BT-Drucksache 17/103

Unzureichende Vorbereitungen des Europäischen Auswärtigen Dienstes

Vom 27. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/103
17. Wahlperiode 27. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken,
Jerzy Montag, Ute Koczy, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Thilo
Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt, Hans-
Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unzureichende Vorbereitungen des Europäischen Auswärtigen Dienstes

In fünf Monaten – im April 2010 – sollen die Vorbereitungen zur Einrichtung
des Europäischen Auswärtigen Dienstes abgeschlossen sein. Der Europäische
Auswärtige Dienst (EAD) sowie das Amt des Hohen Vertreters der Union für
Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: Hoher Vertreter) werden mit
dem Vertrag von Lissabon eingeführt. Der Vertrag von Lissabon wird am
1. Dezember 2009 in Kraft treten. Beide neuen Einrichtungen bergen ein gro-
ßes Potential für eine kohärentere und effektivere europäische Außen- und
Sicherheitspolitik, die sich die große Mehrheit der EU-Bürgerinnen und Bür-
ger seit Jahren wünscht. Doch geben sowohl die – im Vergleich zum Verfas-
sungsvertrag – abgeschwächten Regelungen als auch der Stand der Vorberei-
tungen zur Einsetzung des Europäischen Auswärtigen Dienstes Anlass zur
Sorge, dass diese Chance für mehr europäische Außenpolitik nicht genutzt
werden wird.

So werden im Vertrag von Lissabon – trotz des Wunsches nach mehr außenpo-
litischer Kohärenz – besondere Regelungen für die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik formuliert und der Bereich wird vom übrigen Auswärtigen
Handeln der Europäischen Union abgetrennt. Die Gemeinsame Außen- und Si-
cherheitspolitik soll vom Europäischen Rat und vom Rat einstimmig festgelegt
und durchgeführt werden. Dies wird die Handlungsfähigkeit des Hohen Vertre-
ters deutlich einschränken. Zudem bleibt die Arbeitsteilung in der Außenvertre-
tung zwischen dem Hohen Vertreter, dem Präsidenten des Europäischen Rates,
dem Kommissionspräsidenten und der rotierenden Ratspräsidentschaft unklar.
Auch wird betont, dass die neuen Bestimmungen der Gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik zu keinen Veränderungen der Zuständigkeiten der Mit-
gliedstaaten hinsichtlich der Erarbeitung und Durchführung ihrer Außenpolitik,
ihrer nationalen Vertretung in Drittstaaten oder in internationalen Organisatio-
nen führen werden. Der Europäische Auswärtige Dienst soll nicht die Kompe-
tenzen der Mitgliedstaaten berühren. Schließlich ergeben sich beim jetzigen

Stand der Vorbereitungen zum Europäischen Auswärtigen Dienst zahlreiche of-
fene Fragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Nach welchen außen- und sicherheitspolitischen Grundsätzen, Zielen und
strategischen Interessen wird der EAD arbeiten?

Drucksache 17/103 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Was soll der EAD nach Ansicht der Bundesregierung konkret leisten kön-
nen?

3. Wie werden nach Ansicht der Bundesregierung die Aufgabenbereiche zwi-
schen dem Hohen Vertreter, der rotierenden Ratspräsidentschaft und dem
Präsidenten des Europäischen Rates tatsächlich voneinander abgegrenzt
sein?

4. Was bedeutet konkret die Aussage, nach der der Präsident des Europäi-
schen Rates auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft, unbeschadet der
Befugnisse des Hohen Vertreters, die Außenvertretung der Union in Ange-
legenheiten der GASP wahrnimmt?

5. Wie werden die Mitgliedstaaten allgemein und der Deutsche Bundestag im
Besonderen an den Meinungsbildungsprozessen im EAD eingebunden?

6. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass der Deutsche Bundestag
entsprechend dem EUZBBG unterrichtet und beteiligt wird in Bezug auf
das Handeln des Hohen Vertreters und des EAD?

7. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung eine wirksame Zusammenar-
beit zwischen dem EAD und den für auswärtige Fragen zuständigen Kom-
missionsdienststellen ausgestaltet sein?

8. Wie wird die Bundesregierung, gemäß Artikel 27 Absatz 3 EUV, die Zu-
sammenarbeit des EAD mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaa-
ten konkret ausgestalten?

9. Wie positioniert sich die Bundesregierung bezüglich der Frage nach der
Weisungsbefugnis gegenüber den Beamten des EAD und wenn für einen
Teil des Mitarbeiterstabes des EAD eine Weisungsbefugnis durch die Bun-
desregierung vorgesehen werden sollte, wie soll aus Sicht der Bundesregie-
rung diesbezüglich eine ausreichende, parlamentarische Kontrolle gewähr-
leistet werden?

10. Wie sollen Konkurrenzen zwischen dem EAD, der Kommission und den
diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten vermieden werden?

11. Was bedeutet es für die tatsächliche Arbeitsteilung in der Handels- und
Entwicklungspolitik, dass der von dem Europäischen Rat indossierte Be-
richt des schwedischen Vorsitzes zum Europäischen Auswärtigen Dienst
(14930/09) besagt: „Für die Handels- und Entwicklungspolitik im Sinne
des Vertrags sollten weiterhin die betreffenden Mitglieder und General-
direktion der Kommission zuständig sein.“?

12. Welche Arbeitsteilung unterstützt die Bundesregierung für die Planung der
geografischen und thematischen Instrumente und aus welchen Gründen,
insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in dem indossierten schwedi-
schen Bericht heißt: „Die genannte Arbeitsteilung für die Planung der geo-
grafischen und thematischen Instrumente (Europäisches Nachbarschafts-
und Partnerschaftsinstrument, Instrument für die Entwicklungszusammen-
arbeit, Europäischer Entwicklungsfonds, Instrument für die Zusammenar-
beit mit Industrieländern, Europäisches Instrument für Demokratie und
Menschenrechte, Instrument für die Zusammenarbeit im Bereich der nuk-
learen Sicherheit, Stabilitätsinstrument) zwischen dem EAD und den
Dienststellen der Kommission soll vor Jahresende 2009 festgelegt wer-
den.“?

13. Wie groß soll der Europäische Auswärtige Dienst nach Ansicht der Bun-
desregierung werden (bitte aufschlüsseln nach Personal aus den Fachabtei-
lungen des Generalsekretariats des Rates und denen der Kommission sowie

aus den Mitgliedstaaten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/103

14. Wie soll der Europäische Auswärtige Dienst nach Ansicht der Bundes-
regierung organisatorisch aufgebaut sein?

15. In welcher Weise wird die Bundesregierung Einfluss auf die Personalpoli-
tik des EAD nehmen, und wie versteht sie die Begriffe „angemessen“ und
„gleichberechtigt“ vor dem Hintergrund, dass sie sich im Koalitionsvertrag
zu einem organisatorisch unabhängigen EAD bekennt: „Die inhaltliche
Verzahnung der EU-Außenpolitik mit der Außenpolitik der einzelnen Mit-
gliedstaaten wird am besten durch einen organisatorisch unabhängigen
EAD gelingen, in dem Vertreter der Mitgliedstaaten auf allen Ebenen ange-
messen repräsentiert sind und eine gleichberechtigte Stellung einnehmen“?

16. Welches Sprachenregime wird im EAD gelten?

17. Wie ist der konkrete Zeitplan bzw. wann werden Entscheidungen bezüglich
der Ausgestaltung des EAD getroffen?

18. Evaluiert werden soll der EAD in zwei Schritten: 2012 soll ein Sachstands-
bericht vorgelegt werden, 2014 eine Überprüfung der Arbeitsweise und der
Organisation des EAD stattfinden. Anhand welcher Kriterien soll nach
Meinung der Bundesregierung der Sachstandsbericht erstellt sowie die
Überprüfung durchgeführt werden?

Berlin, den 27. November 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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