BT-Drucksache 17/11030

Bezahlbare Energie sichern durch Einsparung, Erneuerbare und mehr Verbraucherrechte

Vom 17. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11030
17. Wahlperiode 17. 10. 2012

Antrag
der Abgeordneten Renate Künast, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Markus Kurth,
Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Daniela Wagner, Nicole Maisch, Sylvia Kotting-
Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Cornelia
Behm, Harald Ebner, Britta Haßelmann, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter,
Sven-Christian Kindler, Stephan Kühn, Beate Müller-Gemmeke, Friedrich
Ostendorff, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bezahlbare Energie sichern durch Einsparung, Erneuerbare und mehr
Verbraucherrechte

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Ausgaben der Privathaushalte für Energie sind seit 2005 stark gestiegen.
Rund 45 Prozent Preisanstieg für Strom und Fernwärme, über 60 Prozent für Öl
und 30 Prozent für Gas: viele Haushalte sind mit diesem Preisanstieg deutlich
oberhalb der allgemeinen Teuerungsrate finanziell überlastet. Nach Schätzun-
gen der Verbraucherverbände wird ca. 600 000 Haushalten jährlich Strom oder
Gas abgestellt, weil sie ihre Rechnungen nicht begleichen können.

Betroffen sind einerseits die Haushalte, die Transferleistungen beziehen. So
kam es etwa im Jahr 2011 zu einer monatlichen Unterdeckung für Einpersonen-
haushalte im SGB-II-Bezug (SGB II = Zweites Buch Sozialgesetzbuch) von
4,78 Euro. Paarhaushalten mit drei Kindern fehlten monatlich 12,40 Euro für
die Begleichung ihrer Stromrechnung. In der Folge müssen Leistungsbezie-
hende entweder auf andere Ausgaben verzichten, für die der Regelsatz eigent-
lich Mittel vorsieht, auf ihr Schonvermögen zurückgreifen oder Schulden auf-
nehmen, um die Stromrechnung begleichen zu können. Als letzte Möglichkeit
sieht das Gesetz die Gewährung eines Darlehens vor. Trotz dieser Möglichkei-
ten waren nach Schätzungen von Verbraucherschützern und Wohlfahrtsverbän-
den im vergangenen Jahr rund 200 000 Haushalte im Grundsicherungsbezug
von Stromsperren aufgrund von Zahlungsrückständen betroffen.

Betroffen sind andererseits auch immer mehr Geringverdienende. Energiekos-
ten entwickeln sich für diese zu einer zunehmenden Belastung. So gaben im

Jahr 2008 14 Prozent der Haushalte mehr als 10 Prozent ihres Einkommens für
Energie aus; Tendenz steigend. Ohne Zugang zu einem „Energieexistenzmini-
mum“ ist jedoch eine akzeptable Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht
gewährleistet.

Als Grund für die steigenden Energiekosten wird immer wieder der Ausbau er-
neuerbarer Energien genannt. Doch dies lenkt ab von den wahren Ursachen.

Drucksache 17/11030 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Diese liegen zum einen im steigenden Preis für die fossilen Energieträger Öl
und Erdgas im Wärmemarkt. Heute zahlt ein durchschnittlicher Haushalt für
Heizung und Warmwasser 32 Prozent mehr als noch im Jahr 2002. Erneuerbare
Energien tragen dazu bei, diese Kosten dauerhaft zu verringern. Heute bereits
ersetzen sie im Wärmebereich Erdgas und Erdöl. Nur wenn Wärmeenergie
durch Gebäudesanierung eingespart wird und zunehmend erneuerbare einge-
setzt werden, bleiben die Energiekosten der Privathaushalte auf Dauer finan-
zierbar. Gleichzeitig geht derzeit durch Entwicklungen auf dem Wohnungs-
markt und fehlgesteuerte Modernisierungen vielerorts bezahlbarer Wohnraum
verloren. Hier muss mieten- und wohnungspolitisch sowie durch geeignete För-
derstrukturen, Beratung und Transparenz gegengesteuert werden.

