BT-Drucksache 17/10918

Gesundheitliche Auswirkungen von Fluglärm

Vom 1. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10918
17. Wahlperiode 01. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Cornelia Behm,
Stephan Kühn, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe,
Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann,
Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sven-Christian Kindler, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Tobias Lindner, Lisa Paus,
Brigitte Pothmer, Dorothea Steiner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Markus Tressel, Daniela Wagner, Beate Walter-Rosenheimer und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gesundheitliche Auswirkungen von Fluglärm

In Deutschland besteht ein nahezu flächendeckendes Netz von Verkehrsflug-
häfen sowie militärischen Flugplätzen; weitere Standorte und Standorterweite-
rungen wurden in den letzten Jahren diskutiert und entwickelt. Die Kapazität
wird an bestehenden Flughäfen zudem ausgeweitet. Die Zahl der Fluggäste
einschließlich der Transitpassagiere auf den 27 größten deutschen Flughäfen
erhöhte sich im Jahr 2011 um 5,3 Prozent auf 176,3 Millionen. Auch die
Menge der ein- beziehungsweise ausgeladenen Luftfracht einschließlich Durch-
gangsverkehr nahm zu und zwar um 4,8 Prozent auf 4,5 Millionen Tonnen. Die
Zahl der Flüge stieg um 3,7 Prozent. Die Zahl der Fluggäste und das Luft-
frachtaufkommen erreichten damit jeweils neue Höchstwerte. Von 2000 bis
2011 ist das Flugpassagieraufkommen um 46,6 Prozent gewachsen, die Luft-
frachtmenge sogar um 81,9 Prozent (Statistisches Bundesamt, „Gewerblicher
Luftverkehr 2011 – Wachstum bei Passagierzahlen und Frachtaufkommen“).
Die Zunahme des Flugverkehrs bedeutet auch eine zunehmende Belastung der
Bevölkerung und der Umwelt durch Schadstoff- und Lärmemissionen. Eine
Studie in der Umgebung des Flughafens Frankfurt am Main im Auftrag des
Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz (Lärmbelästigung in Hessen 2006) ergab, dass sich 25 Prozent der
Anwohner bei einem Tagesdauerschallpegel von 53 dB (A) außen hochgradig
belästigt fühlten. In der Rechtsprechung wird dieser Schallpegel als Beginn
einer erheblichen Belästigung angesehen. Das Gesetz zum Schutz gegen Flug-
lärm aus dem Jahr 2007 legte die Grenzwerte jedoch auf 60 dB (A) für neue und
65 dB (A) für bestehende Flughäfen fest.

Die epidemiologische Forschung zu den Auswirkungen von Fluglärm hat in den
letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Während früher eine nächtliche

Gesundheitsgefährdung anhand von Aufwachreaktionen beurteilt wurde, wird
zunehmend das mit dem Nachtlärm verbundene vermehrte Auftreten von Herz-
Kreislauf-Erkrankungen in den Vordergrund gerückt. Viele neuere Studien lie-
gen im Zusammenhang von Fluglärm und Hypertonie (Bluthochdruck), Beläs-
tigungen und Lernstörungen vor.

Drucksache 17/10918 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Inwieweit kann die Bundesregierung die Ergebnisse vieler Studien zu den
gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm bestätigen, die zeigen, dass
in den vergangenen Jahren die Belästigung durch Fluglärm zunimmt bzw.
mehr Menschen auf Nachfrage schwere Belästigungen bei unterschiedli-
chen Schallpegeln angeben?

b) Wie gedenkt die Bundesregierung gegenzusteuern?

2. a) Welche Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Geset-
zes zum Schutz gegen Fluglärm liegen der Bundesregierung bislang vor,
und plant die Bundesregierung, die Evaluierung des Fluglärmgesetzes
aufgrund der Erkenntnisse aus der Lärmwirkungsforschung über die ge-
sundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm vorzuziehen?

Falls nein, warum nicht?

b) Plant die Bundesregierung eine Absenkung der Grenzwerte auf der Basis
der aktuellen Erkenntnisse aus Medizin- und Lärmwirkungsforschung?

Wenn nein, warum nicht?

c) Plant die Bundesregierung, das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm um
Vorgaben zum aktiven Lärmschutz zu ergänzen?

Falls nein, warum nicht?

3. a) Welchen Stellenwert haben nach Ansicht der Bundesregierung Betriebs-
beschränkungen wie Nachtflugverbote, Bewegungs- und Lärmkontingen-
tierungen sowie lärmmindernde Betriebsverfahren wie Flugrouten-
optimierungen vor allem im Hinblick auf den als besonders lästig
empfundenen Fluglärm in der Nacht und in den Nachtrandzeiten, und wel-
chen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung hier?

b) Welchen Zeitraum in der Nacht möchte die Bundesregierung schützen?

