BT-Drucksache 17/10780

Schienenlärm wirksam reduzieren - Schienengüterverkehr nachhaltig gestalten

Vom 25. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10780
17. Wahlperiode 25. 09. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Arnold Vaatz, Daniela Ludwig, Steffen
Bilger, Peter Götz, Karl Holmeier, Thomas Jarzombek, Hans-Werner Kammer,
Ulrich Lange, Matthias Lietz, Patrick Schnieder, Armin Schuster (Weil am Rhein),
Reinhold Sendker, Gero Storjohann, Volkmar Vogel (Kleinsaara), Peter Weiß
(Emmendingen), Peter Wichtel, Klaus-Peter Willsch, Peter Bleser, Ute Granold,
Stefan Müller (Erlangen), Karin Maag, Michael Hennrich, Marie-Luise Dött,
Christian Hirte, Michael Grosse-Brömer, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Patrick Döring, Michael Kauch, Birgit Homburger, Werner
Simmling, Sybille Laurischk, Oliver Luksic, Petra Müller (Aachen), Sebastian Körber,
Torsten Staffeldt, Judith Skudelny, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn),
Dr. Birgit Reinemund, Patrick Meinhardt, Florian Toncar, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Florian Bernschneider, Klaus Breil, Angelika Brunkhorst, Reiner Deutschmann,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Manuel Höferlin, Heiner Kamp, Dr. Lutz Knopek, Pascal Kober, Horst Meierhofer,
Jan Mücke, Björn Sänger, Dr. Hermann Otto Solms, Johannes Vogel (Lüdenscheid),
Christine Aschenberg-Dugnus, Claudia Bögel, Nicole Bracht-Bendt, Sylvia Canel,
Helga Daub, Reiner Deutschmann, Bijan Djir-Sarai, Rainer Erdel, Jörg van Essen,
Dr. Edmund Peter Geisen, Heinz-Peter Haustein, Dr. Erwin Lotter, Gabriele Molitor,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Cornelia Pieper,
Jörg von Polheim, Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Dr. Stefan Ruppert, Jimmy
Schulz, Elke Hoff, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin,
Patrick Kurth (Kyffhäuser), Dr. Max Stadler, Serkan Tören, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Schienenlärm wirksam reduzieren – Schienengüterverkehr nachhaltig gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als exportorientierte Wirtschaft ist Deutschland auf ein leistungsfähiges Schie-

nennetz angewiesen, um insbesondere Güterverkehr effizient abzuwickeln. Das
auch für die Zukunft erwartete starke Güterverkehrsaufkommen auf der Schiene
führt dazu, dass der damit verbundene Schienenlärm zunimmt, insbesondere auf
besonders viel befahrenen Strecken wie etwa dem Mittelrheintal. Der umwelt-
freundliche Schienenverkehr stößt dort auf Vorbehalte, wo sich die Menschen
vom Güterverkehr, insbesondere in der Nacht, gestört fühlen. Eine Privilegie-
rung des Schienenverkehrs durch den sogenannten Schienenbonus ist angesichts

Drucksache 17/10780 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

des hohen Verkehrszuwachses nicht mehr zeitgemäß. Eine signifikante Reduzie-
rung der Lärmimmission ist erforderlich, damit die gesellschaftliche Akzeptanz
des Schienengüterverkehrs erhalten bleibt. Dazu muss sichergestellt werden,
dass die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene und der Lärmschutz
zukünftig besser miteinander verbunden werden. Die wesentlichen Geräusch-
komponenten des Schienenverkehrs sind Antriebsgeräusche, insbesondere bei
Diesellokomotiven, Rad-Schiene-Geräusche und aerodynamische Geräusche
bei Fahrgeschwindigkeit oberhalb von 300 km/h.

Neben den konventionellen Lärmschutzmaßnahmen, z. B. Errichtung von Lärm-
schutzwänden oder -wällen sowie Einbau von Schallschutzfenstern, ist die Re-
duzierung des Schienenlärms an der Quelle – am rollenden Material – Haupt-
bestandteil der Lärmbekämpfung im Schienenverkehr.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat
im Ergebnis der Bedarfsplanüberprüfung festgestellt, dass nicht nur im Mittel-
rheintal, sondern für den gesamten Eisenbahnkorridor Mittelrheinachse–Rhein/
Main–Rhein/Neckar–Karlsruhe das Schienenverkehrskonzept verbessert werden
sollte, um auch der derzeit hohen Lärmbelastung Rechnung zu tragen. Deshalb
hat das BMVBS eine entsprechende Studie europaweit ausgeschrieben, deren
Ergebnis in den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) einfließen soll.

