BT-Drucksache 17/10171

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksache 17/9046 - Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion b) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/9667 - Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion c) zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/9147 - Ratifizierung des Fiskalvertrags ablehnen - Ursachenorientierte Politik zur Krisenbewältigung einleiten

Vom 28. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10171
17. Wahlperiode 28. 06. 2012

Bericht*
des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksache 17/9046 –

Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität,
Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion

b) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/9667 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Vertrag vom 2. März 2012
über Stabilität, Koordinierung und Steuerung
in der Wirtschafts- und Währungsunion

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/9147 –

Ratifizierung des Fiskalvertrags ablehnen – Ursachenorientierte Politik zur
Krisenbewältigung einleiten
* Die Beschlussempfehlung wurde auf Drucksache 17/10125 gesondert verteilt.

der wirtschaftspolitischen Koordinierung und Steuerung

sollen ihrerseits die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdig-
keit der Finanz- und Haushaltspolitik in der Wirtschafts-
und Währungsunion verstärken.

Die Zustimmung zum Fiskalvertrag soll einen Beitrag zur

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner 78. Sitzung am 27. Juni
2012 die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 17/9046 und
17/9667 sowie den Antrag auf Drucksache 17/9147 beraten.
Drucksache 17/10171 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Norbert Barthle, Carsten Schneider (Erfurt),
Otto Fricke, Dr. Gesine Lötzsch und Priska Hinz (Herborn)

A. Allgemeiner Teil
I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 172. Sitzung am
29. März 2012 den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9046
(Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012
über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirt-
schafts- und Währungsunion) sowie den Antrag auf Druck-
sache 17/9147 (Ratifizierung des Fiskalvertrags ablehnen –
Ursachenorientierte Politik zur Krisenbewältigung einlei-
ten) zur federführenden Beratung an den Haushaltsaus-
schuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den
Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie sowie den Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen.

Den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9667 (Entwurf
eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Sta-
bilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts-
und Währungsunion) hat der Deutsche Bundestag in seiner
181. Sitzung am 24. Mai 2012 zur federführenden Beratung
an den Haushaltsausschuss und zur Mitberatung an den In-
nenausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss,
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie den
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz soll der Vertrag vom
2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung
in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag) die
für die Ratifikation erforderliche Zustimmung der gesetzge-
benden Körperschaften erlangen.

Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und acht der
zehn übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wer-
den durch den Fiskalvertrag dazu verpflichtet, verbindliche
und dauerhafte Regelungen in ihren innerstaatlichen
Rechtsordnungen vorzusehen, die ausgeglichene Haushalte
gewährleisten oder Überschüsse aufweisen müssen. Sofern
dieses Ziel noch nicht erreicht wurde, ist ein Anpassungs-
pfad zu diesem Haushaltsziel einzuhalten.

Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befin-
den, müssen zudem ein Haushalts- und Wirtschaftspartner-
schaftsprogramm auflegen, das von Rat und Kommission
genehmigt und überwacht wird. Außerdem bewirkt der Ver-
trag eine weitgehende Automatisierung des Defizitverfah-
rens.

Flankierende Regelungen der Vertragsparteien zur Stärkung

Handeln zur Stärkung der Haushaltsdisziplin in der Wirt-
schafts- und Währungsunion zum Ausdruck bringen.

Zu Buchstabe b

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/
9667 ist textidentisch mit dem Entwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/9046.

Zu Buchstabe c

Mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. soll der Deutsche
Bundestag die Bundesregierung dazu auffordern, die Ratifi-
zierung des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und
Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion nicht
weiter zu verfolgen und auch bei den Regierungen und Par-
lamenten anderer EU-Mitgliedstaaten dafür zu werben, den
Fiskalvertrag nicht zu ratifizieren.

Aus Sicht der antragstellenden Fraktion könne die Euro-
Krise nicht auf eine nachlässige staatliche Ausgabenpolitik
zurückgeführt werden. Sie resultiere vielmehr daraus, dass
Banken, die sich verspekuliert hätten, von einigen Mitglied-
staaten mit Milliardensummen gerettet worden seien.

Die mit dem Fiskalvertrag eingeführte strikte Kürzungspoli-
tik verschärfe die Finanzkrise in den Vertragsstaaten und
bedrohe deren Sozialstaatlichkeit sowie den gesamten euro-
päischen Integrationsprozess. Aufgrund der mit dem Fiskal-
vertrag einhergehenden massiven Eingriffe in das Budget-
recht der nationalen Parlamente verstoße dieser zudem ge-
gen das in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) ver-
bürgte Demokratieprinzip und gegen die in Artikel 79
Absatz 3 GG verankerte Ewigkeitsgarantie.