Strom ist seit 2002 um etwa 10 ct/kWh teurer geworden. Im gleichen Zeitraum
stieg die EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare-Energien-Gesetz), also die von je-
dem Haushalt zu finanzierenden Mehrkosten für Ökostrom, um 3,3 ct/kWh.
Zwei Drittel der Strompreiserhöhung hatten also nichts mit dem Ökostromaus-
bau zu tun. Zudem steht den Mehrkosten des EEG ein preisdämpfender Effekt
von aktuell rund 0,9 ct/kWh durch die erneuerbaren Energien an der Strom-
börse gegenüber, welcher an die Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch
nicht weitergegeben wird. Und auch dadurch mussten diese allein 2012 rund
3 Mrd. Euro zu viel für ihren Strom zahlen. Gleichzeitig wirkt sich die Börsen-
preissenkung durch erneuerbare Energien erhöhend auf die EEG-Umlage aus,
da die Umlage als Differenz von Einspeisetarif und Börsenpreis berechnet
wird. Ein weiterer Preistreiber sind die ausufernden Befreiungen der Groß-
industrie von den Kosten der Energiewende: Von über 9 Mrd. Euro Entlastung
für Großunternehmen im Jahr 2012 mussten mehr als 5 Mrd. Euro von anderen
Stromkunden aufgebracht werden.

Beinahe völlig ausgeblendet in der Debatte wird, dass nicht die Bereitstellungs-
kosten für Energie, sondern auch und vor allem die Menge der verbrauchten
Energie die Energiekosten privater Haushalte bestimmen. Noch immer geht
viel zu viel Energie ungenutzt verloren. Effizienz und Einsparung kommen
nicht voran, obwohl sie der entscheidende Faktor sind, um die Energieversor-
gung dauerhaft bezahlbar zu machen. Besonders einkommensschwache Haus-
halte müssen dabei unterstützt werden, über die Senkung ihres Verbrauchs auch
die Kosten zu senken. Deshalb bedarf es eines mit 3 Mrd. Euro ausgestatteten
Energiesparfonds, der unter anderem energetische Sanierungsmaßnahmen, Be-
ratungen, Heizungsaustausch sowie die Anschaffung neuer, effizienter Haus-
haltsgeräte mitfinanziert.

Maßnahmen wie die derzeit diskutierten Steuersenkungen oder staatlich bezu-
schusste Sozialtarife, die allein der Preissenkung für Energie aus fossilen
Brennstoffen und nicht gleichzeitig der Energieeinsparung dienen, sind sowohl
aus ökologischer wie auch ökonomischer und sozialer Sicht falsch. Da der
Preisanstieg zu erheblichen Teilen auf die Verteuerung der fossilen Energieträ-
ger zurückzuführen ist, ist der rasche Umstieg auf erneuerbare Energien und zu
mehr Effizienz und Einsparung der Schlüssel zu bezahlbaren Preisen in der na-
hen Zukunft. Die Menschen müssen dazu befähigt werden, sich energie-
sparende Geräte anzuschaffen, als Mieter von energetisch sanierten Häusern zu
profitieren und ihr Verbrauchsverhalten zu verändern.

Ökologischer Umbau und sozialer Ausgleich müssen Hand in Hand gehen.
Hierfür bedarf es aufeinander abgestimmter Maßnahmen, die soziale Härten
abmildern und allen Menschen eine bezahlbare und effiziente Energieversor-
gung ermöglichen. Zudem müssen auch die gegenwärtigen Ungleichgewichte
zwischen Unternehmen und Privathaushalten beseitigt werden, die durch zahl-
reiche Kostenbefreiungen der Wirtschaft entstanden sind. Nur über eine ge-

rechte Lastenverteilung kann der Umbau der Energieversorgung für alle zum
Erfolg werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11030

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dem Energiesparen in allen Haushalten Anreize zu geben, indem sie

• einen mit 3 Mrd. Euro ausgestatteten Energiesparfonds einrichtet, aus dem
insbesondere folgende Programme finanziert werden:

– verstärkte Energieberatung und Informationen, z. B. durch Energiespar-
Checks für alle Haushalte; für einkommensschwache Haushalte sollten
diese kostenfrei sein;

