BT-Drucksache 17/11263

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/4682 - Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei b) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Karin Binder, Frank Tempel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/5055 - Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei massiv beschränken

Vom 29. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11263
17. Wahlperiode 29. 10. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/4682 –

Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Karin Binder, Frank Tempel,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/5055 –

Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei massiv beschränken

A. Problem

Zu Buchstabe a

Die Antragsteller streben eine individuelle Kennzeichnung von Polizistinnen
und Polizisten zum Zwecke ihrer Identifizierung an. Sie halten es für aus demo-
kratischer Sicht nicht hinnehmbar, dass Straftaten von Polizistinnen oder Poli-
zisten unter Umständen allein deshalb nicht verfolgt werden könnten, weil Tat-
verdächtige sich im Einsatz hinter anonymisierenden Uniformen und Helmen
verbergen würden. Mit dem Antrag soll die Bundesregierung daher aufgefor-
dert werden, die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass alle
Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei während ihrer dienstlichen Tä-
tigkeit durch das Tragen von Namensschildern oder einer einprägsamen Num-
mernkombination auf Uniformen und Helmen gekennzeichnet werden, die eine
persönliche Identifizierung zulasse.

Zu Buchstabe b

Die Antragsteller sind der Ansicht, der Einsatz von Pfefferspray durch die Poli-

zei als Mittel zur Ausübung unmittelbaren Zwangs sei mit gravierenden und
schwer abschätzbaren gesundheitlichen Risiken – bis hin zum Tod – verbun-
den. Die Bundesregierung soll mit dem Antrag aufgefordert werden, einen Ge-
setzentwurf vorzulegen, der den Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen
durch Vollzugsbeamtinnen oder -beamte des Bundes ausschließt, wenn unbetei-
ligte Dritte gefährdet werden können, wenn die betroffenen Menschen sich in
Ansammlungen befinden oder wenn der Einsatz nicht der Abwendung einer

Drucksache 17/11263 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben der Beamten oder Dritter dient. Zu-
dem müssten die Einsatzregeln den Vorschriften zum Schusswaffengebrauch ent-
sprechen. Im Rahmen der Ständigen Konferenz der Innenminister und -sena-
toren der Länder (IMK) solle die Bundesregierung sich für die entsprechende
Übernahme dieser Grundsätze in die Landesgesetzgebung einsetzen bzw. einst-
weilen prüfen, ob eine Beschränkung des Pfeffersprayeinsatzes auf Länder-
ebene auch durch ein Bundesgesetz erreicht werden könne.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/4682 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Frak-
tion der SPD.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/5055 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11263

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/4682 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 17/5055 abzulehnen.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Günter Baumann
Berichterstatter

Wolfgang Gunkel
Berichterstatter

Gisela Piltz
Berichterstatterin

Frank Tempel
Berichterstatter

Dr. Konstantin von Notz
Berichterstatter

Anhörung, an der sich sechs Sachverständige beteiligt haben, sungen – auch innerhalb der einzelnen Parteien – gebe. Natür-
lich sprächen auch einige gute Gründe für eine anonymisierte
wird auf das Protokoll der 56. Sitzung des Innenausschusses

vom 7. November 2011 verwiesen (Protokoll 17/56).

Der Innenausschuss hat die Anträge in seiner 85. Sitzung
am 24. Oktober 2012 abschließend beraten.

Kennzeichnung von Polizisten. Den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. werde man aber ablehnen. Was das Pfefferspray an-
gehe, sei die Polizei an Recht und Gesetz gebunden. Schon jetzt
gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, an den sich die
Drucksache 17/11263 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Günter Baumann, Wolfgang Gunkel, Gisela Piltz,
Frank Tempel und Dr. Konstantin von Notz

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/4682 wurde in der 102. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 7. April 2011 an den
Innenausschuss federführend sowie an den Rechtsausschuss
und den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 17/5055 wurde in der 99. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 24. März 2011 an den
Innenausschuss federführend sowie an den Rechtsausschuss
und den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss hat in seiner 98. Sitzung am 24. Ok-
tober 2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 68. Sitzung am 24. Oktober 2012 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss hat in seiner 98. Sitzung am 24. Oktober
2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 68. Sitzung am 24. Oktober 2012 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len, den Antrag abzulehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 44. Sitzung am 8. Juni 2011
beschlossen, eine öffentliche Anhörung zu den Drucksachen
17/4682 und 17/5055 durchzuführen. Die öffentliche Anhö-
rung hat der Innenausschuss in seiner 56. Sitzung am 7. No-
vember 2011 durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses der

Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD abzulehnen.

Den Antrag auf Drucksache 17/5055 empfiehlt der Innenaus-
schuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU erinnert daran, dass die The-
men beider Anträge bereits umfassend auch im Plenum de-
battiert worden seien. Polizisten kämen immer häufiger in
Gefahrensituationen und würden auch direkt angegriffen.
Der Bund habe eine Schutzpflicht für seine Polizisten, die
nicht bis nach Hause verfolgt werden dürften. Auch die
meisten Bundesländer hätten bislang keine Kennzeich-
nungspflicht. Zudem sende eine solche Pflicht ein falsches
Signal des generellen Misstrauens in die Bundespolizei, bei
der es praktisch keine Fälle rechtswidriger Polizeigewalt ge-
geben habe. Schon jetzt könnten Betroffene die Vorlage des
Dienstausweises verlangen. Eine Nummerierung würde von
vielen Polizisten als entwürdigend angesehen. Was den An-
trag zu Buchstabe b angehe, so sei ein Einsatz von Pfeffer-
spray erforderlich. Polizisten müssten sich und Dritte schüt-
zen können. Ihnen dieses Mittel wegzunehmen, sei falsch.
Die CDU/CSU lehne daher beide Anträge ab.