Der Deutsche Bundestag bekräftigt vor diesem Hintergrund seinen Beschluss
vom 18. März 2011 zum Antrag der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
FDP für einen anwohnerfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn (Bundestags-
drucksache 17/4861), mit dem maßgebliche Verbesserungen beim Lärmschutz
gefordert werden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

1. dass bereits wesentliche Maßnahmen zur Lärmminderung durchgeführt wer-
den:

• Pilot- und Innovationsprogramm „Leiser Güterverkehr“

Mit dem Pilot- und Innovationsprogramm „Leiser Güterverkehr“ der Bundesre-
gierung werden wesentliche Grundlagen für eine flottenbezogene Ausrüstung
bestehender Güterwagen mit lärmarmen Verbundstoff-Bremssohlen geschaffen.
Das Innovationsprogramm zählt auf die weitere Verbreitung und breitere
Verfügbarkeit von lärmminderenden Umrüstlösungen für klotzgebremste Güter-
wagen. Dies gilt sowohl für die Kompositbremssohle (K-Sohle) als auch die
Low-noise-/Low-friction-Bremssohle (LL-Sohle) – beides Verbundstoff-Brems-
sohlen, die im Ergebnis deutlich weniger Lärm verursachen als die zur Zeit über-
wiegend verwendeten Graugusssohlen. Mit dem Pilotprojekt „Leiser Rhein“
fördert das BMVBS die Umrüstung von bis zu 5 000 Güterwagen auf lärmarme
Verbundstoff-Bremssohlen.

Nach allen vorliegenden fachlichen Erkenntnissen ist der Ersatz herkömmlicher
Graugussbremssohlen durch LL-Verbundstoffbremssohlen der mit Abstand wir-
kungsvollste und effizienteste Ansatz zur dauerhaften Reduzierung der Lärmim-
mission des Schienengüterverkehrs auf dem gesamten Streckennetz. Mit dem
Einsatz moderner Bremssohlen können die Rollgeräusche von Güterfahrten um
bis zu 10 Dezibel reduziert werden. Dies entspricht etwa einer Halbierung des
wahrgenommenen Lärms. Hierfür müssten etwa 80 Prozent der in Deutschland
verkehrenden Güterwagen mit Verbundstoffbremssohlen ausgestattet werden.

• Lärmsanierungsprogramm
Im Rahmen des auf haushaltsrechtlicher Grundlage beruhenden Lärmsanierungs-
programms des Bundes an bestehenden Eisenbahnstrecken wird der Lärmschutz

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10780

durch Lärmschutzwände, Schallschutzfenster und vergleichbare gebäudeseitige
Maßnahmen deutlich verbessert. Die Mittel für das freiwillige Lärmsanierungs-
programm des Bundes betragen derzeit jährlich ca. 100 Mio. Euro.

• Lärmabhängiges Trassenpreissystem

Am 5. Juli 2011 haben Bundesminister Dr. Peter Ramsauer und der Vorstands-
vorsitzende der Deutschen Bahn AG, Dr. Rüdiger Grube, eine Eckpunkteverein-
barung zur Einführung einer Trassenpreisgestaltung mit lärmabhängiger Preis-
komponente zum Fahrplanwechsel 2012/2013 unterzeichnet. Die Einführung
lärmabhängiger Trassenpreise zielt darauf, Wagenhalter zur Umrüstung ihrer
Bestandsgüterwagen auf lärmarme Verbundstoff-Bremssohlen zu motivieren. Die
Umrüstung der Güterwagen mit Grauguss-Bremssohle wird sowohl durch erhöhte
Trassenentgelte finanziert als auch durch den Bund bezuschusst. Nach einer
Laufzeit von acht Jahren sollen dann 2020 alle Güterwagen leiser sein. Ziel ist
es, die rund 180 000 in Deutschland verkehrenden Güterwagen so umzurüsten,
dass sie den Grenzwert der europäischen Lärmnorm (TSI-Noise) erreichen.