– Förderung besonders sparsamer Geräte über Zuschüsse, z. B. durch Ener-
giespardienstleister oder Stadtwerke, für den Austausch ineffizienter
„Weißer Ware“, insbesondere in einkommensschwachen Haushalten,
sowie Mini-Contracting-Programme, bei denen Dienstleister in Effi-
zienz investieren und die Kosten über die Einsparungen bei der Strom-
rechnung finanziert werden;

– energetische Sanierung insbesondere in Wohnquartieren mit hohem An-
teil einkommens- und investitionsschwacher Haushalte, möglichst warm-
mietenneutral, sowie Einführung eines Klimazuschusses im Wohngeld;

• die Stromversorgungsunternehmen verpflichten, mindestens einen „Strom-
spartarif“ anzubieten, welcher stromsparenden Verbrauch durch progres-
siven Tarifverlauf und entfallende Grundgebühr belohnt;

2. Soforthilfe für Haushalte in Not zu leisten, indem sie

• das Sperren der Gas- und Stromversorgung von Privathaushalten gesetz-
lich einschränkt und zumindest bei erstmaligem Zahlungsverzug die Ver-
sorger verpflichtet, im Vorfeld einer Sperre eine Ratenzahlungsvereinba-
rung anbieten zu müssen;

• die Verhältnismäßigkeit im Gesetz konkretisiert, bei der keine vollständi-
gen Sperrungen vollzogen werden dürfen;

• bereits existierende kostenfreie Beratungsangebote für einkommens-
schwache Haushalte ausbaut und über eine Informationsoffensive sicher-
stellt, dass diese auch durch die Betroffenen wahrgenommen werden;

3. einkommensschwache Haushalte dauerhaft zu stärken, indem sie

• die Regelsätze nach SGB II und SGB XII auf ein Niveau anhebt, das eine
Grundversorgung an Wärme und Strom sicherstellt;

• einen gesetzlichen Mindestlohn einführt und Maßnahmen zur Stabilisie-
rung des Tarifvertragssystems auf den Weg bringt, damit die unteren Ein-
kommensgruppen Existenz sichernde Löhne erhalten;

• in die Bemessungsgrundlage der Grundsicherungsstellen hinsichtlich der
Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten den Energieausweis mit
einbezieht;

• Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld bei energetischer Sanierung
einen Klimazuschuss erhalten;

4. besonders effizienten Geräten Vorfahrt zu geben, indem sie

• sich auf europäischer Ebene dafür einsetzt, dass die verbrauchsärmsten
Modelle einer Produktklasse den Standard setzen, den drei Jahre später
alle Produkte dieser Klasse erfüllen müssen (sog. Top-Runner-Modell);

• für eine verbraucherfreundlichere Kennzeichnung besonders sparsamer
Geräte und eine Überarbeitung der Energieklassenbezeichnungen auf EU-
Ebene eintritt, um die für die meisten Verbraucher nicht klar verständ-

lichen Klassen A bis A+++ durch transparentere Systeme (z. B. A bis G)
zu ersetzen;

Drucksache 17/11030 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. den fossilen Wärmeverbrauch von Gebäuden zu senken, indem sie

• den Mindeststandard für den Energieverbrauch sanierter Gebäude bis zum
Jahr 2020 stufenweise auf jährlich 60 kWh/m2 absenkt;

• das Mietminderungsrecht für Mieterinnen und Mieter ausweitet, wenn der
energetische Zustand ihrer Wohnungen nicht den gesetzlichen Vorgaben
entspricht und ihnen dadurch erhöhte Heizkosten entstehen;

• Vorgaben für schrittweise steigende Mindestanteile erneuerbarer Energien
im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz macht, welche für Gebäude-
bestand und Neubau gelten;

• einen einheitlichen bedarfsorientierten Energieausweis mit individuellem
Sanierungsfahrplan einführt;

• die Geschwindigkeit, mit der Mieten in stark nachgefragten Stadtteilen
und Regionen ansteigen und preiswerter Wohnraum verloren geht, aus-
bremst durch entsprechende Änderungen im Mietrecht, im Wirtschaft-
strafrecht, im Bau- und Sanierungsrecht sowie wohnungspolitische Maß-
nahmen zum Erhalt von Wohnraum und zur Umwandlung von Gewerbe-
raum in Wohnraum ergreift;

