BT-Drucksache 17/11566

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10806, 17/10823, 17/10824, 17/10825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Vom 19. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11566
17. Wahlperiode 19. 11. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jan Korte, Steffen Bockhahn, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar
Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Caren Lay,
Sabine Leidig, Michael Leutert, Thomas Lutze, Kornelia Möller, Petra Pau,
Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Raju Sharma, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10806, 17/10823, 17/10824, 17/10825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013
(Haushaltsgesetz 2013)

hier: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Ereignisse rund um die Aufklärung der Mordtaten des Nationalsozialis-
tischen Untergrunds (NSU) und die dabei zutage getretenen katastrophalen
Arbeitsweisen der Behörden der Inneren Sicherheit und hier besonders des
Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) fordern dringend eine umfassende
Revision seiner Arbeit.

2. Diese Entscheidung muss zwangsläufig auch zu Konsequenzen im Etat die-
ser Behörde führen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

im Kapitel 06 09 (Bundesamt für Verfassungsschutz) folgende Änderungen vor-
zunehmen:
1. Die geplante Erhöhung des Etats des BfV um 17,569 Mio. Euro wird gestri-
chen.

2. Ausgaben für die nachrichtendienstliche Arbeit des BfV (Observationen,
V- Leute und V-Leute-Führung, Beteiligung an der Verbunddatei der Nach-
richtendienste – NADIS, Abhörmaßnahmen und der darauf basierenden
Analysetätigkeiten) werden in Höhe von 50 Mio. Euro gesperrt bis zur Vor-

Drucksache 17/11566 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lage einer Gesamtkonzeption für eine neue Sicherheitsarchitektur. In Höhe
von 10 Mio. Euro werden Mittel daraus als finanzieller Grundstock für den
Aufbau eines Unabhängigen Beobachtungszentrums Rechtsextremismus und
in angemessener Höhe für die Aktenaufarbeitung der Nachrichtendienstab-
teilungen durch neu zu schaffende Gremien von unabhängigen Wissenschaft-
lern und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informations-
freiheit (BfDI) eingesetzt.

3. Der personelle Mehrbedarf für die gemeinsame Rechtsextremismus-Datei
(RED) auf Seiten des BfV (eine Planstelle A9) einschließlich der jährlichen
Kosten in Höhe von 45 000 Euro für Administration und Anwenderbetreu-
ung werden gestrichen (siehe Bundestagsdrucksache 17/8672).

4. Darüber hinaus soll bis zum Ende des Haushaltsjahres 2013 die Rückführung
des BfV zu einer Abteilung des Bundesministeriums des Innern finanziell
und personell eingeleitet werden.

Berlin, den 19. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

1. Der 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund), der auch die Konsequenzen für die Si-
cherheitsarchitektur aufzeigen soll, fördert mit jeder Sitzung und jeder Ak-
tenlieferung neue Belege für die zentrale Rolle des BfV beim Versagen im
Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu
Tage.

Im Unterschied jedoch zu allen Skandalen und Affären, die die Geschichte
des BfV von Anfang an begleiteten und prägten, handelt es sich im Fall des
NSU jedoch im Kern um ein systemisches Versagen. Versagt oder besser als
unbrauchbar und lebensgefährlich erwiesen hat sich das nachrichtendienst-
liche V-Leute-System des BfV mit seinen vorrangigen Instrumenten Geheim-
haltung, Quellenschutz und Informationsbeschaffung statt Strafverfolgung.
An diesen katastrophalen Folgen für Einzelne und das friedliche und demo-
kratische Zusammenleben in der Gesellschaft insgesamt haben auch die in
den letzten Jahren immer wieder verbesserten institutionalisierten Kontroll-
möglichkeiten wie das Parlamentarische Kontrollgremien in Bund und Län-
dern nichts ändern können.

Der vorliegende Einzelplan 06 drückt in seinem Kapitel 06 09 den schon un-
mittelbar nach Bekanntwerden des NSU demonstrierten Willen der Bundes-
regierung aus, unbedingt an diesem System festzuhalten. Die unmittelbar
nach Bekanntwerden des NSU noch im November 2011 vorgestellten und in-
zwischen durchgeführten Maßnahmen wie Gemeinsames Abwehrzentrum
Rechtsextremismus/-terrorismus (GAR) und die RED stehen für diesen
Willen. Eine ganze Reihe von Sachverständigen haben zum Beispiel in der
Anhörung zur RED dringend gefordert, wenigstens die Evaluierung der
Antiterrordatei und die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses abzuwar-
ten, um überhaupt fundierte Aussagen zum möglichen Nutzen solcher Instru-
mente treffen zu können – die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen
der CDU/CSU und FDP haben sich darüber hinweggesetzt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11566

Im vorliegenden Etat des BfV schlägt sich nieder, dass das bisherige und für
untauglich befundene System nicht nur fortgesetzt, sondern ausgeweitet und
gestärkt werden soll.

Dagegen wird hier eine deutliche finanzielle und personelle Beschränkung
des Systems Verfassungsschutz vorgeschlagen, dem vor allem sein gefähr-
lichstes Instrument – die nachrichtendienstlichen Befugnisse – genommen
werden soll.

2. Es ist durchaus umstritten, ob das Grundgesetz ein Bundesamt für Verfas-
sungsschutz vorschreibt – kaum zu bestreiten ist aber, dass es einen Verfas-
sungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln nicht vorschreibt. Artikel 87
Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes spricht nur davon, dass „Zentralstellen
[…] zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes […]
eingerichtet werden“ können.

Der Verzicht auf die Finanzierung der nachrichtendienstlichen Bereiche und
Tätigkeiten des BfV ist nicht nur dringend nötig (Nummer 1), sondern auch
möglich ohne die Frage der Zentralstelle, der Zukunft des Bundesamtes also,
und seiner bisherigen weiteren Tätigkeitsbereiche (Sicherheitsüberprüfung,
Spionageabwehr) umfassend beantworten zu müssen.

Die in Nummer 2 neben der Sperrung vorgeschlagene Verwendung der bisher
für nachrichtendienstliche Tätigkeiten eingesetzten Mittel soll der wissen-
schaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des Verfassungsschutzes als Ge-
heim- oder Nachrichtendienst und der datenschutzrechtlichen Kontrolle und
Sicherung der Akten dienen.

3. Die Befreiung des BfV von seinen nachrichtendienstlichen Befugnissen und
Arbeitsbereichen macht seine Existenz als eigenständige Behörde überflüs-
sig, so dass das Amt in eine Abteilung des Bundesministeriums des Innern
überführt werden kann. Die vorgeschlagene Frist ermöglicht eine sozialver-
trägliche Abwicklung und Umwidmung von Personal(-stellen) und Finanzen.

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