Daher solle der Deutsche Bundestag die Bundesregierung
auffordern, unter anderem dafür einzutreten, dass

– Verursacher und Profiteure der Krise durch eine EU-
weite Vermögensabgabe an der Krisenfinanzierung be-
teiligt werden;

– bei überschuldeten Staaten ein ausreichender Schulden-
schnitt erfolgt und ein Insolvenzverfahren für Staaten
geschaffen wird;

– in der Eurogruppe zügig eine Vereinbarung zur Einfüh-
rung einer Finanztransaktionssteuer getroffen wird;

– ein Investitionsprogramm aufgelegt sowie Gesetzent-
würfe vorgelegt werden, die die Inlandsnachfrage erhö-
hen und Leistungsbilanzungleichgewichte abbauen;

– durch eine grundlegende Reform der EU-Verträge ein
Neustart für ein demokratisches, soziales, ökologisches
und friedliches Europa ermöglicht wird.
mittel- bis langfristigen Prävention von Staatsschuldenkri-
sen im Euro-Währungsgebiet leisten und ein entschlossenes

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10171

Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei zwei Stimmenthal-
tungen aus der Fraktion der SPD, die Gesetzentwürfe auf
den Drucksachen 17/9046 und 17/9667 anzunehmen sowie
den Antrag auf Drucksache 17/9147 abzulehnen.

Der Rechtsausschuss hat die Gesetzentwürfe auf den
Drucksachen 17/9046 und 17/9667 sowie den Antrag auf
Drucksache 17/9147 in seiner 89. Sitzung am 27. Juni 2012
beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE., die Gesetz-
entwürfe auf den Drucksachen 17/9046 und 17/9667 in der
Fassung des Änderungsantrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Aus-
schussdrucksache 17(8)4546 anzunehmen und den Antrag
auf Drucksache 17/9147 abzulehnen.

Der Finanzausschuss hat in seiner 93. Sitzung am 27. Juni
2012 die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 17/9046 und
17/9667 sowie den Antrag auf Drucksache 17/9147 beraten.
Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. und einer Stimme aus der
Fraktion der CDU/CSU, den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/9046 anzunehmen. Der Finanzausschuss empfiehlt ferner,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9667 für erledigt zu
erklären. Den Antrag auf Drucksache 17/9147 empfiehlt der
Finanzausschuss mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. abzulehnen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 17/9046 und 17/9667
sowie den Antrag auf Drucksache 17/9147 in seiner 73. Sit-
zung am 27. Juni 2012 beraten. Er empfiehlt mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE., den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9046 in der
Fassung des Änderungsantrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Aus-
schussdrucksache 17(9)888 anzunehmen und den Antrag
auf Drucksache 17/9147 abzulehnen. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt weiter, den Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/9667 für erledigt zu erklären.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 69. Sitzung am 27. Juni 2012 die Gesetz-
entwürfe auf den Drucksachen 17/9046 und 17/9667 so-
wie den Antrag auf Drucksache 17/9147 beraten. Er empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE., den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/
9046 in der Fassung des Änderungsantrags der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Ausschussdrucksache 17(21)1160 anzunehmen und den An-
trag auf Drucksache 17/9147 abzulehnen. Den Gesetzent-
wurf auf Drucksache 17/9667 empfiehlt der Ausschuss für
die Angelegenheiten der Europäischen Union für erledigt zu
erklären.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat zudem in seiner 69. Sitzung am 27. Juni 2012 mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und

„Der EU-Ausschuss sieht seine Auffassung, dass sowohl der
Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der
wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag) als auch der
Europäische Stabilitätsmechanismus Angelegenheiten der
Europäischen Union sind, durch das Urteil des Bundesver-
fassungsgerichtes vom 19. Juni 2012 bestätigt. Im Hinblick
auf Artikel 23 Absatz 1, Satz 3 des Grundgesetzes begrüßt es
der Ausschuss, dass beiden Verträgen mit einer Zweidrittel-
mehrheit zugestimmt werden soll. Dies und die zeitnahe
Novellierung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen-
heiten der Europäischen Union über die nun vorgenomme-
nen Änderungen hinaus waren auch Gegenstand eines Fach-
gespräches am 27. Juni 2012 mit Professor Dr. Ulrich Hufeld
und Prof. Dr. Marcel Kaufmann im Rahmen der Beratung
der Gesetzesvorlagen.“

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/9046 und den Antrag auf Drucksache 17/9147
erstmalig in seiner 87. Sitzung am 25. April 2012 beraten
und einvernehmlich beschlossen, zu dem Gesetzentwurf auf
Drucksache 17/9046 gemäß § 70 Absatz 1 der Geschäfts-
ordnung des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhö-
rung durchzuführen.

