie-
den, dass die Möglichkeit zum Ausschluss von Assozia-
tionsrechtsberechtigten von der Ausübung hoheitlicher Be-
fugnisse nicht weiter reiche als bei Unionsbürgerinnen und
Unionsbürgern. Die Gleichbehandlung der Assoziations-
rechtsberechtigten mit Unionsbürgerinnen und Unions-
bürgern und anderen europarechtlich Privilegierten beim
Zugang zum Beamtenverhältnis ist daher europarechtlich
geboten. Dieser Schritt entspricht aber auch der seit langem
geforderten verstärkten interkulturellen Öffnung der Ver-
waltung und ist daher längst überfällig (vgl. Schlikker/
Tabbara, Der Zugang von Drittstaatsangehörigen zum Be-
amtenverhältnis nach Europarecht, Festschrift Brinkmann,
2012, S. 277 ff.)

Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
mann

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