BT-Drucksache 17/11243

Unterstützung von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in Kuba

Vom 26. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11243
17. Wahlperiode 26. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger,
Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unterstützung von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in Kuba

Nach Angaben der Kubanischen Kommission für Menschenrechte und nationale
Versöhnung (CCDHRN) ist die Zahl mutwilliger und kurzfristiger Verhaftungen
und politischer Repressionen von Menschenrechtsverteidigerinnen und - verteidi-
gern durch kubanische Behörden im Jahr 2012 deutlich gestiegen. Allein für den
Monat März ist von 1 158 Verhaftungen die Rede. Menschenrechtsverteidige-
rinnen und -verteidiger werden ohne Angabe von Gründen festgenommen, be-
droht, eingeschüchtert, in ihrer Bewegungsfreiheit begrenzt, observiert und di-
versen Restriktionen durch den Staat ausgesetzt. Teilweise soll es auch
Gewaltanwendungen geben. Auch nach der am 23. März 2011 abgeschlossenen
Freilassung von 52 im Jahr 2003 inhaftierten und zu langen Gefängnisstrafen
verurteilten kubanischen Dissidenten und weiterer Gefangener kommt es immer
wieder zu Übergriffen und vorübergehenden Freiheitsentzug.

Der von vielen erhoffte Umschwung in der kubanischen Menschenrechtspolitik
durch die Regierungsübernahme von Raúl Castro ist nicht erfolgt. Es gibt wei-
terhin keine Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Politisch Anders-
denkende werden von Staatsorganen überwacht und eingeschüchtert. Auch
wenn die kubanische Revolution Errungenschaften im sozialen Bereich hervor-
gebracht hat und Menschenrechte im Bildungs- und Gesundheitsbereich im re-
gionalen Vergleich gut umgesetzt werden, legitimiert dies nicht die Verletzung
anderer Menschenrechte. Menschenrechte sind unteilbar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was unternimmt die Bundesregierung auf bilateraler und auf EU-Ebene ge-
gen zunehmende Repressionen und kurzfristige Inhaftierungen von Men-
schenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in Kuba?

2. Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung im Hinblick auf
Gewaltanwendungen bei inhaftierten kubanischen Menschenrechtsvertei-

digerinnen und -verteidigern durch kubanische Sicherheitsbeamte, und über
welche Kenntnisse verfügt sie speziell in den Fällen von

a) Jorge Vazquez Chaviano,

b) Niurka Luque Alvarez,

c) Diosbel Suarez,

Drucksache 17/11243 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Idalberto Acuña,

e) Santiago Cardoso,

f) Oswaldo Rodríguez Acosta,

g) Ramón Alejandro Muñoz González,

h) Sonia Garro,

i) Calixto Martínez Arias,

j) Antonio Michel Lima Cruz und

k) Marcos Máiquel Lima Cruz?

3. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den von der kubani-
schen Regierung für den 14. Januar 2013 angekündigten Reisebestimmungen
für kubanische Bürgerinnen und Bürger, denen zufolge keine Ausreiseerlaub-
nis sondern lediglich ein gültiger Pass und ein Einreisevisum des Ziellandes
erforderlich sein wird?

a) Inwieweit wird nach Einschätzung der Bundesregierung eine Ausreise
kubanischer Staatsbürger ab dem 14. Januar 2013 weiterhin von der Will-
kür der kubanischen Regierung abhängen, und wie beurteilt die Bundes-
regierung in diesem Zusammenhang die angedeuteten Einschränkungen
„es werden Maßnahmen beibehalten, um das geistige Kapital, das von der
Revolution geschaffen wurde, gegen den Raub der Talente durch die
Mächtigen zu schützen“?

b) Wird die Bundesregierung Kubanerinnen und Kubanern ab dem 14. Ja-
nuar 2013 großzügig Einreisegenehmigungen erteilen, oder wird sie diese
an Bedingungen knüpfen, und wenn ja, an welche?

c) Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die neuen Reisebestim-
mungen auch für kubanische Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver-
teidiger gelten?

4. Inwiefern hat sich die Bundesregierung für eine unabhängige Untersuchung
der Todesumstände des am 22. Juli 2012 ums Leben gekommenen Men-
schenrechtsverteidigers und Trägers des Sacharow-Preises, Oswaldo Payá
Sardiñas, eingesetzt?

5. Wie hat sich die Bundesregierung angesichts der Verhaftungen des sechsjäh-
rigen Sohnes der Menschenrechtsverteidigerin Yaite Yaisneli Cruz Sosa und
der zwölfjährigen Enkelin der Menschenrechtsverteidigerin Xiomara Martí
Jiménez Ende August 2012 gegenüber der kubanischen Regierung im Hin-
blick auf § 40 der VN-Kinderrechtskonvention (Behandlung des Kindes in
Strafrecht und Strafverfahren) positioniert (vgl. Globedia, 2. September
2012)?

