BT-Drucksache 17/12060

Schärfere und effektivere Regulierung der Finanzmärkte fortsetzen

Vom 15. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12060
17. Wahlperiode 15. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Klaus-Peter Flosbach, Peter Aumer,
Ralph Brinkhaus, Michael Grosse-Brömer, Olav Gutting, Manfred Kolbe,
Bettina Kudla, Patricia Lips, Dr. h.c. Hans Michelbach, Dr. Mathias Middelberg,
Stefan Müller (Erlangen), Eduard Oswald, Norbert Schindler, Dr. Frank Steffel,
Christian Freiherr von Stetten, Antje Tillmann, Norbert Barthle,
Norbert Brackmann, Cajus Caesar, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land),
Herbert Frankenhauser, Alexander Funk, Bartholomäus Kalb, Alois Karl,
Volkmar Klein, Rüdiger Kruse, Dr. Michael Luther, Andreas Mattfeldt,
Eckhardt Rehberg, Georg Schirmbeck, Bernhard Schulte-Drüggelte,
Stefanie Vogelsang, Klaus-Peter Willsch, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und
der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Dr. Daniel Volk, Holger Krestel,
Dr. Birgit Reinemund, Björn Sänger, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Schärfere und effektivere Regulierung der Finanzmärkte fortsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die im Zuge der Finanzmarktkrise zutage getretenen Defizite haben internatio-
nal umfassende Reformen der Finanzmärkte angestoßen. Die Gruppe der 20 be-
deutendsten Industrie- und Schwellenländer (G20) hat sich auf ein umfassendes
Reformprogramm verständigt, dessen Umsetzung das internationale Finanzsys-
tem sicherer und transparenter machen wird. Ein Großteil dieses ehrgeizigen
Reformprogramms ist in Europa und in Deutschland schon abgearbeitet.
Deutschland hat dabei bei vielen Regulierungsvorhaben eine Vorreiterrolle
übernommen und verschiedene Reformen auf nationaler Ebene vorzeitig umge-
setzt.

Leitmotiv der Reformanstrengungen ist und bleibt der von der Bundesregierung
in den Erklärungen der G20 verankerte Beschluss, dass zukünftig kein Finanz-
markt, kein Finanzmarktakteur und kein Finanzmarktprodukt, von denen Risi-
ken für die Stabilität des Finanzsystems ausgehen können, ohne angemessene
Regulierung und Aufsicht sein dürfen. Insbesondere die Stärkung der Eigen-
kapitalausstattung bei Banken und Versicherungen und die Erhöhung der Trans-
parenz bei Finanzmarktakteuren, in allen Finanzmarktbereichen einschließlich

des sogenannten Schattenbankensystems sind für stabile und funktionsfähige
Finanzmärkte von höchster Priorität.

1. Zahlreiche Neuregelungen sind bereits in Kraft getreten oder stehen kurz da-
vor:

• Erhöhung der Transparenz im Finanzmarkt durch Regulierung aller rele-
vanten Finanzmarktakteure:

Drucksache 17/12060 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bisher nicht oder nur teilweise regulierte Finanzmarktakteure und -berei-
che wurden EU-weit einer Regulierung unterworfen. So werden Manager
alternativer Investmentfonds, zum Beispiel von Hedgefonds, ab Juli 2013
einer Zulassungspflicht unterworfen und fortlaufend beaufsichtigt.

Auch Ratingagenturen, die eine Mitverantwortung am Ausbruch und der
Zuspitzung der Finanzkrise tragen, unterliegen seit 2010 einer Registrie-
rungspflicht und Aufsicht.

Außerbörslich gehandelte Derivate werden in Kürze zu großen Teilen
über zentrale Abwicklungsstellen geleitet oder zumindest angemessen
besichert. Sämtliche Derivatgeschäfte müssen zudem an zentrale Trans-
aktionsregister gemeldet werden. Die Transparenz im gesamten Derivate-
markt wird damit ganz erheblich erhöht und zugleich den Risiken für das
System infolge von Ausfällen wichtiger Akteure entgegengewirkt.