Auf welche wissenschaftlichen Studien stützt sie sich in ihrer Entschei-
dung?

Plant sie Änderungen im Luftverkehrsgesetz zugunsten der Betroffenen,
wie beispielsweise ein Lärmoptimierungsgebot und ein striktes Nacht-
flugverbot für stadtnahe Flughäfen in der Zeit von 22 bis 6 Uhr?

c) Weshalb setzt die Bundesregierung nicht den hohen Lärmschutzstandard
für die deutschen Flughäfen als Maßstab, den sie für die Betroffenen in
Süddeutschland in Bezug auf den Flughafen Zürich durchgesetzt hat?

d) Mit welcher Strategie und mit welchen Maßnahmen plant die Bundes-
regierung über die angesprochenen Fragen hinaus, die Gesundheit der Be-
troffenen präventiv zu schützen, angesichts der vielfältigen Hinweise und
Belege für erhebliche gesundheitliche Auswirkungen von Fluglärm?

4. Welche aktuellen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung im Zusammen-
hang von Fluglärm und

a) Bluthochdruck,

b) Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

c) Herzinfarkt und

d) psychischen Erkrankungen vor?

Wo sieht die Bundesregierung noch weiteren Forschungsbedarf im Bereich
der gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10918

5. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Erkennt-
nissen der europäischen HYENA-Studie (Hypertension and Exposure to
Noise near Airports), deren Teiluntersuchung zeigte, dass bereits nach
Lärmereignissen ab 35 dB (A) im Schlafraum die Blutdruckwerte anstei-
gen?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnis-
sen der Studie „Aircraft noise and hypertension“ aus dem Jahr 2007, die
bei einer Zunahme des Fluglärms um 5 dB (A) eine Zunahme des Risikos
für Bluthochdruck um 20 Prozent ermittelte?

c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der NaRoMi-
Studie (Noise and Risk of Myocardial Infarction), die einen signifikanten
Zusammenhang zwischen einer erheblichen Fluglärmbelastung nachts
und einen Herzinfarkt bei Frauen gefunden hat?

d) Kann die Bundesregierung die Ergebnisse einer vom Umweltbundesamt
durchgeführten Studie bestätigen, die vor allem im Zeitfenster für nächt-
lichen Fluglärm ein bei Frauen signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko für
Depressionen feststellte, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

6. a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Verkauf, Einnahme und
Verschreibung von Bluthochdruck- und Herz-Kreislaufmedikamenten so-
wie Schlaf- und Beruhigungsmitteln im Zusammenhang mit Fluglärm-
belastung?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnis-
sen der Studie „Beeinträchtigung durch Fluglärm. Arzneimittelverbrauch
als Indikator für gesundheitliche Beeinträchtigung“, die besonders bei
Frauen, die unter nächtlichem Fluglärm leiden, einen signifikanten Zu-
sammenhang zwischen Lärmbelastung und Medikamentenverbrauch fest-
stellten?

Für welche Medikamentengruppen trifft dies vor allem zu?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung im Zusammenhang von Flug-
lärm und der Gesundheit von Kindern, und hierbei insbesondere zu den
Aspekten

a) Auswirkungen auf die perinatale Zeit (rund um die Geburt),

b) kognitive Fähigkeiten,

c) Beeinträchtigungen der Lesefähigkeit bzw. des Sprachverständnisses,

d) Hyperaktivität und

e) Asthma?

Welche Konsequenzen leitet die Bundesregierung aus den bestehenden Stu-
dien ab?

Sieht sie hier Forschungsbedarf?

8. a) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Einschränkun-
gen der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und die Zunahme von Arbeits-
unfähigkeitstagen durch Fluglärm vor?

b) Liegen der Bundesregierung Berechnungen über den dadurch bedingten
volkswirtschaftlichen Schaden vor?

Falls nicht, sieht sie dort Forschungsbedarf?

Falls ja, fließen die Ergebnisse in die Kosten-Nutzen-Berechnungen für In-
vestitionen für Infrastrukturmaßnahmen an Flughäfen mit ein?
Welchen Handlungsbedarf zieht die Bundesregierung daraus?

Drucksache 17/10918 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. Wie beurteilt die Bundesregierung das Recht auf körperliche Unversehrtheit
in Bezug auf Fluglärm?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Luftschadstoffkonzen-
tration bei geschlossenen schalldichten Fenstern und deren gesundheit-
lichen Auswirkungen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung daraus für den passiven Lärmschutz durch schalldichte Fenster?

Berlin, den 1. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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