Bei der Anhörung in der 88. Sitzung des Haushaltsaus-
schusses am 7. Mai 2012 wurde der Gesetzentwurf mit fol-
genden Sachverständigen erörtert:

– Dr. Stefan Mair, Bundesverband der Deutschen Industrie
e. V. (BDI)

– Dr. Thomas Mayer, Deutsche Bank AG

– Karsten Wendorff, Deutsche Bundesbank

– Prof. Dr. Ulrich Häde, Europa-Universität Viadrina
Frankfurt (Oder)

– Klaus Regling, Europäischen Finanzstabilisierungs-
fazilität (EFSF)

– Prof. Dr. Christian Calliess, Freie Universität Berlin

– Prof. Dr. Marcel Kaufmann, Freshfields Bruckhaus
Deringer LLP

– Prof. Dr. Henrik Enderlein, Hertie School of Governance

– Prof. Dr. Claudia Buch, Institut für Angewandte Wirt-
schaftsforschung e. V. (IAW)

– Dr. Silke Tober, Institut für Makroökonomie und Kon-
junkturforschung (IMK)

– Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Siekmann, Institute for Mone-
tary and Financial Stability

– Prof. Dr. Andreas Fisahn, Universität Bielefeld

– Prof. Dr. Franz C. Mayer, LL.M., Universität Bielefeld

– Prof. Dr. Christoph Herrmann, LL.M., Universität
Passau

– Prof. Dr. Peter Bofinger, Universität Würzburg

– Prof. Dr. Lars P. Feld, Walter Eucken Institut e. V.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die folgende Entschließung angenommen:

– PD Dr. Friedrich Heinemann, Zentrum für Europäische
Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW).

Drucksache 17/10171 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen
sind in den Ausschussdrucksachen 17(8)4422 und
17(8)Zu_4422 zusammengestellt. Einzelheiten sind dem
stenografischen Protokoll der Anhörung zu entnehmen
(Protokoll Nummer 17/88).

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 94. Sitzung am 27. Juni
2012 die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 17/9046 und
17/9667 sowie den Antrag auf Drucksache 17/9147 ab-
schließend beraten.

Aus Sicht der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
FDP sind der Fiskalvertrag und der dauerhafte Europäische
Stabilitätsmechanismus (ESM) fundamentale Bausteine
einer neuen europäischen Stabilitätsarchitektur, die auf Soli-
dität, Wettbewerbsfähigkeit und Solidarität ausgerichtet ist.
Der am 2. März 2012 unterzeichnete Fiskalvertrag verstärke
das rechtliche Fundament der Wirtschafts- und Währungs-
union. Er verbessere die Solidität öffentlicher Haushalte und
ermögliche eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinie-
rung und Steuerung. Mit dem Fiskalvertrag werde das Fun-
dament für eine nachhaltige Stabilitätsunion mit dauerhafter
Haushaltsdisziplin und gesunden öffentlichen Finanzen ge-
legt.

Als wesentliche Regelung des Vertrages gilt nach Ansicht
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP die Verpflichtung
aller unterzeichnenden Staaten, eine Schuldenbremse in ihre
nationalen Rechtsordnungen zu implementieren. Die Um-
setzung der Vorgaben für innerstaatliche Schuldenbremsen
werde durch ein sanktionsbewehrtes Klageverfahren beim
Europäischen Gerichtshof sichergestellt. Darüber hinaus
würden zukünftig Verfahren bei einem übermäßigen Defizit
bei Überschreitung des Defizitkriteriums quasi automati-
siert eingeleitet und durchgeführt. Mitgliedstaaten, die sich
in einem Defizitverfahren befänden, müssten ein Haushalts-
und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm mit konkreten
Strukturreformen auflegen, das von Rat und Europäischer
Kommission genehmigt und überwacht werde.

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP betonten, durch den
Fiskalvertrag werde dem Grundprinzip Rechnung getragen,
dass Solidarität und Solidität Hand in Hand gehen müssten.
Die Gewährung von Hilfen aus dem künftigen Europä-
ischen Stabilitätsmechanismus ESM könne – nach Ablauf
der entsprechenden Fristen – nur erwarten, wer den Fiskal-
vertrag ratifiziere und eine nationale Schuldenbremse einge-
führt habe.

Die Koalitionsfraktionen hoben weiter hervor, dass beide
Verträge deshalb auch als Einheit zu betrachten seien, wes-
halb die Koalition stets darauf bestanden habe, dass beide
Verträge gemeinsam ratifiziert werden. Dieses Ziel hätten
die Koalitionsfraktionen entgegen vielfältiger Verzöge-
rungs- und Abspaltungsversuche der Opposition insbeson-
dere auch in dem Bewusstsein vorangetrieben, dass dem
deutschen Vorgehen Modellcharakter zukomme und es von
der ganzen Euro-Zone sehr genau beobachtet werden würde.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung
vom 19. Juni 2012 (2 BvE 4/11) klargestellt, dass es sich bei
völkerrechtlichen Verträgen um eine Angelegenheit der
Europäischen Union im Sinne von Artikel 23 Absatz 2 GG
handele, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen be-

Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und
Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Euro-
päischen Union (EUZBBG) einschlägig. Mit dem Fiskal-
vertragsratifizierungsgesetz würden einem interfraktionel-
len Konsens mit Ausnahme der Fraktion DIE LINKE. ent-
sprechend erste Anpassungen des EUZBBG aufgrund des
Urteils vorgenommen. Es bestehe darüber hinaus zwischen
den Fraktionen Einigkeit darüber, bis zum Ende des Jahres
2012 eine Überarbeitung des EUZBBG abzuschließen.