• Effektivere Finanzaufsicht:

Die Eingriffsbefugnisse der deutschen Bankenaufsicht wurden gestärkt.
Die Aufsicht kann jetzt von den Banken höhere Kapitalpuffer verlangen,
empfindlichere Geldstrafen verhängen und Gewinne abschöpfen. In Kri-
sensituationen kann die Aufsicht den Banken riskante Geschäfte mit be-
stimmten Finanzprodukten untersagen.

Die Überwachung der Finanzmarktstabilität auf nationaler und interna-
tionaler Ebene wurde verbessert. Auf globaler Ebene wacht der Finanz-
stabilitätsrat (Financial Stability Board – FSB) über die Stabilität der in-
ternationalen Finanzmärkte. Auf europäischer Ebene erfüllen der Europä-
ische Systemrisikorat und in Deutschland der Ständige Ausschuss für
Finanzmarktstabilität diese Funktion und arbeiten dabei eng zusammen.

Insgesamt wurde die nationale Finanzaufsicht enger mit der neu struktu-
rierten europäischen Finanzaufsicht verzahnt.

• Stärkung der Eigenkapitalausstattung und Beseitigung schädlicher An-
reizstrukturen:

Die Eigenkapitalvorschriften für Banken wurden bereits deutlich ver-
schärft. Die großen deutschen Banken haben zum Juli 2012 ihre harte
Kernkapitalquote auf über 9 Prozent angehoben.

In die Verbriefung von Kreditforderungen dürfen Banken nur noch inves-
tieren, wenn die Emittenten der Verbriefungen einen Anteil von 5 Prozent
der verbrieften Risiken selbst behalten. Ab 2015 wird der Selbstbehalt
auf 10 Prozent erhöht.

Seit 2010 gelten in Deutschland verschärfte Regelungen für die Vergü-
tung von Management und Mitarbeitern bei Banken und Versicherungen.
Vergütungssysteme müssen angemessen, transparent und an der langfris-
tigen Geschäftsentwicklung ausgerichtet sein.

• Abwickelbarkeit systemrelevanter Banken:

Das im Jahr 2010 verabschiedete Restrukturierungsgesetz ermöglicht,
Banken zu sanieren oder abzuwickeln, ohne die Stabilität der Finanz-
märkte zu beeinträchtigen. Banken müssen seit Anfang 2011 eine Abgabe
zahlen, um sich an den Kosten möglicher künftiger Krisen zu beteiligen.

• Vermeidung von Marktmanipulation:

Ungedeckte Leerverkäufe von EU-Staatsanleihen und Aktien, die zum
Handel an europäischen Handelsplätzen zugelassen sind, sowie der Han-
del mit Kreditausfallversicherungen ohne Absicherungszweck sind euro-

paweit verboten. In Deutschland wird der computergesteuerte Hochfre-
quenzhandel in Kürze einer Regulierung unterworfen, die die spezifischen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12060

Risiken dieser Handelsform begrenzen und Marktmissbrauch verhindern
soll.

• Ausbau des Verbraucherschutzes im Finanzmarkt:

Sparer sind im Fall von Bankinsolvenzen künftig deutlich besser abge-
sichert: Seit dem Jahr 2011 sind Kundeneinlagen bis zu einem Betrag von
100 000 Euro gesetzlich geschützt. Private Anleger werden bei der An-
lageberatung – auch im Grauen Kapitalmarkt – besser geschützt. Anlage-
berater bei Banken und freie Finanzvermittler müssen Qualifikations- und
Zuverlässigkeitsanforderungen erfüllen und sich bei der Aufsicht regis-
trieren lassen. Falschberatungen werden erheblich schärfer sanktioniert.
Der Vertrieb von Produkten des Grauen Kapitalmarktes, wie z. B. ge-
schlossener Fonds und Unternehmensbeteiligungen, wurde einer aufsicht-
lichen Kontrolle unterstellt. Mit der beschlossenen Einrichtung eines Ver-
braucherbeirates bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
und der Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens für Kunden und Ver-
braucherschutzorganisationen wird der kollektive Verbraucherschutz im
Finanzsektor gestärkt.