6. Wie ist der aktuelle Stand des von der Hohen Vertreterin der Europäischen
Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, geführten Re-
flexionsprozesses in der EU über die Möglichkeiten der zukünftigen Gestal-
tung der EU-Kuba-Beziehungen, und wie lautet die deutsche Position?

7. Welche Impulse setzt die Bundesregierung in der EU-Ratsarbeitsgruppe für
Menschenrechte (COHOM) im Hinblick auf die Unterstützung kubanischer
Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger?

8. Wann wurde die Umsetzung der EU-Leitlinien für Menschenrechtsverteidi-
gerinnen und -verteidiger zuletzt in der EU-Ratsarbeitsgruppe Menschen-
rechte (COHOM) überprüft, und zu welchen Ergebnissen ist sie gekommen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11243

9. Wie trägt die deutsche Botschaft in Havanna zur Verbesserung der Men-
schenrechtssituation in Kuba bei?

a) Welche Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger hat der deut-
sche Botschafter in Kuba in Polizeigewahrsam oder unter Hausarrest
besucht, und an welchen Verfahren gegen sie hat er als Beobachter teil-
genommen?

b) Inwiefern fördert die deutsche Botschaft in Kuba den Informationsaus-
tausch zwischen themenbezogenen VN-Mechanismen und kubanischen
Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern?

c) Hat die deutsche Botschaft in den vergangenen zehn Jahren kubanische
Menschenrechtsorganisationen zu ihren offiziellen Empfängen zum Tag
der Deutschen Einheit eingeladen (bitte nach Jahren auflisten)?

d) Aus welchen Gründen hat sie zwischenzeitlich auf die Einladung einzel-
ner Menschenrechtsorganisationen zu diesem Anlass verzichtet?

e) Hat die deutsche Botschaft Menschenrechtsorganisationen zu ihrem
offiziellen Empfang zum Tag der Deutschen Einheit 2012 eingeladen,
auf deren Einladung sie zuvor verzichtet hat?
Falls nicht, mit welcher Begründung?

10. Wann setzt die Bundesregierung die EU-Leitlinien zum Schutz von Men-
schenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in Kuba um?

Wird bzw. werden entsprechend den EU-Leitlinien

a) eine lokale Strategie zur Umsetzung der EU-Leitlinien ausgearbeitet,

b) jährlich eine Tagung veranstaltet, auf der Menschenrechtsverteidigerin-
nen und -verteidiger und Diplomaten zusammenkommen, um die ört-
liche Menschenrechtslage, die diesbezügliche Politik der EU und die
Durchführung der lokalen Strategie zur Umsetzung der Leitlinien zu er-
örtern,

c) ein spezieller Verbindungsbeamter für die Pflege von Kontakten mit
Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern eingesetzt, und wenn
nein, inwiefern setzt sich die Bundesregierung hierfür ein und

d) regelmäßig Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in die EU-
Delegation in Kuba eingeladen?

11. Wie wirkt die Bundesregierung auf die kubanische Regierung ein, dass sie
Anträge auf Besuche im Rahmen der besonderen VN-Verfahren, wie zum
Beispiel der UN-Sonderberichterstatterin über Menschenrechtsverteidige-
rinnen und -verteidiger, Margaret Sekaggya, grundsätzlich akzeptiert?

12. Welche Empfehlungen im Rahmen der Universellen Periodischen Überprü-
fung der Menschenrechtslage in Kuba von 2009 erachtet die Bundesregie-
rung als zentral, und wie setzt sie sich konkret für deren Umsetzung ein?

13. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung gegenüber der kubanischen
Regierung dafür ein, die beiden VN-Menschenrechtspakte über zivile und
politische Rechte sowie über kulturelle, soziale und wirtschaftliche Rechte
zu ratifizieren?

14. Wie setzt sich die Bundesregierung gegenüber der kubanischen Regierung
dafür ein, dass diese den in den abschließenden Bemerkungen des VN- Aus-
schusses gegen Folter enthaltenen Aufforderungen nachkommt, wonach
Maßnahmen zu ergreifen sind, um willkürliche Inhaftierungen, präventive
Sicherungsmaßnahmen und andere Repressionen gegen Menschenrechts-

verteidigerinnen und -verteidiger zu unterbinden (UN-Dok. CAT/C/CUB/
CO/2 vom 25. Juni 2012, Nr. 20)?

Drucksache 17/11243 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
15. Wie setzt sich die Bundesregierung gegenüber der kubanischen Regierung
für Religionsfreiheit in Kuba ein, angesichts der vermehrten Vorkommnisse,
bei denen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger von Sicher-
heitskräften davon abgehalten wurden, an religiösen Feiern teilzunehmen
(so z. B. Mitglieder der Damas de Blanco an der Feier für die „Virgen de la
Merced“ am 22. und 23. September 2012)?

Berlin, den 26. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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