Die Fraktion der SPD erklärt, sie werde sich bei der Kenn-
zeichnungspflicht enthalten. Natürlich seien Polizisten Ge-
fahren ausgesetzt. Wenn es aber zu strafbaren Übergriffen
durch Polizisten komme, müsse eine Identifizierung möglich
sein, der Vorfall dürfe nicht unaufgeklärt bleiben. Das gelte
gerade, wenn man von einer rechtsstaatlich handelnden Po-
lizei ausgehe. Die Fraktion der SPD sei für das Berliner
Modell, das das Tragen eines Namenschilds, einer Nummer
oder, für geschlossene Einheiten, einer Kombination von
Zahlen und Buchstaben vorsehe. Sinnvoll wäre es zudem,
wenn Polizeibeamte eine Melderegistersperre beantragen
könnten. Pfefferspray könne als Distanzwaffe – als Alterna-
tive zu Schlagstock und Schusswaffe – etwa bei alkoholisier-
ten Tätern sinnvoll sein. Ein flächendeckender Einsatz gegen
Menschenmengen sei aber problematisch. Die Fraktion der
SPD halte die Regelungen der Gesetze über den unmittelba-
ren Zwang für ausreichend. Der Einsatz sollte aber einge-
schränkt und möglichst durch Entscheidungsträger angeord-
net werden. Die Fraktion der SPD lehne daher den Antrag zu
Buchstabe b ab.

Die Fraktion der FDP weist darauf hin, dass es in der Frage
der Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten eine Vielzahl
von Regelungen in den Ländern und unterschiedliche Auffas-
Als Ergebnis der Beratungen empfiehlt der Innenausschuss,
den Antrag auf Drucksache 17/4682 mit den Stimmen der

Polizei auch halte. Ausnahmen seien eben Ausnahmen. Der
Antrag der Fraktion DIE LINKE. mache den Einsatz von Pfef-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11263

ferspray praktisch unmöglich, wenn er z. B. jede potenzielle
Gefährdung Dritter als Ausschlussgrund ansehe. Die Doku-
mentation jedes einzelnen Einsatzes würde zu riesigen Akten-
bergen führen, die niemandem etwas nützten. Die Fraktion der
FDP lehne deshalb auch den Antrag zu Buchstabe b ab.

Die Fraktion DIE LINKE. betont, eine Kennzeichnungs-
pflicht für Polizeibeamte sei in weiten Teilen Europas Nor-
malität. Das Transparenzgebot in einer demokratischen
Gesellschaft kollidiere mit der Schutzbedürftigkeit der Poli-
zeibeamten und ihrer Persönlichkeitsrechte. Daher fordere
die Fraktion DIE LINKE. eine persönliche Identifizierbarkeit
durch das Tragen von Namensschildern oder einprägsamen
Nummernkombinationen. Mit einer solchen anonymisierten
Kennzeichnung könne ein Schutz der Polizisten und ihrer
Rechte sichergestellt werden. Beim Einsatz von Pfefferspray
sei die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes entscheidend. Als
Mittel der Notwehr oder der Nothilfe bei Gefahr für Leib und
Leben komme Pfefferspray in Betracht, nicht aber als Mittel,
um den staatlichen Willen durchzusetzen, etwa bei der Räu-
mung einer Wiese. Auch Dritte dürften nicht gefährdet wer-
den. Wichtig seien zudem klarere Einsatzregeln sowie eine
bessere Dokumentation und Prüfung der Einsätze.

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt he-
raus, dass eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten in vielen
Staaten Europas eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit
sei. Auch Staatsanwälte, Richter und Vollzugsbeamte müss-
ten unter ihrem „Klarnamen“ auftreten und sich Gefahren
aussetzen. Die Schutzbedürftigkeit von Polizisten könne ge-
gen eine anonymisierte Kennzeichnung durch Nummern
jedenfalls nicht ins Feld geführt werden. In kritischen Situa-
tionen auf Demonstrationen sei ein Zeigen des Dienstauswei-
ses auf Verlangen – für beide Seiten – praktisch kaum mög-
lich. Zudem fördere es das Vertrauen in die Polizei, wenn
– wenigstens teilweise – auch der Name der Beamten im Um-
gang mit dem Bürger erkennbar werde. Eine Kennzeich-
nungspflicht würde schnell zu einer Selbstverständlichkeit
werden und diene auch dem Schutz vor falscher Verdächti-
gung. Daher sei eine solche Pflicht in Schleswig-Holstein ge-
rade beschlossen worden. Man werde dem Antrag zu Buch-
stabe a zustimmen. Das Pfefferspray sei keine Wunderwaffe,
sondern unangenehm und gefährlich. In der Abwägung mit
anderen Alternativen – etwa dem Einsatz von Reiterstaffeln
o. Ä. – könne das Pfefferspray aber das mildere Mittel dar-
stellen. Die Fraktion werde sich beim Antrag zu Buchstabe b
daher enthalten.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Günter Baumann
Berichterstatter

Wolfgang Gunkel
Berichterstatter

Gisela Piltz
Berichterstatterin

Frank Tempel
Berichterstatter

Dr. Konstantin von Notz
Berichterstatter

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