Da es sich beim Fiskalvertrag um eine Angelegenheit der
Europäischen Union im Sinne von Artikel 23 Absatz 2 GG
handele, werde im Gesetz zudem klargestellt, dass die Be-
stimmungen des Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen
Union (EUZBLG) Anwendung fänden. Im Rahmen des
Fiskalvertrags werde ferner die Bedeutung der Eurogipfel
unterstrichen und zugleich festgelegt, dass auf deren Vorbe-
reitung die Bestimmungen über Tagungen des Europäischen
Rates entsprechend anzuwenden seien.

Die Fraktion der SPD kritisierte zunächst das Zustande-
kommen des Fiskalvertrags als völkerrechtlichen Vertrag.
Wenn schon eine Einigung im Wege der Primärrechtsände-
rung nicht möglich gewesen sei, wäre doch eine Regelung
im Rahmen des europäischen Sekundärrechts zu bevorzu-
gen gewesen. Einerseits sei der Vertrag in seiner jetzigen
Konstruktion weniger wirkungsvoll, da lediglich die Ein-
führung von nationalen Schuldenregeln vorgeschrieben, die
Einhaltung dieser selbst gewählten nationalen Regeln durch
den Vertrag aber nicht sichergestellt werde. Andererseits
müsse das Zustandekommen des Vertrages aus nationaler
Perspektive kritisiert werden. Wie beim ESM habe es die
Bundesregierung auch bei diesen Verhandlungen versäumt,
die nationalen Gesetzgeber rechtzeitig und umfassend ein-
zubeziehen.

Zusätzlich sei es aufgrund von Versäumnissen innerhalb der
Bundesregierung zu einer völkervertragsrechtlichen Rege-
lung gekommen, die die nationale verfassungsrechtliche
Schuldenregel konterkariere. Während als Ergebnis der
Föderalismuskommission II eine Schuldenregel in Höhe
von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den
Bund ab 2016 und eine Nullverschuldungsregel für die Län-
der ab 2020 eingeführt worden sei, entstehe durch den
neuen Vertrag eine nun gesamtstaatliche Begrenzung des
strukturellen Defizits in Höhe von 0,5 Prozent des BIP
bereits ab 2014. Wenn die Bundesregierung solche weit
reichenden Vertragsverhandlungen auf zwischenstaatlicher
Ebene führe, müsse sie die nationalen Haushaltsgesetzgeber
nicht nur informieren, sondern in die Verhandlungen mit
einbeziehen. Dass die Bundesregierung in ihrem Vorgehen
in eklatanter Weise gegen das Grundgesetz verstoßen habe,
sei ihr am 19. Juni 2012 durch das Bundesverfassungsge-
richt bescheinigt worden.

Für die im Nachgang dieses Vertrages noch bevorstehende
nationale Umsetzung in deutsches Recht unter Beachtung
der allgemeinen Grundsätze der EU-Kommission verwies
die Fraktion der SPD auf ihren Vorschlag zur Errichtung
eines Nationalen Rates für Haushalt und Finanzpolitik, der
gemeinsam von Bundestag und Bundesrat getragen werden
solle. Anders als die bisher diskutierten einfachgesetzlichen
sonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen
Union stünden. Damit sei auch für den Fiskalvertrag das

Änderungsvorschläge der Bundesregierung würde dieser
Rat den Anforderungen des Fiskalvertrags entsprechen, da

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10171

er sowohl unabhängig als auch funktional autonom sei. Er
setze die Haushaltsgesetzgeber wieder in die Lage, seine
Rolle angemessen wahrnehmen zu können.

Die Fraktion DIE LINKE. wies darauf hin, dass sich die
Finanzkrise im Euro-Raum und in der Europäischen Union
(EU) weiter verschärfe. Spanien und Zypern hätten Kredite
aus dem sogenannten Euro-Rettungsfonds EFSF (Europä-
ische Finanzstabilisierungsfazilität) zur Stützung der maroden
Bankensektoren beantragt, Italiens Wirtschaft sei im ersten
Quartal 2012 eingebrochen, die soziale und ökonomische
Situation Griechenlands bleibe dramatisch. Dies zeige, dass
die Euro-Krise längst nicht überwunden und der von den
Euro-Raum- und EU-Regierungen eingeschlagene Weg der
rigiden Spar- und Kürzungspolitik gescheitert sei. Die Aus-
teritätspolitik habe Europa nicht stabilisiert – sie gefährde
zunehmend die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Um die nicht nur im südlichen Euro-Raum drohende Re-
zession abzuwenden und die Finanzkrise zu überwinden,
benötige Europa anstatt immer neuer Sparprogramme nach-
haltige Wachstumsprogramme, eine effektive Regulierung
der Finanzmärkte und eine umfassende Reform der Staatsfi-
nanzierung. Auf dem informellen Vierergipfel am 22. Juni
2012 in Rom hätten die Staatschefs aus Deutschland, Frank-
reich, Italien und Spanien zwar einen Wachstumspaket ins
Auge gefasst, doch habe insbesondere die Bundesregierung
notwendige tief greifende Kurskorrekturen abgelehnt.