• Innovative Maßnahmen am Fahrweg

Mit Mitteln des Konjunkturpaketes II in Höhe von rund 87 Mio. Euro werden bis
2011 an 88 Standorten innovative Lärmschutztechniken am Gleis realisiert. Da-
von werden rund 20 Mio. Euro in innovativen Lärmschutz im Bereich des Welt-
kulturerbes Oberes Mittelrheintal investiert. Dazu gehören Schienenstegbedämp-
fer, niedrige Schallschutzwände und Schienenschmiereinrichtungen zwischen
Koblenz und Mainz. Bei erfolgreicher Erprobung werden die innovativen Tech-
niken zukünftig das Maßnahmenportfolio erweitern und gerade in optisch sensib-
len Bereichen – wie an den Strecken des Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal –
neue Möglichkeiten der Gestaltung von Lärmschutzmaßnahmen eröffnen.

• Projekt „Lärmreduzierter Güterverkehr durch innovative Verbundstoff-
Bremsklotzsohlen“

Mit dem Verbundprojekt fördert die Bundesregierung von 2010 bis 2014 die
Entwicklung und Erprobung technisch und wirtschaftlich optimierter Verbund-
stoff-Bremssohlen für den Einsatz in Güterwagen. Die notwendigen Entwick-
lungsarbeiten und Versuche werden parallel anstatt sequenziell durchgeführt.
Dadurch soll die Entwicklungszeit bis zur Freigabe durch den Internationalen
Eisenbahnverband (UIC) reduziert werden.

• Lärmreduzierung in Europa

Verkehrslärm macht nicht an den Grenzen halt. Ausländische Güterwagen,
gerade auf der Nord-Süd-Strecke Rotterdam–Genua, müssen ebenso von
Lärmminderungsmaßnahmen erfasst werden wie Güterwagen aus Deutschland.
Daher müssen auch auf EU-Ebene Lösungen im grenzüberschreitenden Güter-
verkehr gefunden werden;

2. dass die im Projektbeirat Rheintalbahn vertretenen Partner Bundesregierung
und DB Netz AG zugesagt haben, alle Anstrengungen auf einen umwelt- und
bürgerfreundlichen Ausbau zu richten, bei dem insbesondere das berechtigte
Bedürfnis der Anlieger nach verbessertem Lärmschutz berücksichtigt wird;

3. dass im Rahmen der Vorarbeiten für den nächsten Bundesverkehrswegeplan
das BMVBS eine Studie ausgeschrieben hat, mit der geeignete verkehrliche
Konzeptionen für den gesamten Eisenbahnkorridor Mittelrheinachse–Rhein/
Main–Rhein/Neckar–Karlsruhe Mittelrheintal zu erarbeiten sind, die diesen hoch
lärmbelasteten Eisenbahnkorridor wirksam entlasten können.

Drucksache 17/10780 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der ver-
fügbaren Haushaltsmittel auf,

1. sich auch auf EU-Ebene weiterhin dafür einzusetzen, das in Deutschland
geplante System lärmabhängiger Trassenpreise auch innerhalb der EU einzu-
führen;

2. in Zusammenarbeit mit dem UIC die Forschung und Zulassung von Verbund-
stoffbremssohlen zu beschleunigen mit dem Ziel, diese zügig für die Um-
rüstung von Güterwagen einzusetzen;

3. die Umsetzung innovativer und wirtschaftlicher Lärmminderungsmaßnah-
men an der Schieneninfrastruktur (z. B. Einbau von Schienenschmieranlagen
zur Reduzierung von Kreisch- und Quietschgeräuschen, Schienensteg-
bedämpfer) vorzunehmen;

4. bei der Studie des BMVBS zur Entwicklung einer verkehrlichen Konzeption
für den Eisenbahnkorridor Mittelrheinachse auch die Prüfung einer alterna-
tiven Streckenführung für den Güterverkehr im Mittelrheintal vorzunehmen;

5. sich für die beschleunigte Umrüstung von Güterwagen im Rahmen des Pilot-
projektes „Leiser Rhein“ einzusetzen;

6. bei der Umsetzung des Lärmsanierungsprogramms an bestehenden Eisen-
bahnstrecken des Bundes den Bonus für den Schienenlärm ab Inkrafttreten
der nächsten Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes und der in
diesem Zusammenhang vorzunehmenden Änderung der Lärmsanierungs-
Förderrichtlinie des Bundes nicht mehr anzuwenden.

Berlin, den 25. September 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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