2. Weitere Reformvorhaben wurden bereits angestoßen und müssen nun zügig
zu einem Abschluss gebracht werden:

Der Finanzsektor muss zukünftig durch eine bessere Eigenvorsorge noch
deutlich robuster aufgestellt werden. Dazu dient die Umsetzung der nach
Basel III vereinbarten strengeren Vorschriften zur Eigenkapital- und Liqui-
ditätsausstattung für Banken, die auf europäischer Ebene kurz vor dem Ab-
schluss steht („CRD IV“).

Systemrelevante Finanzinstitute, die in Schieflage geraten sind, müssen in
Zukunft geordnet aus dem Markt ausscheiden können, ohne dabei das
Finanzsystem existentiell zu gefährden und Steuergelder zu beanspruchen.
Dazu gehört neben geeigneten Sanierungs- und Abwicklungsinstrumenten,
dass Banken und Behörden schon frühzeitig Vorkehrungen für einen mög-
lichen Krisenfall treffen. Dies beinhaltet auch Abwicklungselemente, wel-
che eine effektivere Verlustbeteiligung der Anteilseigner und Gläubiger
sicherstellen und damit die Steuerzahler entlasten. Dadurch werden auch
mögliche Ansteckungseffekte auf andere Banken verringert und die Risiken
staatlicher Rettungsmaßnahmen und somit auch die Risiken für den Steuer-
zahler minimiert.

Damit künftig auch grenzüberschreitend tätige Banken finanzmarkt-
schonend saniert und abgewickelt werden können, ist es wichtig, dass ein
europaweit einheitliches Regelwerk geschaffen wird. Die Europäische Kom-
mission hat dazu im Juni 2012 einen Richtlinienvorschlag für einen euro-
päischen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten
vorgelegt, der sich stark am deutschen Restrukturierungsgesetz orientiert.

Um sich gegenseitig verstärkende Probleme aus drohenden Bankeninsolven-
zen, Rettungshilfen und Finanzierungsrisiken für Staaten zu durchbrechen,
haben sich die EU-Finanzminister am 13. Dezember 2012 auf einen recht-
lichen Rahmen für einen einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus
unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) geeinigt. Für eine
wirkungsvolle europäische Bankenaufsicht ist es wichtig, dass die Unabhän-
gigkeit der Geldpolitik der EZB auch durch eine organisatorische Trennung
der Aufgaben und Entscheidungsstrukturen einschließlich der Letztentschei-
dungsbefugnis der Aufsichtssäule gewährleistet bleibt. Darüber hinaus müs-
sen die vorliegenden Vorschläge für die Umsetzung von Basel III („CRD
IV“), über Einlagensicherungssysteme und zur Sanierung und Abwicklung

von Banken zügig verabschiedet werden.

Drucksache 17/12060 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Versicherungsbereich soll mit Solvency II das Versicherungsaufsichts-
recht in Europa grundlegend reformiert werden. Insbesondere die Eigen-
kapital- und Risikomanagementvorschriften für Versicherer werden moder-
nisiert.

Eine verbesserte Regulierung von Wertpapiermärkten und Wertpapierdienst-
leistungen wird mit der Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie MiFID
(Markets in Financial Instruments Directive) verfolgt. Mit der Überarbeitung
wird die G20-Vorgabe erfüllt werden, die Pflicht zum Handel standardisierter
außerbörslicher Derivate an Börsen oder auf elektronischen Handelsplattfor-
men festzuschreiben. Daneben sollen weitere Finanzinstrumente sowie neue
Handelspraktiken und Technologien reguliert, Geschäfte mit Rohstoffderi-
vaten besonderen Vorschriften unterworfen und der Anlegerschutz verbessert
werden.