Die Fraktion DIE LINKE. führte weiter aus, dass die Bun-
desregierung, welche den Austeritätskurs in Euro-Raum
und EU vorangetrieben habe, international in der Kritik
stehe, aber dennoch mit dem von ihr initiierten Fiskalver-
trag an diesem Kurs festhalte. Der Vertrag verpflichte die
Unterzeichnerstaaten zur Einführung nationaler Schulden-
bremsen und zur Befolgung strenger Schuldenabbauregeln.
Er sehe automatisch greifende Sanktionen bei Regelverstö-
ßen vor und verletze die Haushaltssouveränität der Staaten.
Die strikten fiskalpolitischen Regeln führten europaweit zu
einem beschleunigten Staats- und Sozialabbau, sie höhlten
Arbeitnehmerrechte aus, machten eine aktive antizyklische
Konjunkturpolitik unmöglich, hemmten das Wachstum und
vertieften das sozioökonomische Gefälle zwischen den Mit-
gliedsländern weiter. Der Fiskalvertrag solle den Austeri-
tätskurs nicht nur fortsetzen, sondern verschärfen, vertrag-
lich bindend festschreiben und unumkehrbar machen.

Die Fraktion DIE LINKE. erinnerte daran, dass in den ver-
gangenen Wochen die Bundesregierung und die Koalitions-
fraktionen in Verhandlungsrunden mit den Spitzen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den
Bundesländern versucht hätten, die notwendige Zweidrittel-
mehrheit für die Ratifizierung des Fiskalvertrags in Bundes-
tag und Bundesrat sicherzustellen. Ein „Pakt für nachhal-
tiges Wachstum und Beschäftigung“, der den Fiskalvertrag
ergänzen soll, sei am 21. Juni 2012 von der Bundesregierung
und den Fraktionsspitzen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschlossen worden. Dieser enthalte den Be-
schluss, eine Finanztransaktionssteuer über den Weg der
Verstärkten Zusammenarbeit nach Artikel 326 ff. des Ver-
trags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) einzuführen. Die darüber hinaus vereinbarten Maß-
nahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung

gleichen. Die am 24. Juni 2012 getroffene Einigung mit den
Ministerpräsidenten enthalte zwar Zugeständnisse an Länder
und Kommunen, die durch den Fiskalvertrag zusätzlich un-
ter Druck gerieten, da die Vorgaben des Vertrags zu Neuver-
schuldung und Schuldenabbau strenger seien und schneller
griffen als die deutsche Schuldenbremse. Die Zusagen der
Bundesregierung sind nach Auffassung der Fraktion DIE
LINKE. jedoch nicht ausreichend. Die Länder und Kommu-
nen würden in den kommenden Jahren erhebliche Ein-
schnitte in ihren Leistungen vornehmen und bei öffentlichen
Infrastrukturen und Dienstleistungen weiter kürzen müssen.

Die im „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäfti-
gung“ (Pakt) ausgehandelten Maßnahmen setzten nur an
den Symptomen an. Die Einführung der jahrelang von
Finanzexperten und sozialen Bewegungen geforderten
Finanztransaktionssteuer sei zwar sinnvoll – die erzielbaren
Einnahmen aus dieser Steuer reichten jedoch nicht als Ge-
genfinanzierung zur Haushaltskonsolidierung aus. Zusätz-
lich zur – richtigen – Finanztransaktionssteuer müssten Ver-
mögensabgabe und Millionärssteuer zur Krisenfinanzierung
eingeführt werden. Die im Pakt geforderten Maßnahmen
zur Regulierung des Finanzsektors wiesen zwar in die rich-
tige Richtung, blieben aber viel zu unbestimmt. Auch die
weiteren Maßnahmen des Pakts zur Förderung von Wachs-
tum und Beschäftigung wie die Aufstockung des Eigenkapi-
tals der Europäischen Investitionsbank um 10 Mrd. Euro
oder die Nutzung nicht abgerufener Strukturfondsmittel für
Wachstumsinvestitionen könnten die negativen wirtschaft-
lichen und sozialen Folgen der Austeritätspolitik nicht abfe-
dern. Das „Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit“,
das aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert werden
solle, werde finanziell nicht unterfüttert und setze nicht an
den strukturellen Ursachen von Jugendarbeitslosigkeit und
Arbeitslosigkeit insgesamt an.

