BT-Drucksache 17/10946

Inhaftierung von Flüchtlingen durch die Bundespolizei

Vom 9. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10946
17. Wahlperiode 09. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Wolfgang Wieland, Memet Kilic,
Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ingrid Hönlinger,
Tom Koenigs, Dr. Konstantin von Notz, Claudia Roth (Augsburg) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Inhaftierung von Flüchtlingen durch die Bundespolizei

Nach der Dublin-II-Verordnung der Europäischen Union wird der Mitgliedstaat
bestimmt, der für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Zuständig
ist grundsätzlich der Mitgliedstaat, der die Einreise des Asylsuchenden veranlasst
oder nicht verhindert hat. In diesen Staat soll der Asylsuchende rücküberstellt
werden, und zwar in der Regel im Wege der Zurück- bzw. Abschiebung. Eine
freiwillige Ausreise wird in aller Regel nicht ermöglicht.

Im Jahr 2011 wurden 2 902 Überstellungen von Deutschland vorgenommen. In
9 075 Fällen ersuchte Deutschland andere Mitgliedstaaten darum, den Asyl-
suchenden zu übernehmen. In wie vielen dieser Rücküberstellungsfälle Ab-
schiebungshaft oder Zurückweisungshaft angeordnet worden ist, ist bislang
nicht bekannt. Aus einigen Bundesländern wird jedoch berichtet, dass es sich bei
der überwiegenden Zahl der Personen in Abschiebungshaft um sogenannte
Dublin-II-Fälle handelt, also Schutzsuchende, die in einen anderen EU-Mit-
gliedstaat zurückgeschoben werden sollen. In vielen Fällen erfolgt die Inhaftie-
rung auf Antrag der Bundespolizei.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen wurden durch die Bundespolizei in den Jahren 2008,
2009, 2010 und 2011 an den Land- und Seegrenzen oder im grenznahen
Raum aufgegriffen (bitte nach Bundespolizeidirektionen aufschlüsseln)?

In wie vielen Fällen kam es zu Zurückweisungen, und in wie vielen zu
Zurückschiebungen (bitte nach Bundespolizeidirektionen aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen wurden durch die Bundespolizei in den Jahren 2008,
2009, 2010 und 2011 an einem deutschen Flughafen bei dem Versuch der
unerlaubten Einreise zurückgewiesen (bitte aufschlüsseln)?

Wie viele Personen wurden in den gleichen Zeiträumen durch die Bundes-
polizei nach unerlaubter Einreise über einen deutschen Flughafen zurück-

geschoben (bitte aufschlüsseln)?

3. In wie vielen Fällen der in den Fragen 1 und 2 genannten Personen wurde in
den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2011 das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) von der Bundespolizei gebeten, ein Überstellungsver-
fahren nach der Dublin-II-Verordnung zu prüfen bzw. einzuleiten?

Drucksache 17/10946 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In wie vielen Fällen wurde das Dublin-Verfahren von der Bundespolizei
selbst – ohne Einschaltung des BAMF – durchgeführt (bitte jeweils nach
Zurückweisungs- und Zurückschiebungsverfahren aufschlüsseln)?

4. Unter welchen Voraussetzungen besteht die Zuständigkeit der Bundespoli-
zei für die Durchführung von Überstellungsverfahren nach der Dublin-II-
Verordnung gemäß § 3 der Asylzuständigkeitsbestimmungsverordnung,
und im Verhältnis zu welchen Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutsch-
land liegen diese Voraussetzungen vor?

5. In wie vielen Fällen der in Frage 3 genannten Personen wurde von der Bun-
despolizei in den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2011 bei dem zuständigen
Amtsgericht ein Haftantrag gestellt (bitte nach Bundespolizeidirektionen
aufschlüsseln)?

6. In wie vielen der in Frage 5 genannten Fälle wurde Zurückweisungshaft
(§ 15 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG), Zurückschiebungshaft
(§ 57 Absatz 3 AufenthG) oder Sicherungshaft (§ 62 Absatz 3 AufenthG)
beantragt?

7. Wie vielen der in Frage 5 genannten Haftanträge wurde vom zuständigen
Amtsgericht stattgegeben, und wie viele wurden zurückgewiesen (bitte
nach Jahren und Bundespolizeidirektionen aufschlüsseln)?

8. Wie viele Rechtsmittel gegen eine auf Antrag der Bundespolizei erfolgte
Haftanordnung in Dublin-II-Fällen waren erfolgreich (bitte nach den Jahren
2008, 2009, 2010 und 2011 aufschlüsseln)?

9. Wo wurde die Haft vollzogen (bitte nach Bundesländern und Hafteinrich-
tungen, z. B. Abschiebungsgewahrsam, Justizvollzugsanstalt etc. aufschlüs-
seln)?

10. Wer trägt die Kosten für den Vollzug der durch die Bundespolizei beantrag-
ten Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft?

11. Welche Kosten in welcher Höhe sind für den Vollzug der durch die Bundes-
polizei beantragten Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückwei-
sungshaft in welchem Bundesland und beim Bund in den Jahren 2008,
2009, 2010 und 2011 jeweils entstanden (bitte nach Bundesländern auf-
schlüsseln)?

12. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2011 durch
die Bundespolizei Haftentschädigung wegen zu Unrecht erlittener Haft ge-
zahlt (bitte nach Bundespolizeidirektionen aufschlüsseln)?

13. Wie hoch waren die Gesamtkosten für geleistete Haftentschädigung seitens
der Bundespolizei (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und wie viele Tage
hatten die Betroffenen jeweils zu Unrecht in Haft verbracht (bitte nach Bun-
despolizeidirektionen aufschlüsseln)?

14. Wer legt auf welcher rechtlichen Grundlage die Höhe der Entschädigung
fest?

Berlin, den 9. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
Kleine Anfrage
Inhaftierung von Flüchtlingen durch die Bundespolizei

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