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass mit den in Deutschland und Europa
in Angriff genommenen Maßnahmen wesentliche Ursachen der Finanz-
marktkrise beseitigt werden und die Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte
maßgeblich gestärkt wird. Wegen der Bedeutung stabiler und funktionieren-
der Finanzmärkte für ein stetiges Wachstum der Gesamtwirtschaft sind die
noch offenen Reformvorhaben zügig voranzutreiben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. bei ihren Anstrengungen zur Reform der Finanzmärkte nicht nachzulassen
und weiterhin für das Ziel einzutreten, dass kein Finanzmarkt, kein Finanz-
marktakteur und kein Finanzmarktprodukt ohne angemessene Regulierung
und Aufsicht bleiben darf;

2. sich in Bezug auf den einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus
weiterhin dafür einzusetzen, dass Qualität vor Schnelligkeit gehen muss, die
strikte Trennung von Geldpolitik und Aufsichtsfunktionen konsequent umge-
setzt wird und das Subsidiaritätsprinzip sowie der Grundsatz der Propor-
tionalität gewahrt werden. Der einheitliche europäische Aufsichtsmechanis-
mus muss zudem einer ausreichenden demokratischen Kontrolle unterliegen;

3. konstruktiv an einem zügigen Abschluss der neuen Eigenkapital- und Liqui-
ditätsvorschriften für Banken („CRD IV“) sowie der überarbeiteten Einlagen-
sicherungsrichtlinie und der Richtlinie für einen einheitlichen europäischen
Rahmen zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten mitzuwirken
und sich dabei dafür einzusetzen, dass es nicht zu einer Vergemeinschaftung
von Haftung auf europäischer Ebene kommt;

4. zeitnah einen Gesetzgebungsvorschlag zur Sanierungs- und Abwicklungs-
planung von Kreditinstituten vorzulegen, der die Instrumente des Restruk-
turierungsgesetzes um Vorschriften zu frühzeitigen Vorkehrungen für den
Krisenfall ergänzt. Banken müssen gesetzlich verpflichtet werden, frühzeitig
Sanierungsmaßnahmen zu planen und die Bankenaufsicht muss verpflichtet
werden, Abwicklungspläne für das Scheitern von Sanierungsbemühungen
bereitzuhalten;

5. zu prüfen, inwieweit die Vorschläge der hochrangigen Expertengruppe bei
der Europäischen Kommission unter Leitung des finnischen Notenbankprä-
sidenten Erkki Liikanen zur Abschirmung von Risiken innerhalb von Banken
geeignet sind, die Komplexität von Banken zu reduzieren und die Abwick-
lung von Banken im Bedarfsfall zu erleichtern und die Umsetzung geeigneter
Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene voranzubringen.

6. sich dafür einzusetzen, dass die Arbeiten der G20 und des Finanzstabilitäts-

rates zu den systemrelevanten Finanzinstituten sowie zur Regulierung des
Schattenbankensystems zügig vorangetrieben werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12060

7. ihre Anstrengungen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Wege
der Verstärkten Zusammenarbeit in möglichst vielen EU-Mitgliedstaaten
fortzuführen und dabei für ein Steuerkonzept zu sorgen, welches die von
Regierungs- und Oppositionsfraktionen anlässlich des Fiskalvertrages ver-
einbarten Bedingungen erfüllt.

8. darauf hinzuwirken, dass die Neuregulierung des Versicherungssektors
durch Solvency II auf europäischer Ebene abgeschlossen wird;

9. regelmäßig zu überprüfen, ob die bereits umgesetzten regulatorischen
Vorgaben konsequent eingehalten und die angestrebten Regulierungsziele
erreicht werden.

Berlin, den 15. Januar 2013

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.