Der Fiskalvertrag verletze grundlegende Prinzipien der De-
mokratie in Deutschland und Europa, da er die Entschei-
dungsspielräume der nationalen Parlamente in der zentralen
Frage der Haushaltsgestaltung unzulässig einschränke und
das Budgetrecht im Ergebnis außer Kraft setze, wenn ein
Staat die Defizit- und Schuldenabbauregeln verfehlt. Der
Fiskalvertrag verstoße gegen das deutsche Grundgesetz.
Eine Schuldenbremse sei nicht nur unvereinbar mit dem De-
mokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 2 GG, aus dem die
demokratische Budgetverantwortung des jeweiligen Bun-
destags folge. Eine Aufhebung oder Änderung dieser Be-
stimmungen durch den deutschen Verfassungsgeber solle
durch den Fiskalvertrag dauerhaft unmöglich gemacht wer-
den. Das Ratifizierungsgesetz zum Fiskalvertrag verstoße
damit auch gegen die Ewigkeitsgarantie des Artikels 79 Ab-
satz 3 GG.

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. sei die wichtigste
Ursache für die sich weiter verschlechternde Lage in den
sogenannten Krisenstaaten des Euro-Raums und für die EU-
weit wachsende Rezessionsgefahr die einseitig auf Aus-
gabenkürzungen und marktradikale Strukturreformen aus-
gerichtete Politik. An den tiefer liegenden Ursachen der Krise
– makroökonomische Ungleichgewichte vor allem im Euro-
Raum, die fehlende wirtschafts- und finanzpolitische Koor-
dination in der EU zur Vermeidung von Lohn-, Steuer- und
Sozialdumping sowie Deregulierung und Liberalisierung der
reichten jedoch bei weitem nicht aus, um die negativen öko-
nomischen und sozialen Folgen des Fiskalvertrags auszu-

Finanzmärkte – sei nicht angesetzt worden. Ebenso seien
Maßnahmen unterblieben, um die Verursacher und Nutznie-

Drucksache 17/10171 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ßer der Krise durch Abgaben und Steuern an den Krisenkos-
ten zu beteiligen sowie die Spekulation der Finanzmarktak-
teure gegen Staaten durch eine Reregulierung des Finanz-
sektors zu beenden. Stattdessen sei die Staatsverschuldung,
die nach milliardenschweren Bankenrettungsprogrammen
europaweit angestiegen war, zur Krisenursache erklärt wor-
den. Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. sei ausgehend
von dieser falschen – vor allem auch von der Bundesregie-
rung durchgesetzten – Analyse eine Austeritätspolitik zur
sogenannten Haushaltskonsolidierung durchgesetzt worden.
Die in den Krisenjahren gestarteten Konjunkturprogramme
seien zurückgefahren worden. Doch die rigiden Sparpro-
gramme der öffentlichen Hand, die Kürzung von Sozialleis-
tungen und Stellenabbau im öffentlichen Dienst sowie die
Anhebung von Verbrauchssteuern würgten Binnenkonjunk-
turen ab und führten zu einem starken Anstieg der Arbeitslo-
sigkeit vor allem unter jungen Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern sowie zu wachsender sozialer Ungleichheit und
Armut. Im Zuge marktradikaler Strukturreformen würden
Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt und Menschen zunehmend
in prekäre Beschäftigungsverhältnisse abgedrängt. Die nega-
tiven sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieser Politik
zeigten sich insbesondere in den Ländern, die die Kredite aus
der EFSF in Anspruch genommen hätten: Aufgrund der
Spar- und Reformdiktate sei beispielsweise die griechische
Wirtschaft seit 2009 um fast ein Fünftel eingebrochen und
gleichzeitig die Staatsverschuldung angestiegen.

Der Fiskalvertrag werde weder die Euro-Krise lösen noch
zu mehr Stabilität in Euro-Raum und EU führen, sondern
Krise und Instabilität im Gegenteil weiter verschärfen. Die
tiefer liegenden Ursachen der Krise würden im Vertragstext
nicht einmal angesprochen und dementsprechend keine
wirksamen Instrumente zu ihrer Überwindung angeboten.
Vor diesem Hintergrund werde die strikte Kürzungspolitik,
zu dem die Vertragsstaaten durch Schuldenbremsen und
Schuldenabbauregeln gezwungen seien, die Wirtschaftsent-
wicklung hemmen, da der Staats- und Sozialabbau sich ne-
gativ auf die Binnennachfrage auswirke. Durch die Kür-
zungspolitik wüchsen die wirtschaftlichen Ungleichge-
wichte in Euro-Raum und EU. Die Euro-Krise werde durch
den Fiskalvertrag weiter verschärft. Da den Staaten unter
den Bedingungen des Fiskalvertrags die Möglichkeiten ei-
ner aktiven antizyklischen Konjunkturpolitik genommen
würden, würden Rezessionsphasen länger anhalten und
schärfer ausfallen.