6. das Problem „Energiearmut“ anzuerkennen und weiter zu untersuchen, in-
dem sie

• Definitionen von „Energiearmut“, „schutzbedürftigen Kunden“ und einem
„Energieexistenzminimum“ erstellt;

• mit einer repräsentativen Erhebung den Energieverbrauch von Haushalten
und Aspekte von sog. Energiearmut (z. B. Strom- und Gassperren) unter-
sucht, um so den Ist-Zustand und Tendenzen zu erkennen;

• die Markttransparenzstelle mit einem Verbrauchermandat ausstattet und
Verbraucherverbände und -zentralen in ihrer Marktwächterfunktion auf
dem Energiemarkt stärkt.

Berlin, den 17. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Energiesparen ist der schnellste Weg, um den Geldbeutel von hohen Energiekos-
ten zu entlasten. Da Energiesparen aber nicht allein durch den Nichtgebrauch von
Geräten oder das weniger Heizen erreicht werden kann, muss eine Effizienz-
offensive gestartet werden, von der einkommensschwache Haushalte besonders
profitieren, und die zugleich Impulse für zukunftsfähige Produkte und innovative
Unternehmen setzt. Vollmundige Ankündigungen bezüglich Energieeinsparun-
gen und Bekämpfung von „Energiearmut“ bei gleichzeitigem Zerreden der Ener-
giewende widersprechen sich und erzeugen Stimmung gegen die Energiewende.
Um die Akzeptanz für die notwendigen Investitionsmaßnahmen aufrechtzuer-
halten, muss die Frage, wie „Energiearmut“ vermieden werden kann, angegan-
gen werden. Dies kann nur mit dem Umstieg auf Erneuerbare gelingen, da wir nur
so auch in Zukunft bezahlbare Preise für alle erhalten werden.

Das völlige Absperren von Strom und Gas bei Zahlungsrückständen ist sozial

inakzeptabel. Kostenlose Beratungen im Vorfeld, insbesondere die Vereinbarung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11030

von Ratenzahlungen, können zur Klärung der Ursachen beitragen und Voll-
sperrungen verhindern.

Unabkömmlich für das weitere Vorgehen ist die Erstellung einer Definition und
Analyse der Ursachen von „Energiearmut“. Die EU schreibt eine „ausreichende
Energieversorgung für schutzbedürftige Kunden“ in ihrem Dritten Energiepaket
2009 den Mitgliedstaaten sogar vor. Hierfür bedarf es einer größeren Erhebung
zum Energiekonsumverhalten von einkommensschwachen Haushalten. Wenn
darüber, welche Kundinnen und Kunden besonders schutzbedürftig sind, wie in
anderen europäischen Ländern Klarheit besteht, können die Maßnahmen viel
besser abgestimmt werden. Bis dahin sind „Sozialtarife“ lediglich ein Abstem-
peln bestimmter Menschen zu Stromkundinnen und -kunden zweiter Klasse und
nähren die Illusion, der Staat könne die immer teurer werdende fossile Energie
durch Subventionen oder Regulierung billig machen. Allerdings ist es schon
heute möglich, generell stromsparendes Verhalten zu fördern. Das hilft den Men-
schen und der Allgemeinheit.

Für eine bessere Informationsbasis im Gebäudebereich braucht es einen aussage-
kräftigen Energieausweis. Das Wissen über das Energiesparen im Gebäudebe-
reich muss ausgeweitet werden. Gerade diejenigen, die mit ihren geringen Einkom-
men am stärksten von Energiearmut bedroht sind, müssen besser informiert
werden. Wir wollen daher einen einheitlichen Energiebedarfsausweis einführen,
der ab 2018 für alle Gebäude verbindlich sein soll. Der bisher übliche Ausweis
wird modifiziert und verbraucherfreundlicher gestaltet, etwa durch die Angabe
des Energieverbrauchs der letzten Verbrauchsabrechnungen. Die Hinzuziehung
dieses Ausweises in die Bemessungsgrundlage der Grundsicherungsstellen hin-
sichtlich der Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten stellt diese auf eine
gesicherte Datenbasis.

