BT-Drucksache 17/11418

Schutz des Erbrechts nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11418
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sonja Steffen, Burkhard Lischka, Ingo Egloff, Sebastian
Edathy, Petra Ernstberger, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Dr. Eva Högl, Christine
Lambrecht, Thomas Oppermann, Stefan Rebmann, Marianne Schieder
(Schwandorf), Christoph Strässer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Schutz des Erbrechts nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder

Beim Tod eines Bürgers oder einer Bürgerin fragen die Nachlassgerichte im
Zuge der Erbenermittlung oder im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins bei
dem Geburtsstandesamt des Verstorbenen, ob dort Hinweise auf Kinder des
Verstorbenen eingetragen sind. Während eheliche Kinder schon seit 1935
durchgehend beim Heiratseintrag oder im Familienbuch der Eltern registriert
wurden, war die Praxis bei nichtehelichen Kindern uneinheitlich.

– Von 1938 bis 1944 wurden nichteheliche Kinder beim Geburtseintrag beider
Eltern vermerkt.

– Von 1944 bis 1946 entfiel dieser Vermerk.

– Ab 1946 bis zur Wende wurden nichteheliche Kinder in der ehemaligen
DDR beim Geburtseintrag der Eltern vermerkt.

– In der Bundesrepublik Deutschland war die Praxis von 1946 bis 1958 unein-
heitlich: Teilweise erfolgten Eintragungen bei den Eltern, teilweise nicht.

– Von 1958 bis 1970 gab es in der gesamten Bundesrepublik Deutschland
keine Hinweise bei den Geburtseinträgen der Eltern.

– Von 1970 bis 2009 wurden die Geburtsregister der Eltern über die Geburt
nichtehelicher Kinder mittels weißer Karteikarten unterrichtet, die von den
Geburtsstandesämtern der Kinder übersandt wurden. Im Personenstands-
register der Eltern wurde ein Vermerk angebracht; die weißen Karteikarten
selbst wurden in die damals von den Standesämtern geführten Testaments-
verzeichnisse integriert. Nach der Wende galt dieses Verfahren ab 1990 auch
in den neuen Bundesländern.

Vergleichbare Regelungen gab es über die Jahrzehnte bei einzeladoptierten
Kindern.

Seit dem 1. Januar 2009 wird einheitlich am Geburtseintrag beider Eltern ein
Hinweis auf alle Kinder mit den Kindesdaten angebracht. Eine Unterscheidung

zwischen ehelichen, nichtehelichen Kindern und adoptierten Kindern findet
nicht statt.

Der Bundesrat hat im März 2012 einen Gesetzentwurf zum Schutz des Erbrechts
und der Verfahrensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzeladoptierter Kin-
der im Nachlassverfahren eingebracht (Bundestagsdrucksache 17/9427) und eine
zentrale Erfassung der weißen Karteikarten beim zentralen Testamentsregister
vorgeschlagen. Diese Datei würde allerdings nur bestimmte Geburtsjahrgänge

Drucksache 17/11418 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der nichtehelichen und einzeladoptierten Kinder erfassen. Der Bundesrat trägt
vor, es fehle eine Rechtsgrundlage für das weitere Vorhalten der weißen Kartei-
karten und die Weitergabe der darauf befindlichen Informationen an die Nach-
lassgerichte. Obwohl die Standesämter über die weißen Karteikarten verfügten,
würden Nachlassgerichte nicht mehr flächendeckend über vorhandene nichtehe-
liche und einzeladoptierte Kinder informiert. Es drohe die Erteilung unrichtiger
Erbscheine. Es drohe außerdem die Vernichtung der weißen Karteikarten nach § 2
Absatz 2 des Testamentsverzeichnis-Überführungsgesetzes (TVÜG).

Das Bundesministerium der Justiz zeigte sich anfänglich in Bund-Länder-
Gesprächen diesem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen. Die Bundesregierung
hat das Gesetzgebungsvorhaben allerdings abgelehnt. Die erforderlichen Rege-
lungen könnten auf Landesebene getroffen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Dürfen oder müssen die Standesämter die nach § 2 Absatz 2 TVÜG aus-
sortierten weißen Karteikarten vernichten?

2. Wenn nein, welche Regelung im Personenstandsgesetz ermöglicht den
Standesämtern die weitere Aufbewahrung der weißen Karteikarten?

3. Müssen Standesämter die Nachlassgerichte nach § 65 des Personenstands-
gesetzes (PStG) oder nach einer anderen Regelung von Hinweisen auf nicht-
eheliche und einzeladoptierte Kinder unterrichten?

4. Wenn ja, umfasst diese Unterrichtung auch die Daten dieser Kinder?

5. Wenn ja, ist die Rechtsgrundlage für diese Unterrichtung für alle Geburts-
jahrgänge dieselbe?

6. Müssen Standesämter potentielle Erben im Erbscheinverfahren nach § 62
PStG oder nach einer anderen Regelung von Hinweisen auf nichteheliche
und einzeladoptierte Kinder unterrichten?

7. Wenn ja, ist die Rechtsgrundlage für diese Unterrichtung für alle Geburts-
jahrgänge dieselbe?

8. Hat die Bundesregierung, falls Unterrichtungspflichten gegenüber Nach-
lassgerichten und potentiellen Erben bestehen, Kenntnisse darüber, dass
einzelne Standesämter dieser Pflicht nicht nachkommen?

9. Hält die Bundesregierung, falls keine Unterrichtungspflichten bestehen, die
Schaffung solcher Pflichten auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher
Ebene für erforderlich?

10. Wie kann sichergestellt werden, dass die Nachlassgerichte auch von den
nichtehelichen Kindern Kenntnis erhalten, die zwischen 1946 und 1970 in
den alten Bundesländern überhaupt nicht im Geburtseintrag ihrer Eltern
vermerkt wurden?

11. Wird die Bundesregierung entsprechende Regelungen zum Schutz des Erb-
rechts der bisher nicht vermerkten nichtehelichen Kinder der Geburts-
jahrgänge 1946 bis 1970 vorschlagen?

12. Wenn nein, können die Länder entsprechende Schutzregelungen treffen?

Berlin, den 7. November 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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