Der Fiskalvertrag bedrohe die Sozialstaatlichkeit in den
Mitgliedstaaten und das Europäische Sozialmodell. Der
Vertrag sehe keine Maßnahmen zur Beseitigung des Steuer-,
Lohn- und Sozialdumpings vor. Die neuen haushaltspoliti-
schen Regelungen würden die Mitgliedstaaten zu verschärf-
tem Sozialabbau, Privatisierung staatlichen Eigentums und
einem Abbau öffentlicher Leistungen zwingen. Allein die
Euro-Staaten, die aufgrund der Finanzkrise und der Banken-
rettung meist Schuldenstände von über 60 Prozent des Brut-
toinlandsprodukts aufwiesen, müssten in den nächsten fünf
Jahren über 1,5 Bio. Euro kürzen. Der damit einhergehende
Angriff auf Löhne und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst,
die Kürzung von Renten und Sozialleistungen sowie die
flächendeckenden Privatisierungen und der wachsende

Druck auf Arbeitnehmerrechte und Tarife in der Privatwirt-
schaft würden zum Anstieg von Arbeitslosigkeit, Armut
und sozialer Unsicherheit führen.

Die Konstruktion des Vertrags als völkerrechtlicher Vertrag
außerhalb des Rechtsrahmens der EU, an dem nicht alle
Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind, die vertragliche Fest-
schreibung von Euro-Gipfeln mit privilegierter Stellung der
Euro-Staaten gegenüber den anderen Vertragsstaaten und
die Ernennung eines Präsidenten der Euro-Gruppe vertief-
ten die Spaltung der EU. Der Vertrag bedeute zugleich einen
Verstoß gegen das geltende EU-Recht, weil es zentrale Or-
gane der EU ohne Zustimmung ihrer Mitgliedstaaten par-
tiell einem anderen Rechtsrahmen als dem der EU-Verträge
unterwerfen wolle. Damit werde die Rechtstaatlichkeit der
EU ein weiteres Mal in Frage gestellt. Der Fiskalvertrag sei
eine Gefahr für den gesamten europäischen Integrationspro-
zess.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte fest,
dass durch ihre erfolgreiche Klage vor dem Bundesverfas-
sungsgericht die Umgehung des Deutschen Bundestages be-
endet und eine Stärkung seiner Beteiligungs- und Informa-
tionsrechte erreicht worden sei. Dies bedeute einen Sieg für
die Demokratie in Deutschland und Europa und sei außeror-
dentlich zu begrüßen.

Man habe sich in den Verhandlungen über den Fiskalvertrag
mit der Bundesregierung erfolgreich dafür eingesetzt, den
Vertrag um wachstumsfördernde Elemente zu ergänzen.
Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung sei nach Ansicht
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtig und
wichtig, gleichzeitig müssten aber auch Bedingungen ge-
schaffen werden, die den Ländern durch wachsende Einnah-
men tatsächlich helfen, sich aus den Schulden zu befreien.
So beinhalte der ausgehandelte Pakt für nachhaltiges
Wachstum und Beschäftigung ein Investitionsprogramm mit
Schwerpunkten auf ökologischer Modernisierung und Maß-
nahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Die
Bundesregierung sei damit von ihrem falschen und einseiti-
gen Kürzungs- und Sparkurs abgerückt. Mit dem Bekennt-
nis zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer sei ein
Etappensieg geglückt, der eine Wende in der Steuerpolitik
einleite und die Finanzmärkte an den Kosten der Krise be-
teilige.

In anderen Punkten habe sich die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN nicht mit der Bundesregierung einigen kön-
nen. Kritisiert werde somit weiterhin, dass die Bundesregie-
rung nicht bereit sei, wirksame Maßnahmen gegen den
Zinsdruck in Krisenländern – wie einen Altschuldentil-
gungsfonds nach dem Vorschlag des Sachverständigenra-
tes zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
lung – auf den Weg zu bringen. Damit verhindere die Bun-
desregierung wichtige Schritte zur Lösung der Krise. Gefor-
dert werde außerdem die Schaffung einer europäischen
Bankenunion mit europäischer Aufsicht, gemeinsamem
Einlagensicherungssystem und einem Banken-Restrukturie-
rungsfonds, um die Kapitalflucht aus dem Süden zu been-
den und die unselige Verquickung zwischen Banken- und
Staatsschuldenkrise zu durchbrechen. Eine weitergehende

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10171
Integration im Bereich der Wirtschafts-, Haushalts-, Steuer-
und Sozialpolitik auf europäischer Ebene sei unerlässlich,
um die erdrückenden Probleme nachhaltig zu lösen.

Als Ergebnis der Beratungen hat der Haushaltsauschuss mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. und bei Stimmenthaltung von drei Mitglie-
dern der Fraktion der SPD den Änderungsantrag der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 17(8)4546 angenom-
men.

Er beschloss weiter, den Änderungsantrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache
17(8)4506 für erledigt zu erklären.

Sodann beschloss der Haushaltsausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. und drei Stimmen aus der Fraktion der SPD, dem
Deutschen Bundestag die Annahme des Gesetzentwurfs auf
Drucksache 17/9046 in der Fassung des Änderungsantrags
auf Ausschussdrucksache 17(8)4546 zu empfehlen.