Als besonders effektiv haben sich Hilfen zum Energiesparen erwiesen. Bei
durchschnittlich 65 Euro installierter Soforthilfen je Haushalt durch die prämier-
ten Stromsparchecks des Deutschen Caritasverbands e. V. sparen die Haushalte
jährlich im Schnitt schon 135 Euro. Allerdings sind – gerade nach dem Verbot der
alten und ineffizienten Glühbirnen – immer mehr Einsparpotenziale mit hohen
Investitionskosten verbunden. Diese rechnen sich erst über langfristige Energie-
einsparungen.

Um die Kostenersparnis aber noch direkter bei den Verbraucherinnen und Ver-
brauchern wirksam zu machen, bedarf es auch einer tariflichen Förderung von
solch energiesparendem Verhalten. Bei den heute angebotenen Tarifstrukturen ist
dies nicht möglich. Sie geben Privathaushalten wenig Anreize, Energie einzu-
sparen, sinken doch die Durchschnittspreise mit steigendem Verbrauch. Strom-
spartarife hingegen stellen Strom ohne Grundgebühren sowie mit günstigen
Grundkontingenten zur Verfügung. Der Tarifverlauf ist hierbei stark progressiv,
d. h. je höher der Verbrauch, desto höher die Kosten pro Kilowattstunde. Um Be-
nachteiligungen nach Anzahl der Personen in einem Haushalt vorzubeugen, be-
darf es hierbei einer variablen Progression nach Haushaltstyp. Stromspartarife
müssen von allen Anbietern gleichermaßen und verpflichtend in ihr Portfolio auf-
genommen werden, damit es keine Trittbrettfahrereffekte gibt, welche die Strom-
anbieter untereinander besser- oder schlechterstellt. Dieser sozialökologische
Stromtarif ist dann allen zugänglich und trägt somit auch zur erweiterten Wahl-
freiheit der Kundinnen und Kunden bei. Diese Möglichkeit, sich energiesparen-
des Verhalten noch zusätzlich „belohnen“ zu lassen, würde auch einkommens-
schwachen Haushalten Erleichterung verschaffen.

Eine Reduzierung des individuellen sowie des gesamtgesellschaftlichen Ener-
gieverbrauchs ist mittelfristig unumgänglich, aber innerhalb des fossilen Ener-
giesystems noch nicht ausreichend. Die Verbraucherinnen und Verbraucher kön-

nen aus der Kostenfalle nur herauskommen, wenn sie den verbleibenden Ener-
gieverbrauch nicht mehr mit knappen fossilen Energien decken, sondern

Drucksache 17/11030 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vollständig auf erneuerbare Energien umstellen. Es ist Aufgabe des Staates, den
Menschen bei ihrer persönlichen Energiewende zu helfen, indem er Anreize für
die Umstellung auf erneuerbare Energien setzt, Hemmnisse abbaut, Industrie-
subventionen (z. B. den Spitzenausgleich bei der Ökosteuer) abbaut und durch
die Beendigung der Subventionierung für fossile Energien die wahren Kosten für
die verschiedenen Energieträger sichtbar macht.

Ohne Zugang zu ausreichender Energie sind Wohlstand und Teilhabe am gesell-
schaftlichen Leben nicht gewährleistet. Neben der Förderung des Energiesparens
ist es deshalb auch erforderlich, bei der Berechnung der Sozialleistungen die stei-
genden Energiepreise zu berücksichtigen und eine Minimalversorgung sicher-
zustellen. Vor allem aber müssen die Beschäftigten einen Lohn erhalten, der
Existenz sichernd ausgestaltet ist und vor Energiearmut schützt. Deshalb muss
endlich ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn als Lohnuntergrenze ein-
geführt werden. Darüber hinaus muss die Erosion des Tarifvertragssystems ge-
stoppt werden. Durch Maßnahmen für mehr branchenspezifische Mindestlöhne
und für mehr allgemein verbindlich erklärte Tariflöhne, die dann für alle Beschäf-
tigten einer Branche gelten, kann das Tarifvertragssystem insgesamt gestärkt
werden. In der Folge werden wieder mehr Beschäftigte von tariflichen Regelun-
gen profitieren und von staatlicher Unterstützung unabhängig.

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