BT-Drucksache 17/11182

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/9694 - Entwurf eines Gesetzes für einen Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr

Vom 24. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11182
17. Wahlperiode 24. 10. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/9694 –

Entwurf eines Gesetzes für einen Gerichtsstand bei besonderer
Auslandsverwendung der Bundeswehr

A. Problem

Für die Verfolgung von Straftaten, die von Soldatinnen und Soldaten der Bun-
deswehr während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den
Dienst im Ausland begangen werden, besteht derzeit kein einheitlicher Gerichts-
stand. Das kann zu verfahrensverzögernden Zuständigkeitsproblemen sowie zur
Zuständigkeit verschiedener Gerichte und Staatsanwaltschaften an unterschied-
lichen Orten führen. Diese Rechtslage wird weder den Anforderungen an eine
effiziente Strafverfolgung noch den Besonderheiten der Verfahren, an denen
Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beteiligt sind, gerecht. Neben der
Kenntnis militärischer Abläufe und Strukturen sowie der rechtlichen und tat-
sächlichen Rahmenbedingungen der besonderen Auslandsverwendung sind spe-
zielle Erfahrungen bei Ermittlungen mit Auslandsbezug erforderlich. Mit dem
Gesetzentwurf soll am Sitz des für die Stadt Kempten zuständigen Gerichts ein
einheitlicher Gerichtsstand für solche Strafverfahren begründet werden. Ent-
sprechend den bestehenden Zuständigkeitsregelungen wäre damit auch die
Staatsanwaltschaft, die für dieses Gericht bestellt ist, zuständig für die Verfol-
gung solcher Straftaten.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs dient der Stärkung der Rechtssicherheit
sowie der Opferrechte im Strafverfahren. Bisher gibt es keine gesetzliche Rege-
lung, welche die örtliche Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft in Deutschland
begründet, wenn die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben
oder erkennbar ist. Betroffen sind hiervon zum Beispiel Fälle, in denen ein Deut-
scher oder eine Deutsche Opfer einer Straftat im Ausland wird und diese im
Inland anzeigen möchte. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die zuerst mit der

Sache befasste Staatsanwaltschaft in solchen Fällen zuständig sein soll.

B. Lösung

Unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Drucksache 17/11182 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Ablehnung des Gesetzentwurfs.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11182

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9694 unverändert anzunehmen.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Der Rechtsausschuss

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender

Dr. Patrick Sensburg
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Jens Petermann
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

zende Richterin am Landgericht Freiburg im Breisgau; wendung künftig sehr viel effektiver durchgeführt werden
könnten. Bislang seien für die strafrechtliche Klärung eines
Herbert Pollert, Leitender Oberstaatsanwalt, Staatsanwalt-
schaft Kempten;

Fabian Stam, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität zu

Lebenssachverhaltes je nach Standort der daran beteiligten
Soldatinnen und Soldaten praktisch meist mehrere Staats-
anwaltschaften und Gerichte parallel zuständig, die zu unter-
schiedlichen Ergebnissen kommen könnten und überdies
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Bericht der Abgeordneten Dr. Patrick Sensburg, Christoph Strässer,
Jörg van Essen, Jens Petermann und Jerzy Montag

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/9694 in seiner 181. Sitzung am 24. Mai 2012
beraten und an den Rechtsausschuss zur federführenden
Beratung und an den Auswärtigen Ausschuss sowie den
Verteidigungsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Gesetzentwurf in
seiner 66. Sitzung an 24. Oktober 2012 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dessen Annahme.

Der Verteidigungsausschuss hat den Gesetzentwurf in
seiner 124. Sitzung am 24. Oktober 2012 beraten. Er emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetz-
entwurfs.

Über Artikel 2 des Gesetzentwurfs hat der Verteidigungs-
ausschuss getrennt abgestimmt und empfiehlt einstimmig
dessen Annahme.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 87. Sit-
zung am 13. Juni 2012 anberaten und die Durchführung
einer öffentlichen Anhörung beschlossen, die er in seiner
93. Sitzung am 26. September 2012 durchgeführt hat. An
dieser Anhörung haben folgende Sachverständige teilge-
nommen:

Thomas Beck, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof,
Karlsruhe;

Johannes Heinen, Leitender Rechtsberater des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr, Potsdam;

Prof. Dr. Florian Jeßberger, Universität Hamburg, Fakultät
für Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Strafrecht und Straf-
prozessrecht;

Ulrich Kirsch, Oberst, Bundesvorsitzender des Deutschen
Bundeswehrverbandes, Berlin;

Jürgen Konrad, Generalstaatsanwalt, Generalstaatsanwalt-
schaft Naumburg;

Dr. Susanne Müller, Neue Richtervereinigung e. V., Vorsit-

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 93. Sitzung am 26. September 2012 mit den anlie-
genden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
98. Sitzung am 24. Oktober 2012 abschließend beraten. Er
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dessen unverän-
derte Annahme.

Auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat
der Rechtsausschuss zudem über Artikel 1 und 2 des Gesetz-
entwurfs getrennt abgestimmt. Er empfiehlt mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Annahme von Artikel 1 sowie mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen SPD
und DIE LINKE. die Annahme von Artikel 2 des Gesetzent-
wurfs.

Die Fraktion der SPD erklärte, dem mit dem Gesetzentwurf
verfolgten Grundanliegen zur Konzentration der Zuständig-
keiten im Strafverfahren bei besonderer Auslandsverwen-
dung der Bundeswehr mit „skeptischer Offenheit“ gegen-
überzustehen. Der mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
vorgeschlagene § 11a der Strafprozessordnung (StPO-E) sei
insoweit aber nicht zielführend und der Gesetzentwurf daher
abzulehnen. In der öffentlichen Anhörung sei deutlich ge-
worden, dass für zwei wesentliche Fallkonstellationen eine
Konzentration der Zuständigkeit nicht erreicht werde: Straf-
taten im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten fielen
weiterhin in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
und die Verfolgung „gewöhnlicher“ Straftaten ohne spezifi-
schen Bezug zum Einsatz verbleibe in der Zuständigkeit der
Staatsanwaltschaften am Standort der betroffenen Soldatin-
nen und Soldaten. Die kleine Zahl von Fällen, die von § 11a
StPO-E voraussichtlich erfasst würden, lösten schließlich
keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf aus, insbeson-
dere erfordere deren Bearbeitung nicht die Einrichtung einer
spezialisierten Staatsanwaltschaft.

Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, in der öffentlichen
Anhörung seien sich fast alle Sachverständigen einig gewe-
sen, dass der vorliegende Gesetzentwurf sachgerecht sei.
Eine Unterscheidung zwischen „gewöhnlichen“ und einsatz-
bezogenen Straftaten sei jedenfalls zu Beginn strafrechtli-
cher Ermittlungen meist nicht möglich und daher aus prakti-
schen Gründen verfehlt. Mit § 11a StPO-E werde sicherge-
stellt, dass Strafverfahren wegen strafrechtlicher Vorwürfe
gegen Soldatinnen und Soldaten in besonderer Auslandsver-
Köln, Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht;

Dr. Rolf Surmann, Historiker und Publizist, Hamburg.
keine spezialisierten Kenntnisse über die Praxis militärischer
Einsätze hätten. Mit der Konzentration der örtlichen Zustän-

Justiz zunächst vorgesehene Konzentration der Zuständig-

Berlin, den 24. Oktober 20

Dr. Patrick Sensburg
Berichterstatter

ann
tter

Jerzy Montag
Berichterstatter
keit in Leipzig sei mit Blick auf das dort ansässige Wehr-
dienstgericht noch nachvollziehbar gewesen. Die Staats-
anwaltschaft Kempten sei zwar in Bayern bereits für die Ver-
folgung entsprechender Straftaten zuständig. Anders als von
der Bundesregierung behauptet, sei dort aber keine substan-
tielle Erfahrung mit solchen Verfahren vorhanden. Bislang
seien nur elf entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet
worden und von 20 dort tätigen Staatsanwälten nur einer mit
solchen Verfahren befasst gewesen. Sachgerecht wäre hinge-
gen eine Konzentration solcher Ermittlungsverfahren beim
Generalbundesanwalt.

Die Bundesregierung wies darauf hin, dass sich die Kon-
ferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit Mehr-
heit für eine Konzentration sowohl der gerichtlichen als auch
der staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeiten für die Ver-
folgung von Straftaten, die von Soldatinnen und Soldaten in
besonderer Auslandsverwendung begangen werden, ausge-
sprochen habe.

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Berichterstatter

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Berichterstatter

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Berichtersta
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digkeiten werde auch eine Bündelung der notwendigen fach-
lichen Kenntnisse einhergehen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, sie
trage die in Artikel 2 vorgesehene Stärkung des Opferschut-
zes mit, lehne aber die mit Artikel 1 verfolgte Schaffung
eines einheitlichen Gerichtsstandes bei besonderer Aus-
landsverwendung der Bundeswehr ab. Das eigentliche Pro-
blem bei strafrechtlichen Vorwürfen gegen Soldatinnen und
Soldaten im Auslandseinsatz sei die Ermittlungsführung,
insbesondere vor Ort. Der vorliegende Gesetzentwurf, der
auf eine Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeiten ab-
ziele, statt spezialisierte Ermittlungsbehörden mit entspre-
chenden Befugnissen zu schaffen, gehe an diesem Problem
vorbei. Die mit dem Gesetzentwurf verbundene Schaffung
einer „Wehrjustiz“ sei zudem auch aus militärhistorischen
und demokratietheoretischen Gesichtspunkten in hohem
Maße fragwürdig. Im Übrigen sei die Wahl Kemptens als für
die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblicher
Ort nicht nachvollziehbar. Die vom Bundesministerium der

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