Der Haushaltsausschuss beschloss darüber hinaus die
Empfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf
Drucksache 17/9667 für erledigt zu erklären.

Die Mitteilung der Kommission, Gemeinsame Grundsätze
für nationale fiskalpolitische Korrekturmechanismen,
KOM(2012) 342 endg., nahm der Haushaltsausschuss zur
Kenntnis.

Der Haushaltsausschuss beschloss mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.,
dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag der
Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 17/9147 abzulehnen.

B. Besonderer Teil

Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird – soweit
sie im Verlauf der Ausschussberatungen nicht geändert wur-
den – auf die Gesetzentwürfe verwiesen.

Zu Buchstabe a

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 19. Juni 2012 (2 BvE 4/11) klargestellt, dass es sich bei
völkerrechtlichen Verträgen um eine Angelegenheit der Eu-
ropäischen Union im Sinne von § 23 Absatz 2 GG handelt,
wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen Näheverhält-
nis zum Recht der Europäischen Union stehen. Damit ist für
diese völkerrechtlichen Verträge, unter anderem den Vertrag
vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steu-
erung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalver-
trag), das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundes-
regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union (EUZBBG) einschlägig.

Zu Nummer 1 (Artikel 2 und 3)

Zu Artikel 2 Nummer 1 (Änderung § 3 EUZBBG)

Zu Buchstabe a (Ergänzung § 3 Absatz 1 EUZBBG)

Die Anfügung der neuen Nummer 15 an die exemplarische
Aufzählung von Vorhaben der Europäischen Union in § 3
Absatz 1 EUZBBG legt fest, dass bereits Entwürfe zu völ-
kerrechtlichen Verträgen und sonstigen Vereinbarungen als
Vorhaben der Europäischen Union zu qualifizieren sind,
wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen
Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen.
Damit wird klargestellt, dass die Mitwirkungs- und Unter-
richtungsrechte des Deutschen Bundestages nach dem
EUZBBG bereits bei den Verhandlungen über solche völ-
kerrechtlichen Verträge Anwendung finden.

Durch die neue Nummer 16 wird klargestellt, dass die Mit-
wirkungs- und Unterrichtungsrechte des Deutschen Bundes-
tages gemäß EUZBBG auch die Anwendung des Fiskalver-
trags umfassen. Gleiches gilt für die Anwendung sonstiger,
völkerrechtlicher Verträge und Vereinbarungen, die die
Wirtschafts- und Währungsunion betreffen.

Zu Buchstabe b (Einfügung eines § 3 Absatz 3 EUZBBG)

Der neue § 3 Absatz 3 EUZBBG stellt klar, dass die Unter-
richtungspflichten der Bundesregierung gemäß EUZBBG
insbesondere auch für die Euro-Gruppe, Euro-Gipfel und
Treffen der Mitgliedstaaten im Rahmen der in § 3 Absatz 1
Nummer 15 und 16 niedergelegten intergouvernementalen
Vereinbarungen und Formate gelten. Ausdrücklich sind
diesbezüglich auch alle Arbeitsgruppen und Ausschüsse er-
fasst, die zur Vorbereitung der genannten Treffen und Sit-
zungen dienen.

Zu Artikel 2 Nummer 2 (Änderung § 5 Absatz 4
EUZBBG)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
vom 19. Juni 2012 festgestellt, dass aus dem mit der Unter-
richtung des Bundestages verfolgten Zweck des Artikel 23
Absatz 2 Satz 2 GG folgt, dass die Unterrichtung durch die
Bundesregierung grundsätzlich schriftlich zu erfolgen hat.
Die Streichung in § 5 Absatz 4 EUZBBG stellt klar, dass
dieses grundsätzliche Schrifterfordernis auch für die Unter-
richtung über Sitzungen der Euro-Gruppe sowie des Wirt-
schafts- und Finanzausschusses gilt.

Zu Artikel 3

Da es sich beim Fiskalvertrag um eine Angelegenheit der
Europäischen Union im Sinne von Artikel 23 Absatz 2 GG
handelt, wird klargestellt, dass die Bestimmungen des Ge-
setzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in
Angelegenheiten der Europäischen Union Anwendung fin-
den. Es wird die Bedeutung der Euro-Gipfel im Rahmen des
Fiskalvertrags unterstrichen und zugleich festgelegt, dass
auf deren Vorbereitung die Bestimmungen über Tagungen
des Europäischen Rates entsprechend anzuwenden sind.

Drucksache 17/10171 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

H. Heene
ese
Zu Nummer 2

Die Nummerierung wird entsprechend angepasst.

Die beschlossenen Änderungen haben keine finanziellen
Auswirkungen.

Berlin, den 27. Juni 2012

Norbert Barthle
Berichterstatter

Carsten Schneider (Erfurt)
Berichterstatter

Otto Fricke
Berichterstatter

Dr. Gesine Lötzsch
Berichterstatterin

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin
mann

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.